- Andi´s Arbeitsprotokoll
gibt´s HIER -
(eine wirklich seeehr ausführliche
Statistik)
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Tag für Tag stehen Zeilen in der WAZ,
die aus meiner Feder stammen – na ja, zumindest fast jeden Tag. Auf dieser
Seite kann ich Euch natürlich nicht alle Artikel präsentieren;
schließlich erscheinen pro Monat im Durchschnitt 4000 Zeilen von
mir, das macht über 240.000 Zeilen in den letzten Jahren!
Da in der Sportredaktion sehr viel Alltagsarbeit
anfällt, wie zum Beispiel „normale“ Vorberichte, Kurzmeldungen, „normale“
Spielberichte, habe ich mich dafür entschieden, an dieser Stelle meine
große Reportagen und Porträts zur Verfügung zu stellen
– und mein tägliches Brot nur an ein/zwei Beispiel darzustellen.
Viel Spaß beim Schmökern!
Noch eine Anmerkung: Im Online-Archiv
der WAZ stehen die Texte nur ab Januar 1999. Alle Texte, die ich für
die WAZ zwischen August 1996 und Dezember 1998 verfasst habe, müsste
ich mühsam abtippen. Das werde ich erst nach und nach erledigen.
Foto-Kollege Köhring und der Andi bei Vatan Spor im August 2003
Im Rahmen meiner Tätigkeit für die WAZ/NRZ-Sportredaktion Mülheim bereiste ich einige Sportplätze des Ruhrgebiets mit Bus und Bahn... meine Erfahrungen habe ich auf der Seite "1000 Tipps für Auswärtsspiele" zusammengefasst. Klickt mal drauf!
21.8.1999Ein verlorener Sohn,
der nie weg war
Ex-Profi Michael Klauß wieder
bei Union 09
Treffpunkt 20 Uhr, Klubhaus
des TuS Union 09. Michael Klauß ordert an der Theke eine Spezi und
hockt sich beschwingt in die Ecke. Der Ex-Profi kommt nicht eben wie Absteiger
daher, wenngleich er mittlerweile tief unten in der Landesliga kickt.
Das ist er also. 28 Jahre
alt, sieht noch jung aus, hat sich gut gehalten für so viele Fußball-Jahre.
1977fing er bei Union 09 an, machte weiter in der Jugend des MSV Duisburg
und bei Bayer Uerdingen. Dort wurde er Deutscher B-Jugend-Meister und bestritt
einige Jugend-Länderspiele. Mit Uerdingen und dem VfL Bochum kickte
er in der Bundesliga, zwischendurch ein halbes Jahr in St. Pauli eine Klasse
tiefer. Es folgten ein paar Jahre in der Regional- (Wuppertal, Darmstadt)
und Oberliga (Oberhausen, Wegberg-Beeck). Laut Statistik spielt ein durchschnittlicher
Profi vier Jahre in der Bundesliga. Das habe ich, schmunzelt er. Und jetzt
die Rückkehr des verlorenen Sohnes?
Michael nimmt einen Schluck
von der Spezi und lächelt: „Ich verstehe das nicht. Wieso verloren?
Eigentlich war ich doch nie richtig weg.“ Obwohl er in der Bundesliga spielte
die Abschlussfahrten mit seinen Kameraden von Union ließ er sich
nicht nehmen, wobei durch seinen Vater Heinz als Fußball-Obmann der
Kontakt sowieso blieb.
Trotzdem: Reichlich komisch,
dass Michael im besten Fußball-Alter trotz der Erfahrung von 50 Bundesliga-Partien
jetzt in der sechsten Liga spielt. Es war ein Tribut an meine Familie
dieser Satz fasst die Gründe zusammen. Jahrelang mussten Frau Silke,
die Kinder Christen (4) und Charlyn (1) sowie Golden Retriever Sally auf
ihn verzichten. Während seiner Profi-Zeit holte er das Abi nach, wurde
danach per Fernstudium Diplom-Sportökonom und hat nun einen Job in
Mönchengladbach. Er stand vor der Wahl: „Entweder noch einmal angreifen
und zwei, drei Jahre in der 2. Bundesliga die große Kohle abkassieren,
wobei so groß wäre die gar nicht gewesen, oder zurückkehren
zu Union und mehr Zeit für die Familie haben.“ Die Wahl traf er schnell.
Fußball war nie sein Ein und Alles.
In der Landesliga sei es
sowieso spaßiger. Er weiß, dass er an seiner Erfahrung gemessen
wird und sein Klub nicht zuletzt wegen ihm zu den Aufstiegsaspiranten zählt:
„Das macht mir nix aus. Wer verlangt, dass ich in jedem Spiel zwei Tore
schieße, hat noch nie selbst Fußball gespielt.“
Der Rückblick auf die
Profi-Zeit positiv, aber mit Distanz. Ich habe alles erlebt, in den
schönsten Stadien gespielt. Für den internationalen Fußball
war ich letztendlich nicht gut genug. Realistisch ist er geblieben und
nie abgehoben. Deswegen jucken ihm heute nicht die Füße, wenn
er die ehemaligen Mitstreiter im Fernsehen sieht. Zu Dariusz Wosz hielt
er den Kontakt ein paar Jahre aufrecht. Der war aber nicht die größte
Granate, mit der ich zusammengespielt habe. „Die war Brian Laudrup in Uerdingen.“
Was er viel mehr behalten
hat als seine Teamkollegen, sind die Trainer. In diesem Bereich liegt seine
Zukunft. Die B-Lizenz hat er erworben. Die reicht ihm. Die A-Lizenz wäre
zu professionell (Ich will ja nicht in Verlegenheit kommen). In zwei oder
drei Jahren schon möchte er einsteigen, wenn möglich bei Union.
Hängengeblieben sind in seinem Gedächtnis Trainer wie Werner
Fuchs („leider viel zu früh verstorben“) oder Jürgen Gelsdorf
(„der hatte so eine natürliche Autorität“). Ja, autoritär
müsse ein Trainer sein, meint Michael Klauß. Aber fair.
Nicht nur der Trainerjob
reizt ihn. Als Sport-Ökonom hat er auch von Management eine Menge
Ahnung. Natürlich schüttelt er den Kopf, wenn er sieht, dass
Mülheim in Sachen Fußball im Ruhrgebiet ganz hinten liegt: „Es
ist doch ein tolles Ziel, in einer Stadt wie Mülheim, die viele Fußball-Begeisterte
hat, einmal Oberliga-Fußball zu präsentieren.“ Er selbst ist
waschechter Mülheimer. Apropos waschen: „Die Umkleidekabinen an der
Südstraße sehen noch genauso aus wie vor 15 Jahren. Aber dafür
ist ja kein Geld da.“ Vielleicht besorgt er es ja, irgendwann.
Anderthalb Stunden später,
viel hat Michael Klauß erzählt. Zum Glück hatte er eine
große Spezi bestellt.
Draußen bedecken
die ersten Schneeflocken den Bürgersteig, im kuschelig-warmen Haus
plaudert Nathalie Christian mal leidenschaftlich, mal verlegen über
ihr liebstes Hobby Ski fahren.
Hobby? Ist Ski fahren für
Nathalie wirklich nur ein Hobby? Wohl kaum. Zur Schule gehen in Mülheim,
über die Piste brettern in Stilfserjoch/Italien eine vereinbare
Kombination?
Nathalie schmunzelt. Um
ihren Hals baumeln ein paar gewonnene Medaillen, die sie sich für
den Fototermin umhing. 18 Jahre ist sie alt und sieht mit ihren blonden
Haaren ein wenig aus wie eine Schauspielerin aus den Willy-Bogner-Filmen.
Im normalen Leben werkelt sie am Gymnasium Broich an ihrem Abi. Die meisten
Lehrer unterstützen Nathalies Hobby. Seit Ende August sieht ihr Wochenend-Programm
so aus: Freitags nach der Schule geht es ab nach Italien. Von Samstag bis
Montagabend wird trainiert, insgesamt sieben Stunden pro Tag, dann fährt
sie mit dem Zug zurück nach Mülheim. Also nichts ist es mit wilden
Ski-Partys oder Erholung im Schnee. „Meistens bin ich um 21 Uhr im Bett,
nur selten um 23 Uhr“, berichtet Nathalie. Von Dienstag bis Freitag wird
in Mülheim weiter trainiert: Mit Joggen, Schwimmen, Krafttraining
und Rad fahren hält sie sich fit. Und nebenbei geht sie noch zur Schule.
Wegen des ganzen Stresses schafft sie wahrscheinlich nur einen Notendurchschnitt
von 2,2...
Nathalie startet für
den Ski-Klub Mülheim (den gibt es wirklich) und wird trainiert von
Christian Flühr. Die Begeisterung für den weißen Sport
wurde ihr in die Wiege gelegt: Mit 16 Monaten habe ich zum ersten Mal auf
Skiern gestanden. Als sie 15 war, folgte die erste Ausbildung zur Skilehrerin,
ein Jahr später die zweite. Während dieser Schulung kam die Eingebung,
auch Rennen fahren zu wollen. In diesem Jahr startet sie bei einigen Wettbewerben
der FIS-Reihe und möchte Punkte für den Deutschen Ski-Verband
holen. Höhepunkt ist die 24-Stunden-EM in Ims in anderthalb Wochen.
Einen Tag lang rauf und runter, ohne Pause. „Wer die meisten Runden gedreht
hat, gewinnt. Nur zehn Frauen aus Europa nehmen teil. Die Anderen tun sich
das nicht an.“ Nathalie kennt keine Grenzen, ist aber schon tierisch nervös.
Die Nase voll vom Ski fahren
hat sie nicht. In zwei Monaten will Nathalie einen Weltrekord aufstellen
48 Stunden nonstop auf den Brettern stehen. Nach dem Abi ist ein Studium
angesagt. Irgendwas mit Sport, na klar, auf jeden Fall in Österreich.
Dann kann sie nebenbei als Skilehrerin arbeiten und hat's zum Training
nicht weit. Draußen schneit es. Genug geplaudert. Nathalie denkt
an ihr Privatleben. Ja, das hat sie auch noch.
Andreas Ernst
Von Andreas Ernst
Wenn Uwe Schumann mit
seiner Familie in diesem Jahr unter dem Weihnachtsbaum Geschenke verteilt,
sitzt ein besonderer Gast mit am Gabentisch: Der in Mülheim wohnende
armenische Tennis-Profi Sargis Sargsian ist dabei.
Weihnachten, Fest der Liebe,
die Kerzen auf den Tannenbäumen erhellen die dunklen Straßen.
Auch die Wohnung von Uwe, Anette, Felix und Tom Schumann ist geschmückt.
Es klingelt an der Tür. Nein, der Weihnachtsmann ist es nicht. Der
kommt ja erst am 24. Dezember. Felix Schumann (4) stürmt das Treppenhaus
hinab, Tom (11 Monate) liegt in den Armen von Papa Uwe, dem Teamchef des
Tennis-Bundesligisten Kahlenberger HTC. Felix springt in die auffangbereiten
Arme von Sargis Sargsian. Seit ein paar Wochen wohnt der 27-Jährige
in einem Saarner Appartement, nicht weit vom KHTC-Gelände entfernt.
Ein freundliches „Hello“ ertönt, ab sofort wird Englisch geredet.
Felix schleppt den prominenten Gast ins Wohnzimmer, der Fußball fliegt
durch den Raum.
Auf dem Tisch liegen Weihnachtsplätzchen.
Mit Schokolade, auch welche ohne. In Armenien wird Weihnachten nicht gefeiert,
verrät die Nummer 94 der Weltrangliste. Ein bisschen vom 6. auf den
7. Januar, aber ohne Geschenke. Die Leute arbeiten an diesem Tag. Trotzdem
freut er sich auf den 24., den er im Kreis der Schumanns verbringt. „Wir
treffen uns am Nachmittag, meine Eltern sind dann auch da. Es gibt Gans
zum Abendessen, wir werden Lieder singen, dann die Geschenke an die Kinder
verteilen“, sagt Anette Schumann. Ein klassischer Weihnachtsabend. Es ist
etwas anderes, mit
jemandem aus einem anderen
Land zu feiern. „Sargis ist ein sympathischer Mensch“, meint Anette Schumann.
Seit zehn Jahren hat sie kein Englisch mehr gesprochen und sich nun einen
Übersetzer gekauft. „Es ist schön, nicht nur geschäftlich,
sondern auch freundschaftlich verbunden zu sein“, ergänzt Uwe, der
Sargsian im Rahmen seiner Firma Professional Management Team Ruhr (PMTR)
betreut.
Acht Jahre lang lebte Sargis
Sargsian in Orlando/USA. Dort ist die Weihnachtskultur wie in Deutschland.
Sargsian mag das Weihnachtsfest. Nicht mehr, nicht weniger. Es ist toll
für die Kinder. Er selbst will auch Vater werden. Erst ein Mädchen,
dann zwei Jungs.
Das Handy von Uwe Schumann
klingelt. Ein Flugtermin wird nachgefragt. Am 27. Dezember jettet Sargis
Sargsian in Richtung Australien. Mitte Januar beginnen die Australian Open
in Melbourne das erste Grand-Slam-Turnier im Jahr 2001. Seit Wochen
arbeitet er mit Trainer Arif Ünal hart, hat zum Beispiel seinen Aufschlag
umgestellt. Er quält sich stundenlang im Fitness-Studio, trainiert
mit den KHTC-Teamkollegen Björn Jacob und René Heidbrink. Sargsian:
„Ich mag das Turnier in Australien nicht so sehr. Die Hitze macht mir nichts
aus, aber es ist windig, und die Courts liegen mir nicht.“ Sprich: Eigentlich
flog er immer früh raus.
Nun soll alles anders werden.
Zuerst spielt er die ATP-Turniere in Adelaide und Sydney, dann reist er
gemeinsam mit Arif Ünal weiter nach Melbourne. Der KHTC-Trainer freut
sich vor allem auf Trainingseinheiten mit André Agassi, mit dem
Sargsian mehrmals Doppel spielte. Sein Ziel für das Jahr 2001 hat
der Armenier hochgeschraubt. Eigentlich sollten es die Top 50 der Welt
sein. Das war vor ein paar Wochen. Nun will ich unter die ersten 30. Doch
halt: Seine Ziele nimmt er erst ab Montag wieder ins Visier. Morgen lässt
er den Tennisschläger in der Ecke stehen. Dann ist Fußball spielen
mit
den Schumann-Kindern, Gänsebraten
essen und Geschenke auspacken angesagt.
Denkt ein viel beschäftigter
Tennis-Profi eigentlich wenigstens zu Weihnachten an seine eigene Familie?
„Ich telefoniere ab und zu mit meinen Eltern, aber das hat mit Weihnachten
nichts zu tun. Mein Bruder wohnt in den USA, arbeitet dort als Computer-Programmierer.“
Sargis Sargsian, ein intelligenter Mensch, der jede Frage beantwortet;
der auf Menschen zugeht, drei Sprachen spricht (Russisch, Armenisch, Englisch).
Bald sollen Deutsch und Spanisch folgen. Die ersten Wochen der Zusammenarbeit
waren laut Uwe Schumann optimal. „Sargis ist einer, der sich über
Kleinigkeiten freut, der auch einmal ,Danke' sagen kann. Unter den Tennis-Spielern
ist er sehr beliebt. Er geht auf Menschen zu, aber es helfen ihm auch viele
Leute.“
Fühlt sich ein Tennis-Profi,
der 52 Wochen im Jahr mehrmals die Welt umrundet, irgendwo heimisch? Eine
schwierige Frage. Da nippt Sargis Sargsian lieber erst an seinem Apfelsaft-Glas,
bevor er antwortet. „Heimat? Ich habe hier in Mülheim momentan meine
Basis. Ich bin ja nicht hierher gezogen, weil die Stadt so schön ist
oder etwa das Wetter. Das Wetter hasse ich im Moment sogar. Aber Heimat?
Ich weiß nicht. Irgendwie ist es vielleicht doch Armenien. Meine
Eltern wohnen dort, unser Haus steht dort, ich spiele für Armenien
und werde immer für Armenien spielen.“ Doch seine Besuche in dem Land,
das an die Türkei und den Irak grenzt, sind rar geworden.
Felix Schumann zupft an
Sargis Sargsians Hand. Er will wieder Fußball spielen. In drei Wochen
wird sich Papa Uwe die Nächte um die Ohren schlagen und die Australian
Open nachts vor dem TV-Gerät verfolgen. Dem Sohnemann sagt er nichts
davon. „Nachher will er noch mitgucken, wenn er hört, dass Sargis
spielt.“ Dieser schaut auf die Uhr, trinkt sein Glas aus. Bald ist Training
angesagt, dann muss er noch Einkaufen. Er fühlt sich wohl in Mülheim.
Von Andreas Ernst
Den 24. Oktober 1999
wird Fußballspieler Orhan Özcan nie vergessen. In der Partie
des Landesligisten Vatan Spor beim VfB Homberg wurde Schiedsrichter Carsten
Bongers durch Tritte schwer verletzt. Özcan erhielt als einer der
angeblich Hauptschuldigen eine anderthalbjährige Sperre. Am 6. Mai
darf er wieder spielen.
Wenn es um die Ereignisse
an jenem Sonntag im Herbst geht, dann spult Özcan wie eine Kassette
seine Version ab. Immer wieder erzählt er sie, ob vor dem Landgericht,
dem Sportgericht oder seiner Familie, Freunden und Mitspielern: „Das 2:1
für Homberg fiel, unsere Abwehr war stehen geblieben, die Fahne des
Linienrichters oben. Der Schiedsrichter erkannte auf Tor. Wir sind alle
zu ihm gerannt. Bevor ich da war, hatte ihn der erste Zuschauer umgetreten.
Ich habe gar nichts gemacht.“ In seinen Augen hätte das Urteil nur
unschuldig lauten dürfen.
Es kam anders. Am Montag
nach dem Spiel klingelte die Polizei an. Sie verhaftete mich wegen „versuchten
Totschlags“. Eine Nacht war ich in Gewahrsam und wusste nicht, warum. Während
der Sportgerichtsverhandlung sagte ein Großteil der Zeugen
ob von Vatan- oder VfB-Seite für Özcan aus, aber die Spruchkammer
sah die Schuld des 25-Jährigen, der bei Mannesmann arbeitet, als erwiesen
an. VfB-Spieler hätten ihn erkannt. Der Vorwurf: Orhan Özcan
habe Bongers mit einem Tritt zu Fall gebracht. Anderthalb Jahre wurde er
dafür gesperrt.
Die 18 Monate ohne Sport
prägten den Mittelfeld-Regisseur, der bei Kocaelispor sogar auf vier
Einsätze in der ersten türkischen Liga kam. „Ich wurde von Jedem
als der Schuldige angesehen nach dem Urteil. Von vielen war ich sehr
enttäuscht, auch vom damaligen Vatan-Vorstand. Kein Anruf kam. Aus
diesem Kreis hielt nur Turan Isleyen zu mir.“ Dieser übernahm vor
kurzem den Vorsitz, und nur deshalb kickt Özcan weiter für Vatan.
Am Sonntag muss er beim
1. FC Kleve nicht mehr zuschauen. Trainer Pascal Notthoff freut sich darauf,
endlich seine Nummer 10 einsetzen zu können: „Ich habe Orhan als einen
fairen, ehrlichen Sportsmann kennengelernt und glaube, was er sagt. Für
die Landesliga ist er ein überragender Spieler.“ Geschäftsführer
Boris Walitza meint: „Ich bin sicher, dass es nicht so war, wie es ihm
vorgeworfen wird.“ Walitza hatte zwei Gnadengesuche beim Fußballverband
Niederrhein eingereicht beide wurden abgelehnt. „Er würde nie
einen Schiedsrichter treten“, urteilt sein damaliger Trainer Mohamed Ali
Abdelhafid. Özcan: „Hätte ich etwas gemacht, hätte ich das
auch zugegeben.“
Dass ihm die Verletzungen
von Schiedsrichter Bongers leid tun, hat er mehrfach gesagt: So etwas darf
nie passieren. In Kleve zieht Özcan erstmals gemeinsam mit Yücel
Akdan im Mittelfeld die Fäden. Ein Moment, auf den er lange wartete.
Von Andreas Ernst
Wenn die Fans des VfB
Speldorf ihren Lieblingen im Moment zusehen, wissen sie nicht, ob sie lachen
oder weinen sollen. Beim SV Hilden-Nord fuhren die Grün-Weißen
zwar den dritten Sieg in der dritten Fußball-Verbandsligapartie ein,
doch sicher herausgespielt war der 2:0 (0:0)-Erfolg beim Schlusslicht nicht.
Es ist schwierig, die Leistung
der Grün-Weißen treffend zusammenzufassen. In der ersten Halbzeit
retteten die Speldorfer mit Mühe das torlose Remis in die Kabine,
in der Schlussphase hätten sie dagegen spielend hoch gewinnen können.
Doch genau das unterscheidet die Grün-Weißen noch von einer
Spitzenmannschaft: Sie spielen nicht konstant genug und werden deshalb
irgendwann eine Partie bei einem vermeintlich schwachen Gegner verlieren.
Der SV hatte sich die 0:2-Heimniederlage
vor 300 Zuschauern an der Furtwängler Straße selbst zuzuschreiben.
In der ersten Hälfte spielte er sehr aggressiv, häufig unfair.
Vier gelbe Karten holten sich die Gastgeber im ersten Abschnitt ab, doch
diese Taktik ging auf. Die Speldorfer ließen sich einschüchtern,
stolperten auf dem Kunstrasen häufig. Doch im VfB-Tor klingelte es
nicht. Michael Lorenz (4./36.) und Markus Zieris (28./31./33.) vergaben
fünf gute Kopfballchancen alle vorbereitet von Andreas Bundschuh,
der über die rechte Seite viel Druck entfachte. „Wir wussten, dass
wir in der Luft Probleme bekommen. Hilden hat große Stürmer“,
meinte VfB-Trainer Dirk Pusch. Bei seinem Team herrschte Flaute im Angriff.
Dirk Roenz und Stefan Majek tauchten unter, Ömer Aydin musste nach
20 Minuten aufgrund von Knieproblemen ausscheiden.
Nach dem Wechsel bekamen
die Speldorfer ein Tor geschenkt. Die Hildener waren in der VfB-Hälfte
in Ballbesitz, als SV-Kapitän Thomas Knüfermann 20 Meter vor
seinem eigenen Tor meckerte. Schiedsrichter Erik Golz (Rommerskirchen)
zeigte Knüfermann Gelb und gab Freistoß für den VfB. Diese
Chance ließ sich Stefan Majek nicht entgehen 0:1 (48.). Die
Gastgeber gaben nicht auf. In der 59. Minute foulte Karsten Rafoth im Strafraum
Volkan Denizci. Doch der Unglücksrabe Knüfermann scheiterte mit
dem Elfmeter an Markus Hangert. Der Torwart ragte gestern aus der Speldorfer
Mannschaft heraus. Nach dieser Szene war die Partie gelaufen. Die Hildener
rannten sich ein ums andere Mal in der nun sattelfesten Speldorfer Deckung
fest, in der vor allem der junge Marc Wildschütz beeindruckte. Bei
Kontern hatte der VfB nun Chancen im Minutentakt. In der 71. Minute vollstreckte
Dirk Roenz nach einem Wildschütz-Pass zum 2:0-Endstand.
Am nächsten Sonntag
steigt am Blötter Weg das erste Spitzenspiel. Dann trifft der VfB
auf Union Solingen. Beide Teams sind noch verlustpunktfrei.
VfB Speldorf: Hangert,
Rafoth, Müller, Wildschütz, Köroglu, Häse, Hoffterheide,
Roenz, Pröpper (86. Karasalihovic), Aydin (20. Konowski), Majek.
Die Mülheimer Fußballfans
fiebern dem Verbandsliga-Lokalderby entgegen. Am Sonntag um 14.30 Uhr stehen
sich an der Südstraße der TuS Union 09 und der VfB Speldorf
gegenüber. Marcus Lemke und Andreas Ernst sprachen im Vorfeld der
Partie mit den Trainern Ernst Bachmann (Union 09) und Dirk Pusch (VfB Speldorf)
über die Favoritenrolle, Taktik, Personalprobleme, Ziele und über
den Mülheimer Fußball.
? Gibt es bei der Neuauflage
des Lokalderbys überhaupt einen Favoriten?
Dirk Pusch: „Aufgrund der
letzten Spiele gebe ich die Favoritenrolle gern an Union weiter. Aber ich
denke, dass es im Derby generell überhaupt keinen Favoriten gibt.“
Ernst Bachmann: „Ich sehe
das genauso. Im Lokalduell kann der Letzte den Ersten schlagen oder ein
Kreisligist den Landes- oder Verbandsligisten. Es ist immer alles möglich.“
? Ist die Anspannung
vor diesem Spiel größer als bei anderen Partien? Gibt es diesbezüglich
Unterschiede bei Spielern und Trainer?
Pusch: „Die Anspannung ist
bei den Spielern sicherlich etwas größer. Ich denke eher an
die Gesamtsituation: Wir müssen unseren Negativtrend stoppen und eine
positive Serie starten. Daher sollten wir die Partie gewinnen. Insofern
ist es für mich ein ganz normales Meisterschaftsspiel.“
Bachmann: „Ich sehe das
Duell als Trainer auch nicht so emotionsgeladen. Für meine Spieler
ist das schon etwas anderes, da sie in der letzten Saison zweimal von den
Speldorfern Prügel bekommen haben. Daher brennen sie auf eine Revanche.“
? Wie tief haben sich denn
die beiden Niederlagen der Vorsaison in den Köpfen der Union-Spieler
festgesetzt? Ist das ein Nachteil oder könnte es sogar ein Vorteil
sein?
