VFL-TAGEBUCH: SAISON 2004 / 2005 - TEIL 4
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--- ZUM 2. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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--- ZUM 5. TEIL DES TAGEBUCHS DER AKTUELLEN SAISON 2004 / 2005 ----
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Die ersten Utensilien

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BENEFIZSPIEL: MSV Duisburg - VfL Bochum 0:0 (16.1.2005, für die Flutopfer in Südostasien)

Anzeigetafel

Ein Spiel, bei dem der Stadion-DJ des MSV der "Mann des Tages" ist

Erster Einlauf 2005

Wie wir uns Selbstvertrauen holen

Madsen-ElferDas Jahr fängt ja gut an...

Flotten Schrittes eile ich den Bürgersteig entlang, stupse meine Sonnenbrille zurecht (die ich vergessen habe), werfe meine Zigarette auf den Boden (oh mist, ich rauch ja gar nicht) und kippe den letzten Rest Bier aus der Hansa-Dose (ach nee, trinken ist seit ein paar Jahren auch nicht mehr mein Ding). Ziemlich knitterig und verbeult fühle ich mich, als ich unmittelbar vor der MSV-Arena in das Auto von Ober-Zebra Helmut steige, und mit ihm versuche, den Fußball-Augenschmaus des 16. Januar zu analysieren.
Wir reden zehn Sekunden darüber, dann ists erledigt.
Was bleiben für Erkenntnisse nach einem Spiel, das nach 90 Minuten dasselbe Ergebnis hatte wie nach einer Sekunde? Was bleiben für Erkenntnisse von einem Blick von der Duisburger Gegentribüne ins neue Stadion? Was bleibt vom ersten Fußballspiel im Jahr 2005? Enttäuschung. Enttäuschung bei den Duisburgern. Immerhin sind sie Tabellenführer der 2. Bundesliga, und sie haben es nicht geschafft, einen dicken Abstiegskandidaten der 1. Bundesliga aus dem Stadion zu fegen. Sie waren nicht einmal feldüberlegen. Und - wirklich - sie hatten sogar den Papst in der Tasche, dass sie in ihrer Arena wenigstens noch unbesiegt sind. Enttäuschung bei uns. Wir haben es nicht einmal geschafft, einen Zweitligisten zu schlagen. Nicht einmal das (oder sollte ich es positiv sehen und so laut ich kann ausbrüllen: HURRA!!! EIN 0:0 BEIM ZWEITLIGA-SPITZENREITER!!! WELCH ÜBERRAAAAAGENDE LEISTUNG!!!) Enttäuschung bei allen 8.600 Zuschauern. Jungs, es ist ein FREUNDSCHAFTSSPIEL! Wie wärs mit ein paar Toren? Vermutlich werden alle Beteiligten nachher von einem "guten Test" gegen einen "gleichwertigen Gegner" sprechen, mit einem "guten Ergebnis" nach einer "zufriedenstellenden Leistung" und dass sich alle "gut bewegt" haben und "müde nach dem Trainingslager" waren. Und davon, dass das Spiel "ruhig im nächsten Jahr in der Bundesliga wieder stattfinden könnte". Irgendwie haben alle damit auch nicht ganz unrecht. Aber geschenkt! Gelangweilt habe ich mich trotzdem!!
Lasst mich im Spielverlauf suchen nach großen Gelegenheiten, nach ordentlichen Chancen, nach brandheißen Infos. Als wir um 14.55 Uhr im 14. Block die 10. Reihe betreten, uns in dieser Minute und den 35 danach die Augen reiben, weil die Sonne so tief steht, geht mir unser Trainer schon auf den Sack. Ich sehe die blonde Mähne von Bechmann - kein gutes Zeichen, er spielt nicht. Stattdessen der Großteil der Hinrunden-Versager mit der üblichen Viererkette (Colding, Kalla, Knavs, Bönig), dem Standard-Mittelfeld (Preuß, Maltritz, Wosz) und dem Nahezu-Standardsturm (Trojan, Madsen, Lokvenc). Tolle Vorbereitung. In der ersten Halbzeit läuft das Bällchen teilweise ganz passabel, wenigstens spielen wir nicht wie ein Trümmerhaufen, aber drei Schüsschen, für die sich MSV-Torwart Koch auf den gefrorenen Rasen werfen muss (ich beneide ihn nicht) - n´ bisschen wenig, oder? Von den Duisburgern kommt noch weniger bis gar nichts. Vier, fünf Schüsse über den Spielverlauf verteilt, ein paar gute Konteransätze - und gegen unseren zweiten Anzug in Halbzeit zwei bringt der MSV gar nichts mehr zustande. Und wir? Madsen holt sich richtig Selbstvertrauen und pfeffert einen Foulelfmeter in Minute 56 an den rechten Innenpfosten - das neue Jahr geht ja richtig gut los. Danach noch zwei, drei weitere Chancen - aber nichts wirds mit einem Tor. 0:0. Die offenen Fragen bleiben. Wer beginnt im Tor? Vander oder Skov-Jensen? Wer im Mittelfeld? Misimovic oder Wosz? Maltritz oder Zdebel? Und im Sturm? Bechmann oder Trojan? Nur die Stadionfrage kann ich beantworten. Es bleibt ein netter Bau, auch von einem Sitzplatz. In dieser Arena sind die Zwischenrufe der Spieler deutlich zu hören. Im alten Wedaustadion wären von einem Sitzplatz nicht einmal die Sprechchöre der Fans zu hören gewesen...
Bliebe noch die Chronistenpflicht, die mir befiehlt, aufzuschreiben, wen ich alles getroffen habe. Meine Tour beginnt am Eingang, den Rein van Duijnhoven direkt vor mir passiert (hätte ich doch mal früher geschaltet und mich von Helmut fotografieren lassen). Vor dem Bierstand stehen Marc und Zander, meine Abi- und Urlaubskollegen aus grauer Vorzeit. Wir verabreden uns für die Halbzeitpause, und dann erzählen die mir, das nicht weit von ihrem Platz entfernt Falko Götz sitzt und den VfL beobachtet. Während ich mir eine Pommes-Currywurst in den Rachen schiebe (etwas versalzen und "nur" lauwarm), läuft Martin vorbei, ein weiterer Kumpel aus meiner Schulzeit, und zwischendurch, irgendwann mittendrin in Halbzeit zwei weckt mich Dietmar, mein Onkel. Zum Glück, denn beinahe wäre ich vor Müdigkeit im nächsten Moment mit meinem Kinn auf die vordere Sitzreihe geklatscht. Und kurz vor dem Ende des Spiels sms-t Gerd. Er teilt mit, dass er die zweite von drei Dortmund-Auswärtskarten nimmt, die ich präventiv mitbesorgt habe. Und er will das Ergebnis wissen.
Und was waren meine Highlights des Tages? Eindeutig das Handballspiel morgens zwischen dem HSV Dümpten und dem TV Issum, über das ich morgens berichten musste. Okay, dann noch die ewigen "Erste Liga - keiner weiß warum?" und "Wir steigen auf - und ihr steigt aaaaaab - wir steigen auf und ihr steigt AB!!"-Sprechchöre aus der Duisburger Ecke (die mir wieder schmerzhaft zu Bewusstsein führten, wo wir in der Tabelle stehen) und ganz eindeutig die Tatsache (ist wirklich passiert), dass das erste Lied nach dem Abpfiff (wohlgemerkt in einem Benefizspiel für die Flutopfer) "Perfekte Welle" war. Das Spiel, nee, das war kein Highlight. Spielnote 4,5; maximal. Nächste Woche kommt Marcelinho. Steigern müssen wir uns. Steigern.
Aber zumindest, ja zumindest war das Wetter schön.
 
Die Köpi-Kurve aus einer anderen Sicht VfL-Fans in der Arena
Ein etwas anderer Blick auf die Köpi-Tribüne als sonst! Ja, da kannste ruhig gucken, alter Sack! Es haben tatsächlich so viele Bochumer dieses Fußballfest genossen!

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VfL Bochum - Hertha BSC Berlin 2:2 (23.1.2005)

Die arktische WetterfrontGanz schon winterlich, oder?

Wenn Bauchgrummeln und Schlaflosigkeit zu einem ernüchternden Wintererlebnis führen

Andi gleich AnzeigetafelDie falsche Anzeigetafel...

With or without you

Die ECHTE Anzeigetafel... und die Richtige!

