VFL-TAGEBUCH: SAISON 2004 / 2005 - TEIL 1
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Die ersten Utensilien

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Hertha BSC Berlin - VfL Bochum 2:2 (7.8.2004)

Der Dank der Mannschaft

Ein Saisonauftakt mit 65-minütiger Verspätung, unangenehmen Winter-Erinnerungen und einem hart erschwitzten Punkt

Der Dank des Trainers

Grunewaldstraße 27, Bezirk Steglitz

Und Andi schwitzt - zum Dank!

Eigentlich müsste gleich so ein Chinarestaurant kommen. China-Kaiser oder so ähnlich. Ein ziemlich dämlicher Name für ein chinesisches Restaurant, wenn Ihr mich fragt. Und da hinten, gleich hinter der Kreuzung, da ist das Ristorante "La Fattoria". Hat sich nix geändert hier. Ist bloß 45 Grad wärmer. Vor dreieinhalb Jahren stieg ich das letzte Mal im U-Bahnhof "Rathaus Steglitz" aus der U9. Schritt ich das letzte Mal über den Bürgersteig der Grunewaldstraße. Sah ich das letzte Mal die Hausnummer 27. Zog ich das letzte Mal wärmend eine Wollmütze über meine Ohren. Ich habe es nicht vergessen. Ich werde es nicht vergessen. Der Winter rund um den Jahreswechsel 2000/2001, mit jungen 22 Jahren wollte ich die Welt erobern. Und mehr als das. Im Internet suchte ich nach dem großen Glück; und fand es, bei einer jungen Studentin, geboren in Uelzen, und nun in Berlin. Viermal bin ich hingefahren, einmal als Tagesausflug, dreimal für drei Tage. Viermal so fühlen, als würde ich nach Hause kommen. Viermal überhaupt fühlen. Umkleidekabinen bei H&M, der Weihnachtsmarkt auf dem Alexanderplatz, die Mensa der FU, und immer wieder der U-Bahnhof Rathaus Steglitz. Never forget. In diese Zeit fiel mein schlimmstes VfL-Erlebnis, das 0:1 im Pokal gegen Union Berlin, auch das noch. In diese Zeit fiel das Ende. Irgendwie. Sollte irgendjemand mal auf die Idee kommen (wie einst bei Tucholsky) und eine leichte Sommergeschichte á la Schloss Gripsholm bei mir in Auftrag geben, ich werde garantiert über diesen Winter schreiben. Und es würde eine gute, aber traurige Geschichte.
Ganz bestimmt kein "Sommernachtstraum". Sommer haben wir zwar, aber nachts ist es zurzeit viel zu heiß zum Träumen. Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Ein "Sommernachtstraum" hieß neulich eine Folge meiner Lieblings-Kinderpuppensendung "Hallo Spencer", die derzeit im Kinderkanal wiederholt wird ('tschuldigung, sind halt Semesterferien), und Spencer begrüßt doch immer so schön: "Hallooo liebe Freunde, von A bis Z, von 1 bis 100, von Norden nach Süden und von Osten bis Westen - hier bin ich wieder!" Und gibt es eine schönere Einleitung für ein neues VfL-Tagebuch, für das vierte auf dieser Homepage? Das letzte Spiel gegen Hannover, diese unvergessliche Begeisterung, das ist erst vor zweieinhalb Monaten gewesen. Unser letztes Spiel in Berlin, dieses wahnsinnig wichtige und fast schon uefacupvorentscheidende 1:1 im März liegt lediglich fünf Monate zurück; und doch: es ist alles anders. Fast alles.
Gleich ist nur noch die Uhrzeit, mit der ich morgens Mülheim verlasse. 8.55 Uhr aus dem Haus, 9.05 Uhr mit dem Regionalexpress nach Essen, 9.23 Uhr nach Berlin. Wieder zehn Minuten Verspätung. Wie fast immer. Schon seit Tagen plagen mich ganz bestimmte Symptome: Zunehmende Schlaflosigkeit, Bauchgrummeln beim Anblick des VfL-Schals, nervöses Rumgezucke beim Erblicken des ARD-Sportschau-Trailers. Und es wird schlimmer von Tag zu Tag. Ein Arzt könnte da nicht helfen. Er hätte keinen Rat, kein Rezept, kein Medikament. Es gibt nur eine Diagnose: Der Saisonstart steht vor der Tür. Zum 42. Mal wird ein deutscher Bundesliga-Meister