Bachmann: „In einer solchen
Begegnung können die Spieler auch übermotiviert sein. Dann läuft
es natürlich nicht. Wir haben aber einen guten Lauf. Über die
Niederlagen sollten wir nicht mehr nachdenken.“
? Dirk Pusch, fährt
die VfB-Elf aufgrund der zuletzt guten Ergebnisse gegen Union 09 mit viel
Selbstbewusstsein zur Südstraße?
Pusch: „Es spielt keine
Rolle, ob eine Mannschaft mehrmals vorher gewonnen hat. Wir können
uns für die Vorjahressiege heute nichts mehr kaufen. Es beginnt wieder
bei Null.“
? Welche Taktik werden Sie
anwenden? Werden Spieler besonders eng bewacht?
Pusch: „Unsere Taktik ist,
einen Treffer mehr als Union 09 zu schießen. Alles andere ist von
der Situation am Sonntag abhängig. Natürlich werden wir auf einige
Union-Spieler ganz besonders achten.“
Bachmann: „Wir kennen die
Speldorfer Mannschaft sehr gut und haben sie auch in dieser Saison
mehrfach beobachtet. Es
gibt einige Spieler,die wir in Schach halten müssen. Zunächst
sollten wir aber die Mannschaftsaufstellung des VfB abwarten.“
? Gibt es personelle Probleme
vor dem Lokalkderby?
Bachmann: „Joachim Bohra
fällt aufgrund seiner Knieverletzung aus. Ralf Zils ist angeschlagen.
Sein Einsatz ist noch fraglich.“
Pusch: „Dirk Roenz und Martin
Hoffterheide fehlen bei uns. Es sieht auch nicht danach aus, als ob Markus
Hangert im Tor steht.“
? Welche sind im Moment
in ihrem Team die stärksten Mannschaftsteile?
Bachmann: „Wir haben bei
unseren Verpflichtungen Wert auf den Defensivbereich gelegt und auch erst
21 Tore kassiert. Andererseits sind uns aber auch schon 32 Treffer gelungen.
Die Ausgeglichenheit macht uns im Moment stark.“
Pusch: „Wir sind ausgeglichen
von der Rolle. Das liegt einerseits an Verletzungen, aber auch daran, dass
einige nicht ihre Leistung bringen. Ich hoffe, dass es irgendwann knallt
und dann die Form stimmt.“
? Die Neuzugänge spielen
bei Union eine größere Rolle. Hat Union besser eingekauft?
Pusch: „Ich kann nur von
uns reden. Unsere Neuzugänge hatten viel Verletzungspech. Dass aber
ein Marc Wildschütz so hervorragend einschlägt, damit hatte niemand
gerechnet. Ich hoffe, dass alle Neuverpflichtungen in dieser Saison noch
zeigen können, was sie drauf haben.“
Bachmann: „Bei uns hat sich
alles zum Guten gewendet. Vor der Saison hatten wir das Problem mit Hakan
Turna, als er in die Türkei ging. Wir mussten einen Libero finden
und haben Kai Berges geholt. Nun spielen beide. Yücel Akdan kam wie
Phönix aus der Asche. Insgesamt hatte ich nicht so viel Pech mit Verletzungen
wie der VfB. Bei jedem Trainingstag sind mindestens 20 Spieler da.“
? 13 Spieltage sind um.
Haben sich die Ziele verändert?
Pusch: „Oben haben wir im
Moment nichts zu suchen schon gar nicht mit der Leistung, die wir
abliefern. Wenn unsere verletzten Spieler zurückkommen und einige
ihre Normalform wiederfinden, wollen wir uns um den fünften Platz
herum festbeißen.“
Bachmann: „Eigentlich ist
das zweite Jahr schwerer, aber die Liga diesmal nicht ganz so stark. Uns
fehlt die Stabilität, um den vierten Platz halten zu können.
Ein Rang zwischen sechs und acht ist möglich.“
? Was passiert bei einer
Niederlage beim VfB?
Pusch: „Der Druck ist jetzt
schon groß. Viel schlimmer kann es nicht mehr werden. Wir haben noch
längst nicht in die Saison gefunden, obwohl schon so viele Spiele
absolviert sind. Es täte natürlich doppelt weh, ein Derby zu
verlieren, aber davon würde die Welt nicht untergehen.“
? Herr Bachmann, Sie waren
zwei Jahre lang weg von Union. Was hat sich verändert?
Bachmann: „Bei Union bewegt
sich einiges. Es gibt eine Tribüne, neue Umkleidekabinen werden
gebaut, die Zulaufwege sind
besser geworden.“
? Während es in anderen
Sportarten in Mülheim Abstiege zu beklagen gab, geht es im Fußball
aufwärts. Kann die Oberliga ein Thema werden?
Pusch: „Sicher ist die Oberliga
in Zukunft für beide Vereine drin, wenn ein gutes Jahr gelingt und
kein Verletzungspech eintritt.“
Bachmann: „Mülheim
ist keine Fußball-Stadt. Die Speldorfer haben immerhin mehr Sponsoren
im Rücken. Für uns wäre die Oberliga so tödlich wie
in diesem Jahr für Hamborn 07, die nach dem Aufstieg nun unten stehen.
Im Moment ist das indiskutabel.“
? Muss es nicht das Ziel
einer Mannschaft sein, am Ende der Saison vor dem Lokalrivalen zu stehen?
Es gab zwischen Ihnen diesbezüglich kürzlich einen kleinen Disput.
Bachmann: „Das ist doch
klar, dass wir vor Speldorf sein wollen. Nur zu diesem Zeitpunkt, als zu
lesen war, dass Dirk Pusch unbedingt vor Union 09 landen wolle, war aufgrund
unserer Möglichkeiten und unseres Spielermaterials gar nicht daran
zu denken. Jetzt ist die Situation anders, weil Dirk Pusch viele Verletzte
in seinen Reihen hat. Unser oberstes Ziel ist es aber nach wie vor, mindestens
wieder Achter zu werden.
Pusch: „Wir haben natürlich
die Ambition, bester Mülheimer Fußballverein zu bleiben. Mir
würde es aber nichts ausmachen, wenn Union am Ende Erster ist, wir
Zweiter sind und beide Teams aufsteigen.“
Von Andreas Ernst
Es gibt nur ein Ehepaar
in Mülheim, das im Witthausbusch jeden Stock und Stein duzt: Hannelore
und Wolfgang Küpper. Doch ab dem 1. Dezember müssen die Bäume
ohne ihre Lieblinge auskommen. Die Küppers ziehen nach Berlin um.
Es gibt viele Zahlen, die
das Lauf-Lebenswerk der beiden untermauern, und dennoch beschreibt keine
die wirkliche Bedeutung für die Mülheimer Leichtathletik im Allgemeinen
und den TSV Viktoria im Besonderen. Seit 1969 sind sie beim TSV tätig,
als Jugendwart, Mittel- und Langstreckentrainer, Kindergruppenbetreuer,
Organisatoren des sonntäglichen Lauftreffs im Witthausbusch, Veranstalter
von Sportangeboten in Altersheimen und Leiter der Sportabzeichen-Gruppe.
Sie sind TSV-Urgesteine. „Der Verlust ist schmerzlich“, meint die Vorsitzende
Ulrike Dyhr. „Als sie mir die Nachricht bei einem Lauftreff übermittelt
haben“, stockte mir der Atem, ergänzt der Leichtathletik-Abteilungsleiter
laus Moll, der die Küppers von der ersten Sekunde an begleitete.
Es war nicht immer einfach
mit den beiden: Als einen „Widerspruch provozierenden Debattierer“ bezeichnet
Moll den 65-jährigen Wolfgang. Vereinskameraden bezeichnen ihn als
Perfektionisten, der ungern Aufgaben aus der Hand gibt; aber auch als einen
sehr zuverlässigen und treuen Mann mit einem phänomenalen Gedächtnis.
Wolfgang Küpper selbst sah sich nie als Funktionär, sondern als
„Läufer, der sich um administrative Dinge kümmert.“ Selbstverständlich
hat er seine Nachfolge bis ins letzte Detail selbst geregelt.
Seine Frau Hannelore (66)
besticht vor allem durch ein außergewöhnliches sportliches Talent,
das sie allerdings erst spät auch in Wettkämpfen zeigen durfte.
Schließlich war der Marathonlauf lange Jahre für Frauen nicht
zugelassen. Mittlerweile sammelte sie so viele Pokale und Urkunden, dass
sie sich für ihre Berliner Wohnung keine Bilder kaufen müsste...
Die Küppers verlassen
Mülheim für die Läufer der Stadt jahrzehntelang eine
unvorstellbare Nachricht. Der Grund ist sechs Monate alt: In Berlin leben
Tochter Antje und Ehemann Horst mit Enkeltochter Lara. Da Antje wieder
ihrem Beruf als Entwicklungsingenieurin nachgehen möchte, erklärten
sich Oma und Opa Küpper bereit, die tägliche Betreuung zu übernehmen.
Im Bezirk Tempelhof haben sie eine Wohnung gefunden und die Laufstrecken
schon erkundet.
Zur Abschiedsfeier kamen
50 Vereinsmitglieder. Eigentlich hätte er im Witthausbusch, den TSV-Spaßvögel
in „Küppers Busch“ umbenannt haben, stattfinden müssen. Doch
im November wäre dies ein wenig zu kalt gewesen. So fand der Abend
in der warmen Stube am Kahlenberg-Sportplatz statt. Es wurden selbstverständlich
unzählige Anekdoten erzählt. Geschenke zur Erinnerung an Mülheim
bekamen sie viele überreicht unter anderem ein Luftbild und
ein Aquarell vom Witthausbusch. Beim Anblick der Präsente kullerten
die Tränen.
Keine Frage: Auch die Küppers
werden ihre Bäume im Witthausbusch vermissen.
Der Titel einer täglichen
Seifenoper im Fernsehen lässt schon deren Inhalt erahnen: Gute Zeiten,
schlechte Zeiten. Wenn aus dem Mülheimer Sport ein Drehbuch zur Serie
entstünde, welche Namen würden auf der Liste der strahlenden
Hauptdarsteller stehen?
Viele Protagonisten sind
auf dem Wasser zu finden: Vier Jungs mit Goldmedaillen um den Hals. Die
Junioren Philipp Nörtershäuser, Jan-Ole Gehrmann, Tobias Caspar
und Steuermann Stephan Boer werden Ruder-Weltmeister. Annette Henk und
Ute Hüppop gelingt dasselbe im deutschen Drachenbootteam in Philadelphia
(USA). Oder auch Sven Küpper, der Deutsche Meister im Motorbootfahren.
Sich in die Herzen der Fans
kicken Dirk Roenz, Fußballspieler vom VfB Speldorf, und Michael Klauß
von Union 09. Beide stehen als Symbol für den Aufschwung des Fußballsports.
In der fünftklassigen Verbandsliga haben sich der VfB und Union oben
etabliert.
Hauptdarsteller wären
auch Armin Locker, Ringer im Oberligateam des KSV Styrum, der ungeschlagen
bleibt und den KSV zum Klassenerhalt führt, oder Berthold Scholz vom
MASA BSC, Teamchef des zweifachen Deutschen Bogensport-Meisters.
Weitere mögliche Stars:
Reiner Seven vom Fußballklub MSV 07 und Jan-Hendrik Söller aus
dem Herren-30-Tennisteam des Kahlenberger HTC. Der 40-jährige Seven
führt den MSV zurück in die Bezirksliga. Söller ist der
Kapitän der KHTC-Jungsenioren, die an der Mintarder Straße wenigstens
für ein paar lachende Gesichter sorgen und 2002 in der Bundesliga
spielen.
Fähige Darsteller sind
da. Aber gibt es genügend Schauplätze, die serienwürdig
sind?
Aber klar! Zum Beispiel
der mit klatschenden Fans auf der Schlossbrücke, die beim Drachenboot-Festival
ein Boot nach dem anderen ins Ziel brüllen. Das ganze bei 30 Grad
im Schatten. Eine Abkühlung sehnen anderthalb Kilometer weiter flussaufwärts
auch die Läufer beim Ruhrauenlauf herbei, der auch die Massen anlockt.
Und überhaupt: Bei Groß-Veranstaltungen trifft sich die Mülheimer
Sportfamilie. Etwa Tengelmann-Lauf, EASY-Halbmarathon, der medl-Cup im
Tennis, der Tag des Jugendfußballs um hier nur die spektakulärsten
Beispiele zu nennen.
Ohne diese tollen Erfolge
in Abrede stellen zu wollen, ist eines gewiss: Den Deutschen Fernsehpreis
verdienen wir nur in Randsportarten. Die großen Produktionen spielen
anderorts. Denn wer kennt in Dortmund schon den Deutschen Meister im Bogenschießen!
Die Mülheimer Seifenoper
ist die einzige, der Zuschauer untreu werden.
Andreas Ernst
Von Andreas Ernst
Mannschaftsbesprechung.
Ein Dutzend 6- bis 8-Jährige versammeln sich um ihren Trainer. Was
habt Ihr denn zu Weihnachten bekommen?, fragt der Coach. Fünfzehn
Stimmen quasseln durcheinander. Dann unterbricht der Trainer und ruft:
Wollen wir Fußball spielen? Da lassen sich die Kicker nicht zweimal
bitten und bolzen direkt drauflos.
103 Tore setzten die F-Junioren
des VfB Speldorf in den ersten 13 Spielen der Saison in die gegnerischen
Maschen das ist bei einem Durchschnittswert von fast acht Treffern
pro Spiel Spitze im Mülheimer Jugendfußball. Und die Liste der
Spielernamen liest sich wie die Aufstellung einer hiesigen Prominenten-Mannschaft:
Woodburn, Baltromei, Eichholz, Fingerhut. Doch nicht nur, weil hier Söhne
von Galopptrainern, Jockeys und Fußballern im VfB-Trikot kicken,
verdient diese Mannschaft Erwähnung. Sondern auch, weil der Trainer
ein Ehemaliger ist.
Frank Fingerhut, der bis
1994 beim VfB Speldorf und Dümpten 13 in der Bezirksliga trainierte,
bringt nun F-Junioren das Fußball spielen bei. 37 Jahre ist er mittlerweile
alt, der Inhaber der B-Lizenz. „Jugend und Senioren das ist etwas völlig
Anderes“, plaudert Fingerhut, während er von einem Kind unterbrochen
wird: Du Frank... kannst Du mir mal die Schuhe zumachen? Fingerhut lächelt
und hilft gern. Natürlich lässt er sich duzen: „Im F-Jugendbereich
siezen lassen; davon halte ich nichts.“
Er versucht mit seiner Mannschaft
die These zu widerlegen, dass F-Junioren sowieso nur auf einem Knubbel
herumlaufen und alles zum Ball strebt. Wir setzen im Training sehr viel
auf Technik. Was bei uns schon gut klappt, ist das Spiel über Außen
mit einem Rückpass zum Abschluss. Auch Standardsituationen übt
Frank Fingerhut ein. Ganz wichtig ist, dass wir jede
Übung mit dem Ball
machen. Die Abschlussfahrt im letzten Jahr führte in die Fußballschule
des Ex-Schalkers Ingo Anderbrügge
da bekamen die Kinder große Augen. Viel Zeit zum Erzählen hat
Fingerhut während einer Trainingseinheit nicht. Immer wieder wird
er von seinen Kindern gefordert, als Schiedsrichter verlangt. Ein Blick
auf die Trikots verrät die Lieblinge: Bayern Münchens 21 (Alexander
Zickler) ist vertreten, ebenso Portugals 7 (Luis Figo). Eben jener Welt-Fußballer
2001 aus den Reihen von Real Madrid ist auch für Fingerhuts Sohn Tim
der Star. Und mit 39 Toren ist Tim sogar der beste Torschütze des
Teams, vor Marc Baltromei (21) und Pascal Eichholz (20). Beim 19:0-Erfolg
gegen den Nachwuchs des Mülheimer FC 97 traf Tim allein elfmal!
„Er trägt genau wie
Figo die Nummer sieben“, erzählt Frank Fingerhut schmunzelnd, stellt
aber sofort klar: „Er hat zwar die meisten Tore geschossen, aber unsere
ersten Sieben sind ausgeglichen stark.“ Das sei in den meisten F-Jugendteams
anders, in denen es höchstens zwei herausragende Spieler gebe. Seit
dem 24. März 2001 ist die VfB-F-Jugend unbesiegt. Vor knapp zehn Monaten
gab es ein 1:2 beim SV Rot-Weiß. In den Seniorenbereich will Frank
Fingerhut nicht mehr zurückkehren: Bei der Jugend macht es viel mehr
Spaß. Die Kinder würden am liebsten dreimal hintereinander trainieren.
Außerdem sind Mannschaftsbesprechungen
mit F-Junioren ebenso interessant wie anstrengend.
„Wer von Euch war denn Silvester
um zwölf noch wach?“, fragt Frank Fingerhut. Die Finger schnellen
in die Höhe. „Bis drei war ich auf“, schreit der erste. „Bis fünf!“
„Bis sechs!“ „Ich durfte sogar am Bier nippen!“ So ist das in der
F-Jugend. Chaotisch. Durcheinander. Laut. Aber eben liebenswert.
VfB Speldorf F 1: Alexander
Frank, Pascal Eichholz, Dean Woodburn, Marc Baltromei, Sebastian Kirsch,
Kevin Musiol, Dustin Rathke, Onur Gülbeyaz, Moritz Pac, Christian
Decker, Marvin Lepper, Tim Fingerhut, Luca Lersch, Dennis Krause, Felix
Zander.
Vorbei sind die Zeiten,
als die Grußworte beim Neujahrsempfang des Mülheimer Sportbunds
(MSB) nur fünf Minuten dauerten. 2001 passierte einfach zu viel. Um
alle Flops des Vorjahres noch einmal aufzuzählen, brauchte der Vorsitzende
Bernhard Wirkus diesmal 20 Minuten.
Der Duft von Würstchen,
Kasslerscheiben und Bohnengemüse lag schon in der Luft; doch vor der
Hauptspeise waren 350 Vertreter aus 150 Vereinen neuer Teilnehmer-Rekord
heiß auf Neuigkeiten. Auch die anwesende Prominenz wollte es sich
schmecken lassen. Doch vorher galt es, die Klubs über die aktuelle
Situation des MSB zu informieren.
Dezernenten und Politiker
waren in einer bisher nicht dagewesenen Anzahl in die frisch renovierte
Halle an der Südstraße gekommen. An der Spitze stand Oberbürgermeister
Dr. Jens Baganz, der seiner Begrüßung eine optimistische Note
verlieh: „Wir sollten diese Halle als Symbol dafür nehmen, dass wir
unsere Sportstätten so schnell wie möglich wieder auf Vordermann
bringen wollen.“
Nacheinander teilten Baganz
und Bernhard Wirkus den Klubs ihre Meinung über die strittigen Themen
mit. Wirkus sprach lange über die Hallen-Misere: „Die Situation war
und ist unerträglich, die Kritik am Mülheimer SportService aber
unangebracht. 20 Millionen Euro Sanierungsstau lassen sich nicht in fünf
Jahren beheben.“ Jens Baganz hob vor allem die Bedeutung einer Beteiligung
Mülheims an der Olympia-Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region hervor. „Die
olympischen Hockey-Wettbewerbe sind für uns eine einmalige Chance.
Es ist mein Herzenswunsch, dass uns das gelingt.“
Ein positives Signal sollte
von dem Neujahrsempfang ausgehen. Der Optimismus der Funktionäre war
unübersehbar. Doch die Basis blieb da nach wie vor eher skeptisch.
Handballer beschwerten sich über unzulängliche Trainingsmöglichkeiten
im Winter; Fußballer über die ausgefallene Hallen-Stadtmeisterschaft.
Der Frust sitzt tief. Kassler,
Bohnengemüse und Würstchen konnten die Stimmung da auch nicht
anheben.
aer
Wann kommen sie denn endlich?
Die Uhr zeigt 8.20 Uhr, ungeduldig warten 60 Personen am Flughafen Düsseldorf
auf vier Hockey-Weltmeister. Ausgerüstet mit Sektflaschen und Vereinsfahnen.
Dann endlich: Die Tür geht auf, müde Helden stapfen dem jubelnden
Volk entgegen. Dabei ist auch Timo Weß, Kapitän des HTC Uhlenhorst.
Die Blicke wandern in die
Runde. Viele sind da. Vereinskollegen, seine Eltern Hubert und Heidi und
sogar Oberbürgermeister Dr. Jens Baganz. "Schön, dass ihr hier
seid", sagt Timo. Es folgt der Gratulationsmarathon. Als ob die Stunden
zuvor nicht anstrengend genug gewesen wären. Am Samstag der Endspielsieg,
dann die lange Party, am nächsten Tag der 13-stündige Flug vom
malaysischen Kuala Lumpur
über Frankfurt nach
Düsseldorf. Auch "Welthockeyspieler" Florian Kunz, Christian
Schulten (beide Gladbach)
sowie Matthias Witthaus und Bundestrainer Bernhard Peters (Krefeld) überstehen
diese Tortur.
Die Erzählungen beginnen.
"Im Sportstudio am Samstag hattest du deinen großen Auftritt", rufen
die HTCU-Teamkollegen und lachen. In Großaufnahme war der 19-jährige
Weß zu sehen, als er Bundestrainer Peters umarmte. Seine Eltern beobachten
das Geschehen aus der Ferne. "Es ist Wahnsinn, was der Junge miterlebt",
sagt Vater Hubert. In den mageren Mülheimer Sportzeiten grinsen Jens
Baganz und Sportdezernent Wilfried Cleven bis über beide Ohren. "Ehrensache"
sei es, dass sie dabei sind. Der Präsident der Unternehmerverbandsgruppe,
Heinz Lison, spendet der HTCU-Jugendabteilung spontan 500 Euro.
Das bekommt der Weltmeister
nicht mit. Er hat sowieso keine Zeit. Die Schule ruft.
Mittwochmorgen steht eine
Deutsch-Klausur auf dem Plan. Nach den Gratulationen geht die Reise zum
Moerser Adolfinum, seinem Gymnasium. Trotz Müdigkeit. Trotz Jetlags.
Aber das strahlende Weltmeister-Lächeln ist das beste Rezept gegen
Augenränder...
Anmerkung: Ein Geständnis - bei den RSV-Damen bin ich etwas befangen, denn diese Mannschaft ist meine liebste im Handball in Mülheim (ich schaue mir - selten, aber ich tu´s - Spiele dieser Mädels an, obwohl ich nicht über sie berichten muss). Herzliche Grüße gehen an dieser Stelle an alle Spielerinnen, vor allem aber an meine Arbeitskollegin und gute Bekannte/Kollegin/Freundin (sucht Euch was aus) Tina Konrad (die in dieser Mannschaft spielt), ihren Freund Helmut (mit dem ich sehr gerne noch mehr Zeit verbringe als mit Tina, um über alle Themen der Welt zu diskutieren und viel Rad zu fahren, by the way: HELMUT, ICH WERDE DICH BEIM RAD FAHREN IRGENDWANN ABHÄNGEN! UND WIE!) und Tina´s Schwester Marie, die (hoffe ich) alle ab und an mal auf dieser Homepage zu Besuch sind!
Von Andreas Ernst
Der RSV wird 100 Jahre
alt - und dieses Jubiläum verlockt zu Träumen von einer erfolgreichen
Zukunft. Jochen Kraus, Trainer der Damen-Handballmannschaft, wünscht
sich einen Aufstieg in die Oberliga. Doch noch heißt der Alltag "Verbandsliga"
und das Ziel "oberes Tabellendrittel".
In keiner anderen Mülheimer
Mannschaft herrscht so viel "familiäre Atmosphäre" wie im ersten
Damen-Aufgebot des RSV: Gleich drei Geschwisterpaare zählen zum aus
13 Spielerinnen bestehenden Handballkader. Abgänge gab es keine, und
es ist nicht verwunderlich, dass die beiden Neuzugänge eigentlich
keine "Neuen" sind. Anja Karoß und Yvonne Stamm gehörten lange
Zeit der RSV-Mannschaft an, bevor sie eine Handball-Pause einlegten. Nun
sind sie wieder da und - laut Trainer Jochen Kraus - echte Verstärkungen:
"Anja versteht sich mit vielen Spielerinnen blind. Jede Position ist nun
doppelt besetzt", sagt Trainer Kraus.
Apropos Kraus: Der 42-Jährige
hat nach einer fünfjährigen Pause das Verbandsligateam im Vorjahr
erneut übernommen und auf Rang sieben geführt. Die Aufgabe an
der Kleiststraße macht ihm viel Spaß. "Stimmung und Kameradschaft
sind super, wir haben in der Vorbereitung alle zwei Tage trainiert und
auch mal andere Sachen ausprobiert, beispielsweise Aqua-Jogging."
Weil der RSV aber nun zwei
Spielerinnen mehr zur Verfügung hat, könnte die heile Welt aus
den Fugen geraten. Es drohen nämlich Härtefälle und einigen
Spielerinnen oft die harten Bankplätze. Trainer Jochen Kraus sieht
da keine Probleme und meint: "Eigentlich haben alle immer ausreichend Spielanteile
bekommen. Außerdem sind wir so gefestigt, dass wir für den gemeinsamen
Erfolg persönliche Interessen zurückstecken."