In ganz seichtem Ton fiepst es durch den Kopfhörer. Sekundenbruchteile zuvor schmiss ich sanft die Best-Of-U2-CD in den Player, pappte mir den Kopfhörer an die Ohren und nun fiepst es. Ganz langsam die Drums, der Bass unüberhörbar. "See the stone set in your eyes // See the thorn twist in your side // I wait for you". Es ist das Lied der Traurigkeit, die Hymne der Liebesdepression, der richtige Song zum ewig falschen Moment. "With or without you", singt Bono, und ich blicke auf die Baustelle auf dem Hinterhof meiner Häuserzeile. Seit ein paar Monaten schon werkeln die am neuen Rasen herum, heute, am Sonntag, da haben die Arbeiter frei, da ruht die Baustelle, da erfrieren die Bagger. Vor mir ist mein Laptop aufgeklappt, ich rufe Mails ab, vertreibe mir mit dem Hockeyspiel "NHL 1997" die Zeit, gewinne mit den Boston Bruins den Stanley Cup. Und drücke die CD immer wieder auf Pause. "I can live with or without you", heißts im Lied, und ich verstehe es als Frage.
Links neben meinem Laptop liegt mein Handy. Mir ist ein wenig kalt, so kalt, dass ich meine Hände fleißig aneinander reiben muss, damit sie warm werden. Eine Nachricht, eine sms habe ich abgespeichert. Eine einzige nur, und die umfasst auch nur viereinhalb Worte. Sie ist von Gerd, vom 30.9.2004 um 22.19 Uhr abgeschickt. "ich krieg n kind hier", steht da drin. Ich erinnere mich noch genau, werde mich mein Leben lang daran erinnern. Bochum gegen Lüttich, Spielstand 1:0. Ich las die sms kurz vor der alles entscheidenden Flanke, kurz bevor Edu... lassen wir das, lassen wir die alten Wunden, lassen wir die Vergangenheit. Und doch schmerzt es noch immer; wenn wir absteigen, wird es in allen Saisonanalysen (auch in meiner, das ist nun einmal die Wahrheit) heißen: Das war der Knackpunkt! Ich schlürfe meinen heißen Pfefferminztee, "With or without you" biegt auf die Zielgerade ein. With gleich mit, or gleich oder, without gleich ohne, you gleich dich. Mit oder ohne dich? Die nächste Phase des Abstiegskampfs läuft schon seit Tagen äh Wochen. Wir stehen auf Platz 16, haben das realisiert, geschnallt, gescheckt, ein Riesen-Popup mit der Aufschrift "Aufholjagd!" fluppt dir entgegen, wenn du auf die Homepage des VfL klickst. Du rennst sehenden Auges in die Hölle, ins "without you", denke in den falschen Momenten, in denen ich U2 höre, ans kommende Jahr, wenn der VfL nur noch zweite Liga spielen würde. Ich würde bestimmt nicht mehr so viele Heimspiele besuchen können, auswärts ganz zu schweigen. So ist die Existenzangst auf fußballerisch. Sie äußert sich in einem extremen Magengrummeln, das einfach so kommt, zwischendurch, ganz unverhofft oder manchmal auch mit Ansage - zum Beispiel neulich, als "Hells Bells" von AC/DC irgendwo im Radio kam, eine typische geniale Stadionmelodie. Assoziation eins Fußball, Assoziation zwei VfL, Assoziation drei Abstieg. Resultat: Bauchschmerzen. Und genug Schlaf zu bekommen, ist auch nicht leicht in einer solchen Phase. In wie vielen Träumen in letzter Zeit Straßenschilder wie "Aue" oder "Burghausen" auftauchten - ich mags gar nicht mehr zählen. Existenzangst ist ungesund. Eben vor allem auf fußballerisch. "ich krieg n kind hier", hat Gerd geschrieben. Dreieinhalb Monate später frag ich ihn wieder per sms: "Bist Du auch so heiß wie ich?" Gerd antwortet aus seiner neuen Behausung in Dahlhausen. Er hat auch schlecht geschlafen. Seit gestern ist unsere Ausgangssituation noch beschissener. Die beiden Borussen aus Gladbach und Dortmund haben gewonnen und sind uns geschmeidige sechs Punkte voraus. Drei Punkte für die Aufholjagd, drei Punkte für uns, drei Punkte gegen die Existenzangst, aber drei Punkte gegen Marcelinho, gegen die beste Auswärtsmannschaft? Ich schalte mein Laptop aus, ziehe das Kalla-Trikot drunter, das zuletzt nicht wirklich viel Glück brachte, nicht mal beim privaten Badmintonspiel (hab verloren, natürlich), und stürze mich in den Arbeitstag. Er wird mich ablenken. Vielleicht.
Nee, falsch, Ablenkung unmöglich. Ich sehe, wie die HSG Mülheim in der Handball-Verbandsliga den Mettmanner TV aus der Halle kanoniert. Ich sehe, wie der 1. FC Mülheim die Hallen-Stadtmeisterschaft der Alten Herren gewinnt, doch ich höre meine Fußball-CD. Naja, Fußball-CD stimmt auch nicht ganz, eher so ein Fetenhits-Stadion-Sammelsurium. Da ist "I will survive" drauf, "Song 2" von Blur, Status Quo's "Whatever you want" und natürlich "I would walk 500 miles" von den Proclaimers. Ich bin nervös, tippe meine Artikel runter; bin morgen mal gespannt, was ich da so verzapft habe. Denke an das Spiel, an Hertha, an den Rückstand, die Angst. Bei der HSG fragt ein Vorstandsmitglied: "Und? Sieg heute?" Will doch schwer hoffen. Bei der Altherren-Meisterschaft merkt jemand meine Nervosität. "Fährst Du heute nach Bochum?" Ja, fahre ich. So allmählich weiß doch jeder, für was und wen mein Herz schlägt.
16.45 Uhr, der Countdown läuft, "The final countdown", noch so ein Lied von meiner Sammelmischmixmax-CD. Mittlerweile ist wieder ganz schön schattig, die paar Sonnenfetzen, die heute Mittag für ein paar Sekunden die Sinne, den Körper und die Seelen erhellten, sind schon längst wieder vergessen. Meine enge VfL-Mütze ziert meinen Schädel, mein Schal ist fest umgeschnallt, und ich bin bereit. BEREIT!!! Gib mir sechs Buchstaben! BEREIT!!! JAWOLL!!! Sam kann heute nicht, er hat mir per Mail abgesagt. In bester Pogo-Manier ramme ich mich durch die Ostkurve zu Gerd und den anderen namenlosen Gesellen, die immer um mich herum schleichen. 26 Punkte brauchen wir in der Rückrunde, haben unsere Rechnungen ergeben. Acht Siege, zwei Unentschieden. Oder sieben Siege, fünf Unentschieden. Wie auch immer. Aufstellung. Dieselbe Anfangself wie gegen Duisburg. Mutig sind wir, brüllfest, brüllbereit. Akyel spielt nicht, Bechmann auch nicht; ich reg mich wie schon vor einer Woche auch ein bisschen auf. Egal. Alle wissen, wie es geht. Und dass wir MÜSSEN. "Tief im Westeeeeen, wo die Sonne verstaaaaaauuuubt", singt Herbert.
Anpfiff, 2:21 zeigt die Tafel, Nando Rafael frei, 0:1.
So viele offen stehende Münder mit zwei erschreckten Augen als Kekse im Gesichtskuchen habe ich noch nie auf einen Haufen gesehen. Ein Pass von Marx zwischen Knavs und Kalla hindurch, irgendein Depp, mutmaßlich Colding, hat die Abseitsfalle aufgehoben, Colding kam gleich auch noch zu spät. Tor. AAAAAAAAAAHHHHHH!!!!!! Und dafür mache ich mir diesen STRESS!!! RAUS MIT DEM ÄRGER!!! AAAAHHH, gibts doch gar nicht. Diese bepissten Sonntagspiele, die sind sowieso Mist, ich kann sie nicht mehr haben!!! AAAAHHH!!! 0:1, Nando Rafael. Herzlich Willkommen Galgenhumor, wir haben dich fast schon vermisst. Wozu haben wir einen erfahrenen Abwehrspieler gekauft, der unsere größte Schwäche beheben soll. Wozu, wenn er nicht spielt?? Unsere Abwehr ist auch nach der Wintervorbereitung nicht eingespielt. "Toll. Jetzt rennen die wieder an wie die Beschmierten, kassieren kurz vor Schluss das 0:2, und dann ist das gelaufen", brüllt Gerd. Schockzustand. Minute 15, wieder Marx, diesmal Querpass auf Gilberto, wieder steht Colding Meeeeeeter weg, ein trockener Knaller in den Giebel.
0:2.
Minute 15 !!!
Spielt so eine Mannschaft, die um jeden Preis in der Liga bleiben will? Präsentiert sich so ein Verein, der seit sieben Tagen in allen Medien das Motto "Aufholjagd" vorgibt? Was nutzt die tollste Vorbereitung bei 25 Grad in Marbella, wenn es bei 0 Grad im Pott, bei Schneesturm und Nordkappkälte nicht stimmt? Überhaupt nichts!!!! NULL!!! Wie ÄRGERLICH!! "Without you" fällt mir nur ein, während ich mit fragenden Blicken Richtung Himmel blicke, Richtung Schneeflocken. Helmut schickt eine sms, mein MSV-Kumpel. Er feiert den 4:2-Sieg des MSV im Dresden-Spiel mit einem Dönerteller, ist scheinbar ein wenig zu spät nach Hause gekommen. "Hab grad erst Premiere angemacht. Haben die Bochumer gekifft oder was?", fragt er. Das wäre wenigstens ein Grund.
Die Berliner machen ab Minute 15 nichts mehr. Na gut, in der ersten Viertelstunde haben die auch schon nichts gemacht (außer zweimal erfolgreich aufs Tor geschossen), aber es ist so, so, so einfach gegen uns. Schieß zwei Tore, den Rest machen die Bochumer. Colding auf rechts verabschiedet sich endgültig aus meiner Wunschelf. Es hat keinen Zweck mehr. Wosz ganz schwach. Madsen und Trojan wenigstens bemüht, aber wer will schon in seinem Arbeitszeugnis "hat sich bemüht" stehen haben? Die Stimmung ist so mies wie seit Monaten nicht mehr. Einmal erhebt sich noch die ganze Ostkurve, und das natürlich beim HSV-erprobten Sprechchor "Wie steigen auf / Wir steigen ab / Und zwischendurch UEFA-Cuuuup". In der 37. Minute, 0:2 immer noch, als unsere hilfloser sind als ich in meinen Mathe-Klausuren in der Oberstufe (und das geht fast gar nicht), stimmen zehn Mann in einem melodielosen Stakkato "Wir sind hier - wo seid Ihr ??" an. Auch das wird lauter, übertönt die "Für ein Heimspiel seid Ihr ganz schön laut"-Rufe der Berliner nur kurz. Als Zdebel fünf Minuten vor der Halbzeit gefoult wird, und der Schiri auf den Elfmeterpunkt deutet, ist das total unwirklich. Das passt nicht ins schiefe Bild des Spiels, meine negativen Gedanken. Aber Madsen schießt. Die letzten beiden hat er auch verballert, lasst es ihn ruhig nochmal probieren. Und - oh Wunder - der Peter kanns noch, rechts unten, 1:2. Und unglaublich: 1:2 ist gar nicht mal so ein hoher Rückstand.

Der Madsen-ElferUnd da schießt der bekloppte Madsen schon wieder den Elfer!