ermittelt, und wir, wir kleinen Popel vom VfL Bochum wollen der Liga ein weiteres Mal die Nase stopfen. "It´s a very very mad world". Mit diesen Worten hat mich Michael Andrews per Radio auf die Reise geschickt. Sie begleiten mich wie der feine Duft eines Marzipan-Croissants. Obwohl ich - ganz nach der Andi-Auswärtsspiel-"Verfassung" - die Zugfahrt mit "Slave to the wage" von Placebo beginne. Obwohl ich WAZ und taz lese. Obwohl ich immer mehr Gründe finde, warum alles anders ist. Es ist eine neue Saison, klar. Wir aber sind UEFA-Cup-Teilnehmer. Im letzten Jahr, da fuhr ich mit der Gewissheit nach Berlin, dass wir noch ein paar Punkte bis zur ominösen 40 brauchen. Und jetzt? Fünf Monate später haben wir zwar Freier, Fahrenhorst und Hashemian nicht mehr, darüber aber viele gute Neuzugänge, spielen international, und verdammtnochmal, das muss sich doch im Selbstvertrauen niederschlagen. Und tuts auch. "Wir fahren nirgendwo mehr hin, nur um einen Punkt zu holen", brüllt mir unser Trainer aus der WAZ entgegen. Recht so! Per sms schickt mich Dirk aus München "zum 2:1-Auswärtsdreier". Hey, Hertha wäre fast abgestiegen, wir sind... siehe zwei Zeilen vorher. Erklär mir einer die Oddset-Auswärtssieg-Quote 4!? Soll mir recht sein, wenn wir immer noch unterschätzt werden. Was anderes, was anderes, was anderes... genau, ich erlebe Berlin zum ersten Mal im Sommer. Juni, das war bisher das höchste der Gefühle, aber Sommer? Diese Stadt, die auf dieser Homepage bisher so gut behandelt wurde wie keine andere; macht sie im Sommer einen Unterschied? Und zuletzt, jawohl, es ist mein erster gefühlter Urlaubstag. Kein Alltag, der mich quält, keine Uni, die mich mit Vorlesungen nervt. Beim letzten Mal, im März, da hatte ich meine USA-Reise frisch gebucht. Jetzt steht sie unmittelbar bevor. "I want to get away, i wanna fly away", trällert mir Lenny Kravitz ins Trommelfell, und yes, das ist es. Berlin im August 2004. Ich bin dabei. Ich bin der Andi, schönen guten Tag, ich erobere die Stadt, und nehme drei Punkte für meinen VfL mit. Jawohl! Noch ist die Gegenwart derweil nur der ICE. Klimatisiert. Neben mir im Zug sitzt ein junges Pärchen, so um die 18/19. Die beiden blättern im MATADOR, einem Playboy-Verschnitt, und diskutieren lautstark über Vorzüge von bestimmten String-Tangas. Im eher konservativen ICE-Publikum kommt das natürlich besonders gut an. Im Gegensatz dazu ernten die immer mal wieder vorbeitrampelnden VfL-Fans begeisternde Blicke... Ich bin müde. Verschlafe die Strecke zwischen Bielefeld und Hannover. Die Schlaflosigkeit der letzten Tage, jajaja, jetzt muss wieder der ICE herhalten.
Lange habe ich überlegt, wie ich mich wohl kleiden soll. Kurze Hose? Wär ne gute Idee gewesen, nur meine einzig geeignete ist schon total schweiß-versickt. Also lange Hose, aber welches Trikot? Oder nur ein ganz normales T-Shirt? Nun ziert das Dänemark-EM-Trikot mit "21" und "Madsen" hintendrauf meinen Oberkörper. Das ist pro VfL und doch nicht direkt auffällig. 13.20 Uhr. U9 Richtung Rathaus Steglitz. Tina und Helmut sind grad in Dresden. Dynamo gegen den MSV Duisburg. Spielstand 0:0. Spazieren gehen. Der Berliner Jugend beim nachmittäglichen Fußballspiel in einem Bolzplatz-Käfig zuschauen. U9 bis Bundesplatz. S-Bahn Richtung Gesundbrunnen bis Westkreuz. Wieder umsteigen. S-Bahn bis Olympiastadion. Ich spule die Meter automatisch ab, fast ohne Blick auf irgendeinen an den zahlreichen Haltestellen hängenden Plänen. Es ist fast schon meine Stadt (dieser Satz taucht in jedem Berlin-Text auf dieser Homepage auf, tut mir