Doch was zählt für
den Coach eigentlich als Erfolg? Das obere Tabellendrittel soll es sein,
nachdem die RSV-Damen zuletzt stets nur im Mittelfeld zu finden waren.
Und da wären noch die RSV-Träume im Jubiläumsjahr: "Jeder
Trainer hat das Ziel, irgendwann mal aufzusteigen", erzählt Kraus
und fügt sofort einschränkend hinzu: "In dieser Saison ist dieses
Ziel aber verfrüht." Favorisiert sind seiner Meinung nach Düsseldorf
99 und Gräfrath.
Übrigens: Der letzte
Aufstieg einer RSV-Damenmannschaft in die Handball-Oberliga gelang in der
Saison 1992/93, also vor genau zehn Jahren. Der Trainer damals hieß:
Jochen Kraus - der Mann mit den Träumen.
HINWEIS: Auf der Vereins-Homepage gibt es ein erstaunliches Gästebuch!
Anmerkung: Obwohl ich die Damen-Handballmannschaft mag, heißt das nicht, dass ich den Hauptverein nicht kritisch beäuge. Für diesen Artikel wurde ich (wie ich finde völlig unberechtigt) auf dem Festakt des RSV (ganz offiziell in der Mülheimer Sparkasse, ich durfte (!) am Mülheimer VIP (!)-Tisch sitzen) von älteren RSV-Mitgliedern angefeindet...
Von Andreas Ernst
Die Mülheimer Handballgeschichte
ist eng mit dem Vereinsnamen RSV verbunden. In diesem Jahr feiern die Rasensportler
ihren 100. Geburtstag - und schwelgen dabei in Erinnerungen an die glorreiche
Vergangenheit.
Niederrhein-, westdeutsche
und sogar deutsche Meisterschaften feierte der Klub aus Heißen. Doch
der Reihe nach: 1919 entstand der Rasensportverein als Fusion der Klubs
Verein für Rasenspiele (VfR) Heißen, der 1902 gegründet
wurde, und Mülheimer Spielverein. 1924 begann die Geschichte des Handballsports
beim RSV - und Hans Keiter, der 1936 in Berlin die olympische Goldmedaille
gewann, ist in der Mülheimer Sportszene bis heute bekannt. Der
steile Aufstieg des RSV begann nach dem 2. Weltkrieg, als der RSV im Feldhandball
zweimal den deutschen Meistertitel gewann (1946/47, 1948/49). Die Heimspiele
erlebten oft mehrere tausend Zuschauer. In den Jahren darauf folgten zahlreiche
westdeutsche Meisterschaften, auch als nicht mehr auf dem Feld, sondern
nur noch in der Halle gespielt wurde. Die Saison 1969/70 war schließlich
die letzte in der Bundesliga. Da musste der RSV aber schon nach Oberhausen
ausweichen - in Mülheim stand keine Halle zur Verfügung. Auch
die Handball-Damen machten in jener Zeit auf sich aufmerksam und holten
neben vielen Niederrheinmeisterschaften (die letzte 1968) auch zweimal
den deutschen Titel (1960, 1961).
Der Handball spielte in
den 100 Vereinsjahren immer die Hauptrolle. Von den übrigen Abteilungen
sind lediglich die Fußballer - die 1973 ihren Gipfel mit dem Aufstieg
in die Landesliga erreichten - und die Leichtathleten noch übrig,
während die Sportarten Volleyball, Schwimmen, Tischtennis, Fechten
und Tennis lediglich kurze Episoden blieben.
Nun zeigt der Kalender aber
das Jahr 2002 an - und der Verein RSV fristet in Mülheim ein Mittelmaß-Dasein.
Bei den Handballspielen der Herren- und Frauenmannschaften finden sich
nicht mehr Tausende, sondern höchstens zwei Dutzend Zuschauer ein,
der RSV-Platz an der Rudolf-Harbig-Straße hätte eine Modernisierung
nötig und die Fußballer bevölkern seit vielen Jahren das
Mittelfeld der Kreisliga A, achte Klasse im Fußball. Von einst 1450
Mitgliedern Ende der 70-er Jahre sind nach Auflösung der Schwimmabteilung
nur noch 640 übrig geblieben. Es verwundert nicht, dass in der Festschrift
die Vergangenheit bis 1970 ausführlichst behandelt, die Gegenwart
aber nur beiläufig erwähnt wird. Der Name "Rasensportverein"
trifft auch nicht mehr zu. Die Fußballer spielen auf Asche, die Handballer
in der Halle.
Doch trotz aller Mittelmäßigkeit
wird das runde Jubiläum groß gefeiert. Schon seit dem 98. Geburtstag
im Jahr 2000 laufen beim RSV-Vorstand um den Vorsitzenden Norbert Zmorek
die Vorbereitungen. Die Fußball- und die Handballjugend-Abteilung
veranstalteten bereits Jubiläumsturniere. Vom 19.9. bis 22.9. folgt
eine Sportwoche. Diese wird von den offiziellen Feiern eingerahmt: Der
Festakt steigt am 15.9. in der Sparkasse, der Festball am 28.9. in der
Stadthalle.
Von Andreas Ernst
Die herbstliche Sonne
überflutet das Fußballstadion am Blötter Weg. Am Sonntag,
beim Derby zwischen Union und Speldorf, werden bestimmt 1000 Zuschauer
dort sein. Doch 72 Stunden vor dem Anpfiff nehmen nur zwei auf der Tribüne
Platz: die Spieler Thorsten Burgsmüller und Hakan Köroglu.
Burgsmüller, 25, Fernmelde-Techniker,
läuft dann im grün-weißen Trikot des VfB Speldorf auf.
Köroglu, 28, Mitarbeiter in einer Werbe-Agentur, trägt das Union-Dress.
Eines verbindet sie: Sie haben schon bei beiden Klubs gespielt.
Ein wenig blinzeln müssen
sie beim Blick in die Sonne. Zum Derby fällt ihnen viel ein - beispielsweise
die Erinnerungen an die Zeit beim jeweils anderen Klub. "Ich war jung",
erzählt Burgsmüller, "und nur ein Jahr bei Union. Den Durchbruch
habe ich nicht geschafft." Ganz anders Köroglu: "Fünf Jahre war
ich beim VfB Stammspieler. Wir hatten eine charakterstarke Mannschaft,
die den Verein dahin geführt hat, wo er jetzt steht."
Nachdenklich schaut Köroglu
auf den Rasen an der "Blötte". Es ist zu spüren, dass es ihn
wurmt, von Trainer Frank Kurth aussortiert worden zu sein. "Ich habe die
Entscheidung des Trainers respektiert, aber sie kam plötzlich und
sehr spät." Stark genug für die VfB-Elf hätte er sich "auf
jeden Fall" gefühlt. Zum Thema "Trainer" kann Burgsmüller auch
etwas beitragen. "Ich war oft nicht einer Meinung mit Ernst Bachmann. Ich
wäre nicht gegangen, aber er wollte mich nicht mehr haben. Leider
sagte er mir das damals nicht persönlich."
Nachkarten wollen beide
nicht. Beispiel Burgsmüller: "Sicher ist es schön, gegen einen
alten Trainer zu gewinnen. Aber ich muss nicht mehr beweisen, dass ich
Fußball spielen kann."
Die Herbstsonne scheint
immer noch. Die Unterhaltung schwenkt auf die Unterschiede zwischen den
Klubs über. "Bei Speldorf wird sehr professionell gearbeitet", meint
Burgsmüller. "Die Unterschiede liegen im finanziellen Bereich", entgegnet
Köroglu und ergänzt: "Speldorf hat zum ersten Mal einem Trainer
so viel Verantwortung überlassen. Der durfte alles selbst zusammenstellen."
Köroglu, der Neu-Unioner, denkt scheinbar oft über seinen Ex-Klub
nach, der - so betont er ständig - klar favorisiert sei.
Die Diskussion kommt zum
Schluss. Ist das Derby für die beiden ein besonderes Spiel? "Eigentlich",
sagt Burgsmüller, "sind alle 30 Spiele gleich wichtig, aber wir wollen
schon zeigen, dass wir die Nummer eins in Mülheim sind." Köroglus
Vorfreude ist groß. Noch
einmal legt er seine Stirn
in Falten. "Es stellt sich die Frage, wie viele Mülheimer noch beim
VfB spielen." Und er, ein Mülheimer, fügt hinzu: "Vielleicht
ist das ein kleiner
Vorteil für uns."
Zum Abschied reichen sich
beide die Hand. "Bis Sonntag", ruft Burgsmüller. Bleibt das Wetter
schön, dann wartet eine große Kulisse auf die zwei.
Von Andreas Ernst
Dass er den "Preis der
Sparkasse" gewonnen hatte, bekam Wolfram Wiese gar nicht mit. Er flog auf
seinem Rad mit einer solch rasenden Geschwindigkeit durchs Ziel, als wollte
er noch einmal 84 Kilometer zurücklegen.
Die Zuschauer hatten die
Sieger der "Tour de France"-Etappen vor Augen: Wie sie das Trikot noch
einmal zurechtrücken, beide Arme in die Luft strecken und laut jubeln.
Doch Wolfram Wiese spielte da nicht mit. Böswillig meinte er das aber
nicht. Die Rennjury vergaß schlichtweg, die letzte der 70 Rennrunden
einzuläuten - und Wiese ahnte nicht, dass er schon gewonnen hatte.
Dies war eine von vielen
Episoden am Radrenntag "Rund in Winkhausen" mit dem Start- und Zielpunkt
an der Hügelstraße. Der "28. Preis der Sparkasse" war das Hauptereignis.
90 Top-Fahrer aus Dänemark, Tschechien und Deutschland gingen an den
Start, aber nur 27 kamen an. Das Tempo war auf dem 1,2-km-Rundkurs für
die meisten einfach zu hoch, am Ende erreichte Sieger Wiese ein Stundenmittel
von knapp 50 km/h. Bereits nach 20 Runden hatten sich Wiese und fünf
weitere Fahrer vom Hauptfeld abgesetzt. Nachdem der
große Favorit Lars
Wackernagel (München) durch einen Reifenschaden weit zurückfiel,
war der Weg für Wolfram Wiese frei.
Begleitet vom Beifall der
Zuschauer fuhr der Kölner dem Sieg entgegen. Doch so sehr die Radfans
auch klatschten - der Organisator Klaus Külschbach vom RC Sturmvogel
schaute ein wenig enttäuscht an den Streckenrand. Während des
Hauptrennens verirrten sich maximal 600 Fans nach Winkhausen, über
den Tag verteilt schätzte Külschbach die Zahl auf 2000. "Hätte
ich Erik Zabel hier, wäre die Bude voll." Doch ein Zabel, der kommt
nicht umsonst. Insgesamt 12 500 Euro muss der RC durch Sponsoren aufbringen,
um unter anderem Siegprämien, Startgelder und Unterbringungskosten
für Gäste zu bezahlen. Zabel allein kostet mindestens das Doppelte.
Die Veranstaltung hat ein
hohes sportliches Niveau, doch scheinbar locken nur Radprofis mit großen
Namen die Massen an. Külschbach und die 40 Helfer vom RC Sturmvogel
gaben sich alle Mühe, auch als zwischendurch ein kurzer Regenschauer
die Stimmung ein wenig vermieste.
Nicht nur die 90 Starter
im Hauptrennen waren aktiv, sondern auch 340 Fahrer in drei weiteren Klassen.
Am Ende gewannen Tim Gajewiak (Stadtlohn/Schüler U 15), Joop Ribbers
(Niederlande/Senioren) und Friedemann Schmude (Stromberg/C-Klasse). Mülheimer
landeten nicht auf den vorderen
Plätzen, der Schüler Matthias Raaben hatte sogar Pech. Er stürzte
und musste verletzt ausscheiden.
Die letzte Episode lieferte
der "Mann des Tages" Wolfram Wiese. Als er das oberste Treppchen erklomm,
riss auch er endlich die Arme hoch. Da holte er den Jubel nach, den er
bei der Fahrt über den Zielstrich vermissen ließ.
Hallo Ihr Lickfelds ! Ich weiß, dass einige von Euch auch mal auf meine Homepage klicken. Daher seid ganz besonders gegrüßt !!!
Von Andreas Ernst
Es gibt Familien, da
dreht sich an 365 Tagen im Jahr alles um Sport. Nur einmal im Jahr ist
ein Abend in gemeinsamer Runde garantiert: am 24. Dezember. Denn am Heiligabend
feiert die versammelte Verwandtschaft nicht in irgendwelchen Hallen, sondern
unterm Tannenbaum. Etwa die Handball-Familie Lickfeld.
Ein Blick ins Wohnzimmer
von Nicole, 26, Marketing-Assistentin. So richtig weihnachtlich schaut
es nicht aus. Auf dem Tisch steht kein Glühwein, sondern eine Flasche
Cola - direkt neben einer Weihnachtsmann-Mütze, die zumindest einen
Hauch von Heiligabend-Stimmung verbreitet. Worüber wird wohl gesprochen,
wenn bei den Lickfelds das Geschenkeauspacken ansteht?
Na klar, zuerst über
die Geschenke. Aber spätestens als zweites über Handball. "Selbst
unsere Verwandten, die nicht aus dem Handball kommen, fragen ständig
nach wie es bei uns sportlich so läuft", sagt Nicole und wendet sich
ihrer Schwester Verena (21, Erzieherin) zu. Sie nickt. Ebenso wie ihre
Cousinen Mareike (19, Studentin) und Christina (16, Schülerin). In
Straßenklamotten sehen die vier für den Reporter ganz anders
aus. Ansonsten tragen sie einen rot-weißen Handball-Dress - den des
RSV.
Christina kramt zwei Handbälle
aus ihrer Sporttasche. Sie ist das Küken der Lickfeld-Bande, spielt
gleichzeitig (!) in der A- und B-Jugend. Die erste Frauenmannschaft ist
ihr Zukunftsziel. "Irgendwann will ich mal in der Oberliga spielen", sagt
sie und rollt einen der Bälle über den Tisch. Nicole nimmt diesen
auf. "Das schafft sie. Christina ist die mit Abstand Talentierteste unserer
Familie." Stimmt das? Verena und Mareike bejahen.
Dieses Trio wirft und verhindert
Tore im Damenteam des RSV, das in der Verbandsliga zurzeit um Punkte kämpft.
Bislang aber ohne Ausbeute. 0:14 - so lautet die traurige Bilanz nach sieben
Spielen. "Der sportliche Wunsch", ruft Mareike energisch, "ist doch klar.
Wir wollen nicht absteigen."
Der Ball kullert zu Verena.
Wie sie zum RSV kam, ist leicht zu erraten. Sie schaute als Kind ihrer
Schwester Nicole zu. Die gehörte zum allerersten Mini-Handballteam,
das der RSV hatte. Und wie kam sie zum Handball? Nicole guckte sich die
Spiele
ihrer Tante an, der Mutter von Christina und Mareike. Der Kreis schließt
sich.
Eine nette Plauderei entwickelt
sich. Nicole: "Für uns kam nie in Frage, den Verein zu wechseln. Es
ist schön, dass wir alle zusammenspielen. Der RSV ist ja ohnehin ein
Familienbetrieb. Übrigens trainiert Mareikes und Christinas Vater
nun sogar die erste Fußballmannschaft." Verena: "Ich trainiere übrigens
auch nebenbei, nämlich unsere Handball-E-Jugend." Christina: "Dabei
helfe ich schon mal. Ich bin sowieso fast jeden Tag in der Halle." Mareike:
"Nur Weihnachten nicht. Da sind die Hallen geschlossen." Nicole: "Ich würde
gern mal mit unserer Frauenmannschaft aufsteigen. Aber ich hoffe nicht,
dass wir vorher absteigen." Die aktuelle Verbandsliga-Tabelle hängt
deshalb auch nicht am Weihnachtsbaum.
Die Colaflasche auf dem
Tisch ist fast leer. Ein Blick aus dem Fenster lässt die Kälte
dieses Dezembers erahnen. Im Haus gegenüber blinkt ein Elektro-Stern.
Die rote Mütze hat nun Christina übergestülpt. Es wird langsam
weihnachtlicher bei Lickfelds. Genau wie bei den vielen anderen Sportfamilien
in Mülheim. Ihr Sportzeug liegt jetzt in der hintersten Ecke des Schranks.
Allerdings höchstens für drei Tage.
Ein Tor-Garant namens
"Mütze"
VfB-Stürmer prägt Mülheimer
Fußball-Szene seit 1988 wie kaum ein zweiter
Von Andreas Ernst
Den 1. Dezember 2002
strich die Vereinsfamilie des Fußball-Verbandsligisten VfB Speldorf
aus dem Kalender. 1:2 in Düsseldorf verloren. Zweifel an den hohen
Zielen. Und doch war dieser Tag ein besonderer: Dirk Roenz bestritt sein
300. Spiel für den VfB. Ein Jubiläum, das unterging.
Still ruht der Platz am
Blötter Weg in den ersten Tagen des Januars. Dabei ist in den letzten
15 Jahren so viel passiert. Abstieg in die Landesliga, Wiederaufstieg,
Platzumbau. Und egal was geschah, einer war immer dabei. Dirk Roenz eben.
Rückblick: 14. August
'88. Die Sonne brennt. Im Verbandsligaduell Goch gegen VfB sind 27 Minuten
gespielt. Spielstand 1:0 für die Viktoria. Dann wechselt Trainer Werner
Schneider den erst 18-jährigen Dirk Roenz ein. Das Talent reißt
das Spiel an sich, schießt zwei Tore zum 2:1-Sieg. Da ahnt der Stürmer
nicht, dass er bis heute in 13 Spielzeiten den VfB-Dress tragen wird.
Vom ersten Tag an liebten
die Fans seine Spielweise. Leidenschaft bis zur letzten Sekunde. Oft übertriebener
Einsatz. Traumpässe. Supertore. Jubelorgien. Vor allem von 1993 bis
1996, als er in der Landesliga mit Holger Vössing und Holger Maertin
ein nie zu stoppendes Trio bildete. Der Aufstieg war die Folge. 1999/2000
wurde er Verbandsliga-Schützenkönig mit 22 "Buden". Nun ist er
wieder auf dem Weg dorthin. Zwischenbilanz: 14 Spiele, 14 Tore.
"Mütze" nennen sie
ihn. Keiner weiß genau, warum. Gerüchte kursieren. Von
Kopfbedeckungen. Und Weihnachtsfeiern.
Aber jener "Mütze" ist auf jeden Fall an der "Blötte" ein Star.
Dabei stand er im September 2001 kurz vor dem Karriereende. Der Grund:
Doppelter Wadenbeinbruch. Bänderrisse. Aufgeben? Niemals! Er kämpfte
für sein Comeback. Und packte es. Sein erstes Spiel nach einem Jahr
Pause war das 1:1 gegen Remscheid. Torschütze? Na, klar: Roenz.
Im November feierte der
Familienvater, der bei der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft tätig
ist, seinen 33. Geburtstag. Ein weiterer Aufstieg mit dem VfB ist sein
sportlicher Traum. Eins wäre sicher: Dem "Mütze" würden
die Speldorfer dann an der Blötte ein Denkmal setzen.
13 Jahre beim VfB im
Überblick -
1988/89: 29 Spiele/10 Tore,
1989/90: 26/13,
1992/93: 11/3,
1993/94: 27/14,
1994/95: 28/24,
1995/96: 29/18,
1996/97: 24/9,
1997/98: 29/10,
1998/99: 21/4,
1999/00: 23/10,
2000/01: 29/22,
2001/02: 11/9,
2002/03: 14/14.
Gesamtbilanz: 301/160.
Weitere Vereine: 1. FC Mülheim
(1990/91), ETB Schwarz-Weiß Essen (1991/92).
"Liegen auf einer Wellenlänge"
Anmerkung: Ja, ich gestehe mal wieder! Helmut Kantner und seine Freundin Tina Konrad (schöne Grüße!) zählen zu meinen engsten Freunden, daher war dieser Text eine besondere Herausforderung. Bin mal gespannt, ob ich diese bestanden habe ...
Von Andreas Ernst
Ein Dutzend Kinder stürmt
Helmut Kantner entgegen. "Das Wasser ist zu kalt. Nur 20 Grad", brüllen
sie. Der 30-Jährige betritt das Nordbad, bespricht die Lage mit Harry
Schulz. Es wirkt, als würden die beiden schon seit Jahren zusammenarbeiten.
Dabei bilden sie erst seit dem 1. Januar das Schwimm-Trainerteam beim Amateursportclub
(ASC).
Neues Jahr, neues Konzept:
Beim ASC beginnt ein interessanter Versuch. Ab sofort haben zwei Trainer
das Sagen, beide Inhaber der B-Lizenz. Harry Schulz ist seit 25 Jahren
dabei und war für die ASC-Leistungsgruppe mit 70 Schwimmern bisher
alleine verantwortlich. Das neue Konzept sieht eine Förderung in Kleingruppen
vor - und zwar mit professionellen Mitteln. Die Fitnesswerte der Schwimmer
werden per Laktattest ermittelt. Die Top-Talente trainieren täglich,
selbst wenn die Wassertemperatur nur 20 und nicht wie üblich 24 Grad
beträgt. Zukünftig werden auch Trainingsstunden vor Schulbeginn
angeboten.
Eine tragende Rolle in diesem
Konzept spielt Helmut Kantner. Er arbeitete beim TSV Viktoria und zuletzt
bei Rhenania Köln. Dort betreute er unter anderem den Sohn von Ex-Weltmeister
Rainer Henkel. Der angehende Berufsschullehrer für Wirtschaftswissenschaften
und Sport sagte gern zu: "Harry und ich liegen auf einer Wellenlänge.
Zudem ist der Vorstand des ASC offen für Neuerungen."
Sich selbst bezeichnet er
als "unbequem". Er denkt sehr leistungsorientiert und behält seine
Meinung selten für sich. Fortschritte erhofft er sich nicht nur von
den Schwimmern. Kantner will die A-Lizenz erwerben und hält sich stets
auf dem neuesten Stand der Trainingsmethodik. "Mein Ziel sind mündige
Schwimmer."
Die SG Mülheim interessiert
den ASC nur am Rand. "Wir schauen zuerst auf uns. Die SG profitiert automatisch,
wenn wir gut arbeiten", meint der Vorsitzende Werner Weskamp. Im Vergleich
zu anderen Großklubs sind die Ziele des ASC bescheiden. Weskamp:
"Um ganz vorn mitschwimmen zu können, fehlt uns eine 50-Meter-Bahn."
Das neue Konzept hätte sich schon gelohnt, wenn ein Talent den Endlauf
bei einer deutschen Meisterschaft erreichen würde. Das hat schon länger
niemand mehr geschafft.
Hohe Ehrung für einen stillen Sympathieträger
Anmerkung: Rudi Lunkenheimer ist ein "großer alter Mann" im Mülheimer Sport, der sich durch seine stets bescheidene Art viel Respekt erworben hat. Einer der angenehmeren offiziellen Termine.
Als die letzten Ehrengäste
das Schloss Broich verließen, atmete Rudi Lunkenheimer tief durch:
"Bin ich froh, dass diese Veranstaltung zu Ende ist." So ist er, der 72-Jährige:
Im Mittelpunkt steht er auch dann nicht gern, wenn er das Bundesverdienstkreuz
am Bande erhält.
Minutenlang musste er nach
der Ehrung Hände schütteln. Von jungen Athleten bis zu Weggefährten
aus 54 Jahren rund um den Ringkampfsport - viele folgten der Einladung
ins Schloss. Lunkenheimer war aktiver Ringer (1949 bis 1964), danach in
den verschiedensten Funktionen beim KSV Styrum (Vorsitzender von 1961 bis
1989 und von 1995 bis 1999) und im Ringerverband NRW tätig. Doch die
Bezeichnung "Funktionär" trifft auf ihn nicht zu. Sein eigenes Engagement
war für ihn stets nebensächlich. Über Jahrzehnte gab er
vielen jungen Athleten Rat und praktische Hilfe. "Sport prägt die
jungen Menschen und vermittelt ihnen Charaktereigenschaften, die für
das spätere Leben von Vorteil sind", lautet sein Motto. Vom KSV wurde
er 1989 zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Bis heute arbeitet er als Geschäftsführer.
Seine Haustür steht allen KSV-Ringern offen.
"Ich kenne Rudi Lunkenheimer
seit 39 Jahren. Er ist ein stets verlässlicher Partner, der sich nie
in den Vordergrund gedrängt hat", sagte Sportdezernent Wilfried Cleven.
In ihrer Rede würdigte Bürgermeisterin Lisa Poungias den Styrumer:
"Ihre hohe soziale Kompetenz und ihre herausragenden integrativen Fähigkeiten
haben sie zu einem Sympathieträger für den Ringkampfsport in
NRW werden lassen." Soviel Lob war ihm fast schon unangehm. "Zwischenzeitlich
habe mich gefragt, über wen die eigentlich redet", verriet er. Dabei
setzte er ein verschmitztes Lächeln auf und widmete sich anschließend
seinen Enkelkindern Robin, Vanessa und Celina.