Pause. Gewöhnung an die zweite Liga. Es wird spartanischer in Bochum. Die Cheerleader oder Stationettes, nennt sie, wie Ihr wollt, verzichten auf einen Auftritt, ein beschepptes Halbzeitspiel, bei dem sich VfL-Fans in schönster Regelmäßigkeit blamieren, gibt es auch nicht. Und der Stadionsprecher verkündet dann doch die Endergebnisse der zweiten Liga, damit wir uns an Vereinsnamen wie Ahlen und Cottbus so schnell wie möglich gewöhnen. Zweite Halbzeit. Akyel und Bechmann ersetzen Colding und Wosz. Für mich ist es das Ende einer Ära, die beiden und vor allem unser Trainer müssen doch spätestens jetzt die Notbremse ziehen. Dass Neururer auf die Versager der Hinrunde gesetzt hat, auf fast original dieselbe Mannschaft, die 17 Spiele versaute, hat ohnehin keiner verstanden. Egal. Zweite Halbzeit. Auf geht's Bochum schießt ein Tor!!! Schießt ein Tooooor!!! Schießt ein...
... *uuuuuaaaaahhhh* *gäääähn* ...
Es wird ein fürchterliches Spiel. Es zieht sich. Es ist so laaaangweilig, dass ich anfange, die Zuschauer zu zählen, dass ich beginne, meine letzten Texte für heute Abend in der WAZ-Redaktion vorzuformulieren. Es ist so schlecht, dass Helmut per sms zugibt: "Ich hab umgeschaltet." 1:2, es müsste doch was gehen. Aber es geht nichts. Auf dem Platz bringen wir zwar vier/fünf Standardsituationen und insgesamt acht Ecken zu Stande, aber alle gehen entweder ins Toraus, oder werden abgepfiffen, im Wechsel wegen eines Fouls von Lokvenc, oder weil Kalla ins Abseits gelaufen ist. Hertha macht nichts mehr. Hertha verwaltet den Vorsprung, und das genügt völlig, um uns in Schach zu halten. Es ist sooooo schlecht. Wir singen Bochum, Bochum, zweite Liga. Am spannendsten sind noch die Wetterwechsel. Einem fünfminütigen heftigen Schneegestöber folgt eine niederschlagfreie Phase und umgekehrt. Und ein Sprechchor nach einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters. "Der Schiiiriiii hat nen Wettbüro!! Der Schiri hat nen WETTBÜRO!" Der korrupte Herr Hoyzer hat seiner Zunft einiges angetan und zugemutet. Aus der Schublade kommen die Schiris jedenfalls nicht mehr raus. Lichtblicke? Trojan gibt sich einigermaßen wieselig, aber auch "wieselig" ist kein Qualitätsurteil für einen Bundesligaspieler. Ernüchternd. Wahnsinnig ernüchternd. Der bei uns angelernte Dribbelkünster Illi Bastürk könnte, nein, müsste dem Ganzen ein Ende setzen. In der 78. Minute tanzt er alle Abwehrspieler aus, und schiebt die Kugel an Vander vorbei. Eine Riesenchance. Ein Mega-Matchball. Ein Championchip-Point für Hertha. Das MUSS wirklich das 3:1 sein. Muss! Der arme Vander tut mir leid. Drei Bälle aufs Tor gekriegt, zwei drin, einer vorbei. Auf einmal im Gegenzug, ein langer Ball von Akyel auf Lokvenc, ein langer Ball, wie ihn Neururer eigentlich nicht mehr sehen wollte, wie ich ihn auch nicht mehr sehen kann, weil er mit ästhetischem Fußball nichts am Kopp hat. Lokvenc jedenfalls nimmt die Kugel toll an, dreht sich, und haut das Ding rein. 2:2. Aus dem Nichts dieses Tor in einem saukomischen Spiel. Eine Minute später wuchtet Bönig einen Freistoß Richtung Pfosten, Fiedler ist mit den Fingerspitzen dran. Die folgende Ecke nimmt Madsen, und Fiedler pickt den Ball aus dem Winkel. Drei Chancen in drei Minuten, es riecht nach Eishockey, nach Powerplay, drei Minuten, wenigstens drei Minuten ist das Stadion da, ist die Stimmung super.
Doch es ebbt so schnell ab, wie es gekommen ist. Beim 2:2 bleibt es. Wir haben einen Punkt gemacht, einen Punkt, den wir nicht verdient haben, und sollten mordsmäßig froh sind, nicht sechs, sondern fünf Punkte Rückstand zu haben. Was zweifellos immer noch zu viel ist. Der Applaus beim obligatorischen Dank der Spieler an die Fans ist allenfalls höflich, auch Neururer winkt. Aber wir alle sind ernüchtert. Ernüchtert, aber auch ein wenig geschockt. Im Existenzkampf haben wir uns durch schlaflose Nächte und durch stundenlanges Bauchgrummeln gekämpft, haben mit uns selbst gewütet - und dann für das? Für diesen Mist?
Durch die Kälte, durch den nun ganz leichten Schneefall watschle ich zum City-Grill, feiere meine Pommes-Currywurst-Majo-Premiere in diesem Jahr, es mundet nur, weil ich einen tierischen Kohldampf habe und lasse mir vom Jugendleiter des TSV Mülheim-Heimaterde das Pokalspiel der A-Jugend gegen Bayer Dormagen schildern. Bloß vergessen das Ganze. Bloß vergessen! Auf dem Rückweg wechsle ich die CD. Fußball raus, und irgendwas anderes rein, egal was. U2 habe ich nicht in meiner mobilen CD-Box. Nicht "With or without you".
Das ist schade. Denn die Hymne der Liebesdepression, die passt heute Abend besser als je zuvor.
 
Hallenfuppes einmal anders Sie laufen ein...!!!
Und so begann mein Tag: Mit der Hallen-Stadtmeisterschaft der Alten Herren von Mülheim. So viel sei noch erwähnt: Der 1. FC Mülheim siegte! Knapp zwei Stunden nach dem Altherren-Finale dann dieses Bild...
Ein wichtiger Freistoß... Dank nach dem Spiel!
Nochmal zwei Stunden später, Spielstand 2:2, und genau eine Minute später hat Bönig das 3:2 auf dem Fuß. Doch er wird an Herrn Fiedler  (erkennbar am kurzärmligen Trikot, und das bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, Hut ab!!) scheitern. 2:2, massiv zu wenig - und doch ziemlich ziemlich glücklich das Ganze. Ein Spiel leider mit vielen Argumenten für unseren Trainer, das Hässliche schön zu reden.

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Bayer Leverkusen - VfL Bochum 4:0 (29.1.2005)

Der Mann sagt´s!

"Ein bisschen Spaß muss sein", trällert Roberto Blanco - doch ich will einfach nur noch nachdenken und mich aufregen

Anzeigetafel!