leid...), dazu noch mein Wetter, und mein Verein spielt. Und doch lasse ich Steglitz hinter mir. "Mad World" von Michael Andrews wieder im Hinterkopf. Verrückte Welt. Winter 2000. Minusgrade. Selbe Strecken. Nun: Plus 33 Grad zeigt ein Thermometer an irgendeinem Hochhaus an. Der MSV geht gerade in Führung, als ich das Olympiastadion ohne größere Komplikationen betrete. Der Umbau ist beendet, vor einer Woche war die große Neueröffnung, Innenminister Schily pries das Stadion als "das schönste der Welt". Naja, da hat der gute Otto ein wenig hoch gegriffen. Groß, architektonisch reizvoll; aber eben kein reines Fußballstadion, eher für repräsentative Zwecke wie eben Pokalendspiel, Länderspiele, Olympische Spiele oder Konzerte geeignet. Not more.
Das Bauchgrummeln steigt. Die Spieler kommen. Warmlaufen. Tunnelblick. Jeder Fußballer kennt das. Jeder Fußballfan kennt das. Der Tunnel. Der Blick geht stur geradeaus. 45.000 Menschen um dich rum, zahlreiche Lautsprecher verkünden Werbebotschaften, auf der Anzeigetafel flackern die Aufstellungen, egal. Du schaust durch alle anderen Fans hindurch, fühlst dich nicht angesprochen, willst nicht angesprochen werden, alle sind dir egal und doch gleichzeitig so wichtig. Du fühlst dich so alleine wie in einem einsamen Verließ in Draculas Schloss und doch so geborgen wie in einer großen Großgroßgroßfamilie. Alltag eines Fußballfans. Und vor dem Saisonstart ist das Alltag zum Quadrat. Also alle Emotionen doppelt so schlimm.
Alles anders hatte ich gesagt. An ein paar neue Gesichter muss ich mich wohl noch gewöhnen. Wobei... Lokvenc ist der größte; also gut zu erkennen. Preuß und Bechmann - die Blonden, auch leicht. Knavs und Maltritz wird schon schwieriger. Misimovic und Trojan sind auf der Bank. Wow, von 17 Spielern im Kader sind sieben neu. Reife Leistung, Herr Neururer. Die Diskussionen kreisen um das Stromausfall-Spiel zwischen Bremen und Schalke gestern Abend, das 65 Minuten später anfing. Ob unsere wohl auch 65 Minuten Anlaufzeit brauchen? Ich nehme nichts mehr wahr. Wer sitzt neben mir? Ich weiß es nicht. Welches Lied läuft beim Einmarsch? Okay, "Nur nach Hause gehn wir nicht" von Frank Zander, das ist so penetrant nervig, das weckt selbst Tote auf. 15.32 Uhr deutet die Uhr auf der Tafel an. Schiri Merk pustet. Vorhang auf. Willkommen. Geschafft. Zweieinhalb Monate Sommerpause sind vorbei. Geschichte. Endlich abgehakt. Die Leidenszeit hat ein Ende. Mal ehrlich: Die EM war doch nur ein billiger Zeitvertreib im bundesligalosen Juni. Jaaaa. Jaaaa. Jaaaa. Jaaaa. Beide Mannschaften passen das Bälleken in den eigenen Reihen hin und her. 5. Minute, Freistoß für den VfL aus der Halbposition. "Wow, da waren wir doch so stark", denke ich, denken wir alle. Zdebel läuft an und versenkt die Kugel in der Mauer. Und den Nachschuss verstümpert er so richtig. Konter. Marcelinho, Steilpass auf Gilberto. Der geht noch zehn Meter und haut das Ding feste rechts unten rein. "Tooooor" aus 43.000 Kehlen, der Schall fliegt aus allen Richtungen des Stadions Richtung VfL-Kurve, Richtung Andi, Richtung Trommelfell. Ein Schall, der schmerzt, eine Lautstärke, die beißt wie ein Hund auf Nahrungssuche. "1:0 Gilberto. Super." Mehr bringe ich per sms an meine Freunde nicht raus. Wie vor einem Jahr in Wolfsburg. Die Saison hat noch nicht angefangen, schon haste einen drin. Und das durch einen blöden Standardsituationskonter. Dämlich. Dämlicher. VfL-Abwehr. Und was folgt, ist katastrophal. Katastrophaler. Am katastrophalsten. Unsere Taktik funktioniert überhaupt nicht. Taktik bedeutet, dass alle zehn Feldspieler