Einer wie er würde
jedem Sportverein gut tun. Beim KSV Styrum hoffen sie darauf, dass ihnen
"ihr Rudi" noch viele Jahre erhalten bleibt.
aer
Anmerkung: Ein neuer Versuch: Ein von zwei Personen geschriebenes Doppel-Porträt vor dem Fußball-Lokalderby Union Mülheim - VfB Speldorf
Von Marcus Lemke und Andreas
Ernst
Die Aufgebote der Mülheimer
Fußball-Verbandsligisten TuS Union 09 und VfB Speldorf sind sich
recht ähnlich. In beiden Kadern gibt es eine gesunde Mischung zwischen
Routiniers und Nachwuchsspielern. Zwei Talente sorgten in den letzten Monaten
durch ihre beständig guten Leistungen für Aufsehen: Björn
Rohpeter (Union 09) und Marc Wildschütz (VfB Speldorf).
Es gibt Fußballtalente,
die um jeden Preis im Mittelpunkt stehen und auf sich aufmerksam machen
wollen. Und es gibt junge Spieler wie Björn Rohpeter - ein ruhiger
Typ auf und außerhalb des Platzes. Beim Verbandsligisten Union 09
hat er sich klammheimlich zu einer festen Größe entwickelt.
Im zarten Alter von sieben
Jahren meldeten die Eltern Rohpeter ihren Sprössling beim TuS Union
09 an - bis heute blieb ihr Sohn dem Klub von der Südstraße
treu. Dass er irgendwann einmal in der Verbandsliga spielen würde,
konnte der junge Björn zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Denn
da kickte Union noch in der Kreisliga A. "Ich war ein Spätstarter",
gesteht er. In seiner Jugendzeit spielte er nur ein Jahr lang in der Niederrheinliga,
und über die Stadtauswahl kam er nie hinaus.
Nun ist der Mülheimer
Stadtinspektorenanwärter 22 Jahre alt, und die meisten seiner ehemaligen
Teamkollegen haben Union inzwischen verlassen. Den Verein wechseln, daran
hat er bisher nur gedacht. "Als Axel Benzinger vor einigen Jahren den 1.
FC Wülfrath trainierte, wäre ich fast gegangen. Aber irgendwie
habe ich gekniffen." Zu sehr ärgerte ihn, dass teure Neuzugänge
oft den Jugendlichen vorgezogen wurden. "Wir haben eigentlich immer gespielt,
mussten aber bei Null anfangen, wenn neue Leute kamen." Aber HSV-Fan Rohpeter
blieb der bescheidene Typ, der oft ein Lächeln auf den Lippen trägt.
Der nie große Töne spuckt, aber auch nicht zu den Duckmäusern
zählt. Der geduldig auf seine Chancen wartete und sich auch durchsetzte.
Morgen im Lokalderby wird
er im defensiven Mittelfeld still und zuverlässig seine Arbeit verrichten.
Dass es seinem Verein zurzeit schlecht geht, findet er schade. Große
fußballerische Zukunftspläne hat er nicht. "Profi werde ich
bestimmt nicht mehr", schmunzelt er. In der Verbands- oder Landesliga sieht
er sein Leistungslimit.
Marc Wildschütz, sozusagen
Rohpeters Pendant auf VfB-Seite, hat den Traum vom Fußballprofi noch
nicht ganz ausgeträumt: "Da gehört auch eine große Portion
Glück dazu. Wer weiß, vielleicht klappt es ja mal irgendwann."
Mit 1,74 Meter Körpergröße hat Wildschütz nicht gerade
Idealmaß für einen Verteidiger. Dennoch ist er einer der VfB-Akteure,
die mit extrem wenigen Ausnahmen konstant gute Leistungen bringen. "Die
Trainer setzen mich immer auf die dribbelstarken gegnerischen Stürmer
an", erzählt der 21-Jährige, der dadurch den "Kopfball-Ungeheuern"
der Verbandsliga aus dem Weg gehen kann. Trotz seines jungen Alters ist
sein Zweikampfverhalten schon beinahe ausgereift. Er hat in seiner jungen
Karriere manchen Torjäger an die Kette gelegt.
In der Jugend spielte Marc
Wildschütz zehn Jahre lang für Katernberg 19, um dann bei den
Essener Traditionsklubs SC Rot-Weiß und ETB Schwarz-Weiß anzuheuern.
Im Sommer 2001 stand der Wechsel in den Seniorenbereich an. Bei zwei Probetrainingseinheiten
in Speldorf überzeugte Wildschütz den damaligen VfB-Trainer Dirk
Pusch, sodass ein Vertrag geschlossen wurde. Der Speldorfer Vorsitzende
Klaus Wörsdörfer erzählt: "Ich habe Marc noch gesagt, dass
er damit rechnen muss, auch mal in der zweiten Mannschaft zu spielen. Doch
er war schon damals sehr selbstbewusst und ging davon aus, dass er den
Sprung in das Verbandsliga-Aufgebot schaffen würde." Dies gelang Marc
Wildschütz eindrucksvoll, denn er avancierte sofort zum Stammspieler.
Auch nach dem Trainerwechsel vor der laufenden Saison hat sich daran nichts
geändert. Frank Kurth hält ebenfalls viel von seinem Talent.
Nun will der Youngster unbedingt mit dem VfB in die Oberliga. Wenn es dieses
Jahr nicht klappen sollte, dann aber spätestens in der nächsten
Saison. Sowohl das Speldorfer Team als auch Marc Wildschütz haben
das Potenzial dazu. Viermal in der Woche wird derzeit beim VfB trainiert
- für den 21-Jährigen kein Problem: "Wenn wir in die Oberliga
aufsteigen und möglicherweise fünfmal trainieren, dann soll es
so sein." Dafür nimmt der Blondschopf auch die Fahrt von Essen-Katernberg
nach Mülheim-Speldorf in Kauf.
Marc Wildschütz hofft
morgen auf viele Zuschauer: "Es ist phantastisch, vor vielen Leuten zu
spielen. Beim VfB hat sich ein Fanklub gebildet. Jetzt wird es auch manchmal
richtig laut. Das spornt uns natürlich an." Zum Abschluss des Gespräches
mit der Sportredaktion wagt Wildschütz sogar einen Tipp für das
Lokalderby, zu dem eine fast vierstellige Zuschauerzahl erwartet wird:
"Wir gewinnen mit 2:0 Toren. Als Verteidiger muss ich natürlich darauf
tippen, dass wir keinen Gegentreffer kassieren." Björn Rohpeter wird
versuchen, seinem Kontrahenten morgen die Suppe zu versalzen.
Von Andreas Ernst
Im elterlichen Schlafzimmer
begann die Ringerkarriere von Tim van Voorst. Er konnte kaum laufen und
probierte doch als Kleinkind mit Vater Ralf die ersten Griffe. Heute ist
er 13 Jahre alt, beim KSV Styrum aktiv und ein großes Talent: Am
Sonntag scheiterte er bei der deutschen C-Jugend-Meisterschaft erst im
Finale.
Im ersten Moment nach der
Schlusssirene sank Tim in Metternich-Rübenach bedröppelt zu Boden.
Wieder Zweiter, genauso wie 2002, so lauteten seine Gedanken. Doch schon
ein paar Sekunden später wich die Enttäuschung der Freude.
Trotz seiner Jugend hat
Tim schon einige Charakterstärken entwickelt. Er ist zielstrebig,
und fleißig, aber gleichzeitig locker geblieben. Doch der Reihe nach:
Seine Zukunftspläne hat Tim genau abgesteckt. Als Schüler der
8. Klasse paukt er in der Realschule Mellinghofer Straße für
seine nächsten Ziele: Das Abitur und ein Sport-Studium hat er fest
eingeplant. Dem Ringen möchte er treu bleiben. "Ich will 2004 auch
in der B-Jugend bei der deutschen Meisterschaft aufs Treppchen. Wer das
nämlich dreimal schafft, wird zur Nationalmannschaft eingeladen."
Gern wäre Tim, der am liebsten im griechisch-römischen Stil ringt,
im Herbst in der Verbandsliga dabei. Dazu fehlen ihm zwölf Kilo -
mindestens 50 kg muss er wiegen. Auch auf der Matte agiert Tim zielstrebig,
wenn auch manchmal zu ungeduldig. Auf taktische Tricks verzichtet er. Vier
DM-Kämpfe gewann er vorzeitig: "So kann ich Kondition sparen."
Der Erfolg ist auf seinen
Fleiß zurückzuführen. Jeden Tag trainiert der Styrumer.
Einmal pro Woche fährt er ins Trainingszentrum des KSV Witten. Den
Abwerbeversuchen des Bundesligisten hielt er bisher stand. "Witten ist
weit weg - und Styrum doch der beste Verein", sagt Tim und erzählt
stolz, dass am Finaltag viele KSV-Mitglieder die weite Autofahrt nach Metternich
auf sich nahmen.
Locker und entspannt gibt
sich Tim neben der Matte. Na klar, gibt er zu, "habe ich in der Nacht vor
dem Finale kaum geschlafen und war sehr nervös." Ansonsten ist er
offen und geht gern auf Leute zu. "Tim kennt Ringer aus ganz Deutschland",
ergänzt Ralf van Voorst.
Seinem Vater rang er eine
Wette ab: "Es geht darum, wer von uns zuerst deutscher Meister wird. Ich
habe das nicht geschafft, jetzt muss mein Vater bei den Senioren-Meisterschaften
mitringen." Ein amüsanter Rollentausch: Dann steht der 13-jährige
Sohnemann in der Mattenecke und gibt seinem Vater die Tipps. Der ist Tims
größter Förderer, begleitet ihn zu fast jeder Trainingseinheit
- auch nach Witten. "So wie der Junge wäre ich früher auch gern
gewesen", sagt er und beteuert: "Wir setzen ihn aber nicht unter Druck."
Für Tim gibt es außer Ringen kaum ein anderes Thema. "Auch mit
allen meinen Freunden rede ich immer wieder darüber."
Von Woche zu Woche entwickelt
sich Tim weiter. Nur eins ist immer geblieben: Im elterlichen Schlafzimmer
ringt er immer noch mit Vater Ralf.
Pfostenschuss verfolgt Mill immer noch
(v.l.) Wilfried Weinbach,
Michael Klauß, Frank Kurth, Dirk Helmig, Frank Mill
Erklärung:
Es war ein kalter Dienstagmorgen, als ein völlig müder langhaariger
Trottel aus dem Bett stapfte, sich den Schlaf aus den Augen rieb, in Trance
taumelnd sein Handy anknipste und im nächsten Moment mit dem Gesicht
unter dem Wasserhahn verschwand. Kaum die Augen aufgerissen, piepste das
tragbare Telefon mit der "Triumphmarsch"-Melodie. Nur "Nummer unbekannt"
leuchtete auf dem Display auf... ist bestimmt mein Bruder oder der Kantner.
"Andreas Ernst?" "Tag, Frank Mill hier!" Mensch, hätte ich in dem
Moment gern mein eigenes Gesicht gesehen. Kurz bevor ich ein "Du hast mich
auch schon mal besser verarscht" herausbrachte, sprudelte es aus dem anderen
Ende heraus. "Fußballschule ... (blabla) ... VfB Speldorf ... (blabla)
... Telefonnummer von Frank Kurth bekommen ... (blabla) ... Termin ausmachen".
Frank Mill. Flugs war der Termin ausgemacht und flugs wurde der "40 Jahre
Bundesliga"-Kicker gewälzt. 387 Bundesligaspiele, 123 Tore. WM-Aufgebot
1990. Eine lebende Fußball-Legende. Bei mir am Telefon. Ich rief
sofort Thommy an. "Und Bruderherz... was wäre Deine erste Frage?"
"Wie der den Ball damals an den Pfosten schießen konnte!" Stimmt,
das war ja auch der Mill, der freistehend... in jeder Pleiten, Pech und
Pannen-Sendung taucht das heute noch auf. Ein paar Tage später der
Termin am Blötter Weg. Die üblichen Gesichter wie Frank Kurth
und Michael Klauß (alles Ex-Profis, mit denen ich zu tun habe, wenn
ich mal protzen darf!?!) und dann kommt Frank Mill. Ein netter Kerl. "Weißt
Du eigentlich, dass Du in Ottmar Hitzfelds Biografie auf drei Seiten erwähnt
bist, Fränkie?", fragt Frank Kurth. "Nee, aber Du wirst lachen: Wir
telefonieren einmal im Monat!" In was für Kreise bin ich denn geraten...
das Interview geht schnell rum (wir sind ja beide irgendwie Profis *hüstel*)
und das war´s auch schon. Frank Mill und ich...
Eine nette Geschichte,
oder?
Was bleibt? Frank
Mills Handy-Nummer in meinem Telefonbuch!
Und natürlich
der WAZ/NRZ-Text...
Von Andreas Ernst
Er stand zwar im Weltmeister-Aufgebot
von 1990, doch unsterblich geworden ist Ex-Profi Frank Mill durch eine
Fußball-Panne: Einmal schoss er das runde Leder freistehend vor dem
leeren Tor an den Pfosten. Heutzutage zeigt Mill Kindern, wie es richtig
geht. Mit seiner Ferien-Fußballschule macht er im August in Mülheim
Station.
Zwei Wochen lang richtet
sich die von Mill und Dirk Helmig (früher bei RW Essen und VfL Bochum)
organisierte Schule "kidsactive" beim VfB Speldorf am Blötter Weg
ein. Vom 11. bis 15.8. und vom 18. bis 22.8. bekommen Kinder zwischen 8
und 13 die Chance, von Ex-Profis zu lernen.
44 Jahre ist Mill inzwischen
alt. Insgesamt 387 Bundesligaspiele hat er absolviert und dabei 123 Tore
geschossen. Zeitgleich finden Kurse an neun Orten in Deutschland statt.
"Der Ball ist immer dabei. Es gibt Spielformen, Technikschulung und Gymnastik",
erzählt er. Ein Trainingstag dauert von 9.30 bis 15.30 Uhr. In der
Mittagspause warten viele Überraschungen auf die Kinder. Autogramme
verteilen Christoph Metzelder (Dortmund) und Trainer Norbert Meier (MSV
Duisburg). Zudem gibt Schiedsrichter-Unikat Wolf-Dieter Ahlenfelder einen
Blick in die Welt der Unparteiischen. "Ein Kamerateam der DSF-Sendung ,Fujuma´
hat sich für die Mülheimer Schule angesagt", verrät Mill
ein weiteres Schmankerl.
Das Training leiten Frank
Benatelli (früher beim VfL Bochum, heute bei SW Essen), VfB-Trainer
Frank Kurth und der Ex-"09er" Michael Klauß. Alle drei sind Inhaber
der A-Lizenz. Auch Mill schaut natürlich vorbei - und muss wahrscheinlich
die Pfostenschuss-Szene nachspielen.
Kosten: 149 Euro pro Kind
für fünf Tage, Ausrüstung und Verpflegung inklusive. Termine:
11.8. bis 15.8. oder 18.8. bis 22.8., Informationen und Anmeldung bei Hermann
Bovermann vom VfB (Tel: 5 05 49), bei Dirk Helmig von "kidsactive" (Tel:
0201/677 377) oder im Internet (www.kidsactive.de).
Von Andreas Ernst
Eigentlich hatte er zwei
Möglichkeiten: "Entweder ich knall voll drauf oder ich heb den Ball
über den Torwart." Gewählt hat Joachim Bohra die dritte Variante:
"Ich hab die Kugel einfach nur leicht angetippt - und drin war sie." Es
war das 3:2 für Union im Verbandsligaspiel bei Fortuna Düsseldorf
II - und der Sieg.
Zuvor hatte "Jo" schon das
2:2 erzielt. Deshalb kürte ihn die Sportredaktion zum "Star der Woche".
Einer der bekanntesten Fußballer
der Stadt ist Bohra, mittlerweile 34, seit vielen Jahren. Obwohl er auch
bei anderen Klubs spielte (SW Essen, Velbert, Speldorf, Vatan), steht sein
Name in Verbindung mit Union. Vor der Saison kehrte er zurück. Viele
trauten ihm den Sprung in die Verbandsliga nicht mehr zu. "Ach, was die
anderen sagen, interessiert mich nicht", meint er. Er ist von seiner Qualität
überzeugt.
Das Interesse zog er bei
Union in 262 Spielen auf sich. Dabei erzielte er 157 Tore. Dreimal ist
er mit 09 aufgestiegen, viermal Hallen-Stadtmeister geworden. Die schwierigen
Zeiten, als er nach einem Kreuzbandriss im August 2002 im Streit ging,
hat er abgehakt. "Was damals im Klubhaus geredet wurde, ist mir egal. Bin
sowieso ´ne ehrliche Haut und verstehe mich mit allen gut."
Zwei Kinder hat der verheiratete
"Jo", der bei der Stadtverwaltung arbeitet. Sebastian ist sechs, Michel
ein Jahr alt. Michel? "Wie der große Platini", erzählt der Papa.
Platini, die langjährige "Nummer 10" Frankreichs. Die "10" trägt
"Jo" auch, und das mit Stolz. "Alle großen Spielmacher haben diese
Nummer getragen."
Vertraglich bekam er das
Trikot nicht zugesichert; doch das ist an der Südstraße ein
"running gag". "Ich werde immer damit aufgezogen", sagt er. Noch anderthalb
Jahre will er spielen, "und dann in Rente gehen", womöglich ein Jugendteam
trainieren. "Vielleicht bin ich ja der erste Unioner, der ein Abschiedsspiel
bekommt."
Keine Frage: Viele ehemalige
Mitspieler aus 20 Jahren bei Union würden kommen. Und der technisch
beschlagene "Jo" könnte noch einmal alles zeigen; den Ball draufknallen,
drüberheben oder leicht antippen. Beifall wäre ihm sicher.
Anmerkung: Betrachtet es als Fortsetzung des Textes vom 10.9.2002
von links: Iris, Britta, Nicole, Trainer Peter, Martina, Tina, Christina, Verena (Nachnamen sind blöd)!
Von Andreas Ernst
Die Handball-Verbandsliga
ist für die Mülheimer Herrenmannschaften zurzeit ein Traum. Die
Frauen des RSV behaupten sich dagegen schon seit vielen Jahren in der fünfthöchsten
Klasse. Nur zwei Spielerinnen haben das Team verlassen - aber diese Verluste
sind so gravierend, dass die RSV-Damen nur den Klassenerhalt anstreben.
Nach vielen Jahren hat Heidi
Linnenschmidt ihre Handballstiefel an den Nagel gehängt. Sie war stets
die Führungsfigur an der Kleiststraße. Wenn es nicht lief, stauchte
sie ihre Teamkolleginnen zusammen - zudem gab sie in der Abwehr den Ton
an und packte selbst energisch zu. Die meisten Tore warf in den letzten
Jahren Anja Karoß. Auch sie hat aufgehört.
Seit vier Wochen versucht
Peter Högerle seine Mannschaft auch ohne die beiden langjährigen
Leistungsträgerinnen in Form zu bringen. Der 37-jährige Berufsschullehrer
ist der neue RSV-Trainer. Er selbst hat in der Oberliga gespielt. Als Trainer
ist er seit elf Jahren tätig - der Kontakt zum RSV kam über das
Internet zu Stande. Seine neue Mannschaft kennt er schon genau, da er in
der letzten Saison die RSV-Reserve (Landesliga) betreute. Högerle
misst 1,90 m und überragt die meisten Damen um einen Kopf.
Doch abgehoben ist der Coach
nicht. "Unser Ziel kann nur der Klassenerhalt sein. Wenn alle gesund bleiben,
ist sogar ein Platz im oberen Mittelfeld realistisch", sagt er. Er hat
ein einfaches Konzept, wie die Verluste zu kompensieren sind. "Jede Spielerin
muss mehr Verantwortung übernehmen", meint er. Neu dabei ist Nida
Berber, die zuletzt in Hessen spielte, nun aber in Mülheim wohnt und
sich daher dem RSV anschloss. Zudem wurden Christina Lickfeld, die eigentlich
noch in der A-Jugend spielen könnte, und Verena Schmidt (zweite Mannschaft)
ins Verbandsligateam befördert. Högerle: "Christina ist schon
so stark, dass sie in dieser Klasse mithalten kann."
Zwei Stärken sieht
er: Die eine heißt Susanne Schmitz-Freihoff. "Sie ist eine der stärksten
Torhüterinnen in der Verbandsliga", glaubt der Trainer. Zudem baut
er vor allem auf Tempogegenstöße: "Darauf wird es in der kommenden
Saison ankommen. Und da wir mit Britta Borchert eine der schnellsten Spielerinnen
haben, sind wir gerüstet." Lediglich an der Abwehrarbeit feilt er
noch - ohne Karoß und Linnenschmidt liegt in der Defensive das derzeitige
Problem.
Höhere Ziele sind tabu.
Das Wort "Oberliga" steht auf dem Index. "Es wäre vermessen, davon
zu reden. Noch zwei, drei Jahre sollten wir warten - und dann mal schauen",
sagt Högerle. Er ist eben groß, aber nicht überheblich.
Anmerkung: Das nennt man "wildes Rumgefeature!"
Von Andreas Ernst
Für Radfahrer gab
es gestern auf dem Leinpfad unterhalb der Mendener Brücke kein Durchkommen:
"Achtung! Durchfahrt vermeiden! Kanu-Regatta!", verriet ein großes
Schild. Diejenigen, die sich vorbeitrauten, brauchten lang für diese
Strecke. Am Herbst-Cup des Mülheimer Kanusport-Vereins (MKV) kamen
sie nicht vorbei.
Herbst ist genau das richtige
Stichwort. Die Ruhr bildet in diesen Tagen ein malerisches Schauspiel.
Die Bäume verlieren langsam ihre Blätter, bedecken das Wasser.
Der eine oder andere kleinere Schauer kündigt die kalten Tage an.
Grau in grau präsentiert sich der Himmel. "Ein bisschen Sonnenschein
wäre schon schön gewesen", sagt Franz Bodsch vom Organisationsteam.
"Aber wir sind doch Wassersportler, da werfen uns die paar Regentropfen
nicht um."
Enten halten sich nicht
in der Nähe der Stege auf. Dort sind Kajaks und Canadier en masse
zu sehen. Kajaks, die schmalen Boote mit Doppelpaddel, und Canadier mit
sechs Sportlern und einem Steuermann mit Stechpaddel. Bodsch schaut sich
das Geschehen von oben an, aus dem Regattabüro im MKV-Klubhaus. Einen
schönen Blick hat er: auf die Mendener Brücke, das Wasser und
die Ruhraue. Aber das registriert er kaum: "Ich hätte nicht gedacht,
dass Ergebnisse eintippen so anstrengend sein kann." Zudem sieht er ein
bisschen übermüdet aus. "Am Vorabend war eine Party zum MKV-Geburtstag.
Um 3 Uhr ist der Letzte gegangen." Und wer? "Ich."
Doch eine reine Spaß-Veranstaltung
ist der Herbst-Cup nicht. 46 Rennen finden insgesamt statt, angereist sind
neben dem MKV und der DJK Ruhrwacht drei weitere Vereine. Besondere Aufmerksamkeit
genießen die Wettbewerbe um die Stadtmeisterschaft. Die MKV-Eltern
bekommen davon nur wenig mit. Sie betreuen liebevoll die Getränke-
und Speisestände im Klubhaus. Bei besserem Wetter wäre der Umsatz
höher gewesen - weil mehr Spaziergänger zugeschaut hätten.
"Ach, das ist doch nur ein Randaspekt", sagt Bodsch.
Ein bisschen Spaß
ist dann aber schon dabei. Zum Beispiel in den Rennen, in denen geübte
Kinder mit ungeübten Eltern im Kajak sitzen. Oder in den Canadier-Wettbewerben
mit Mannschaften, die "Terror Team", "Altbier-Express" und "Sahnespritzer"
heißen.
Am Ende eines langen Kanutages
erhält jeder eine Medaille. "Das war unsere erste Regatta seit acht
Jahren", atmet Franz Bodsch durch. "Ich bin seit 6 Uhr auf." Moment mal,
war er nicht erst um 3 Uhr im Bett? "Stimmt", sagt er. "Deshalb haue ich
mich jetzt auch erst mal aufs Ohr."
Siebter Spieltag in der
Fußball-Verbandsliga. Derby. Der TuS Union 09 erwartet am Sonntag
(15 Uhr) den VfB Speldorf. Mit den Trainern Ernst Bachmann (58, TuS) und
Frank Kurth (41, VfB) sprachen Andreas Ernst und Andree Hagel.
WAZ/NRZ:
Dass der VfB bisher nicht
zufrieden sein kann, ist klar. Sie liegen nur einen Zähler hinter
dem Lokalrivalen, Herr Bachmann. Sind Sie mit Ihren sechs Punkten aus sechs
Spielen zufrieden?
Bachmann:
Das ist schon in Ordnung,
obwohl wir ein, zwei Punkte mehr haben könnten. Das ist bei uns noch
ein Integrationsproblem. Wir haben noch nicht die fertigen Spieler. Acht,
neun Punkte waren das Ziel. Aber die Mannschaft braucht halt noch ein bisschen.
WAZ/NRZ:
Wie wichtig ist das Spiel?
Der VfB steckte nach einer vierten Niederlage in Serie endgültig in
der Krise? Für den TuS Union 09 begänne spätestens dann
der Kampf um den Klassenerhalt?
Kurth:
Es ist ein Derby, das hat
einen ganz anderen Stellenwert als ein anderes Verbandsliga-Spiel. Ein
Derbysieg stünde uns in unserer jetzigen Situation besser zu Gesicht
als etwa ein Sieg über Homberg. Krise? Mit jedem nicht gewonnenen
Spiel wird unsere Situation prekärer.