Das zerbrochene Herz

Der Antifa-Wagen

Wenn ich vor meinem CD-Schrank stehe, mit den Hunderten von silbernen Scheiben vor Augen, dann komme ich am leichtesten auf andere Gedanken. Jede einzelne habe ich schon gehört, durchgehört, und das in verschiedensten Situationen. Kuschelrock, oh ja, das waren noch Zeiten. Früher, ganz früher, als ich noch vergeben war. Die vielen Maxi-CDs, Nirvana, Peppers undsoweiter. Und mittendrin stupse ich die "Best of Tom Petty & The Heartbreakers"-CD aus dem Schrank hervor. Keine Ahnung, wann ich die gekauft haben könnte, aber Tom muss mich jetzt retten. "Learning to fly". Ich höre es, mit aufgesetztem Kopfhörer, dann noch "Into the great wide open", lasse die Titel Programm und den Samstag Sonntag sein. Das heute habe ich alles nicht wirklich erlebt, oder? Mein Herz ist nicht wirklich zerbrochen, enttäuscht, sauer. "I´m learning to fly / but I ain´t got wings / comin´ down is the hardest thing". Danke Tom. Tom!? Tommy? Nach dem Spiel hatten wir uns zum Telefonieren verabredet, mein Bruder und ich. Direkt nach dem Spiel. Jetzt ist das Spiel schon seit anderthalb Stunden rum, ich bin sogar schon wieder in meiner Mülheimer Wohnung, um gedankenverloren im CD-Schrank rumzuwühlen. Und erst jetzt habe ich trauriger Klumpen mich gesammelt. Bereit, um das Unerklärbare am Fon zu schildern.
Leverkusen und ich werden nie Freunde. Niemals. Mein Onkel wohnt in Langenfeld, quasi direkt nebenan, und ich habe noch überlegt, ob ich ihn anrufen soll, damit wir zusammen frühstücken können. Aber ich habs nicht getan. Erstens hätte ich dann früh rausgemusst - so kann ich bis 10.45 Uhr im Bett liegen bleiben - und zweitens will ich so wenig Zeit wie möglich in Leverkusen verbringen. Ich glaube, wenn mich mal jemand so richtig ärgern will, dann soll er mir in einer ausweglosen Situation ein Jobangebot in Leverkusen an den Kopf werfen. Ich würd umfallen. Notgedrungen, der Spielplan will es so, und leider spielen wir immer noch in derselben Liga, geht die Reise heute ans Kreuz der Autobahnen 1 und 3. Aber halt, sportlich waren die letzten beiden Auftritte vor einem und vor zwei Jahren gar nicht mal so unerfolgreich, um nicht zu sagen: Leverkusen ist unser neuer Lieblingsgegner. Wenn schon nicht Lieblingsstadt, dann wenigstens das. Wenigstens etwas. Aus Bochum fährt diesmal ein Sonderzug, so dass ich ziemlich einsam, easy, entspannt und mit einer "taz" bepackt die Zughinfahrt via Duisburg und Düsseldorf hinter mich bringe. Die Sonne scheint und verwandelt den auf allen Böden rund um die Zugstrecke liegenden Schnee in eine helle Masse, die wie ein Disco-Flackerlicht wirkt und meine Augen zum puppenmäßigen Klimpern bringt. Schön ist´s. Um kurz vor eins bin ich da, und gebe mir noch ein wenig Zeit, um vielleicht diesmal ein paar positive Seiten Leverkusens zu entdecken. Der Sonderzug ist noch lange nicht da, also ist ein Spaziergang als Einzelner kein Problem. Präventiv verstecke ich meinen Schal unsichtbar unter meiner dicken Jacke, denn schon auf dem Bahnsteig des Bahnhofs "Leverkusen Mitte" stehen unfassbar viele Polizisten. Wo kommen die alle her? Ich mogele mich durch die Absperrung, und schnappe neugierig wie ich bin auf, dass das nicht etwa mit berüchtigten Bochumer Fans zu tun hat. In der Innenstadt läuft scheinbar ne große Nummer. Ein Nazi-Aufmarsch. Horcheineran. Diese Stadt meint es nicht gut mir mir. Sie will es sich mit mir einfach verscherzen. Wirklich wohlgesonnen, versöhnlich brach ich vor einer Stunde auf, und nun? Ein Nazi-Aufmarsch. Natürlich. Am Denkmal von Stadtgründer Leverkus, und an vielen vielen grünen Figuren mit zahlreichen Kameras in der Hand (ich denke, mein Weg durch die Innenstadt lässt sich anhand der Aufnahmen - wer guckt die sich eigentlich an??? - prima nachvollziehen) ziehe ich vorbei, und lande an einem Anhängerwagen einer einheimischen Antifa-Gruppe. Ein rotes Transparent mit der schwarzen Aufschrift "Gegen Rassismus und Faschismus" hängt an der Außenwand, im Hintergrund läuft Punkrock. Zwanzig Jugendliche schreien "HAUT AB! HAUT AB! HAUT AB!" Keine Nazis in Sicht, die Leverkusener setzen drumherum ihren Einkauf fort, als würde nichts geschehen. Ich spaziere weiter, umrunde den Hauptort des Geschehens (er ist ziemlich gut abgedichtet), und laufe am Bayer-Kaufhaus mit dem großen Bayer-Kreuz vorbei. Im Schatten des Kreuzes, jaja. Vorgestern vor 60 Jahren wurde des KZ Auschwitz befreit. Es sind gerade die Tage des Gedenkens, die Tage des Nachdenkens. Und leider stand in so mancher Nachrichtensendung der Schiedsrichter-Skandal um korrupte Jungs in der Liga (Mal ehrlich: Wer von Euch hat wirklich geglaubt, die Bundesliga sei sauber?) im Vordergrund. Gegen das Vergessen? Ich rufe Thommy an und teile ihm mit, er hätte "ganz furchtbar viel Spaß". Thommy verlangt die Überschrift "Antifa in Leverkusen - das widerspricht sich doch eigentlich", doch nach drei weiteren Geh-Minuten und nachdem ich fünf Leute passiert habe, die in einem famosen rheinischen Calmund-Gedächtnisdialekt "Eine Spende für krebskranke Kinder" (der Dialekt lässt sich leider nicht verschriftlichen) fordern, stehe ich mittendrin im Getümmel. Vor mir Polizisten, Bullen, grüne Jungs, Bremer, viele. Zu hören ist das Gebelle eines Mini-Hitlers oder auch Möchtegern-Goebbels. Er schreit und brüllt so sehr in sein Mikrofon, dass ich nur einzelne Wortfetzen wie "Beckstein", "nationaler Widerstand", "Recht auf freie Meinungsäußerung" und "stalinistisch" verstehe. Zwischendurch applaudieren Glatzköpfe, wie auch immer, die unter anderem vor einem Geschäft mit dem Namen "Das Toupet" stehen. Direkt in meiner Nähe pfeift die Gegendemo unentwegt, brüllt "Nieder mit der Nazipest" und immer wieder "Lääächerlich! Lääächerlich!" Auf dem Banner der Antifademo steht "Antifa Siegburg". Na prima, nicht einmal dazu hat es in Leverkusen gereicht oder was? Auf den ersten Blick schätze ich, dass sich bestimmt 100 Leute gegen die Nazis versammelt haben. Ich warte einen günstigen, redefreien Moment ab - und geselle mich in die Menge. Enttäuscht. 20, vielleicht 30 stehen hinter dem Siegburg-Banner und schauen dem Treiben zu und schreien. Nach einer halben Stunde ists vorbei. Ich ziehe weiter zum Stadion. 60 Jahre nach Auschwitz gibt es Leute, Menschen, die glauben, das alles sei richtig gewesen. Ich spaziere durch Leverkusen. Die Cafés sind an diesem herrlichen Wintertag voll. Viele tun so, als sei in der Innenstadt nichts geschehen. Rechts neben mir fragt mich ein Herr, wie er am besten zu "Fielmann" kommt. Mein Herz bricht zum ersten Mal am heutigen Tag.
"0 Grad" zeigt ein Geschäft kurz vor dem Bahnhof "Leverkusen Mitte" an, mensch, aber so kalt finde ich das gar nicht. Um 14.20 Uhr habe ich die fettige Bratwurst verputzt - und kein Wunder, dass mir im Stadion nicht die Schädeldecke einfriert. Unter dem Dach sind in der BayArena Wärmestrahler angebracht. Hui, wie raffiniert. Daran werde ich mich nach wie vor nie gewöhnen; an dieses Luxus-, dieses VIP-Stadion, das mit Fußball-Fankultur rein gar nichts mehr zu tun hat. In dem es nur darauf ankommt, möglichst viele Familien und Sponsoren unterzubringen. Die hartgesottensten Stehplatz-Fans (sofern es die gibt) treffen gegen 15.15 Uhr ein, so lange ist das Stadion fest in Bochumer Hand. 22.500, ausverkauft, meldet die Statistik, doch mindestens 1.500 Plätze sind noch frei. Alles nur Betrug? Leverkusen, was für eine Stadt. Der Schornstein, der hinter der Tribüne hervorragt, bläst Rauch in den Himmel. Kurz vor dem Anpfiff wird es leise im Stadion. Der Sprecher verliest emotionslos einen Zettel, dass die DFL der Auschwitz-Opfer gedenkt. Sie haben daran gedacht. Nach und nach füllt sich unsere VfL-Kurve. Trotz Tabellenstand, trotz der miesen Lage, trotz all dem Skandal-Scheiß in der letzten Woche ist die Stimmung bestens. Heute gibts was. Heute, heute, heute. In Leverkusen hats doch immer geklappt. Endlich einmal wechselt Peter so, dass ich damit leben kann. Wosz und Colding raus, dafür Preuß und Zwetschge rein. Dazu noch Meichelbeck für den kranken Bönig. Was ist das denn? Unser Präses Altegoer persönlich betritt beim Warmlaufen den Rasen. Demonstrativ nennt man so etwas wohl.
Jetzt gilts. Der Nazischock ist noch nicht ganz verdaut, da beginnt das Spiel. Nanu, zum ersten Mal seit vielen Monaten haben die Spieler keinen gemeinsamen Kreis vor dem Anpfiff hingekriegt. Wo soll das enden? Die Hierarchie ist völlig durcheinander. Die Führungsspieler eins (van Duijnhoven), zwei (Colding) und drei (Wosz) sind nicht dabei. Und doch läuft es gut. Die Jungs bemühen sich, kommen im Gegensatz zur letzten Woche überragend gut in die Zweikämpfe, lassen den Leverkusenern keinen Platz zum Atmen. Ja, es läuft! Wirklich: Es läuft! Ich bin einverstanden mit der Leistung, rufe laut "V-F-L, V-F-L" mit, obwohl Leverkusen durch Berbatov in der 15. und Ponte in der 19. zwei ziemlich dicke Dinger vergibt. Das dickste Ding haben nämlich wir auf dem Schlappen. Nach einer Zdebel-Flanke löffelt Trojan die Kugel aus zwei Metern über den Querbalken. Im Football wäre das ein "2-Yard-Field Goal" und würde drei Punkte bringen, im Fußball gibts nur Haue. 25. Minute, 1:0 für uns. Das wäre es gewesen. Dann wäre der Nachmittag so anders verlaufen. Drei Minuten später patzt Knavs im Mittelfeld, holt sich bei der Abwehraktion einen Muskelfaserriss, und Leverkusen spielt die Überzahl - Bayer ist eben ein Spitzenteam - eiskalt und perfekt aus. Ponte auf Freier und zurück, der an den Pfosten, und den Abpraller setzt Krzynowek kompromisslos zum 1:0 ins Netz. Nicht verdient, aber so ist es eben. Vor allem, weil Freier beim allerersten Pass - die Anzeigetafel zeigt es - deutlich im Abseits stand. Geschenkt.
Knavs geht raus, und kaum haben wir uns erholt, kaum haben wir uns gedanklich auf "WIR HOLEN DAS AUF!" umorientiert, da spielt Freier auf Voronin, und der knallt den Ball flach zum 2:0 rein. Minute 31, das Spiel ist durch. Wieder das alte Bochum-Problem. Kommt das erste Gegentor, ist das zweite nicht weit. Die guten Ansätze sind weg. Futsch. Ende. Gelände. Um 16.07 Uhr ist es soweit, und die Saison hat ihre Wende endgültig gefunden. Endgültig in diesem Moment, in dem die Ultras "Neururer raus!" anstimmen. Seit Wochen schon schmettern verschiedene VfL-Fans Abgesänge auf unseren guten alten Peter und die "Ultras" bringen den Stein ins Rollen. In dreieinhalb Monaten vom Fußball-Trainergott zum Fußball-Trainerschrott. Ist das wirklich so einfach? Geht das? "Neururer raus!" - und der Großteil der Kurve stimmt ein. Es tut sogar mir weh. Doch auch ich brodle. Kurz vor der Pause muss Meichelbeck ebenfalls verletzt raus, und Bemben kommt. Der BEMBEN!!! Ganz Fußball-Bochum weiß, dass der nicht bundesligatauglich ist, und schon gar nicht gegen Slawo Freier. Die Leverkusener hingegen singen "Ein Rudi Völler, es gibt nur ein Rudi Völler" für ihren neuen Sportdirektor, und in der Halbzeit bin ich froh, dass ich meine Gedanken noch beisammen habe. Auf ein Neues, auf dass wir alle unser Gehirn neu sortieren.
Machen wir auch, doch all die Sortiererei ist nach fünf Minuten dahin. Was in Halbzeit zwei passiert, ist nur mit dem Wort "Arbeitsverweigerung" zusammenzufassen. Bisher, so auch heute in den ersten 28 Minuten, war unseren Jungs der Einsatzwille nicht abzusprechen, aber diesmal schon. Wir ergeben uns so wehrlos, dass ich kess behaupten würde, dass die Mannschaft gegen den Trainer spielt. Kein Aufbäumen, alle schleichen über den Platz, keiner ergreift die Initiative, keiner sagt was. Schlimm! Zweitligareif, ganz klar. Sind wir wirklich zu schlecht für die Liga? Nach einer viertelstündigen totalen Sendepause im Block (ohne einen einzigen Ton), braust es wieder von unten nach oben: "Neururer raus!" Und es folgt eine der bittersten, zynischsten, sarkastischen halben Stunde meiner Fußball-Laufbahn. Wir steigern uns in einen Rausch des Selbstmitleids, der blinden Wut, der sehenden Trauer. "Und sooo spielt ein Absteiger!", geht es los. Und weiter mit den ironischen Rufen "Ooooohhh wie ist das schön" und "Erste Runde Bukarest, zweite Runde Rom... Europapokal! Europapokal! Europapokal! Europapokal!" Dann - beim unzähligsten Fehlpass wieder "Neururer raus!", im Wechsel mit "ABSTEIGER! ABSTEIGER!" Einmal verunsichert, fällt in Minute 70 das Tor des Tages. Maltritz schießt in unserem Strafraum Ponte an, drin,. 0:3. Der Ponte konnte da nicht einmal was für. Sinnigerweise läuft beim dritten Tor als Jubelmelodie "Ein bisschen Spaß muss sein" von Roberto Blanco (soviel Humor hätte ich der selbsternannten Karnevalshochburg Leverkusen nicht zugetraut). Der ist mir schon lange vergangen. Ich puste einfach nur noch tief durch, und sehe alle 20 Sekunden auf meine Handyuhr. Wann ist es endlich vorbei? Jubel in Rot-Schwarz. Und auch ein galgenhumorischer Jubel bei uns. Endzeit-Stimmung. "Wir können uns selber verarschen! Selbeeeer veraaarschen!" Danach wird einer gefordert, der gestern einen Vertrag in England unterschrieb: "Wo ist unser Wikinger? Wo ist unser Wikinger?" Die Leverkusener beginnen die La-Ola-Welle. Wir machen mit. Als Gäste-Fan ist das eher unüblich. Einmal brüllen die Bayer-Fans uns etwas nach. Nämlich als wir "Einer geht noch rein" anstimmen, und die Schwarz-Roten mitzwitschern. Der Slawomir Pawel Freier lässt sich das nicht zweimal sagen und jagt den Ball zum 4:0 in den Knick. Vom Schiedsrichter, von Verletzungen redet niemand mehr. Versteinert ist gar kein Ausdruck für das, was sich in meiner Miene in diesem Moment wiederspiegelt. Ich bin traurig und werde innerhalb von Sekunden zum Fossil. Richtig traurig. Und angeknockt. "Das wird eine grausame Restsaison", stellt Dirk aus München kurz nach dem Abpfiff, kurz nachdem es endlich vorbei ist, fest. Misimovic hatte noch eine Chance, die er aber ähnlich desaströs wie Trojan verbaselte. Schon 15 Spieltage vor Schluss so weit abgeschlagen? Schon abgestiegen? Ein Nachmittag zum Schämen. Ein Nachmittag, der das Herz brechen lässt, der die Angst vor dem Abstieg steigen lässt, um viele viele Prozentpunkte. Fünf Minuten ist das Spiel schon vorbei, unsere ganze Mannschaft ist in der Kabine. Kein einziger, wirklich KEINER, ist in die Kurve gekommen. Spieler wie Wosz, Colding, van Duijnhoven, die waren immer da - aber heute? Keiner traut sich. Wosz, obwohl nicht einmal eingewechselt, soll kurz da gewesen sein, die "Ultras" aber verlangen nur einen. "Wir wolln den Trainer sehen!!!", brüllen sie. Ihr Groll trifft einzig und allein Peter, der natürlich viele Fehler gemacht hat, aber nicht so aggressiv behandelt werden sollte. Wenn er merkt, dass er nichts mehr bewirken kann, wird er schon gehen. Und lange dauert das nicht mehr.
Kurz vor der Tagesschau ist das Telefonat mit Thommy beendet, sind alle traurigen Geschichten erzählt. Ben Redelings, der Filmemacher, denke ich mir zum Schluss, der hätte seinen Film mit dem Sektfrühstück ein Jahr später drehen sollen. Denn das, was jetzt gerade passiert, der Abstiegskampf, die Existenzangst, das passt viel eher zu den Fans des VfL Bochum als eine Saison in den UEFA-Cup-Plätzen. Vor einem Jahr, da schwebten wir noch. Wir lernten zu fliegen. Learning to fly.
Comin´ down is the hardest thing.
 
Winterlandschaft Schornstein und Stadion...!! Neururer und Altegoer
Es ist Winter in Europa. Und in Leverkusen. Und meine Stimmung könnte kälter kaum sein. Leverkusen, ja so ist Leverkusen: Ein Stadion rechts und ein qualmender Schornstein daneben. Ein seltenes Bild: Der "Boss" persönlich (Werner Altegoer, r.) betrachtet die Mannschaft nebst Trainer Neururer beim Aufwärmen.
Einlaufen Die Menge ohne Welle Was strahlt denn so?
Einlaufen...! Erstmals ist Zdebel VfL-Kapitän! Abpfiff... die Menge hängt auf dem Zaun - aber keine Spieler sind davor. Keine La-Ola-Welle. Was ist nur passiert in den letzten vier Monaten? Wenigstens nicht kalt. Wenigstens das. Und dafür sorgten die Wärmestrahlerchen unter dem Dach.

Der Nazi-Aufmarsch
 
Das Kreuz Oh je, Polizisten...!
Und alles im Schatten des Bayer-Kreuzes. Erst der Profit an der IG Farben (näheres dazu HIER in meinem Text zur letzten Saison), und nun ein Naziaufmarsch. Herzlichen Glückwunsch! Unter dem Motto "Gegen Intoleranz und staatliche Repression, Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden" marschierten verschiedene Neonazi-Gruppen auf. Eine Hundertschaft (bestimmt) von grün gekleideten, uniformierten Menschen und ich beobachteten das Spektakel.
Viiiiele Bullen Nazis raus!
Jaja, es waren mehr Polizisten da als Demonstranten beider Lager zusammen. Der Typ in der Mitte ist der Mini-Goebbels, der in einem völlig unverständlichem Gebelle von "nationalem Widerstand" umherbrüllte. Nazis raus!
Das Toupet Von vorn
Man beachte, dass der Laden am Leverkusener Friedrich-Ebert-Platz "Das Toupet" heißt. Manche Herrschaften auf diesem Bild hätten so eins dringend nötig! Die Antifa-Gruppe "Siegburg" von vorn - sieht aus, als wären Tausende dahinter!
Antifa von hinten Sie marschieren
... und die Antifa-Gruppe von hinten. Naja, 1000 sind es nicht ganz, aber 30 sind ja auch nicht schlecht.. Reden vorbei, der Marsch kann beginnen. Was für ein Tag.

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Borussia Dortmund - VfL Bochum 1:0 (12.2.2005)

AnzeigetafelAnzeigetafel mal anders - wie vor zwei Jahren!

Phase fünf des Abstiegskampfs: Sich ungerecht behandelt fühlen - Eine Schlammschlacht sondergleichen mit nur einem gegebenen Tor

Regen+Die Seitenauslinie...= regnerisch und matschig !