Bachmann:
Der Kampf um den Klassenerhalt
hat am ersten Spieltag angefangen. Ich glaube nach dem Nettetal-Spiel,
dass langsam jeder begriffen hat, wo's langgeht. So ein Derby führt
zu einer ganz anderen Situation. Da hängt sich jeder rein, und da
ist jeder bereit. Komischerweise.
WAZ/NRZ:
Auf Mülheims Straßen
ist zu hören, dass der TuS alles unternehmen werde, um auf dem Ascheplatz
an der Südstraße zu spielen? Warum wäre das ein Vorteil
für Ihre Mannschaft, Herr Bachmann?
Bachmann:
Wir werden alles dafür
tun, um auf Rasen spielen zu jkönnen. Und wir werden zu 90 Prozent
auf Rasen spielen.
WAZ/NRZ:
Und der Vorteil auf Asche
wäre?
Bachmann:
Ich sehe keinen Vorteil.
WAZ/NRZ:
Und warum wäre ein
Spiel auf Asche ein Nachteil für Ihr Mannschaft, Herr Kurth?
Kurth:
Es geht darum zu fighten.
Egal, ob wir auf Rasen oder auf Asche spielen.
WAZ/NRZ:
Wer häufiger auf der
Speldorfer Homepage im Gästebuch liest, stößt darauf, dass
Ihnen die Fans vorwerfen, aus den guten Einzelspielern keine Mannschaft
geformt zu haben, und ein ehemaliger Torwart könne kein guter Trainer
sein. Beschäftigen Sie sich mit solchen Vorwürfen?
Kurth:
Dazu kann ich nur sagen,
dass vor vier Wochen nach dem 2:2 in Oberhausen ein junger Spieler zu mir
gekommen ist. Und der hat mir einiges erzählt. Das kommt von Spielern,
die wir nicht haben wollten oder aussortiert haben. Und deshalb interessiert
mich das überhaupt nicht.
WAZ/NRZ:
Wie sehen Sie das?
Bachmann:
Ich denke, dass Frank ordentliche
Arbeit macht. Ich habe das Pokalspiel gegen Solingen und eine Mannschaft
gesehen, die Willen und Einsatz gezeigt hat und Freude hatte. Ich habe
auch mit Spielern gesprochen: Die sind mit ihrem Trainer zufrieden.
WAZ/NRZ:
Schütteln Sie heute
oft den Kopf, wenn Sie sehen, was alles beim Fußball so passiert
oder passiert ist?
Bachmann:
Früher sind wir zum
Platz gegangen und haben und reingehängt. Heute haben die jungen Leute
andere Interessen. Es ist unheimlich schwierig, junge Spieler heranzuführen,
die sich der Situation stellen. Die Ernsthaftigkeit fehlt sonntags oft.
30 Prozent der Mülheimer Fußballer sind samstags im Ballermann.
Ich kann doch nicht jeden anrufen. Was soll ich da machen?
Kurth:
Das kann ich nur unterstreichen.
Du bist nicht nur Arbeitskraft als Trainer, du bist ja auch das Sozialamt.
Ich kenne heute kaum einen Spieler, der das Geld wegpackt. Die planen das
in ihren Lebensunterhalt ein. Ich habe ja nichts dagegen, dass jemand für
gute Leistung auch gutes Geld bekommt. Aber für eine mittelmäßige
Leistung gutes Geld? Da wird mir angst und bange. Noch einmal zurück:
Wir haben einen zweiten Physiotherapeuten geholt, den ich zu 20 Prozent
aus eigener Tasche bezahle. Wenn ich dann als Abzocker
hingestellt werde, tut das
weh.
WAZ/NRZ:
Noch einmal zurück
zum Spiel. Auf welchem Team lastet mehr Druck?
Bachmann:
Mit Sicherheit stehen die
Speldorfer mehr unter Druck. Dass sie gewinnen wollen, könnte für
uns ein Vorteil sein. Eine Niederlage wäre für den VfB fatal,
ärgerlich.
WAZ/NRZ:
Sehen Sie da auch so, Herr
Kurth?
Kurth:
Auf der Mannschaft lastet
mehr Druck. Sie ist gefordert, ein Zeichen zu setzen und nicht nur die
spielerischen Mittel einzusetzen. Egal, auf welchem Geläuf.
Bachmann:
Wir spielen auf Rasen.
Von Andreas Ernst
Schluss, Aus, das Derby
in der Fußball-Verbandsliga ist vorbei. Es endete 2:2 (1:1), hatte
also keinen Gewinner. Aber doch einen Verlierer: Der VfB Speldorf blieb
zum fünften Mal sieglos, keine Spur von den hohen Ambitionen. Die
Arme hochreißen durften nur die Spieler des TuS Union 09.
"Meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich doch aussprechen!" Frank Kurth hat es nicht leicht. Bei
den VfB-Fans wird er immer umstrittener, und bei der Pressekonferenz kam
er kaum durch mit seiner Analyse. "Die Verunsicherung war der Mannschaft
anzumerken", sagte er. Union-Coach Ernst Bachmann hatte da die festere
Stimme: "Ich muss meiner Mannschaft ein Lob dafür zollen, dass sie
gegen einen starken Gegner wie der VfB an sich ist bestanden hat."
Starker Gegner? Es lief
dumm für den VfB: Erst musste Thomas Maaßen nach dem Aufwärmen
passen, Fuat Güngör spielte. Und dann saß der erste Schuss.
Nach einer abgewehrten Ecke für Union hielt Thomas Thiel drauf. Yasar
Kurt fälschte ab, drin, 1:0 (6.).
Die 09er spielten so gut
sie konnten. Dass sie keinen Gegner in dieser Verbandsliga-Saison an die
Wand spielen können, das ist klar. Das weiß auch Trainer
Bachmann. Er baute auf dieselbe
Elf wie in Nettetal. Und auf dieselbe Taktik. Björn Rohpeter (gegen
Rene´ Kägebein) und Jörg Müller (gegen Dirk Roenz)
spielten stur gegen den Mann. Martin Espelmann (gegen Thomas Pröpper)
und Moritz Schroer (gegen Björn Matzel) sollten die Speldorfer Außen
ausbremsen. Union stand tief gestaffelt in der eigenen Hälfte, riskierte,
dass die Speldorfer klar feldüberlegen waren.
Waren die dann auch. Doch
wenn die Speldorfer ihr Querpass-Festival einmal unterbrachen, dann war
Union-Libero Ralf Zils zur Stelle. "Sauber Ralle", war dann auch der meist
gebrüllte Satz der Union-Fans, wenn ihr Kapitän den Ball erobert
und auf die Tribüne oder in die gegnerische Hälfte gedroschen
hatte. Großer Fußball ist das nicht. Aber besser geht's bei
09 nicht.
So wäre das vermutlich
bis zum Spielende weitergegangen, wenn Dirk Roenz nicht beim VfB spielen
würde. In der 27. Minute bekam der Torjäger einen Pass von Marco
Ferreira. Eine Drehung, ein Schuss, ein Platzfehler, der Ball springt ins
lange Eck, 1:1. Dann noch zwei Chancen für Thomas Pröpper (37./43.),
und doch: Eine VfB-Führung wäre nicht verdient gewesen. Denn
wie wäre das Spiel gelaufen, wenn Joachim Bohra freistehend das leere
Tor getroffen und nicht vorbeigeschossen hätte (31.)?
In der zweiten Hälfte
gab es die nächste Was-wäre-wenn-Szene: Nach einem Foul von Fuat
Güngör an Mahmoud Ibrahim entschied Schiri Sven Intveen auf indirekten
Freistoß und nicht auf Elfmeter (65.). Zweimal hatten die Speldorfer
also Glück. Die blieben überlegen und gingen in Führung.
Wieder ein Pass von Ferreira, wieder ein freistehender Roenz, wieder ein
Tor (73.).
2:1-Führung - das sollte
beruhigen. Sollte. Denn der VfB präsentierte sich als leblose Ansammlung
von Einzelkämpfern. Ein rackernder Roenz, ein phasenweise dribbelstarker
Matzel - ein bisschen wenig. Keiner versuchte, seinen Mitspieler anzutreiben,
aufzumuntern. Auch nicht nach dem 2:2. Martin Espelmann hatte geflankt
und Alex Calianu per Kopf vollendet (84.). Dass Calianu wegen übertriebenen
Torjubels Gelb-Rot bekam: geschenkt. Die Speldorfer nutzten das nicht.
Fast wäre Andre Schwartz gar das 3:2 gelungen. Die VfB-Fans hätte
das nicht geschockt. Sie blieben sowieso 90 Minuten ruhig. Was bleibt?
Ein verdientes 2:2 in einem mäßigen Spiel. Aber spannend war's.
Beide Mannschaften sind
Mittelmaß. Nicht mehr, nicht weniger. Doch nur für Union ist
das ein Kompliment.
Tore: 1:0 Thomas Thiel (6.),
1:1/1:2 Dirk Roenz (27./73.), 2:2 Alex Calianu (84.).
TuS Union 09: Reinhold -
Zils - Rohpeter (40. Schwartz), Müller - Espelmann, Berges, Thiel
(73. Briks), Schroer, Ibrahim - Bohra (46. Siegmund) - Calianu.
VfB Speldorf: Gottwald -
Kurt - Wildschütz (87. Dehn), Synowiec - Güngör, Matzel,
Ferreira, Przybilla, Pröpper - Kägebein (79. Burgsmüller),
Roenz.
Von Andreas Ernst
Draußen weht der
Wind die Blätter auf die Straße, Regen und Sonne wechseln sich
ab. Drinnen serviert Helmut Lender Kaffee und Plätzchen. Er hat ausgeschnittene
Zeitungsartikel ausgebreitet, präsentiert sein Statistik-Büchlein.
Darin enthalten: 40 Jahre "Lender-Elf" mit 1335 Fußball-Spielen.
1963 bis 2003 - eine verdammt
lange Zeit.Helmut Lender ist inzwischen 65, aber immer noch als Libero
dabei. Wenn es mal gar nicht mehr geht, dann "mache ich als Betreuer weiter".
Was hat sein Team nicht alles überdauert: Als Lender unter dem Dach
des TSV Viktoria gemeinsam mit seinem Bruder Peter erstmals die Spieler
zusammentrommelte, da wurden ihm die Sportplätze von Wilfried Cleven
zugewiesen. Der ist mittlerweile Sportdezernent. Erster Treffpunkt war
die Mintarder Straße. 1963 war dort die Sporthalle gerade im Rohbau
- mittlerweile wurde sie schon wieder abgerissen.
Es fing an in der Leichtathletik-Abteilung
des RSV. Vom Speer und der Kugel hatten die Lenders und ein paar Kollegen
die Nase voll und gründeten ein Fußballteam. Aus Trainingseinheiten
wurden Freundschaftsspiele, die Sportler brachten Freunde mit - und im
Laufe der Jahre entstand eine Traditionself, die in Mülheim einmalig
ist. "So um die 350 Spieler haben mittlerweile mitgemacht", meint der "Chef"
beim Blick ins Büchlein. Bei der jährlichen Weihnachtsfeier werden
dann die Erinnerungen hervorgekramt: "Wir haben mal neun Stück reingekriegt,
aber auch schon 15 geschossen. Wir wurden von Klaus Steilmann zu Wattenscheid
09 eingeladen. Und von Kickers Offenbach. Gegen Ronny Worm und Holger Osieck
haben wir gespielt."
Heute sind die Gegner überwiegend
die Betriebsmannschaften von Krankenhäusern, Feuerwehr und Firmen.
Drei Trainingszeiten stehen Lender zur Verfügung. Zehn Spieler sind
immer da. Und nicht nur alte. "Die Mischung macht es aus. Junge kommen
immer dazu." tephan Giesbert vom MSV 07 mischt ab und zu mit, auch Martin
Espelmann von Union und der Saarner Sebastian Pick trugen schon das Lender-Trikot.
Bekannteste Spieler waren Ex-Profi Wilfried Mackscheidt und das Badminton-Ass
Gerd Kucki. "Bei uns knallt es
auch schon mal, und wir
schreien uns an", sagt Lender. "Aber beim Bier hinterher lachen wir dann
wieder gemeinsam." In der Betriebssport-Hobbyliga machte die Lender-Elf
nie mit. "Da wird zu viel geknüppelt."
Wie viele Spiele er selbst
bestritten hat? Er tippt auf seine Schulter und sagt: "Da bin ich Anfang
des Jahres operiert worden." Dann auf sein Knie: "Da habe ich auch immer
Probleme." Seine Ärzte rieten ihm mehrmals zum Aufhören. Doch
stets ignorierte er diesen Rat. "Diese Mannschaft", sagt der frühere
Konstrukteur der KWU und blickt dabei auf Kaffee, Kuchen, Zeitungsartikel
und Büchlein, "die ist sowas wie mein Lebenswerk." Und so bestreitet
er pünktlich zum 40-jährigen Bestehen sein 1200. Spiel.
Es gibt also einen doppelten
Grund zum Feiern.
Kleiner Tipp: Sucht mal im Gästebuch nach einem Eintrag von einem gewissen "Dirk"...
Von Andreas Ernst
Die Nummer zehn trägt
Dirk Heisterkamp bei den Spielen des SV Rot-Weiß auf Brust und Rücken,
wie die großen Spielmacher. Der Torjäger mit Talent ist in der
Fußball-Bezirksliga bei seinem Heimatverein gestrandet. Dabei hätte
er auch höher spielen können.
Seine Qualitäten bewies
der 26-jährige Fußballspieler im Lokalderby am letzten Sonntag
bei Vatan Spor. Er schoss beim 2:1-Sieg der Rot-Weißen beide Tore
und wurde deshalb von der Sportredaktion zum "Star der Woche"erkoren.
Wenn Dirk Heisterkamp auf
den Fußball-Ascheplatz an der Bruchstraße blickt, dann fühlt
er sich rundum wohl. "Hier kenne ich alle", sagt er und blickt zurück.
Als er sechs Jahre alt war, meldeten ihn seine Eltern, die direkt um die
Ecke wohnen, beim SV Rot-Weiß an. In der F-Jugend lernte er viele
Freunde kennen, wie Raik Schröder, Daniel Weinbach, Marco Donsbach,
Frank Bollmann und Hatem Guerbouj. Doch immer in der Stadtliga spielen?
Dafür war der torgefährliche Techniker einfach zu gut. In der
B- und A-Jugend trat er beim VfB Speldorf vor den Ball, und eine Karriere
in der Verbandsliga winkte.
Das war seine erste große
Chance, doch er ließ sie aus. "Ich war einfach noch jung. Damals
begann die Feierei, kamen die Frauen. Ohne nachzudenken bin ich den bequemeren
Weg und zurück zu Rot-Weiß in die Kreisliga A gegangen", sagt
er und grübelt: "Naja, im Nachhinein hätte ich mich anders entscheiden
sollen. Das war schon ein bisschen bekloppt."
Also wieder Rot-Weiß:
Als er in der Kreisliga A in der Saison 1999/2000 Schützenkönig
wurde (28 Tore), bekam er seine zweite Chance, beim SV Bottrop 1911 in
der Landesliga. Zwei Jahre trug er das SV-Trikot, schaffte den Verbandsliga-Aufstieg
und war Stammspieler. Doch wieder wählte er den bequemen Weg: "Viermal
in der Woche nach Bottrop fahren - das war mir zuviel, obwohl ich ordentliches
Geld bekommen habe." Wieder kehrte er zu Rot-Weiß zurück: "Genauso
wie viele Freunde."
Die Freunde, damit meint
er unter anderem Schröder, Weinbach, Donsbach, Bollmann und Guerbouj
- wie schon in der F-Jugend. "Ich habe alle Entscheidungen stark von meinen
Kumpels abhängig gemacht", sagt er, der bei der Diakonie in Essen
im technischen Dienst tätig und mit Marina verlobt ist.
Mit dem Alter hat Heisterkamp
die "Feierei" eingeschränkt: "Am Samstag sitzen wir meist beim Playstationspielen
zusammen." In früheren Zeiten - Spiel hin oder her - dauerten die
Partys schon mal bis ins Morgengrauen. Doch ganz ruhig geworden ist er
nicht. "Freitags lassen wir es richtig krachen", verrät er. Dann ist
fast das ganze Rot-Weiß-Team im "Freeland" anzutreffen.
Und wenn es nicht so gut
läuft, dann richten ihn seine Freunde auf, wie vor dem Vatan-Spiel.
Heisterkamp steckte in einer Formkrise: "Ich wusste nicht warum." Doch
im Derby hatte er sein Visier wieder richtig eingestellt.
Die Wortwechsel nach dem B-Jugendspiel zwischen Vatan Spor und dem TV Voerde (wir berichteten) verdeutlichten, dass es zwischen deutschen und ausländischen Fußballteams oft Schwierigkeiten gibt. Darüber sprach Sportredaktions-Mitarbeiter Andreas Ernst mit Turan Isleyen (41), dem Ehrenvorsitzenden von Vatan.
Sportredaktion: Wie
haben Sie von dem B-Jugendspiel erfahren?
Turan Isleyen: Ich
war nicht dabei und habe es erst hinterher gehört. Ich finde es nicht
in Ordnung, wenn der Schiedsrichter uns beschimpft hat.
Sportredaktion: 1989
haben Sie Vatan gegründet. Wie hat sich das Verhältnis zu den
übrigen Vereinen entwickelt?
Isleyen: 1989 sind
wir herzlich aufgenommen worden. Der Erfolg war da, alle haben gratuliert.
Erste Schwierigkeiten kamen nach dem Landesliga-Aufstieg auf, als noch
die zweite und dritte Mannschaft sowie die Jugendabteilung dazukamen. Das
verstehe ich nicht. Ich sehe uns nicht als ausländischen Klub. Wir
sind dem Fußballverband genauso angeschlossen wie alle anderen. Wir
nennen uns Mülheim Vatan Spor. Vatan heißt Heimat, und der Vereinsname
soll verdeutlichen, dass Mülheim unsere Heimat ist. Bei uns dürfen
alle Nationen spielen. Viele von uns haben die deutsche Staatsangehörigkeit.
Meine Kinder und ich haben auch einen deutschen Pass. Wir leben alle seit
vielen Jahren hier und sind traurig, wenn wir als Ausländer bezeichnet
werden.
Sportredaktion: Wie
kann das Verhältnis verbessert werden?
Isleyen: Ich sehe
das so: Der Sport bietet eine große Chance, die deutsch-türkische
Freundschaft zu stabilisieren. Dazu erwarten wir auch von deutschen Vereinen
ein paar Schritte. Allein geht das nicht. Wir wollen auch freundlich aufgenommen
werden. Wir bieten 200 Jugendlichen eine Heimat. Mülheim braucht Vatan
Spor. Solche Sachen wie beim Spielabbruch in Homberg 1999 passieren uns
nicht mehr. Darüber sind wir bis heute traurig. Gewalt hat in unserem
Verein nichts zu suchen.
Sportredaktion:
Ist der Aufstieg in diesem Jahr Pflicht?
Isleyen: Wir haben
drei schwere Jahre hinter uns. Natürlich ist unser Ziel der Wiederaufstieg.
Trainer Abdelhafid und die Spieler geben sich große Mühe, es
gibt keine bösen Worte. Mit diesen Gedanken können diese Jungs
den Aufstieg schaffen.
Von Andreas Ernst
Es ist kalt geworden
im Dezember. Dick eingepackt steht Dirk Roenz auf der Tribüne des
Fußballstadions am Blötter Weg. Auf dem Rasen jagen 25 Kinder
aus der F-2-Jugend des VfB Speldorf einem Ball hinterher. "Können
wir ?", fragt die Fotografin. Roenz nickt, pfeift auf zwei Fingern, und
alle Kinder sprinten ihrem Trainer entgegen.
Eine halbe Stunde lang werden
die Sechs- bis Achtjährigen in vielen Posen fotografiert. Roenz nimmt
sie auf den Arm, spielt ihnen den Ball zu. Zwischendurch schauen viele
F-Jugendliche der Fotografin über die Schulter, gucken auf den Bildschirm
der Digitalkamera. Die Häuser um den Speldorfer Platz sind in bunten
Farben erleuchtet - Weihnachten kommt bald. Axel Bartmann, Jugendleiter
des VfB, beobachtet das Shooting und lobt seinen Trainer: "Dirk macht seine
Sache ausgezeichnet."
Roenz ist so etwas wie die
laufende finanzielle Absicherung des Vereins, und das mit 34. Spielt er
gut, geht es dem Verein gut. Seit 1988 trägt er das Speldorfer Trikot.
Nur zwei Jahre lang kehrte er dem VfB den Rücken. Mehr als 300 Spiele
hat er bestritten und dabei mehr als 200 Tore geschossen. "Ach", sagt er,
"klar hatte ich Angebote. Aber warum sollte ich weggehen? Hier habe ich
meine Frau kennen gelernt, der Verein hat mir einen Arbeitsplatz vermittelt,
ich kenne Jan und Mann. Außerdem wohne ich um die Ecke und sehe meinen
Sohn. Ich bin ein Familienmensch, Geld spielt nicht die Hauptrolle."
Auf dem Rasen jagen die
Kinder mittlerweile wieder dem Ball hinterher. "Hey!", brüllt der
Trainer laut. "Wählt mal zwei Mannschaften!" Mittendrin ist Roenz´
Sohn Pascal, inzwischen fünf. Auch Dean Woodburn, Sohn des Weltklasse-Jockeys
Kevin, und Marc Baltromei, Sprössling von Galopptrainer Werner, tragen
das Speldorfer Trikot. Dirk Roenz beobachtet das Geschehen. Alle sprinten
hinter der Kugel her, keine Spur von Ordnung. Der schnellste gewinnt -
ein Gesetz des Straßenfußballs.
Bei seinem Verein hat Dirk
Roenz, der in der ersten Mannschaft nur "Mütze" gerufen wird, ein
Jugendteam übernommen. "Das macht mir auf jeden Fall Spaß."
Und die Trainingsinhalte? "Im Moment geht es um die Grundbegriffe. Wie
Einwürfe gehen zum Beispiel. Oder wie ein Ball richtig gestoppt wird.
Ich will Spaß vermitteln." Er, der große Torjäger, hilft
den Fußballzwergen am Anfang ihrer Karriere. Herrlich. "Auf die Palme
bringen mich Trainer, die immer quer über den Platz bölken. Das
motiviert die Kleinen nicht." Und noch einmal: "Spaß am Fußball
ist das Wichtigste." Sein Sohn Pascal mischt auch schon fleißig mit,
obwohl er eigentlich noch zu den Bambinis zählt. "Er hat fußballerisch
einiges drauf und könnte was werden. Er grätscht schon richtig."
Ganz wie der Papa.
Das Fußballspiel auf
dem Rasen ist beendet, die Kinder werden von ihren Eltern abgeholt und
erzählen, wie es war, fotografiert zu werden. Pascal setzt sich bei
seinem Vater auf den Schoß. Bei den Speldorfer Fans ist Dirk Roenz
unantastbar: "Schön, wenn die Zuschauer hinter einem stehen. Sie honorieren,
dass ich jahrelang meine Leistung gebracht habe." Am Saisonende, das hat
er sich fest vorgenommen, soll Schluss sein. Aber das ist schon seit zwei
Jahren sein Plan. "Das kann sich keiner vorstellen, wie groß die
Schmerzen sind, wenn ich montags aufstehe." Es sind die Folgen eines Wadenbeinbruchs,
den er vor zwei Jahren erlitt. "Aber", ergänzt er nach einer kurzen
Pause, "wahrscheinlich lass ich mich sowieso wieder bequatschen."
Angestellt ist Roenz bei
der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft, seine Freizeit gehört
dem Fußball. Die Weihnachtsfeier mit der F-2-Jugend hat er schon
hinter sich. "Die war sehr schön. Die Eltern haben das selbst organisiert.
Wir waren in einer Kleingartenanlage." Der Torjäger Roenz findet zurück
zu den Ursprüngen. "19 Kinder sind in meiner Mannschaft. Das eine
oder andere Kind bleibt schon mal draußen. Das ist hart."
Heute werden auch bei Familie
Roenz Geschenke ausgepackt. Gibt es was Besonderes zu essen? "Nö,
eigentlich nicht. In jedem Jahr was anderes." Dann zieht Dirk Roenz den
Reißverschluss seiner Jacke hoch und verschwindet. An den Weihnachtstagen
bleibt selbst bei ihm der Ball im Schrank.
Von Andreas Ernst
Locker zieht Ernst Bachmann
an einer Zigarette. "Ich könnte Dinger erzählen", sagt er immer
wieder. 40 Jahre im Fußballgeschäft hat der Union-Trainer auf
dem Buckel. Ihm macht keiner etwas vor.
Mit verschränkten Armen
sitzt oder steht Ernst Bachmann meistens neben der Trainerbank. Er brüllt
nicht ununterbrochen, aber doch gezielt und mal laut. Wie war er wohl selbst
als Spieler?
Der Aschenbecher steht auf
dem Tisch. Ein Getränk daneben. Wie alt ist Ernst Bachmann? "58",
sagt er. "Geboren bin ich zwar in Kettwig, aber gelebt habe ich immer in
Mülheim." 58 Jahre alt? Sein Geburtsjahr ist 1945. Nachkriegszeit.
"In Styrum haben wir gewohnt, an der Augustastraße, vor der Bahn.
Hinter der Bahnstrecke war die Moritzstraße. Da war ordentlich was
los in der Ecke." Mit acht Jahren kam er zum 1. FC Styrum. "Fußball
war unser ein und alles. Auf Wiesen, auf Straßen, überall haben
wir gespielt." Prägte diese Zeit sein komplettes Fußball-Leben?
"Ja", sagt er. "Ich habe als Fußballspieler gelernt, mich durchzusetzen,
mich zu etablieren."
Mit 18 kam er beim FC in
die damalige Landesligamannschaft - als Stürmer. Trainer "Ala" Becker
funktionierte ihn zum rechten defensiven Mittelfeldspieler um. Eine Position,
die damals völlig neu in der Taktikwelt war. Es folgten Aufstiege,
ein Fußball-Boom und der Sprung in die 2. Bundesliga. "Ich kann mich
an Partien erinnern vor 8000 oder 10 000 Zuschauern. Wir haben gegen Borussia
Dortmund gespielt, Rot-Weiß Essen, Arminia Bielefeld. Ich habe die
ganzen Schlagzeilen noch zu Hause." Wenn Ernst Bachmann von dieser Zeit
erzählt, gerät er ins Schwärmen. Er blickt gern zurück.
Und sagt oft: "Ich werd´ das nie vergessen." Zum Beispiel ein Match
im neuen Westfalenstadion bei Borussia Dortmund vor 35 000 Fans. "Als Spieler
diesen Boom mitzuerleben, war erste Sahne. Ich werd´ es nie vergessen:
Jeden Dienstag waren wir mit der Mannschaft essen. In Restaurants, in denen
das billigste Gericht bei 27 Mark lag. Und zu trinken gab es Krimsekt."
Bachmann hatte sich durchgesetzt. Er saß als Spielführer am
Tisch. "Das war toll für uns, aber für den Verein der Untergang."
Der FC stieg nach zwei Jahren ab, Bachmanns Vertrag wurde nicht verlängert,
er ging zu Rot-Weiß Oberhausen.
Doch die Rückkehr folgte
zu Beginn der 80er-Jahre - als Spielertrainer. Seine A-Lizenz baute er
bei Karl-Heinz Heddergott. Es folgten viele Stationen. Bei Oberhausen 08,
bei den Amateuren von RW Essen, Wacker Bergeborbeck, Adler Frintrop, TuS
84/10 Essen und bei Hamborn 07. Eins blieb in all den Jahren gleich: "Ich
habe Fußball immer als Hobby betrachtet. Und dabei nicht schlecht
gelebt. Ich habe einiges bewerkstelligen können."
Und noch etwas blieb: Seit
37 Jahren ist er bei der Korrosions-Schutzfirma Buchloh tätig. Während
seiner Profizeit halbtags, inzwischen als Betriebsleiter. Union 09 ist
seine längste Trainerstation. Sein derzeit sechstes Jahr ist das schwierigste.
Was sich in all den Jahren verändert hat? "Ich habe mein Leben lang
Fußball gearbeitet. Wenn ich mich für einen Verein entschieden
habe, dann mit allen Konsequenzen. Heute ist die Begeisterung nicht mehr
da. Die Konzentration fehlt." Sein schönstes Jahr bei Union war das
letzte. Siebter wurden die "09er". "Das waren für den Verein positive
Zeiten." Bachmann, ein Trainer mit festen Prinzipien, einer von der alten
Garde.
Ein Jahr noch will er an
der Südstraße weitermachen. Am Ende der Saison 2004/2005 ist
Schluss. "Dann kann ich mich anderen Dingen widmen." Seiner Familie zum
Beispiel. "Sie ist in all den Jahren mein wichtigstes Gut gewesen." Im
letzten Jahr verstarb seine Frau. Jetzt verbringt er viel Zeit mit seinem
Sohn und den zwei Enkelkindern - vor allem mit dem fünfjährigen
Justin. "Der hat Beine wie Schaschlik-Stäbchen", sagt der Opa und
lacht.
Vielleicht ist es als Trainer
sein letztes Derby gegen Speldorf. Er freut sich besonders.
Von Andreas Ernst
Wie viele Tore er geschossen
hat, das weiß Stefan Hohensee immer. "Mal ehrlich: Seine Tore zählt
doch jeder Stürmer mit", sagt er. 24 hat er in dieser Saison in 24
Spielen
bereits für den Fußball-Bezirksligisten MSV 07 erzielt.
Zwei davon schoss er am
Sonntag beim 6:0-Derbyerfolg seines Teams beim SV Rot-Weiß.
Daher kürte die Sportredaktion
Stefan Hohensee zum "Star der Woche".
Zehn Tage ist es her, dass
"Howie" zum zweiten Mal Vater wurde. Am 4.4. um 4.07 Uhr in der Frühe
kam Luca Alessandro auf die Welt. Schlaf bekamen Stefan Hohensee und der
zweite Sohn Marvin (3) in der Nacht kaum, denn bereits am Nachmittag stand
das Spitzenspiel bei Vatan Spor auf dem Programm. Hellwach war er sofort.
In der 3. Minute schoss er das Tor zum 1:0.
Das ist beispielhaft für
den Torjäger. Die Familie ist das wichtigste für den 31-Jährigen,
doch auch sein Hobby Fußball bedeutet ihm viel. Die komplette Jugendzeit
verbrachte er bei Dümpten 13. Nach einem Bezirksligajahr mit den Dümptenern
wechselte er zu Union 09. Von 1993 bis 2003 spielte er an der Südstraße,
und feierte mit den "09ern" große Erfolge. Zu zwei Aufstiegen und
zahlreichen Stadtmeistertiteln trug er seine Tore bei. Und doch bezeichnet
er ein einzelnes Spiel als seinen größten Triumph: "Wir haben
den VfB Speldorf im letzten Jahr mit 4:2 geschlagen. Das wird wohl der
einzige Sieg für Union in einem Meisterschaftsspiel gegen den VfB
bleiben." Dass es seinem alten Klub sportlich schlecht geht, stimmt ihn
traurig: "Ich habe bei Union viele Freunde gewonnen, das ist ein Teil meines
Lebens. Ich bedauere das, aber das war voraussehbar."
Bei Plus ist Hohensee als
Personalsachbearbeiter tätig. Seine Bindung zu Mülheim ist groß.
Doch nicht nur deshalb hat er nie außerhalb seiner Heimatstadt gespielt.
"Angebote von höheren Klubs habe ich vermisst", sagt er. "Nicht mal
von Speldorf kam eins." Das ist verwunderlich, denn bei Union schoss "Howie"
Jahr für Jahr mindestens zehn Tore. Seine fußballerische Zukunftsplanung
steht. "Ein paar Jährchen will ich noch spielen." Danach will er den
Trainerschein erwerben und Seniorenteams trainieren, wahrscheinlich beim
MSV. "Ich habe nie einen familiäreren Verein als 07 erlebt. Meine
Familie und ich fühlen uns sehr wohl."
Stefan Hohensee hat sich
den Respekt aller Fußballer in Mülheim erarbeitet. Jeder kennt
den freundlichen Stürmer. Mit dem MSV würde er gern Vatan Spor
noch vom ersten Platz verdrängen. Schon mit Union landete er in der
Bezirksliga hinter Vatan auf Platz zwei: "Es sind starke Parallelen erkennbar.
Wir werden aber alles versuchen und unsere Spiele gewinnen." Und das mit
vielen Hohensee-Toren.
An den beiden oben genannten Daten durfte ich zum ersten Mal Tagesvertretungen bei der WAZ übernehmen... Also Leute: Layouten kann ich jetzt auch!!!
Von Andreas Ernst
Samstag, 24. August 2002.
Der Ruhrauenlauf ist gerade vorbei. Markus Lüther steht unter Dusche,
grübelt über seine gelaufene Zeit. Plötzlich spürt
er keine Kraft in den Beinen. Kann sich nicht halten. Ist ein paar Minuten
später kurzzeitig halbseitig gelähmt. Die erschütternde
Diagnose: Schlaganfall. Doch Markus Lüther hat sich erholt - und läuft
wieder.
Heute ist Markus Lüther
41 Jahre alt. Er sieht nicht wie einer aus, der anfällig für
einen Schlaganfall sein könnte. Er ist nicht übergewichtig. Er
hat keinen Bluthochdruck. Er raucht nicht. Er trinkt Alkohol - wenn überhaupt
- in Maßen. Und doch erwischte es ihn. An den 24. August 2002 kann
er sich gut erinnern. Mehr noch. Jeden Tag fragt er sich, wie es dazu kommen
konnte. Stress? Oder nur zu wenig getrunken?
Seine körperlichen
Voraussetzungen führten zunächst zu einer Fehldiagnose. Nach
dem Zusammenbruch an der Mintarder Straße wurde er am selben Tag
noch aus dem Krankenhaus entlassen. "Es wurde ein Zusammenhang mit der
Hitze vermutet", blickt er zurück. Über Nacht verschlechterte
sich sein Zustand. Noch einmal kehrte er ins Krankenhaus zurück. Dann
die Gewissheit: Schlaganfall. Mit 39.
Zwei Wochen blieb er im
Krankenhaus und dachte in dieser Zeit viel nach. Der Sport spielte immer
eine große Rolle. Er begann als Hochspringer, kam aber nie über
1,96 Meter hinaus. Über Freunde fand er dann den Weg zum VfB Speldorf.
Er trainierte und spielte in der vierten, dritten und zweiten Fußballmannschaft,
bis in die Kreisliga A. Auch zum TV Holthausen ging er kurzzeitig. Dann
war sein Fußball-Akku leer. Er begann zu laufen. 1996 absolvierte
er in Frankfurt seinen ersten Marathon.
Nach wenigen Tagen im Krankenhaus
packte ihn der Ehrgeiz und er stand schon wieder auf dem Laufband. "Eine
Reha wird es bei ihnen nicht geben", teilten die Ärzte mit. "Ihre
körperliche Konstitution ist so gut, dass sie sich selbst erholen."
An der Wand klebten Plakate für den Oberhausener Citylauf Mitte September.
Markus Lüther hatte ein sportliches Ziel. Er strengte sich an, arbeitete
mit einemPhysiotherapeuten. Und er schaffte es.
Noch heute ist er in neurologischer
Nachbehandlung und muss täglich Tabletten einnehmen. Spätfolgen
hat der Schlaganfall bei ihm nur kaum hinterlassen. "Nichts ist geblieben.
Nur die tägliche Erinnerung. Und der Gedanke, dass es immer wiederkommen
kann." Ob beim Aufstehen oder tagsüber im Beruf. Er arbeitet bei der
Polizei in Duisburg. Als Verkehrssicherheitsberater ist er regelmäßig
zu Gast in Schulen und Kindergärten. Auch als Puppenspieler versucht
er sich.
Üben kann er bald zu
Hause. Seine Frau Heike erwartet Mitte Juli einen Sohn. Ihm wird er auch
seine Geschichte erzählen. Die davon handelt, dass es jeden treffen
kann. Die aber damit aufhört, dass der Sport helfen kann, die Spätfolgen
eines Schlaganfalls zu minimieren. "Ich will die Leute ermutigen, Sport
zu treiben. Das kann sehr helfen", sagt er. Dem Mülheimer Schlaganfallverbund
hat er seine Unterstützung angeboten. Er würde gern zur Aufklärung
beitragen, an Aktionen teilnehmen.
Seine Lauf-Karriere ist
noch lange nicht zu Ende. Seine Marathon-Bestzeit (2:48 Stunden) will er
noch weiter unterbieten. Wenn es jedoch nicht mehr bergauf geht, und wenn
seine Familie mitspielt, dann könnte er sich vorstellen, ein Marathon-Wanderer
zu werden. London, Sydney, Boston und New York wären dann die Ziele,
und nicht mehr "nur" Frankfurt, Hamburg und Duisburg.
Seine nächste Station
ist der Tengelmann-Lauf. Und den Citylauf in Oberhausen hat er sich auch
schon notiert.
WAZ Mülheim. Galatasaray
Istanbul. Ein Klub, der zu den ruhmreichsten in Europa zählt. Ein
Name, der Gegnern Ehrfurcht einflößt. Und auch der Uefa-Cup-Sieg
im Jahr 2000 ist noch frisch in Erinnerung. Im Ruhrgebiet gibt's nun eine
kleine Filiale: Galatasaray Mülheim. Ein Landesligist. Noch. Denn
die Endstation liegt woanders.
Das Mülheimer Ruhrstadion.
Im Freibad tummeln sich Schwimmer und Sonnenanbeter. Nebenan, im frisch
restaurierten Fußballstadion, werkeln Mitarbeiter von Galatasaray
Mülheim dieser Tage rund um die Uhr. Sie bringen das Areal auf Hochglanz.
Am Sonntag (15 Uhr) werden Tausende hierhin strömen. Denn Galatasaray
ist in der Stadt. Die Echten. Der türkische Rekordmeister. Sükür
& Co mitten im Ruhrgebiet.
Um Mülheim schlägt
der "große" Fußball seit Jahrzehnten einen riesigen Bogen.
Von 1974 bis 1976 spielte zwar der altehrwürdige 1. FC Mülheim
in der 2. Bundesliga, doch seitdem krebsen die ranghöchsten Klubs
in der Oberliga herum. Eine Umtaufe soll nun helfen, diese Misere zu beheben.
Der Verein, der bis vorgestern Vatan Spor hieß, will das schaffen.
Auch deshalb trägt er nun den berühmtesten türkischen Namen
im Briefkopf: Galatasaray. Der Klub aus dem Mülheimer Stadtteil
Styrum geht in das 15. Jahr seines Bestehens, hat eine bewegte Geschichte
hinter sich. Es gab Höhepunkte - wie die zahlreichen Aufstiege bis
in die Landesliga - und einige Tiefpunkte: Horrende Steuerschulden oder
der Wiederabstieg in die Bezirksliga vor zwei Jahren. Und im Oktober 1999
verletzten Vatan-Fans im Spiel beim VfB Homberg einen Schiedsrichter lebensgefährlich.
Der Verein stand sogar vor der Auflösung.
Nun ist er wieder quicklebendig.
Mit der Vergangenheit hat sich der Klub auseinandergesetzt: "Für Gewalt
ist in unserem Verein kein Platz", erklärt der neue Vorsitzende Metin
Adigüzel. Die erste Mannschaft hat mit 19 Punkten Vorsprung die Rückkehr
in die Landesliga geschafft und rund um das Ruhrstadion kreisen die Farbeimer.
Dort, wo das 70er-Jahre-Grau-in-Grau die Augen langweilte, regieren jetzt
die Farben Rot und Gelb. Die Galatasaray-Farben.
Adigüzel ist verantwortlich
für diese einmalige Kooperation. Seit zwei Monaten ist der glühende
Galatasaray-Fan der Vorsitzende des Mülheimer Klubs. Vor 15 Jahren
lernte er in der Türkei bei einer privaten Veranstaltung Ergün
Gürsoy kennen, den Vizepräsidenten von Galatasaray Istanbul.
Freundschaftliche Kontakte entstanden. Dann ging Adigüzel nach Deutschland.
Mit der Idee eines "kleinen" Galatasaray im Gepäck. "Vielleicht ist
es in Zukunft möglich, dass einige Talente aus Mülheim zu uns
nach Istanbul kommen", sagt
Gürsoy. Der umgekehrte
Weg ist noch nicht geplant - solange der Mülheimer Ableger nur in
der Landesliga kickt.
Zum ersten Mal überhaupt
unterstützt Galatasaray Istanbul einen Verein in Deutschland. Die
Ausrüstung von der F-Jugend bis zum Landesligateam übernimmt
der "große Bruder". "Außerdem", hofft Adigüzel, "bringt
uns allein der Name viele neue Mitglieder und Fans." Die Einnahmen des
großen Spiels bleiben auch in der Mülheimer Kasse. Für
Hakan Sükür und die anderen Galatasaray-Stars ist der Auftritt
am Sonntag der einzige in Deutschland während der Saisonvorbereitung.
Sie tanken zurzeit Kondition im Trainingslager in Arnheim. Wenn das große
Spiel abgepfiffen wird, kehrt im Mülheimer Ruhrstadion wieder Ruhe
ein. Die Ruhe der Sechstklassigkeit. Dann heißen die Gegner wieder
SSV Sudberg oder Helene Essen. Bis zur Rückkehr des Klasse-Fußballs
nach Mülheim ist es eben noch ein weiter Weg. Trotz eines so großen
Namens.
Superstar mitten in Mülheim: Hakan Sükür!
Dieses Spiel wird ganz bestimmt
in meine journalistische Karriere eingehen, denn in meine "hometown" Mülheim
wird garantiert in nächster Zeit keine so "große" Mannschaft
mehr kommen. Um erneut auf eine solch stattliche Kulisse zu kommen, müssten
schon Manchester United, Real Madrid, FC Barcelona oder Bayern München
anreisen. Wahnsinn! Auf das Spiel habe ich wirklich nur am Rand geachtet!
Von Andreas Ernst
Sein Vorname fällt
im Ruhrstadion nur noch selten. Für die Mitglieder des Fußballklubs
Galatasaray ist er der "Baskan", also der Präsident. Metin Adigüzel
hat die Galatasaray-Farben rot und gelb von Istanbul nach Mülheim
gebracht. Seit drei Monaten kämpft er für seinen Klub an allen
Fronten.
Er versucht, den Spielern
eine neue Einstellung einzutrichtern. "Es ist eine Ehre, das Galatasaray-Trikot
zu tragen. Das müssen die Spieler begreifen", sagt er ständig.
Er verlangt von den Mitgliedern harte Arbeit - genauso wie er sie leisten
will.
Im Ruhrstadion ist der 42-Jährige
wie im täglichen Leben fast nur im Anzug anzutreffen. Das war einmal
anders. Er stammt aus Ostanatolien und kam 1979 nach Deutschland, um auf
der Zeche Lohberg im Bergbau zu arbeiten. Zwölf Jahre lang hatte er
den Job. Dann machte er sich selbständig und organisiert nun Veranstaltungen
- große Hochzeiten zum Beispiel. Adigüzel wohnt in Neukirchen
und hat vier Kinder im Alter von 1 bis 19 Jahren.
Ein Gespräch mit dem
"Baskan" ist nicht leicht. Ständig klingelt sein Handy mit einer polyphonen
türkischen Melodie. Dieser Mann kennt viele Leute. Gern erzählt
er die Geschichte, wie er als Jugendlicher vor dem großen Trainingsgelände
von Galatasaray Istanbul stand, und weinte, weil er nicht hinein durfte.
"Cim bom", so wie Galatasaray in der Türkei genannt wird, war und
ist Adigüzels große Leidenschaft. Er blieb hartnäckig,
wurde schließlich Galatasaray-Mitglied, und lernte den Vizepräsidenten
Ergün Gürsoy kennen - bei einer seiner Veranstaltungen. Mit Vatan
Spor hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu tun.
Das änderte sich, als
er Turan Isleyen traf, den Vatan-Ehrenvorsitzenden. Schnell glühten
die Telefondrähte, und eine Idee war geboren: Aus Vatan sollte Galatasaray
werden. Am 1. Mai wurde er gewählt, und seitdem geht es im Sauseschritt
nach vorn.
Einen Tag nach seiner Wahl
sicherte sich die Mannschaft vorzeitig den Aufstieg in die Landesliga.
Das Ruhrstadion wird gerade rot-gelb gestrichen, die Verhandlungen mit
den Neuen führte er selbst, er holte Fred Frütel als Geschäftsführer
zurück und um die Ausrüstung für die Mannschaften hat er
sich gekümmert. Doch sein größter Coup war ein anderer:
Er holte die "Echten" nach Mülheim, die Stars von Galatasaray Istanbul.
6500 Zuschauer lockte dieses Spiel ins Ruhrstadion.
"Wir wollen langfristig
in die Oberliga", lautet sein ehrgeiziges Ziel. Ein Austausch von Mülheimer
und Istanbuler Jugendmannschaften soll zur Regel werden.
Galatasaray soll ein multinationaler
Klub werden: "Alle sind bei uns herzlich Willkommen", betont der engagierte
Vereins-Chef mit Nachdruck. Metin Adigüzel hat gute Ideen. Er lacht
viel, ist immer freundlich, aber auch bestimmt. In seiner kurzen Amtszeit
hat er sich viel Respekt erarbeitet. Er hat sich auf eine längere
Zeit als "Baskan" im Ruhrstadion eingerichtet.
Von Andreas Ernst
Ein großer Wassersee,
Schimmel an den Wänden, Aschedreck überall - und das auf engstem
Raum: Willkommen im Umkleidecontainer von Galatasaray an der Von-der-Tann-Straße.
Seit Monaten bemüht sich der Fußballverein um eine saubere Alternativlösung.
Bisher vergeblich.
Ein normaler Freitagabend
in Styrum. Es ist 21 Uhr. Und über den stockfinsteren Weg, der den
Ascheplatz mit dem Container verbindet, stapfen ein paar verschwitzte Spieler.
Die Landesliga-Mannschaft von Galatasaray hat das Training beendet. "Guckt
Euch das an", sagt Mannschaftsbetreuer Ilyas Basol zu den Spielern und
betritt den Gang. "Guckt mal, wie hoch das Wasser steht und wie dreckig
das ist. Und gleich duschen nochmal 20 Mann."
Ein Auszug aus dem Alltag
bei dem Verein, der bis zum 30. Juni Vatan Spor hieß. Ob Spieler
der Senioren- oder Jugendteams, ob Trainer oder Eltern, ob Gastmannschaften
oder Schiedsrichter: Alle ärgern sich seit Monaten über die unzumutbaren
Zustände. Eigentlich waren die Container nur eine Notlösung.
Vor der Renovierung der Sporthalle hatten sich die Fußballteams noch
in den dortigen Kabinen umgezogen. Seit der Neueröffnung ist das nicht
mehr erlaubt. Der Grund: Die Asche soll nicht in der modernisierten Halle
verteilt werden.
Also blieben die Container
stehen. Und von Woche zu Woche häufen sich die Beschwerden. Die Fakten:
Vier enge Duschen stehen zur Verfügung. Und das für mehrere Mannschaften,
die sich in zwei kleinen Räumen gleichzeitig umziehen - das sind insgesamt
bis zu 25 Spieler. Aufgrund eines zu kleinen Boilers reicht das warme Wasser
nur für wenige Personen. Das Wasser - ob warm oder kalt - läuft
schlecht ab. "Selbst wenn ich Badelatschen anziehe, bin ich komplett drin
in der Suppe", sagt Spieler Hidir Kaya. Schimmelflecken sind an der Wand
zu sehen. Zudem wurde schon mehrmals eingebrochen. "Keiner von uns hat
die Container vom weit entfernten Ascheplatz aus noch im Blick", begründet
A-Jugendtrainer Polat Aydin.
Natürlich ist der Ärger
über den Mülheimer Sport-Service (MSS) groß. Dessen Leiter
Heinz Moseler ist das Problem bekannt: "Wir sehen die Notwendigkeit, die
Situation ist nicht glücklich. Aber der zuständige Immobilienservice
hat die gesamtstädtische Sicht: Und es gibt auch andere Orte und Plätze
in Mülheim, die dringend gemacht werden müssen. Und alles muss
erst einmal bezahlt werden." Das sei in Zeiten knapper Kassen sehr schwierig.
Ein neues Gebäude sei ohnehin utopisch, sagt Heinz Moseler.
Laut Moseler hat der MSS
aber ein Alternativ-Projekt im Auge. Gegenüber vom Haupteingang des
Ascheplatzes liegt ein Gebäude, das einmal vom Gesundheitsamt genutzt
wurde. Zurzeit steht es leer. "Ein Umbau ist eine interessante Alternative",
sagt Moseler. "Es laufen mit Hochdruck Gespräche. Wir wollen das schnellstmöglich
erledigen."
Doch "schnellstmöglich"
bedeutet in diesem Fall dennoch Wartezeit: Denn erst muss sich der neue
Sportausschuss bilden, der muss tagen und den möglichen Umbau beschließen.
Und bis der steht, vergehen noch ein paar Monate. "Es wäre eine gute
Lösung", meint Galatasaray-Jugendgeschäftsführer Boris Walitza.
"Aber als Termin wurde mir das Frühjahr 2005 genannt."
Vorerst, also auch im Winter,
müssen die Teams und die Gastmannschaften also weiter durch den Container-Ozean
waten. "Die meisten Gäste verschwinden meist ohne zu duschen. Die
hygienischen Zustände hier sind untragbar", schimpft Walitza. "Es
wird zwar regelmäßig geputzt, aber das bringt nur wenig."
Der gesamte Verein will
weiter für eine schnellere Alternativlösung kämpfen. "Wir
bleiben am Drücker", sagt Walitza. Der Wassersee soll irgendwann einmal
komplett trocken gelegt werden.
Von Andreas Ernst
Noch in diesem Jahr beginnen
die Umbauarbeiten im ehemaligen Gebäude des Gesundheitsamts an der
Von-der-Tann-Straße. Ab dem Frühjahr 2005 steht dem Fußballverein
Galatasaray der neue Umkleidetrakt zur Verfügung.
Seit zwei Jahren müssen
sich die Mannschaften des Klubs in Containern umziehen (wir berichteten).
Die katastrophalen baulichen und hygienischen Zustände veranlassten
die Fraktion WIR zu einem Antrag an die Bezirksvertretung. Darin wurde
gefordert, allen Sportlern die Nutzung der Kabinen in der nebenstehenden
Halle zu ermöglichen, den Container-Mietvertrag mit der Firma CVV
in Höhe von 2320 Euro zu kündigen und zügig mit dem
Umbau zu beginnen. Die WIR-Bezirksvertreterin Sabine Schweizerhof wurde
aber komplett überstimmt.