Alles nur geklaut

Verdienter ApplausDen Applaus hatten sich die Jungs redlich verdient

Leer geht der Blick auf den Rasen. Oder vielmehr auf das, was einmal ein grüner Rasen war. Leer. Ein paar Tropfen, die der Wind bis in den Stehplatzblock hinaufgeweht hat, kullern die Wangen runter, und ach, es könnten auch Tränen sein. Der Fußball, das Spiel, das Wetter, die Welt - es ist alles so ungerecht heute. So ungerecht, dass ich keine Lust habe, mich noch irgendwie fortzubewegen. Will nicht weg, und erst recht nicht hier bleiben. Alles gegeben, alles versucht, ja vielleicht sogar alles richtig gemacht. Und doch verloren. Leer geht der Blick in Richtung Sam, in Richtung Gerd. Der Wind hat Sams Baseball-Cap kein bisschen was anhaben können, und Gerd Strickmütze, die auch prima für einen Einbrecher geeignet wäre, hält seinen Schädel warm. Doch lachen können beide nicht mehr. Ich auch nicht.
Irgendetwas passiert. Passiert heute, morgen. Es fliegt etwas durch die Luft, der Duft von Kreativität, der Duft von Veränderung, Abwechslung. Es ist die Zeit der Semesterferien, pardon, äääh, der vorlesungsfreien Zeit. Mindestens zwei Hausarbeiten muss ich auf diesem Mini-Bildschirm verewigen, falls ich nicht gerade irgendwelche Texte für diese Homepage hacke, und lesen lesen lesen. Reisen will ich, und noch viel besser meine große Asien-Reise im Sommer vorbereiten, dann noch eine Menge arbeiten, und Projekte entwickeln. Will so viel. Hab Tatendrang. Und zwischen all dem, zwischen der germanistischen Popliteratur, zwischen der vietnamischen Ha-Long-Bucht, zwischen Galatasarays Geschichte, zwischen Gedankenfetzen aus allen Richtungen: der VfL. Es liegt so viel in der Luft, heute vor allem Regen und Wind, und doch vermag ich nicht an etwas Positives für meine Jungs glauben, als ich um 12.15 Uhr versuche, alle Gedankenpuzzleteilchen beiseite zu schieben und die gestern aufgenommene "Seinfeld"-Folge zum Wachwerden zu verschlingen. Normalerweise benutze ich dieses Wort selten bis nie; aber doch: Ich VERABSCHEUE Borussia Dortmund! Das hat nichts damit zu tun, dass mein längster Kumpel Björn seit ewig und drei Tagen BVB-Fan ist (wenigstens noch einer der ersten Generation, und keiner der hässlichen, in den letzten Jahren dazugekommenen Mode-Fans) und ich ein Gegenpart sein will. Nein! Der Verein, die Vereinsfarben, das völlig überdimensionierte Stadion, das viel mehr einem Parkhaus als einer Fußball-Oper (wer hat dieses Wort erfunden?) gleicht, die Vereinspolitik, Spieler wie Schwalben-Koller, Frau Wörns oder Rot-Kehlchen, die überwiegend völlig durchgeknallten und ahnungslosen Fans sind mir einfach wahnsinnig zuwider. Während ich mein Frühstück runterwürge, blättere ich in der Zeitung und finde die Tabelle. Es ist alles so aussichtslos. Wir müssen heute nach Dortmund fahren und gewinnen. Das wäre doch der Befreiungsschlag. Wäre. Ich will dran glauben, versuche es mit autogenem Training, Yoga, all dem ruhigen Schnickschnack. Glaub dran. Aber ach was: Wir sind der VfL Bochum! Mein Gott, da müssen wir eben durch. So ne Phase von zehn nicht gewonnenen Spielen in Folge ist doch gar nichts. Wechselbad. Auf und nieder immer wieder. In der Liga. In der Gemütslage. Es regnet. Passt.
Am Mülheimer Hauptbahnhof stehen ein paar Schwarz-Gelbe. Der Regionalexpress ist voll; Gerd und Sam steigen in Bochum dazu. Es ist eine Premiere. Zum ersten Mal fahren wir in dieser Dreier-Konstellation zu einem Auswärtsspiel. Es gibt noch einmal lobende Worte für die letztwöchige Leistung. Letzte Woche, ich weiß noch genau, wie sehr ich litt vor dem Radio, da haben wir ihn verpasst, den Anschluss. Und den Anschluss heute wieder herstellen? Meinen Schal habe ich in meiner linken Jack-Wolfskin-Jackentasche versteckt. Durch die verdreckte Zugscheibe blicke ich auf die wenigen Quadratmeter Grün zwischen Bochum und Dortmund. In Dortmund raus. Hunderte strömen die Treppen vom Gleis Richtung U-Bahnhof hinunter. Irgendwelche Bochumer brüllen: "Ladiladiladiladihoooo - B - V - B - Huuuuurensööööhne!" Na das kann ja ein heiterer Nachmittag werden. Ich bin nachdenklich. Am meisten fuchst mich, dass eine ganz wichtige Funktion meines Handys nicht mehr funktioniert. Ich kann nicht mehr selbst anrufen. Das ist soooo ärgerlich. Würde gern meinen Bruder Thommy sprechen, ihm von der Aufstellung berichten, ihn nach seinem Treffen mit "Gustl" Ernst in Kaiserslautern befragen (die beiden kennen sich immer noch). In der U45 Richtung Westfalenstadion sitzen nur ganz wenige Bochumer. Aber das macht nichts. Wir geben uns ziemlich kommunikativ und hinterlassen ein etwas besseres Bild als die "Hurensöööhne"-Brüller. Eine Stunde vor dem Anpfiff landen wir am Westfalenstadion. Im Spaziergangs-Konvoi werden wir zum Stadion geleitet wie die Rinder zur Schlachtbank, wie die Täter zum Elektrischen Stuhl. Polizisten vor und hinter der großen Gruppe, am Rand sperren Ordner den Weg ab. Eine Vorführung. "Im Mittelalter", merkt Sam an, "da haben solche Leute wie wir noch Arschtritte dazu gekriegt und sind bespuckt worden." Gelächter. Es bleibt ruhig. "Ihr seid ÄRMER als Fortuna Köln", stimmt jemand an. Ach ja, Dortmund hat riesige Geldprobleme und demonstriert gegen Manager Meier. Komisch. Davon ist gar nichts zu spüren. "B-V-B---Huuuurensöööööhne..." Jaja, ist gut jetzt!
Ich weiß nicht, warum ich das mache. Warum ich alles überhaupt mache. Viermal bin ich bisher in Dortmund gewesen, viermal habe ich hochverdient verloren. Dortmund ist super drauf, wir ja mal gar nicht. Das kann eigentlich nur in die Hose gehen. Sam hat 2:1 getippt. Für Bochum. "Deinen Optimismus möchte ich haben", sagt Gerd. Um 14.40 Uhr landen wir im Stehplatzblock 60 und halten Ausschau. Nach guten Spielzügen, tollen Toren und beliebten Spielern. Die Spieler kommen und laufen sich warm; es wird diesig. Diesiger - und noch diesiger. Ein Regentropfen fällt, doch bei weitem nicht allein. Ein ganzer Wolkenbruch fegt über das östliche Ruhrgebiet hinweg, und alle rätseln miteinander. Die Auswirkungen! Was hat das für Auswirkungen?? Links neben mir stehen Gerd und Sam, rechts besingen ein paar Leute den "Juden-BVB". Ja lernen die es denn nie? "Oh Bochum Du Perle Westfalens, Oh Dortmund Du stinkfaules Nest", krächzt jemand, und alle stimmen in das "Bochumer Jungenlied" ein. Die Stimmung ist gereizt. Es ist ein so wichtiges, entscheidendes Spiel, und dann noch bei einem Verein, den keiner so richtig leiden kann.
Es regnet, regnet, regnet. Spült es heute unsere Hoffnungen weg? 15.25 Uhr. Im Laptop in Mülheim warten zwei Hausarbeiten darauf, zu Ende geschrieben zu werden. In Trier sitzt mein Bruder vor dem Videotext und wartet auf den Anpfiff. Im Himmel hat Petrus Blasenschwäche. Norbert Dickel gratuliert im Westfalenstadion Björns Bruder Jens zum Geburtstag. Björn schreibt von der Südtribüne eine sms und fragt: "Hast Du die Durchsage gehört?" Ich stehe neben Gerd und Sam und beschwere mich über die absolut miese Qualität der Soundanlage. Es ist nichts zu verstehen. Kein Ton. Es schlägt 15.26 Uhr. Noch vier Minuten bis zum Anpfiff. Es regnet, regnet, regnet.
Hoffen, bangen, zittern. Anpfiff. Und was ist da los? Wundere mich, halte mich, schlag mich, ist das wahr? Wir legen los wie noch nie. Das sind wohl die besten Anfangsminuten meiner VfL-Karriere. Der Rasen ist nass, kaum noch vorhanden, mit Pfützen übersät, "unspielbar" smst Björn unmittelbar nach dem Anpfiff. Doch unsere tanzen ballettartig über das Geläuf, besser gehts nicht. Gleich drei Riesenchancen erarbeiten wir uns. Bechmann, Lokvenc, dann noch einmal Lokvenc, und das auch noch an den Pfosten. Aufspringen, landen, Mütze durchs Gesicht ziehen, es ist nicht wahr. Es ist wirklich nicht wahr. "Das wird ein lustiges Spiel", sage ich inmitten meiner Fassungslosigkeit zu Gerd und Sam. Dann dringt Trojan in den 16er ein, wird von BVB-Torwart Weidenfeller so eindeutig und klar gefoult, dass auch im hintersten Eck unterm Dach der Protzarena jeder Zuschauer Elfmeter gepfiffen hätte, und Schiedsrichter Albrecht pfeift nicht. Er PFEIFT NICHT! Das ist unglaublich. Beschiss. Betrug. Ein Elfer geklaut, eine Führung geklaut. Unfassbar. Dortmund schießt, ääh falsch köpft in Minute 21 zum ersten Mal aufs Tor. Koller, Vander wehrt ab, Koller noch einmal, Tor. 1:0. Das ist so ungerecht, dass ich Amok laufen könnte. Der Spielverlauf ist so auf den Kopf gestellt, dass mir übel wird. Dass ich kotzen könnte. Die erste Halbzeit vergeht mit ein paar Chancen hier und dort, das Spiel macht trotz des Wetters und vor allem trotz der Bodenverhältnisse ziemlich viel Spaß, weil beide Mannschaften wie die Deppen in die Zweikämpfe gehen, und doch gehöre ich zu der Fraktion, die sich nicht am Spiel erfreut, sondern ununterbrochen "Schieber" brüllt. Wir sind stark. Zdebel macht sein bestes Spiel in dieser Saison. Unsere Abwehr steht gut. Na gut, Maltritz hat beim Gegentor alt ausgesehen, aber wer hätte das gegen Koller nicht? Misimovic legt eine Chance nach der anderen auf. Lokvenc spielt klasse, verteilt die Bälle, gewinnt Zweikämpfe. Bechmann wendig, Trojan dribbelstark.. Es läuft perfekt. Und doch gehts mit einem 0:1 in die Pause. Unfassbar.
"Kommt!! Kommt jetzt!! Kommt jetzt aber!!!", rufe ich. Meine Gedanken gehören längst nur noch dem VfL, scheiß auf den Rest des Lebens. Macht was draus! Zwei Minuten rum, Preuß verlädt Weidenfeller, Lokvenc staubt trocken ab, Toooooooooooooooor! Jaaaaaaaaaa! Ihr seid suuuuper! Ihr seid TOLL!!! Hüpfenhüpfenhüpfen!
Fahne oben.
Abseits.
Keine zehn Meter Luftlinie steht der Linienrichter von mir entfernt und er hält eine halbe Ewigkeit seine Flagge in den diesigen Herbsthimmel im Winter. "Nimm sie runter, Du ARSCH!" Solch vulgäre Gedanken hatte ich beim Fußball ewig nicht. Doch der Lokvenc stand nie und nimmer im Abseits. Nie! Apropos nie: Niemals werden wir das Spiel noch gewinnen. Ich spiele mit dem Gedanken, mein Gastspiel in Dortmund nach 49 Minuten zu beenden. Deutlicher kann eine Mannschaft nicht betrogen werden. Wirklich nicht. Alles nur geklaut. Okay, wir hatten in der letzten Saison eine Menge Dusel. Aber wenn der VfL einmal Dusel hat, so scheints, dann bekommt er die dreifache Portion Pech wieder zurück. 0:1. Es ist zum Verzweifeln. Einmal kurz brüllen die Dortmunder ohrenbetäubend laut "Zweite Liga! Bochum ist dabei!", aber sonst unterlassen sie die Schmährufe. Sie sehen, dass sich da eine Mannschaft vehement wehrt, dass sie noch lebt. Im Zentrum der Kritik steht diesmal nur einer. "SCHIEBER! SCHIEBER! HOYZER! HOYZER! HOYZER!!!" Es ist eigentlich ein perfektes Auswärtsspiel. Dass normalerweise wirklich 2:1 endet. Sam darf sich als Tippmeister der Herzen fühlen. Bis zum Spielende rennen wir verzweifelt an. Neururer bringt Grote, Madsen und Edu, drei Offensive. Grote? Unser A-Jugendtalent zieht zwei Dortmundern den Ball erst einmal geschmeidig durch die Nase, schießt aber in Minute 75 knapp vorbei. Es wird nix mehr. In der Schlussviertelstunde, als wir vollends unsere Abwehr entblößen, kommt Dortmund noch zu einem halben Dutzend Hochkaräter, um das Ergebnis in die Höhe zu schrauben. Das wird die Chancen- und Eckballstatistik zugunsten des BVB drehen, aber den Spielverlauf verfälschen. Normalerweise gewinnt das Spiel, das ich "denkwürdig" nennen möchte, nur eine Mannschaft. Und das ist unsere.
17.20 Uhr. In Trier schlägt Thommy vor Verzweiflung seine flache Hand gegen die Stirn. In meinem Laptop langweilen sich nicht fertige Hausarbeiten. Der Regen hat mittlerweile ausgesetzt. Björn und Jens liegen sich freudetrunken in den Armen und stoßen mit zwei Flachen Bier an. Gerd, Sam und ich verzweifeln. 17.20 Uhr. 0:1 verloren. Meine fünfte Auswärtsniederlage hintereinander. Der Rückstand bleibt bei sechs Punkten. Dortmund ist nun endgültig mein übelstes Pflaster. Fünf Spiele, fünf Niederlagen. So mies ist meine persönliche Bilanz nirgends sonst. Wer weiß, wann wir das nächste Mal hier spielen! Wenn die Dortmunder weiter so einen Dusel und wir so viel Pech haben, nicht so schnell.
Im Gewühl rund um das Stadion verlieren wir Sam. Gerd und ich gehen zum Regionalbahnhof "Westfalenstadion". Gerd nimmt eine Sonderbahn Richtung Bochum, ich warte auf Jens, Björn und den ganzen Dortmund-Fanklub. Auf dem Weg dorthin unterhalten Gerd und ich uns über eine Wemmserei auf dem Spielfeld nach dem Schlusspfiff, mit Madsen, Kehl, Wörns, Zdebel, wem auch immer, ziemlich undurchsichtig jedenfalls - und sehen eine Wemmserei in den Katakomben. Der Nerven liegen auf dem Boden. Bei allen. Eine Stunde dauert die Fahrt mit dem "Fußball-Entlastungszug" direkt vom Stadion bis nach Mülheim. Mein rechtes Handgelenk ziert jetzt ein schwarz-weißes "Stand up - speak up"-Armband gegen Rassismus. Ich weiß jetzt, was Jens von seinem Fanklub zum Geburtstag bekommen hat, nämlich das Pferdeheftchen "Lissy". Was dazu führte, überlasse ich Eurer Phantasie. Ich erweise mich als fairer Sportsmann und gratuliere zum Sieg, obwohl mir das verdammtnochmal überaus schwer fällt
Wir sind vom Klassenerhalt mittlerweile so weit entfernt wie von einem (ich liebe diesen Vergleich) Sechser im Lotto ohne Lottoschein. Nächste Woche Freiburg, wieder mal eine allerallerallerallerallerletzte Chance. Aus 21 Spielen haben wir 16 Punkte geholt, das ist miserabel. Aus den letzten 13 müssens wohl mindestens 22 sein. Daran zu glauben, fällt wahnsinnig schwer. Ich sitze im Zug, sinniere über mögliche Punktgewinne und schaue dem BVB-Fanklub beim Zuprosten zu. Die Leere, die ist immer noch da.
Es ist leerer in mir als sonst.

Und der Mensch bleibt Mensch...
 
Der Tüten-Mann Sam und Gerd Die Steffens!
Als ob eine Plastiktüte da noch helfen würde. Diese Leere. Einfach nur diese verdammte Leere. Enttäuschung bei Sam (l.)? Ernüchterung? Trauer? Und bei Gerd (r.)? Schadenfreude? Ironie? Und die Steffen-Brüder auf der anderen Seite, grinsen um die Wette, nämlich Jens (l.) und Björn (r.).

... und ein Spiel bleibt ein Spiel !
 
Vorher Einlaufen
"You´ll never walk alone" während der Sintflut! Und die Sintflut bleibt und bleibt, auch als die Spieler einlaufen. Plakatalarm beim BVB! Nummer 1) "17.15 Uhr, Ein Arbeitsloser mehr, Peter der Kleine", Nummer 2) Das einzig Positive an Euch ist der HIV-Test!" Fußballfans sind ja schon zu oft niveaulos, aber solch ein Spruch wäre nicht mal mehr dem dümmsten Proll eingefallen. Das ist wirklich ganz unten!!
Die Bombe! Eine Spiiiiiiielszene!
Auswärtsspiel heißt Rauchbomben- und Bengalo-Alarm, diesmal leider in unmittelbarer Nähe meines Stehplatzes. Spielszene, 87. Minute, mitten im Dortmunder Eckballfestival kurz vor Schluss. Der BVB drückt, wir haben kaum noch etwas entgegenzusetzen.

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VfL Bochum - SC Freiburg 3:1 (19.2.2005)

ZwetschgeDie Angst der "Zwetschge" beim Elfmeter

Die nächste Lektion im Abstiegskampf trägt den Titel "Aggressive Aufbruchstimmung"

Einlaufen!!Einlaufen im Schnee

Nicht mehr ärgern müssen

Bechmann... zum 3:1 ... Tommy ... BECHMANN !!!