Der Mülheimer Sport-Service
(MSS) ist nicht untätig. "Wir haben die Notwendigkeit erkannt und
meiner Ansicht nach schnell reagiert", meint MSS-Werkleiter Heinz Moseler.
Seit einigen Wochen steht ein weiterer Umkleidecontainer an der Von-der-Tann-Straße,
der seit Freitag benutzt wird. In diesem befinden sich fünf Duschen
und eine weitere Umkleidekabine. Der zweite Container soll als Übergangslösung
dienen, bis der Neubau fertig ist. Der kostet zwischen 250 000 und 300
000 Euro.
In die Kabinen in der Halle
lässt der MSS die Fußballteams weiterhin nicht. "Wir können
die Situation dem Verein noch zwei bis drei weitere Monate zumuten. Für
die kurze Zeit lasse ich mir nicht die Halle versauen", meint Moseler dazu.
Er hält es für utopisch, dass die Fußballspieler nach jedem
Training und jedem Spiel die Schuhe vor der Kabine ausziehen. "Wir sehen
an der Harbecke-Sporthalle, dass dies nicht funktioniert", sagt er. Dass
sich dort die Fußballer trotzdem weiter umziehen dürfen, hat
einen einfachen Grund: Durch die Lage ihrer Kabinen kommen sie mit dem
restlichen Hallenbetrieb nicht in Berührung. Das wäre an der
Von-der-Tann-Straße unmöglich.
Von Andreas Ernst
Im Vorraum der Orangerie
im Grugapark Essen saß gestern Abend ein lächelnder Heinz Schmitz.
Der Vorsitzende des Schach-Bundesligisten SV Nord trank zufrieden seinen
Kaffee. Nach der erwarteten 2:6-Niederlage im Duell gegen Baden-Baden gelang
Mülheims "Mannschaft des Jahres" ein 6:2-Triumph über den SC
Eppingen.
Der SV Nord ist Fünfter.
Das ist ein großer Erfolg. "Die Mannschaft des Gastgebers Katernberg
ist dreimal so teuer, steht aber hinter uns", sagte Schmitz. Erneut hob
Schmitz die Geschlossenheit hervor. "Von vielen anderen Mannschaften fahren
die meisten sofort nach Hause. Wir dagegen verstehen uns gut und tauschen
uns aus. Das ist wichtig."
Der SV verlor das Samstagduell
gegen den OSC Baden-Baden deutlich, aber damit konnte Schmitz leben. Der
OSC ist Tabellenführer. An Brett eins zeigte sich die Unterlegenheit
von Konstantin Landa nach kurzer Zeit. Er traf auf Peter Svidler, den Fünften
der Weltrangliste. Svidler spielte eine Variante, die er für eine
Weltmeisterschaftspartie von Peter Leko ausgearbeitet hatte. Mit einem
rasenden Tempo ließ Svidler dem Mülheimer keine Chance. Auch
Gerhard Schebler, Dr. Alexander Lytchak, Olaf Wegener und Christof Sielecki
verloren. Die Schebler-Niederlage kommentierte Schmitz so: "Der Krasenkow
hat dem Schebler einfach nach und nach die Püppkes weggenommen." Einziger
Sieger war Daniel Fridman, der dank eines Bauerngewinns im Endspurt eine
Dame bekam und dann gewann. Daniel Hausrath und Almar Kaid spielten remis.
Beim Sportehrentag blieb
das Nord-Team nicht lange. Schließlich begann am Sonntag um 9 Uhr
das Duell gegen Eppingen. Schebler und Hausrath stellten ihre Gegner schnell
vor unlösbare Probleme und sorgten für eine beruhigende 2:0-Führung.
Die Sieger drei und vier im Nord-Team waren Wegener und Landa. Wegener
profitierte von einer Zeitüberschreitung seines Gegners Amadeus Eisenbeiser.
Landa siegte als letzter, obwohl sein Team zu diesem Zeitpunkt schon gewonnen
hatte. Er hätte sich also auch auf ein Remis einlassen können.
"Doch das Tor wollte er noch schießen", meinte Schmitz und schmunzelte.
Etwas unglücklich war
nur Fridman, der genau wie Dr. Lytchak, Sielecki und Kaid remis spielte.
Fridmans Gegner Zoltan Medvegy wollte von Anfang an ein Remis erreichen
und wählte deshalb die russische Eröffnung. Fridman gelang es
nicht, den nötigen Druck aufzubauen.
Von Andreas Ernst
An seinem Jacket pappt
das Klubwappen als kleiner Sticker. Mal springt er auf, mal reißt
er einen Spruch, mal sitzt er kleinlaut auf seinem Plastikstuhl. Wie es
um den Fußball-Landesligisten Galatasaray bestellt ist, lässt
sich nur an einem Gesicht ablesen. An dem des Ehrenvorsitzenden.
Heimspiel gegen Altenessen,
55. Minute. Spielstand 2:1 für Altenessen. Was verrät das Gesicht
von Turan Isleyen jetzt? Er verzieht die Mundwinkel ein wenig. Ja, doch,
es ist Enttäuschung. Diese Niederlage trifft ihn, obwohl es um nichts
mehr geht. "Lustlos", sagt er über die Mannschaft. Turan kennt jeder.
Und jeder kennt Turan. Turan war Fatih Spor. Turan war Vatan Spor. Und
Turan ist Galatasaray. Doch wer ist Turan?
60. Minute, immer noch 1:2.
Spielunterbrechung. Turan erzählt. Sein Vater war bei der Bundesbahn
tätig. Er wuchs in Ordu auf, am Schwarzen Meer. In Ordu absolvierte
er eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. 1979 dann der Umzug nach Mülheim
zum Vater. Wie alt Isleyen heute ist? "42", sagt er und korrigiert kurze
Zeit später - auf 43. Wen interessiert das Alter?
Auch in Mülheim arbeitete
der Fußball-verrückte Turan als Mechaniker, bevor er sich zum
Gebrauchtwagenhändler entwickelte. Seine Freizeit gehörte indes
nur dem runden Leder. Gemeinsam mit Freunden schloss er sich 1985 dem VfB
Speldorf an. Als fünftes Team. Schnell gelang der Aufstieg in die
Kreisligen B und A. Doch bei den Grün-Weißen konnte sich die
türkische Mannschaft nicht entfalten.
Immer wieder blickt Turan
auf den Rasen. Stets trägt er einen Anzug beim Spiel. Die Anfangszeit
des Klubs, eines seiner
Lieblingsthemen. 1989 gründete
sich Fatih Spor und wieder folgten ruck, zuck die
Aufstiege in die Kreisliga
A. Mittendrin: Turan. Turan, immer ansprechbar und freundlich. Nach zwei
Jahren sollte ein neuer Name her. Die Mitglieder sammelten Vorschläge
und losten aus. Der Name Vatan Spor wurde gezogen. Vatan heißt Heimat.
"Wir leben hier in Mülheim mit Heimatliebe", sagt Turan. "Wir wollten
orientalische Stimmung haben. Wollten den Stadtnamen bekannt machen. Und
ich wollte für die deutsch-türkische Freundschaft kämpfen."
Das 1:3 fällt. Turan ist sauer.
Die Landesliga-Zeit. "Wir
hatten keine Schwierigkeiten, waren akzeptiert vom Volk." Doch dann kam
der 24. Oktober 1999. Der Spielabbruch beim VfB Homberg, die schwere Verletzung
von Schiedsrichter Carsten Bongers. "Das war die härteste Zeit in
meinem Leben. Seitdem ist alles anders." Vorsitzende kamen, Vorsitzende
gingen, Sponsoren kamen, Sponsoren gingen, Trainer kamen, Trainer gingen.
Nur einer blieb. Turan. Ob in vorderster Front oder als Strippenzieher
im Hintergrund.
"Ich würde den Verein
nie im Stich lassen." Gerade hat der Klub wieder eine schwere Zeit, will
den Namenswechsel rückgängig machen, bald wieder Vatan heißen.
Der Verein hat einen miesen Ruf, wird von Vorurteilen gepeinigt, zum Teil
unberechtigt, zum Teil selbst verschuldet, die Unterstützung aus der
Geschäftswelt ist kaum da. Wen trifft das am meisten? Turan. "Ich
kämpfe für die deutsch-türkische Freundschaft", sagt er.
Immer wieder. "Feinde haben wir nicht. Unsere Freunde haben sich gerade
versteckt." Turan sucht.
Aus. 1:3 verloren. War Turan
manchmal zu gutgläubig? "An allen Höhen und Tiefen des Vereins
war er beteiligt", sagen Mitglieder. Wenn es hoch herging, ob bei Steuerschulden
oder bei sehr undisziplinierten Spielern: Oft zögerte Turan zu lange
mit Entscheidungen, frei nach dem Motto "das wird schon werden". Er hat
ein großes Herz.
Er und seine drei Kinder
haben einen deutschen Pass. Der Verein ist sein viertes Kind. Und am Sonntag
um 15 Uhr, im Derby gegen Union, wird er wieder auf seinem Stuhl sitzen.
Freundlich wie immer.
ANMERKUNG:
Dieses Interview benutzte ich parallel
auch für die Rubrik "11 Fragen" in der Stadionzeitung BLÖTTE
AKTUELL! Soviel zum Thema "zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen"...
Wenn die lauten Rufe "Mütze!
Mütze! Mütze!" im Stakkato über den Blötter Weg schallen,
dann ist klar: Dirk Roenz hat wieder ein Tor für den VfB Speldorf
erzielt. Bisher bestritt er 363 Spiele und erzielte 199 Tore. Sein 364.
gegen Fortuna Düsseldorf II am Sonntag (15 Uhr) ist sein letztes Heimspiel.
Roenz wechselt zum Landesligisten TuS Helene Essen. Auf seine 15 VfB-Jahre
blickte Mütze mit Hilfe von Andreas Ernst zurück.
Das erste Spiel für
den VfB Speldorf . . .
Roenz:
Das war ein Auswärtsspiel
bei Viktoria Goch im August 1988. Ich bin nach einer halben Stunde eingewechselt
worden, wir lagen 0:1 zurück. Dann habe ich direkt das 1:1 gemacht.
Kurz vor Schluss bekam ich an der Mittellinie den Ball, habe noch zwei
Mann ausgespielt und das 2:1 erzielt. Ein Traumstart.
Zum VfB Speldorf bin
ich gekommen . . .
Roenz:
Das lief über Thomas
Fleischer, der damals in der ersten Mannschaft spielte. Ich hatte im meinem
letzten halben Jahr als A-Jugendlicher keinen Verein und habe mich bei
der Hobby-Mannschaft der SSG Styrum fit gehalten. Dort lernte ich dann
Thomas Fleischer kennen.
Von 1990 bis 1992 bin
ich weggegangen, weil . . .
Roenz:
Ich kam mit dem damaligen
Manager Klaus Thiel nicht klar und bin wegen einer Trotzreaktion zum 1.
FC Mülheim gegangen. Der FC-Trainer Wolfgang Heil hat mich dann nach
einem Jahr zu Schwarz-Weiß Essen in die Oberliga vermittelt. Dort
war ich aber oft verletzt und hatte Probleme mit Trainer Fred Bockholt.
Der Streit mit Klaus Thiel war längst vergessen und deshalb ging von
mir das Angebot zur Rückkehr aus.
Seit 1992 habe ich alle
Angebote ausgeschlagen, weil . . .
Roenz:
Angebote kamen jedes Jahr,
aber warum soll ich für 100 Mark oder 50 Euro mehr im Monat regelmäßig
nach Wuppertal oder Bocholt fahren, wenn ich einen Landes- und später
Verbandsligisten vor der Tür habe. Hier kenne ich Jan und Mann, wohne
um die Ecke. Geld hat für mich nie die große Rolle gespielt.
Die Krankheit Diabetes
. . .
Roenz:
Das weiß ich seit
2000. Aufzuhören kam für mich aber nie in Frage, denn Sport ist
gerade für Diabetiker doch gut.
Mein bestes Spiel
. . .
Roenz:
Ich weiß gar nicht
mehr, ob in der Landes- oder Verbandsliga, ich weiß nur, dass es
ein Gegner aus Krefeld war. Wir lagen 1:3 zurück, mir ist ein Hattrick
in sieben Minuten gelungen, und am Ende gewannen wir 5:3 oder 6:3.
Meine beste Saison .
. .
Roenz:
Das war die Saison 2001/2002
unter Dirk Pusch, als ich Verbandsliga-Torschützenkönig wurde.
Egal, wo ich hingeschossen habe, der Ball ging immer rein.
Meine schönste Saison
. . .
Roenz:
In der Saison 1995/1996,
als wir von der Landes- in die Verbandsliga aufgestiegen sind, klappte
einfach alles.
Meine schlechteste Saison
. . .
Roenz:
In der Saison 1998/1999
wurde der Blötter Weg neu gemacht, und wir mussten ein Jahr lang im
Ruhrstadion spielen. Ich war so schlecht, dass ich schon nah dran war,
aufzuhören. Aber wie das so ist bei Stürmern: Als die Blötte
fertig war, lief es wieder bei mir.
Der Aufstieg wäre
die Krönung, weil . . .
Roenz:
Das wäre das I-Tüpfelchen
nach 15 Jahren. Vor allem in meinem letzten Heimspiel.
Die jetzige Mannschaft
. . .
Roenz:
In diesem Jahr haben wir
sehr viele gute Einzelspieler. Deshalb ist diese Saison auch nicht mit
unserer letzten Aufstiegssaison 1995/1996 zu vergleichen, denn damals sind
wir über den Kampf und die Kameradschaft gekommen.
Im Spiel gegen Fortuna
Düsseldorf II erwarte ich . . .
Roenz:
Ich rechne mit 1200 bis
1500 Zuschauern. Wir sind nah dran und hatten in den vergangenen Heimspiel
schon regelmäßig um die 700. Ich denke, dass die Zuschauer das
honorieren.
Dem VfB Speldorf bleibe
ich treu, weil . . .
Roenz:
Ich trainiere die F-Jugend,
und die Kinder sind mir sehr ans Herz gewachsen. Das war auch meine Bedingung
bei Helene Essen.
Ich spiele noch . . .
Roenz:
Zu 99 Prozent spiele ich
noch ein Jahr bei Helene Essen in der Landesliga. Wir wollen um den Verbandsliga-Aufstieg
mitspielen, deshalb bin ich als alter Haudegen gefragt. Danach will ich
mit Oliver Vössing eventuell gemeinsam das Traineramt übernehmen.
Wegen Oliver habe ich bei Helene zugesagt. Er gehörte 1995/1996 zur
Aufstiegsmannschaft und ist der Patenonkel meines Sohnes.
Mütze heiße
ich, weil . . .
Roenz:
Das entstand im Aufstiegsjahr
1995/1996. Der Schwede, also Martin Hoffterheide, hat das geprägt,
weil ich der Einzige in der Mannschaft war, der immer Baseball-Mützen
getragen hat. Das hat sich dann so eingespielt. Mittlerweile nennen mich
mehr Leute Mütze als Dirk. Aber das stört mich nicht.
Von Andreas Ernst
Gemächlich schreitet
Theodor Frohwein über den Boden der RWE Rhein-Ruhr-Sporthalle. "Toll,
ganz toll", sagt er und blickt auf die Tribüne. Mülheims neuestes
Schmuckstück war die erste Station bei unserer Herbstferien-Aktion
"WAZ öffnet Pforten".
Im Foyer empfängt Hallenmanager
Ralf Wind die WAZ-Leser. Schnell feuert Wind mit Zahlen um sich. Er redet
von 734 dauerhaften Sitzplätzen, drei ausfahrbaren Teleskop-Tribünen.
Beim Heino-Konzert kommen 2500 Leute. Und die Selbstkritik hält Wind
nicht zurück. An einer der beiden Theken angekommen, sagt er: "Bei
der Box-Meisterschaft haben wir gesehen, dass das Foyer etwas zu groß
ist. Es waren manchmal mehr Leute hier als auf den Sitzplätzen." Leichtes
Erstaunen im Publikum. "Tja, der schönste Platz ist eben immer an
der Theke", schmeißt jemand in die Runde. Gelächter.
Für einen Rundgang
durch den Bauch der Halle ist eine gute Kondition notwendig - was ja bei
der Besichtigung einer Sportstätte nicht weiter verwunderlich ist.
Schnell folgen die WAZ-Leser dem Hallenmanager Wind und Hallenwart Gerd
Siegel. Dem dürfen sie bei der täglichen Arbeit über die
Schulter schauen. "Die ganze Technik läuft über Computer", sagt
Siegel.
Und weiter geht's. In den
Kraftraum, in dem allerdings noch keine Geräte stehen. "Kommt noch",
sagt Wind. Gereizt wird die Nase. Riecht noch verdammt neu hier. Wie funktioniert
das mit der Belüftung? Wofür sind die verschiedenen Kabel? Fragen
über Fragen prasseln auf Wind nieder. Er beantwortet alle.
"Irre", sagt Theodor Frohwein,
einer der WAZ-Leser. Vor ein paar Wochen schaute er sich ein Handballspiel
in der Harbecke-Sporthalle an der Mintarder Straße an. "Das ist kein
Vergleich", sagt er. Und will bald auch die RWE-Halle "voll" erleben.
Es geht hinein in den Presseraum,
das Verwaltungsbüro, die (diesmal nicht beheizte) Sauna und eine Umkleidekabine.
Sich einmal fühlen wie ein Sportler. In der Kabine funktioniert eine
Leuchtröhre nicht. "Toll", sagt Siegel zu Wind. "Da suchst du die
einzige Kabine aus, in der ein Licht nicht geht." Wieder Gelächter.
Im Keller nochmal Technik,
dazu noch das Kampfsportzentrum. Es gibt unendlich viele, für Laien
kaum durchschaubare verschiedenfarbige Linien - für Handball, Volleyball,
Badminton, Basketball. Der Boden wird in den nächsten Wochen erneuert.
"Passt nicht mit der Tribüne zusammen", sagt Wind. Wieder Naserümpfen.
Aber nicht, weil es neu riecht. "Haben die Unternehmer nicht miteinander
geredet?" "Scheinbar nicht", antwortet Wind.
Zum Schluss fühlen
sich die WAZ-Leser wie Prominenz und genießen in der König-Pilsener-Lounge
- dem Glaskasten unter dem Hallendach - kühle Getränke. "Groß,
hell, toll", sagt Christa Hahn nach dem anstrengenden Rundgang. "Ich werde
die Veranstaltungen im Auge behalten."
Küche, Kraftraum und
Boden sind noch nicht fertig, es kann zu Parkplatz-Engpässen kommen.
Und doch sagt Wind: "Wir zeigen die Halle gerne." Da nickt Christa Hahn
zustimmend und sagt: "Können Sie auch!"
Von Andreas Ernst
Er ist der "Basti". Beim
Handball-Verbandsligisten HSG Mülheim wird er so genannt, und selbst
am Handy meldet er sich mit seinem Spitznamen. "Der Basti? Dat is' ein
Verrückter", sagt Teamkapitän Daniel Hellenbrandt. Bastian Kempmann
ist der Spielmacher bei der HSG. Im Lokalderby gegen den HSV Dümpten
warf er zwölf Tore. Daher ist er unser "Star der Woche".
Sonntagmorgen, Sporthalle
Boverstraße: Das Derby ist ein Basti-Festival. Er präsentiert
den 250 Zuschauern die ganze Palette seines Handball-Könnens und trifft
so oft, dass dem Hallensprecher fast schon langweilig wird. In seinen Ruhepausen
auf der Bank wippt er mit zur House-Musik, nachher reiht er sich ein in
die Jubelorgie seiner Mannschaft. Er ist der Star in seinem Team, und er
weiß das auch. Aber er benimmt sich nicht so.
Er ist erst 24 und hat schon
einiges erlebt. Oberliga spielte er jahrelang beim TV Jahn Hiesfeld, sogar
in der Regionalliga beim TV Angermund. Ganz klar, dass er vor der Saison
groß angekündigt wurde. "Ach", sagt er, "für mich war der
Druck kein Problem. Unter Druck arbeitet man doch sogar besser. Enttäuschend
waren meine ganzen Verletzungen, da war ich oft selbst mit mir unzufrieden."
Bastian Kempmann - einer,
der mit Handball einschläft und aufwacht. Sein Vater, sein Bruder,
ein Großteil seiner Verwandtschaft; sie alle lieben das Spiel unterm
Dach, alle mit der "4" auf dem Rücken. Bei der HSG trägt diese
Nummer Sven van Dornik. Also wählte Kempmann die "44". Wer so gern
Handball spielt, den machen Verletzungen fertig. In Hiesfeld stoppten ihn
Bänderrisse im Sprunggelenk, bei der HSG schmerzen Schulter und Knie.
"Ich habe noch Arzttermine, aber vom Dirk und dem Vorstand bekomme ich
Rückendeckung", sagt er. Dirk? Das ist sein Trainer Dirk Rauin. Kempmann
ist jemand, der jeden duzt - das aber nicht böse meint. Und der fast
beleidigt ist, wenn ihn jemand nicht "Basti" nennt. Abgehoben ist er nicht.
"Absolut umgänglich", nennt ihn Hellenbrandt. Über seine eigenen
Leistungen redet Kempmann nicht gern. Dann sagt er "Eigenlob stinkt", "Was
nutzt es, wenn man vorn 13 Tore wirft, aber hinten acht verschuldet", "Man
ist nur so gut, wie es die Mannschaft oder Gegner zulassen" oder "Lasst
die Kirche im Dorf". Tagsüber zählt bei ihm der Sport. Er arbeitet
als Sportlehrer in einem Gesundheitszentrum. Doch abends - nach Beruf und
Handball-Training - kann er gut abschalten und sich beim Bier mit Mannschaft
oder Freunden vergnügen.
Dass er Hiesfelder ist (und
kein Dinslakener), darauf legt er Wert. Doch Mülheim hat es ihm auch
angetan. "Die Infrastruktur passt, wir müssen die Stadt wach küssen.
Alle sind lieb und nett", sagt er. Sogar die Regionalliga hält er
für machbar. Ein verrücktes Ziel eines verrückten Typen.
Von Andreas Ernst
Beschwingt joggt Jan Stremmel
zum Holzhäuschen zwischen Hockeyplatz und Tenniscourts. An der Mintarder
Straße sitzen ein paar Mitglieder des Kahlenberger HTC in der Sonne
und schlürfen kühle Getränke. "Habt ihr Erdinger alkoholfrei?",
fragt Stremmel. "Schmeckt gut bei dem Wetter!" Nein, gibt es aber nicht.
Eine Cola muss die Seele kühlen. Ein paar KHTC-Tennisspieler kommen
vorbei. Sie erblicken Stremmel, klopfen ihm auf die Schulter und sagen
anerkennend: "Glückwunsch! Für Sonntag!" Da lächelt er und
bedankt sich artig.
39 Jahre ist er alt und
spielt für den KHTC im Herren-30-Bundesligateam. Beim 6:3-Auftaktsieg
in Hannover war er der überragende Spieler und ist deshalb unser "Star
der Woche". Jan Stremmel ist ein Fitnessfreak, ein engagierter Mannschaftsführer,
ein Hauptschullehrer, ein CDU-Ratsherr in Rheurdt.
Seinen Lebenslauf hat Stremmel
auf einen DIN-A-4-Zettel zusammengefasst. "Abitur am Gymnasium Broich"
steht darauf. Im zweiten Halbjahr der siebten Klasse kam er aus Freiburg
nach Mülheim. Als Leistungskurse wählte er Mathe und Erdkunde.
Viertes Fach? Sport natürlich, Schwerpunkt Basketball.
Wieder fällt sein Blick
auf den Zettel. Drei Jahre studierte er Medizin in Frankfurt - dreimal
rasselte er durchs Physikum. Was war schuld? Tennis natürlich. Parallel
spielte er zwischen 1985 und 1999 in der 1. und 2. Bundesliga bei Rot-Weiß
Dinslaken und dem KHTC - und dachte, mit vier Wochen Lernen auszukommen.
Pustekuchen. Bei der mündlichen Prüfung antwortete er auf 18
von 20 Fragen mit "weiß ich nicht." "Da hat der Prüfer zu mir
gesagt, er fände es unverschämt, dass ich ihm die Zeit stehle."
Jan Stremmel ist witzig, ein guter Erzähler, ein interessanter Diskussionspartner.
Er sattelte um, studierte von 1992 bis 1996 Sport und Geographie auf Lehramt
in Essen und unterrichtet seit 1997 an einer Hauptschule in Kevelaer.
Mit seiner Familie - im
September wird er zum dritten Mal Vater - wohnt er in Rheurdt. In Stremmels
Keller stehen zwei Fahrrad- und ein Ruderergometer, Hanteln und ein Fernseher
mit Video- und DVD-Player. Anderthalb Stunden trampelt er Tag für
Tag. Anderthalb! Nebenbei guckt er Filme. Sein liebster? "Breakfast Club",
eine Teenager-Klamotte von 1984.
22 Stunden Sport unterrichtet
er pro Woche, in Rheurdt ist er Leichtathletik-Übungsleiter, und er
greift in der Saison fünfmal in der Woche zum Tennis-Schläger.
Puuh. Für eine Cola zwischendurch bleibt Zeit. Und für Telefonate.