Die kleinen weißen Hagelkörner prasseln auf den Boden, verfangen sich in den Haaren - aber noch nicht in meine, sondern nur in die von denjenigen, die schon den Ausgang hinter sich gelassen haben, und Richtung Bus, Richtung Bahn, Richtung Hauptbahnhof oder Richtung Auto spazieren. Es ist nass, kalt, nasskalt. Sam und ich verharren noch ein paar Sekündchen auf den grauen Stehstufen und blicken abwechselnd auf den Ausgang, den Rasen und die Anzeigetafel. "Ob der Peter noch kommt?", fragt er. "Weiß nich. Kann ich mir nich vorstellen", entgegne ich, mache kehrt und erhebe meine Hand zur Verabschiedung. "Und weißt du, was das schönste ist?", holt Sam aus, "endlich einmal können wir die Sportschau gucken, ohne dass wir uns ärgern müssen."
Was war das für eine Woche. Eine Woche voller Semesterferien, aber doch vielen vielen Diskussionen. Videobeweis ja oder nein!? Borussia Dortmunds Lizenz ja oder nein (meine Meinung natürlich: NEIN!) !? Sind alle Schiedsrichter gegen den VfL!? Und was hat sich der Albrecht letzte Woche in Lüdenscheid-Nord überhaupt erlaubt!? Nein, meine Wut war und ist nicht verraucht. Nicht bis jetzt, da ich im NRW-Express sitze, auf zwei Freiburger Fans schaue. Man, habe ich noch eine Wut, bin ich noch aggressiv, wenn ich an diese Szenen denke. Ich greife mit meinen Händen in die rechte und linke Jackentasche, fasse meine Handschuhe und knubble sie fest zusammen. Und das so doll ich kann. Nee, es hilft alles nichts, unsere Tabellensituation ist immer noch beschissen, und heute ist verdammich das vorentscheidende Spiel. Verlieren wir, sind wir so gut wie weg. Draußen scheint die Sonne ein bisschen, aber nur ein ganz kleines bisschen, und bei aller Wut, bei aller Aggressivität - heute habe ich so ein gutes Gefühl wie seit langer Zeit nicht mehr. Das KANN gar nicht schiefgehen!! Und glaubt mir: Dieses Feeling ist für einen Fan des VfL Bochum ein äußerst seltenes Erlebnis. Der Zug landet im Bochumer Hauptbahnhof. Gebaut wird noch immer, aber wow, die Eingangshalle ist schon so gut wie fertig. Ganz schön hell, ansprechend gestaltet. Nicht schlecht! Dreimal mit dem Kopf genickt, und zack, wieder aufs Spiel konzentrieren. Wir gewinnen, wir gewinnen, wir gewinnen! Das 0:4 in Leverkusen, war das die Wende? Die Neururer-raus-Rufe? Dieses Debakel? Diese Demontage? Seitdem weiß jeder VfL-Fan, jeder Bochumer: Leute, die Situation ist sehr sehr kritisch. Die Mannschaft ist zusammengerückt, die Fans sind vereint; denn wir alle wollen eins nicht: absteigen! Ruhigen Schrittes betrete ich im U-Bahnhof und warte auf die 308. Vor mir unterhalten sich zwei Jungs über die Aktion des Bochumer Lokalradiosenders "98,5". Der hat einen ganzen Block gekauft und die Karten in den Sendungen und in Schulen vertickt. Die U-Bahn fährt ein, jawooooll, und das ist die Bahn mit der Werbung für die "Arena Auf Schalke". Na super, das hat die Bochum-Gelsenkirchener "Bogestra" toll hingekriegt. Die Jungs vor mir steigen nicht ein. "In die Schalke-Bahn habe ich mich noch nie begeben. Und wenn ich deshalb zu spät gekommen bin", betont einer. Na hoffentlich ists nie die letzte Bahn vor der Nachtruhe gewesen. Alle sind konzentriert. Jeder hat es geschnallt. Wir müssen es schaffen, wir können es schaffen. Werden wir es schaffen? Die nächste Phase des Abstiegskampfs: Aggressive Aufbruchstimmung!
14.30 Uhr, einen halben Liter Cola und eine Bratwurst mehr, aber dafür fünf Euro weniger, stehe ich in der Ostkurve. Gerd hat sich letzte Woche mündlich entschuldigt. Krüger kommt aber angeschlichen und erklärt seinen Fauxpas aus dem Hertha-Spiel. Da ist er in der Halbzeitpause abgehauen. "Mir war arschkalt", sagt er. Heute hat er seine total kultige Pudelmütze auf. Ganz in blau und mit waschechtem Bommel oben drauf. Bei ebay würde die Millionen bringen. Viertelstunde noch. Sam kommt. Ohne Frau. Die kränkelt wie im Moment ganz Deutschland und hockt zu Hause. Wir schaffen es. Wir schaffen es. Konzentriert Euch. ALLE! Auf der Tribüne! Auf dem Platz!! Ein Radioreporter von "98,5" gibt ein Interview. "Wir haben uns nach dem Dortmund-Spiel zusammengesetzt", erklärt er. "Wir wollten eine Aktion machen, weil keiner von uns in die 2. Bundesliga möchte. Und deshalb haben wir den Block F gekauft." Riesen-Applaus. Genauso wie für Opel-Mitarbeiter. Zur Einstimmung läuft "Thunderstruck" von AC/DC - ich wippe mit und stelle fest, wie geil dieses Lied doch eigentlich ist. Nur ist das zwischendurch immer wieder gekreischte "Thunder" eine äußerst schwache Anlehnung an unseren Schnapper "Vander". Das VfL-TV lenkt ab. Ich bemerke die von allen seit Saisonbeginn völlig unterschätzte "Hasenkamp"-Werbung mit Rein van Duijnhoven und Tana Schanzara. Völlig amateurhaft erstellt, es bewegt sich nur ganz wenig, aber die Dialoge sind weltklasse. "Rein, lass ma keinen rein", sagt Tana. "Worein denn? In die Badewanne?" "Nee, keinen ins Tor. In die Badewanne kannse nachem Spiel!" Oder noch ein Beispiel? Tana: "Rein, watt is mit die Kultur in den Wohnwagen?" "Hab ich nich, Tana" "Wie, keine Kultur?" "Nee, keinen Wohnwagen!" "Dann bisse auch kein Holländer, sondern ein Bochumer. So wie der Hasenkamp!" Großartige germanistische Wortspiel-Akrobatik! Dreimal laut geschmunzelt, und schon die Aufstellung mitgegröhlt. Maltritz spielt doch nicht? Der hat sich doch noch warmgelaufen! Egal, Knavs kommt jedenfalls rein. Herbert haucht wie immer so romantisch sein "Bochum" durchs Stadion, dass mir zum Heulen zu Mute ist, da taucht eine schwarze Wolkenwand über dem Ruhrpott auf. "Du bist keine Schönheit", singt Herbert, und ein richtig fetter Schneeschauer weht über das Stadion hinweg. Hui, das hat was von der letzten Woche. Noch einmal Schlamm?
Das Spiel beginnt, punkt 15.30 Uhr, mit einem roten Ball. "Heute gilt´s", hat Dirk aus München per sms gefunkt. Gerd fordert ebenfalls den sms-Ergebnisdienst an. Nervosität allüberall, dann ist nach fünf Minuten auf einmal Dorn frei, hebt den Ball über Vander, und Kalla löffelt den Ball von der Linie. Puuuh dreimal durchatmen, nein, lieber viermal, wenigstens bleibt uns heute unser obligatorisches frühes Gegentor erspart. Dann geht es in die richtige Richtung, auf unsere Kurve. Die Jungs sind heiß, motiviert, ja doch, die Wut im Bauch lähmt nicht, sie treibt an. Wir sind aufgewacht. Wirklich aufgewacht. Hoffentlich nicht zu spät. Schon früh zeigt sich: Wir werden 90 Minuten lang feldüberlegen sein. Aber wir alle dürfen keine Fußballkunst erwarten. Das Wetter gibt es nicht her, und die Mannschaft auch noch nicht. Freiburg hat Pech. Bajramovic und Iashvili, zwei Top-Leistungsträger, mussten kurzfristig passen. Bei uns spielt Trojan wieder stark. Er kommt zweimal über links, zweimal vorbei. Lokvenc köpft, Torwart Golz hält sicher. Freiburg kontert, es wird munterer von Minute zu Minute. Dorn schießt in der 23. Minute, man steht der frei, Vander pariert. 0:0 noch. Auf den anderen Plätzen rappelt es in der Kiste. Mehrfach. Bayern hat Dortmund nach 20 Minuten schon drei Tore eingeschenkt. Der BVB, nach dem letzten Spiel nicht gerade beliebter geworden in der Ostkurve erhält prompt die wohl obligatorischen "BVB - Huuuuuren..." (ich schreibs diesmal nicht zu Ende) Sprechchöre. Wolfsburg führt 2:0 gegen Rostock, Bremen 2:0 in Hannover. Das wichtigste Spiel ist Mainz gegen Bielefeld: 0:0 noch. Auch. Es ist unruhig. Foul von Coulibaly, einem Spieler aus Mali. "Du schwatter Spinner", ruft jemand drei Stufen über uns. Ich blicke auf mein schwarz-weißes Armband "Stand up - speak up" gegen Rassismus, schüttle ziemlich deutlich den Kopf, schaue dann Sam an. Und er antwortet ganz cool: "Jaja, da ist schon was mit uns". Dann lacht er und blickt kurz hoch. Auf den wahren Spinner.
Die Wolkendecke ist mittlerweile verschwunden - und ja, die Sonne scheint sogar wieder. Was ist das denn für ein Wetter? Warm, kalt, Schnee, Regen, Sonne, tiefstehende Sonne; wer kann sich denn daran gewöhnen? Wir sind uns alle einig, dass wir heute einen Elfmeter bekommen. So penetrant, wie wir alle - Fans, Vorstand, Spieler und Trainer - auf die Tränendrüse gedrückt haben, wie sehr wir doch bisher benachteiligt wurden, müssen wir doch heute profitieren. Minute 35, Schumann fällt Trojan im Strafraum, Schiri erhööööööre uns. PFIIIIIFFFFFFFF, ELFMETER!!!! Er pfeift! Er pfeift! Er pfeift! Freiburgs Trainer Finke regt sich tierisch auf, aber doch, ich glaube, dass man den Elfmeter sogar geben kann. Aber ach was, mir ist das total egaaaal, ob das einer war oder nicht. Zwetschge Misimovic nimmt den Ball, unser bisher so formidable Spielmacher; er läuft an.... uuuu....nnn....dddd.... ganz sauber verwandelt! In den Winkel!!! TOR! 1:0! Sensationell! Und verdient!
Halbzeit. Sam besorgt eine Cola, ich bin ruhig. Ganz ruhig. Erzähle nichts, sage nichts, grüße niemanden. Ich blicke wie vor einer entscheidenden Prüfung, einer Klausur, wie in den letzten Augenblicken vor dem Beginn eines Konzertes. Zweite Halbzeit. Mainz gegen Bielefeld immer noch 0:0. Der Himmel zieht wieder zu. Es ist ein beeindruckendes Bild. Links dunkel, in der Mitte hell, und rechts wieder dunkel bis schwarz. Das Flutlicht brennt schon lange. Gleich fängts sogar auch noch an zu dämmern. Aber gleich erst, noch nicht um 16.34 Uhr. Endspiel, zweite Halbzeit. Zuerst passiert wenig. Dann ein Freistoß von der rechten Eckfahne. Leute, spielt HOCH auf Lokvenc. Ja sicher, das wollte ich eigentlich nicht mehr sehen, aber heute erlaube ich den Rückfall in die taktische Steinzeit. Denn in der ersten Hälfte hat Lokvenc keinen einzigen Kopfball verloren. Die Freiburger sind in der Luft ziemlich schwach. Freistoß Trojan, Kopfbaaaaaaaaaaallll...??!?? Toooooooooor!!! 2:0. Der KALLA war´s!!! Jaaaaaaa!! Wir schaffen das! Wir schaffen das! Wir haben es geschafft! Der VfL lebt noch! Wir sind wieder da! "Nie mehr nie meeeeehr zweite Liga! Nie mehr! Nie mehr! Nie meeeeehr!!!" Mainz immer noch 0:0. Hach ist das beruhigend. Eine sichere Führung, wann gab es das zuletzt? Und vor allen Dingen eine VERDIENTE, sichere Führung?? Okay, es waren zwei Standards und Freiburg hatte zuerst die größten Chancen, aber die Spielanteile und Zweikampfstärke sprechen eindeutig und 100-prozentig für uns. Die Abwehr steht gut, wie schon in Dortmund. Kalla ist stark verbessert. Im defensiven Mittelfeld ergänzen sich Zdebel und Preuß gut, wenngleich Preuß ein wenig abfällt. Misimovic klasse, Lokvenc solide. Unsere beiden Außen Trojan und Bechmann sind lobenswert fleißig. Das Spiel ist schon fast im Sack. Zwanzig Minuten vor Schluss. Colding holt den Ball und schickt Lokvenc. Der strebt allein aufs Tor zu, Torwart Golz kommt raus! FOOOOULLL! Außerhalb des Strafraums! Sogar fast an der Mittellinie! Das ist doch ROT!!! Und Kircher gibt auch ROT. Na gut, wir schauen uns an, schlucken ein wenig, grübeln, und? Gelb hätte es vermutlich auch getan, zugegeben. Aber juuuut, nehmen wir, wie es ist. Schade nur um Golz, einen wirklich sympathischen, ganz fairen Sportsmann. Schade um Freiburg, diesen tollen Verein mit dem tollen Konzept. Schade für Trainer Finke, einen meiner absoluten Lieblingstrainer! Aber keine Rücksicht an diesem Tag. "Peeeeeter, bring den Grote rein", rufen wir in diesem "Wir geben ein Lebenszeichen ab"-Spiel, fast schon überschwänglich gut gelaunt (fehlt nur noch, dass einer die "Europapokal"-Sprechchöre anstimmt). Und Peter bringt den Grote. Für Trojan. Riesenapplaus. Es hagelt wieder. Wosz kommt für Misimovic. Der erhält ohrenbetäubend laute "Zwetschge"-Rufe, die dann direkt ins "Dariusz!!! Dariusz!!!" übergehen. Colding schmeißt Wosz die Kapitänsbinde zu, damit die Hierarchie in der Mannschaft gewahrt bleibt, und inmitten all diesem Gefühlsduselkram fälscht Knavs einen Schuss von Aogo zum 1:2 ab. Zehn Minuten noch, Gegentor. Ach du scheiße. Schaut Euch um im Stadionrechteck. Kollektives Schlucken. Kollektives Zittern. Das brennt doch nicht noch an...? Nein, brennt es nicht. Bechmann lässt zwei Freiburger aussteigen und schießt im Gegenzug das 3:1. Entscheidung.
Mitten im Hagel pfeift Kircher ab. Pflichtsieg geschafft. Mainz gegen Bielefeld 0:0. Rückstand auf vier Punkte verkürzt. Ist es so einfach? Ist es so einfach, ein Spiel, das vorher so viele Emotionen hervorgerufen hat, mit dem Wort "Pflichtsieg" in die langweiligste Kategorie des Fußballs einzustufen? Lasst mich morgen darüber nachdenken. Heute rufe ich im Stadion noch dreimal laut "Oh wie ist das schöööön!" Und das angefügte "Sowas hat man lange nicht gesehen!" kommt diesmal sogar von Herzen! Auf den Boden der Stehstufen liegt ein "Jetzt erst recht!"-Schild. Heute hat das geholfen. Nächste Woche geht es nach Bremen. Dort hat der VfL noch nie in seiner Vereinsgeschichte gewonnen. Ich werde da sein. So wie viele andere Bochumer auch. Ich freu mich auf die Stadt, auf dieses Spiel, so aussichtslos es auch scheint.
Zufrieden mit mir und der Welt gehe ich nach Hause. Und gucke bei einer Tasse Tee die Sportschau.
Ohne mich ärgern zu müssen.
 
Opel-Solidarität! Jetzt erst recht !! Diese Pudelmütze...
Und mal wieder ist unsere Solidarität gefragt: Opel-Mitarbeiter warben noch einmal für den Standort Bochum - allerdings begleitet von Pfiffen. Damit waren aber nicht die wackeren Autojungs gemeint, sondern Freiburgs Torwart Golz, der parallel zum Warmlaufen den Platz betrat. Einlaufen... irgendwelche Strippenzieher hatten tolle "Jetzt erst recht"-Schildchen verteilt. Und auf dem Transparent rechts oben stand so etwas wie "12 Punkte - Eure Schande, unser Stolz". Parallel schneite es übrigens ziemlich krass doll. Schaut Euch Krügers Pudelmütze an!! Kultig, oder?
Spielerdank! Sam mal erfreut Imbissexpress
Sowas hat man wirklich ganz ganz lang nicht mehr gesehen! Rundum zufriedene Gesichter im Ruhrstadion. Alles gegeben, gut gespielt, ordentliche Stimmung, drei Punkte geholt, wieder dran - das war mal ein optimaler Samstagmittag... ... und da guckt der Sam auch gleich etwas freundlicher als noch vor einer Woche bei der völlig unverdienten Schmach von Lüdenscheid-Nord. Und draußen vor der Türe schneite es schon wieder - was ich zum Anlass nahm, endlich einmal den unter Bochumern als "kultig" bekannten "Imbiss-Express" zu knipsen. Beliebt als Treffpunkt, und bekannt für Pommes und Currywurst.

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Werder Bremen - VfL Bochum 4:0 (26.2.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Schalke 04 0:2 (5.3.2005)

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VfL Bochum - VfL Wolfsburg 5:1 (19.3.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 2:2 (3.4.2005)

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VfL Bochum - Hannover 96 1:0 (9.4.2005)

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FC Bayern München - VfL Bochum 3:1 (23.4.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - FSV Mainz 05 2:6 (30.4.2005)

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1. FC Nürnberg - VfL Bochum 2:1 (7.5.2005)

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VfL Bochum - VfB Stuttgart 2:0 (14.5.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 6 nachzulesen !

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am 15.5.2005
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