Als Mannschaftsführer des Herren-30-Teams ruft er Tag für Tag
seine Kollegen an. "Wenn ich etwas mache, dann gebe ich 100 Prozent." Die
Meinungsverschiedenheiten mit Spitzenspieler Schäffkes sind längst
ausgeräumt.
Er ist 39, treibt Sport
wie ein 20-Jähriger - und seine Knie spielen nicht mehr wirklich mit.
Aber ohne Sport geht es nicht. "Nur im Schützenverein bin ich noch
nicht", sagt er und lacht laut. "Aber da gehe ich auch nicht rein." Die
aktuelle Saison genießt er in vollen Zügen. Dafür nimmt
er gern die endlosen Autofahrten in Kauf. Die lassen sich ja auch nutzen.
Für Telefonate mit seinen Teamkollegen zum Beispiel.
Von Andreas Ernst
Regentropfen prasseln auf
die Umkleidecontainer an der Von-der-Tann-Straße. Der Fußballklub
Galatasaray ist hier zu Hause und zwei große Talente des Vereins
schlurfen im Trainingsanzug den Weg entlang. Sie sind Brüder und unsere
"Stars der Woche".
Links läuft Ömer
Alikilic, 17 Jahre alt. Sieht ein bisschen klein aus für einen Torwart.
Er entschied aber das Stadtpokalfinale der A-Jugend fast im Alleingang
für Galatasaray. Rechts hat der 18-jährige Musa die Sporttasche
geschultert. Er gilt in seinem Verein als "Sensation" und hat trotz seines
Alters einen erheblichen Anteil am Klassenerhalt und am Sieg beim Atatürkpokal.
Geboren und aufgewachsen
in Mülheim, angefangen in der E-Jugend beim VfB Speldorf - eine typische
Karriere in dieser Stadt. Dann folgte in der C-Jugend der Schritt zum Vorgängerklub
Vatan Spor. "Speldorf hat eine Kreisauswahl-Einladung nicht an mich weitergereicht",
sagt Musa. "Deshalb bin ich dort rausgeflogen und dann zu Vatan gegangen.
Mein Bruder ist mir gefolgt." Musa und Ömer ständen den Grün-Weißen
heute gut zu Gesicht.
In dieser Saison wurden
die beiden in der A-Jugend-Leistungsklasse Zweiter. Musa, der Ältere,
hilft seit zwei Monaten bei der "Ersten" in der Landesliga aus. Technisch
stark, mit einer feinen Schusstechnik ausgestattet, fünf Spiele, drei
Tore - er hinterlässt einen Klasse-Eindruck. Der Traum ist die türkische
Profiliga. "Noch ist es zu früh, darüber nachzudenken", sagt
er. Er lächelt, setzt eine Baseballmütze auf. Er hat seinen Sinn
für die Realität nicht verloren.
Ömer, der Jüngere,
bleibt in der A-Jugend. "Nächstes Jahr werden wir Meister in der Leistungsklasse",
behauptet er keck. "Am Sonntag haben wir mit dem jungen Jahrgang gespielt."
Sonntag, Stadtpokal-Finale. Ömer begann als Feldspieler, schoss ein
Tor. Als der Keeper ausgewechselt wurde, wechselte er ins Tor, hielt im
Elfmeterschießen einen Schuss und verwandelte den entscheidenden
Elfer. Seine Zukunft sieht er auf dem Feld.
Am späten Sonntagabend
trafen sich Musa und Ömer mit dem Rest des Vereins und feierten die
großen Erfolge. "Am Handy habe ich vom Sieg der A-Jugend erfahren.
Ich wäre gern dabei gewesen", sagt Musa. "Aber auch Stuttgart war
schön." Beim Atatürkpokal-Finale siegte Galatasaray. "Wir wurden
behandelt wie Profis", sagt Musa. Die ersten Autogramme schreiben sie schon.
Aber nicht die letzten.
Von Andreas Ernst
Mal trägt er Anzug,
mal ein lässiges Hemd. Stephan Bürvenich ist 39 Jahre alt und
Verkaufsleiter. Diesmal ist das anders. Er hat seine Berufskluft mit dem
schwarzen Schiedsrichterdress getauscht. Er ist der Mann an der Pfeife.
Beim E-11-Jugendturnier
des TSV Heimaterde tritt der TSV und der Essener SV 10/21 gegeneinander
an. Bürvenich, der Jugendleiter des TSV, steht mit den Teams am Mittelkreis
und wählt mit den beiden Spielführern die Seiten. In der Schiri-Rolle
steckte er noch nie. Er ist der erste Proband beim Freiwilligen-Test der
Mülheimer Schiedsrichter. Eine kurze Einführung gab es von Jung-Schiedsrichter-Referent
Stefan Oppenberg. "Die Abseitsregel gibt es auch bei den E-11-Mannschaften.
Das ist immer eine knappe Geschichte und vor allem hier in Heimaterde schwierig.
Denn von oben ist das Spielfeld hier besonders gut zu überblicken",
sagt Oppenberg. Stephan Bürvenich steht ganz allein auf dem Feld.
Ein erster kurzer Pfiff,
und los geht das Spiel. Über den Lautsprecher heißt es: "Das
hat schon gut geklappt, Stephan", und die 40 Zuschauer schmunzeln. Ihr
Jugendleiter sieht eben ganz anders aus ganz in Schwarz. Eine Minute geht
um, die zweite, die dritte, das Spiel ist fair. Er steht etwas zu weit
weg vom Spielgeschehen. Der Essener Trainer brüllt "Schiriii, wechseln"
- Bürvenich reagiert auf den Ruf und winkt den neuen Spieler aufs
Feld. In der fünften Minute fällt das 1:0 für den TSV.
Nach sieben Minuten pfeift
er zum ersten Mal Foul und in der elften und zwölften Minute wird
es knifflig. Abseits - ja oder nein? "Schiri, pass doch auf!", brüllen
die TSV-Mitglieder auf der Tribüne. Doch Stefan Oppenberg lobt: "Gut
gesehen." Lediglich einen kleinen Fehler moniert er. Nach einer Viertelstunde
ist das Spiel zu Ende. Der Aushilfs-Schiedsrichter pfeift ab, allerdings
nicht laut und lang, sondern mit einem leisen, kurzen Pfiff. Der TSV gewinnt
1:0. Verschwitzt ist Stephan Bürvenich nach einer Viertelstunde nicht,
denn die Mannschaften spielten fair und der Schiri hatte nicht viel zu
tun. "Es hat großen Spaß gemacht", sagt er. "Vor heimischem
Publikum zu pfeifen, war sehr amüsant. Ich habe mehr Verständnis
für die Schiedsrichter." Er zählt oft zu den Kritikern, selbst
mit Stefan Oppenberg zankte er sich schon einmal. Dieser steht an der anderen
Ecke des Platzes und weist die nächsten Schiris ein. Aus der C-Jugend
des TSV haben sich Spieler gemeldet, die sich an der Pfeife probieren wollen.
Sie tragen alle ausnahmsweise Schwarz.
Anmerkung: Dieser Text entstand per telefonischer Co-Produktion mit WAZ-Kollege Thomas Richter vom Essener WAZ-Sport!
FUSSBALL OBERLIGA VfB Speldorf
ETB 2:1 (1:1) ETB: Johns - Jost, Petereit, Hupperts - Schulitz, Grallert
(89. Skrzypczyk), Puschmann, Lekesiz, Schikora - Kaba, Wolf.
Tore: 1:0 (19.) Sergii Tytarchuk,
1:1 (33.) Bilal Lekesiz, 2:1 (85.) Sergii Tytarchuk.
Zuschauer: 900.
Wie bitter: Obwohl die ETB-Fußballer
in der Oberligapartie beim VfB Speldorf klar überlegen waren, verloren
sie dennoch. Ausgerechnet der Ex-ETB-Stürmer Tytarchuk traf für
die glücklichen Gastgeber im Doppelpack.
Die Essener waren die spielbestimmende
Mannschaft. Bei Ausnutzung aller Torchancen, hätten sie nach einer
Viertelstunde bereits mit 3:0 in Führung liegen müssen. Zunächst
vergab Kaba (3.), dann traf Thomas Puschmann nach einem Eckball per Kopfball
nur den Pfosten und auch Wolf ließ einen "Hochkaräter" aus.
Auf der Gegenseite traf
der VfB bei seiner ersten und bis zur Pause auch einzigen Möglichkeit
direkt ins Tor. Einen Freistoß von Rafael Synowiec aus 30 Metern
konnte ETB-Keeper Marcel Johns nur zur Seite abwehren. Die folgende Flanke
von Said Daftari verwandelte Sergii Tytarchuk per Kopfball - eine besondere
Genugtuung für den Ex-Essener.
Den hochverdienten Ausgleich
erzielte noch vor der Pause Bilal Lekesiz, der nach Assist von Björn
Grallert einnetzte (33.). Auch nach dem Wiederanpfiff blieb der ETB das
gefährlichere Team. Nach einer Ecke von Grallert stieg Christian Petereit
am höchsten und köpfte aufs Tor. Doch VfB-Verteidiger Mansfeld
rettete auf der Linie (64.). Als sich alle mit dem 1:1 abgefunden hatten,
schlug erneut Tytarchuk zu. Der "verlorene Sohn" strafte die ETB-Nachlässigkeiten
gnadenlos ab.
aer/tric
Anmerkung: Dieser Text stand am Tag des WM-Auftakts im Hauptsport
Von Andreas Ernst
Mülheim. Er arbeitete
mit Zeitz und Hens, eben den Großen von heute. Jetzt heißen
seine Schützlinge Flemmig und Kempmann. Einst lag vor Dirk Rauin eine
Trainerkarriere beim Deutschen Handballbund, in der Bundesliga, in Europa
- stattdessen trainiert der 49-Jährige nun in der Verbandsliga die
HSG Mülheim.
Sonntags treibt er sich
in den Hallen irgendwo am Niederrhein herum, selten kommen mehr als 150
Leute. Dirk Rauin feuert seine Spieler an, applaudiert, kritisiert, sitzt
nie auf der Bank, steht daneben. In der Verbandsliga. Er, der noch Kontakte
hat zu alten Weggefährten. Der sich mit Alfred Gislasson und - natürlich
- Heiner Brand gern auf ein Bierchen verabredet. Doch Rauin, 45maliger
Nationalspieler des VfL Gummersbach und TuSEM Essen, ist sportlich längst
angekommen in der Fünftklassigkeit. Wenn Rauin über die Verbandsliga-Gegner
spricht oder seine Mannschaft analysiert, dann denkt er nicht an seine
DHB-Zeit.
Dabei liegt sie noch nicht
lang zurück. Mit der U 21 wurde er 2001 noch WM-Fünfter. Erstliga-Angebote
schlug er aus. "Ich wollte sesshaft werden", sagt Rauin. "Bundesligisten
wechseln die Trainer alle zwei Jahre. Allerdings wäre es lukrativer
gewesen als das Lehrerdasein . . ."
Ein Beispieltag in Rauins
Leben sieht nicht mehr aus wie in den 80ern und 90ern. Damals: morgens,
mittags und abends Handball. Heute: morgens nach Ennepetal zur Sonderschule,
erst mittags und abends folgt der Sport. Nachdem er sich gegen die Trainer-Karriere
entschieden hatte, begann er in Köln ein Sonderpädagogik-Studium.
Von der Trainerbank in den Hörsaal. Nun ist er nicht nur Lehrer, sondern
auch Uni-Dozent. Ab 17. Januar leitet er in Köln ein Seminar zum Orientierungspraktikum
für Studenten. Zwei Tage vor WM-Beginn.
Am liebsten würde Rauin
selbst mitspielen. Denn der moderne Handball gefällt dem ehemaligen
Nationalspieler. "Heute", sagt Rauin, "wäre ich gern noch einmal Kreisläufer.
Früher war das einfach nur: Rücken freihalten für Wunderlich
oder Schwalb. Heute ist der ganz anders ins Spiel eingebunden." Zu Rauins
Zeiten gab es in der Bundesliga nur wenige Profis - jetzt ist sie eine
Profi-Liga.
Und wer sind jetzt Jens
Flemmig und Bastian Kempmann? Leistungsträger der HSG Mülheim,
Zweiter der Verbandsliga. Seit 2003 arbeitet Rauin bei der HSG, er begann
noch als Trainer in der Landesliga. Von der U 21 in die Sechstklassigkeit
- was für eine Karriere. Er schließt nicht aus, als Trainer
ins Profi-Geschäft zurückzukehren. Im Moment hat er aber genug
Spaß daran, in Mülheim einen Großverein mitzugestalten.
"In die Mülheimer Sportlandschaft gehört ein Regionalligist",
sagt der Trainer.
Bei der WM kehrt der Silbermedaillengewinner
von 1984 zum "großen" Handball zurück. Für das Finale hat
er eine Karte. Ist die deutsche Mannschaft dabei? "Getragen durch das Publikum
gibt es eine Chance, weit zu kommen", sagt er. Rauin wünscht es seinem
Kumpel Heiner Brand.
Von Andreas Ernst
Ja, es ist Gold. Mit Bravour und Sternchen. Der erste Tag bei der Deutschen Jugendmeisterschaft im Schwimmen müsste eigentlich mit "Es war einmal" beginnen. Ein Märchen für die SG Mülheim. Lisa Vitting gewann über 100 Meter Freistil den Titel des Jahrgangs 1991, Paulina Schmiedel (1993) wurde auf der gleichen Strecke Zweite. Lisas Gold-Tag. Er begann um. . .
. . . 6.00 Uhr
Gääähn. Früh
am Morgen Treffpunkt. Es ist schon verdammt hell. Trainer Harry Schulz
und die Mülheimer Delegation starten in den Tag. Sie haben auf eine
Übernachtung in Dortmund verzichtet. "Zu Hause", sagt Schulz, "schläft
man doch immer am besten." Die A 40 ist noch leer.
8.30 Uhr
Ausgeschlafen, hellwach,
topfit. Die Vorläufe beginnen. Oder besser: sollten beginnen. Die
Zeitmessung funktioniert nicht. Der Start verschiebt sich um eine halbe
Stunde. Alle grummeln. Pfeifkonzert.
9.30 Uhr
Paulina und Lisa schwimmen.
In den Endlauf. Puuuh, Schulz atmet tief durch. Erstes Ziel erreicht. Paulina
ist in ihrem Jahrgang Sechstschnellste, Lisa? Erste natürlich. Schulz
schwitzt. "Lisa schwimmt mit einem gebrochenen Zeh", flüstert er.
Wie bitte? "Montag ist sie zu Hause vor einen Sessel gelaufen. Der Zeh
ist komplett blau." Hilfe, wo ist das nächste Tape-Band?
12 Uhr
Mittagspause. Essen gehen.
Nervenberuhigung. Nudeln. Etwas Salat. Danach ab in die Tiefgarage, in
den SG-Bus. Liegen auspacken und ein bisschen pennen. Ausruhen.
15 Uhr
Zurück in die Schwimmhalle.
Nur noch anderthalb Stunden. Eine Durchsage: "Alles wird um 30 Minuten
verschoben." Wieder grummeln.
16.20 Uhr
Einschwimmen. Im Becken
tummeln sich Endlauf-Teilnehmer aller Altersklassen. Auf der Tribüne
drücken die Familien die Daumen. Schulz holt Paulina und Lisa zu sich,
stoppt ein paar Zeiten. "Sieht gut aus." Tape-Band: hält.
16.45 Uhr
"Jetzt hilft nur noch beten",
sagt Schulz. Lisa verlässt das Wasser. Geht raus. An die frische Luft.
Schaut in die Sonne.
17.34 Uhr
"Eye of the tiger" schallt
aus dem Lautsprecher. Paulina Schmiedel schwimmt auf Bahn eins im 1993er-Rennen.
Sie schlägt nach 59,87 Sekunden als Zweite an. Sensation!
17.40 Uhr
Startsirene. Und los. Lisa
auf Bahn vier. Es ist spannend. Nach 50 Metern: nur vier Hundertstel Vorsprung
"Lisa! Lisa!", brüllen die Teamkollegen. Sie zieht und ziiiieht; uuuuund:
es REICHT! 57,11 Sekunden! Lisa gewinnt!
17.56 Uhr
"Deutsche Jahrgangsmeisterin:
Lisaaa Vitting!" Aufs oberste Treppchen. Es war einmal. . . ein wunderschöner
Mittwochabend in Dortmund!
Von Andreas Ernst
Der erste Schultag nach diesem
Superwochenende. "Ich hatte nur drei Stunden. War nicht so anstrengend",
sagt Julian Jungbluth, 18, Jahrgangsstufe 11, Luisenschule. "Ganz normal",
findet Lisa Vitting, 15, Klasse 10 am "Otto Pankok". "Im Wettkampf mussten
wir um 5 Uhr aufstehen, zur Schule erst um 7. Fast wie ausschlafen." Paulina
Schmiedel, 14, 8. Klasse am OP: "Normal. Mitgekriegt haben das einige."
DAS bedeutet: Julian, Lisa
und Paulina sind Deutsche Jahrgangsmeister im Schwimmen. Dreimal SG Mülheim.
Drei Goldmedaillen.
Julian Jungbluth, der Mann
in der Runde. Er genießt die Momente, genießt den unerwarteten
Titel, für den er 18 werden musste. Bisher stand er eher im Schatten
von Daniel Cornelsen. Neid? "Warum?", sagt er: "Daniel war doch immer sehr
gut." Julians Stunde schlug 2007 über 100 Meter Brust. Er gewann das
B-Finale der eigentlich schlechteren Schwimmer der Jahrgänge 1989
und 1990. Nach seinem Lauf gesellte er sich an den Beckenrand zu Trainer
Harry Schulz und realisierte erst spät: Kein "1989er" war im A-Finale
schneller als er. Und er damit Meister. Was zeichnet Julian eigentlich
aus? Lisa Vitting antwortet ruck, zuck: "Humor".
Lisa, groß gewachsen,
schaut selbstbewusst. Interviews ist sie gewohnt und wirkt wie ein erfahrener
Medienprofi. Keine Frage bleibt unbeantwortet, das Lächeln für
das Foto sitzt perfekt. Dabei ist sie keineswegs unsympathisch. Keine junge
Frau der Jahrgänge 1988 bis 1994 war über 100 Meter Freistil
schneller als Lisa. Den Titel holte sie - diese Auskunft gab Trainer Harry
Schulz - mit einem gebrochenen Zeh. Lisa blickt ihren Trainer an: "Da hat
der Harry übertrieben. Das mit dem Zeh war gar nicht schlimm. Nach
einem Tag hat der schon gar nicht mehr geschmerzt." Wenn Lisa ihr Trainingspensum
herunterbetet, dann klingt das mehr als locker. Drei Wochen verbrachte
sie in einer Vierer-SG-Gruppe - darunter Julian - im April in der Sierra
Nevada. "Schlafen, essen, trainieren: Aber wir hatten Internet auf dem
Zimmer, und die Jungs 'ne Playstation." Ihre Ziele treiben Lisa Tag für
Tag an: Die EM in Antwerpen im Juli, die Jugend-WM in Mexiko im Sommer
2008 und die Olympischen Spiele 2012 in London. England in fünf Jahren:
Lisas Traum. Noch kennt sie London nicht.
Aufmerksam hört Paulina
Schmiedel zu. Medienprofi Lisa schaut ein wenig mütterlich. "Es ist
für sie doch das erste Interview", sagt Lisa. Stimmt. Die 14-jährige
Paulina hat noch wenig Erfahrung. Im Herbst 2006 Deutsche Meisterin mit
den Hockey-A-Mädchen des HTC Uhlenhorst und nun über 100 Meter
Rücken im Jahrgang 1993. Was will sie denn nun, Hockey oder Schwimmen?
Eine schwere Frage: "Der Harry nervt damit auch ein bisschen." Eine Antwort
gibt es noch nicht.
Nur noch wenige Tage, dann
sind Sommerferien. Aber nicht für Paulina und Lisa. Paulina erhielt
eine Einladung zum "European Youth Swim Olympic Festival" (also zur europäischen
Jugend-Olympiade) vom 23. bis 27. Juli in Belgrad. Eigentlich wollte Familie
Schmiedel nach Spanien. "In Belgrad" merkt Trainer Schulz an, "ist's auch
schön warm." Ein schwacher Trost.
Lisa Vitting verbessert
erst einmal ihren Trainer: "Das heißt nicht mehr Swim Olympic Festival,
sondern Swim Olympic Days." So viel Zeit muss sein. Ihr Programm kennt
Lisa auswendig: Erst am Donnerstag zum Justin-Timberlake-Konzert, dann
eine Woche später zum Trainingslager bei ihrer Nationalmannschaftskollegin
Nina Schiffer nach Bonn. Welche Bestzeiten die Konkurrenz aus Europa schwimmt,
weiß Lisa nicht. "Die Zahlen kriege ich noch." Sie wird locker bleiben
und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ganz sicher.
Bleibt noch Julian. Der
sitzt ganz entspannt in der Ecke und lächelt ein wenig. Denn er ist
der einzige, der in den Sommerferien auch wirklich Urlaub machen kann.
"Das hätte noch gefehlt, dass ich international schwimmen muss." Er
wurde zwar Meister, verpasste aber knapp die geforderte EM-Norm. So darf
er ausruhen, die Pause genießen und ein bisschen mit dem Auto herumkurven.
Seit ein paar Wochen hat Julian den Führerschein.
Fuhr er selbst zum Bad?
"Warum?", fragt Julian. "Ich habe mich fahren lassen. . ."
Von Andreas Ernst
Das ist doch. . . Markus
Henn! Samstagabend im Festzelt am Waldschlösschen: Auf seinem weißen
Hemd befindet sich fein in blau der kleine Schriftzug "Ein Jahrhundert
Mülheimer SV 07". Henn greift das Mikro um 18.42 Uhr und ruft "Herzlich
Willkommen im Festzelt!" Die Menge antwortet: "Hallo Mahe´!" Ma gleich
Markus, he´ gleich Henn.
100 Jahre MSV. Vier Tage
Party. Verschiedene Aktionen.
Dass der Torwart der Bezirksligamannschaft
den Gala-Abend moderierte, ist nur eine von vielen Episoden, die sich die
MSV-Mitglieder in zwanzig Jahren noch erzählen. Das Wochenende bestand
aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Vergangenheit? Was Donnerstag
beim Altherrenturnier passierte, fasste Henn während seiner Moderation
zusammen: "Wir haben den 07er Bierrekord gebrochen." 800 Liter Bier - an
einem Tag. Am Samstagmittag trafen die MSV-Generationen aufeinander. Teile
des Meisterteams von 1982, das den Aufstieg in die Landesliga schaffte,
spielten gegen die MSV-"Dritte". Ergebnis: Nebensache.
Gegenwart? Die meisten der
500 MSV-Mitglieder trugen Hemd und Sakko am warmen Samstagabend. Ja, richtig,
der MSV hat 500 Mitglieder. In ihren Festansprachen blickten Josef Bowinkelmann
vom Fußballverband Niederrhein und Bürgermeister Markus Püll
in die Vereinshistorie. Besonders ergreifend fand der Vorsitzende Peter
Hein aber die Ehrung des Festausschusses. Als Moderator Henn diese Mitglieder
auf die Bühne bat, folgte ein langer Applaus.
Zukunft? Ein Blick auf die
Tischdekoration: Ausgelegt war sie mit Kunstrasenstreifen und die Botschaft
eindeutig. Der MSV kann langfristig nur überleben, wenn aus dem Asche-
ein Kunstrasenplatz wird. Peter Hein kämpft energisch dafür,
trifft sich mit Parteien. Die Nachbarn, die sonst gern über Staubentwicklung
meckern, blieben am Festwochenende ruhig. "Danke dafür", sagt Hein.
Geschenke gab es reichlich für den MSV. Das spitzfindigste lieferte
Günter Ullrich, MSV-Mitglied und langjähriger Vorsitzender des
Fußballkreises neun. Er überreichte dem MSV drei Bälle.
Nur drei Bälle? Ullrich: "Ich habe mich erkundigt. Damit kann man
besonders gut auf Kunstrasen spielen." Da lachten alle MSV-Mitglieder.
Videoclip-Dancing, die Coverrock-Band
FKK, Tanzen bis morgens um 4 Uhr, zwischendurch klickten Handy- und Digitalkameras.
Momente festhalten für die MSV-Ewigkeit. "Dieses Wochenende hat gezeigt,
wie sehr sich die Mitglieder mit dem Verein identifizieren", sagte Peter
Hein. Der Vorsitzende nahm rund um die Feierlichkeiten zwei Wochen Urlaub.
Das ist doch. . . Markus
Henn. 18 Stunden nach seiner Aufgabe als Moderator steht "Mahe´"
zwischen den Pfosten im Jubiläumsspiel des MSV gegen den Oberligisten
VfB Speldorf. "Es ist eine Ehre für uns, dass der MSV 07 nicht Rot-Weiß
Oberhausen oder Rot-Weiß Essen eingeladen hat, sondern den VfB Speldorf",
sagt der VfB-Vorsitzende Klaus Wörsdörfer.
Der Bezirksligist hält
gut mit. Aber fünfmal greift Henn schließlich hinter sich. Doch
weil das Spiel vor 300 Zuschauern - davon 100 vor den Bierständen
am Festzelt - "nur" 4:5 (2:1) ausgeht, kann er damit leben. Das Bier nach
dem Spiel hat er sich verdient.
Nicht nur er. Sondern auch
der Rest der MSV-Familie.