dieselbe Ausrichtung erfüllen. Und das geht bei uns gar nicht gut. Was haben die in der Vorbereitung gemacht? Skat gespielt? Der Bönig links in der Viererkette ist so nervös, der läuft sogar einmal mit dem Ball ins Seitenaus. An Zdebel läuft nach dem 0:1 das Spiel völlig vorbei. Lasch. Behäbig. Wenig Laufbereitschaft. Hat der Grippe oder was? Nimm den raus!! Unsere Innenverteidiger Knavs und Kalla sind noch nicht aufeinander abgestimmt. Lokvenc hat überhaupt keine Bindung zum Spiel und kriegt keinen Pass. Da stimmt hinten und vorne nix. Nicht mal die taktischen Grunddinge wie das "Verschieben in Richtung des Balles" Zum Beispiel Madsen. Der hält den Ball dreimal hoch, und verliert ihn dann wehrlos an Wichniarek. "Erschreckend", funke ich zu Helmut, der mir andersrum mitteilt, dass der MSV noch 1:3 verloren hat. Hihi, dann wäre eine VfL-Niederlage nicht ganz so schlimm... Aber diese VfL-Pleite deutet sich schon nach zehn trostlosen Minuten an. Mit welcher Taktik spielt Neururer eigentlich? 4-4-2? Nee. Vier Mittelfeldspieler auf einer Linie? Quatsch, Wosz ist eindeutig Spielmacher. Also 4-3-1-2? Drei defensive Mittelfeldspieler? Hmm... dafür spielt der Preuß aber rechts ganz schön offensiv. Also wie gewohnt 4-2-1-3? Na, also so offensiv auch nicht. Die Aufgabenverteilung stimmt so wenig, dass Hertha leicht zu einem Übergewicht im Mittelfeld kommt. Hertha ist nicht stark. Aber wir, wir sind schwach. Wichniarek, Marcelinho und Bobic haben das 2:0 auf dem Fuß, das Marcelinho eine Minute vor der Pause mit seinem zweiten Versuch endlich besorgt. Und wieder: Fehler über Fehler. Erst gewinnt Hartmann gegen den drei Köpfe größeren Maltritz ein Kopfballduell. Dann marschiert Mazzelinho 20 Meter lang durch die Bochumer Spielhälfte; legt sich den Ball fünfmal vor, als wolle er sagen: "Hier, nehmt ihn Euch. Ich will kein Tor schießen, heute nicht." Doch kein Bochumer stört, und dann scheppert es. Im Winkel. 0:2 zur Pause. Gefühlt 0:5. In der Kurve sagt keiner was. Selbst ein Werder-Fan, der sich während des Spiels geoutet hat, schweigt anstandshalber. Hui, wie schlecht.
Die ganz miesen Bönig und Zdebel gehen raus, Edu und Bechmann kommen. Wiederanpfiff, und es bleibt schlimm, schlimmer, am schlimmsten. Weiterhin Fehlpässe. Missverständnisse. Taktik wird jetzt klarer. 4-2-1-3. Aber der Bechmann versteckt sich rechts vorn. Nicht, dass er schlechter spielen würde als Freier im letzten Jahr, aber er fordert den Ball nicht. Im Gegensatz zu Preuß, der als einziger der Neuen wenigstens im Ansatz überzeugt. 60. Minute, die nächste Frechheit von Madsen. Ohne Not verspielt er in der eigenen Hälfte den Ball. Gilberto allein vor van Duijnhoven, abgewehrt, Nachschuss Marcelinho, Pfosten. Der Matchball für Hertha. Ich trau mich kaum noch, auf den Platz zu sehen. Schüttele den Kopf. Schimpfe. Fluche. Sogar auf türkisch, was ich von meinen Galatasaray-Freunden aufgeschnappt habe. Nichts deutet auf einen Sieg. Nichts. Vielmehr droht der letzte Platz am ersten Spieltag. So schwach hätte ich uns wirklich nicht erwartet. 0:2. Immer noch. Ich vertreibe mir die Zeit. Gucke in die Luft, drehe Däumchen, als würde ich "trallalitrallala" singen, schaue mich in der Kurve um, sehe das neue Trikot des Ultra-Megafon-Manns, der heute kein Megafon bei sich trägt. Dann 66. Minute, Freistoßflanke Wosz aus halbrechter Position, Kopfball Kalla, 1:2. Gehts? Kaum einer traut sich richtig zu jubeln. Erste Chance, erstes Tor. 65 Minuten Stromausfall bei der VfL-Mannschaft. Bei den Fans. Jetzt wird es laut. Auf einmal. V-F-L, V-F-L, V-F-L. 240 Sekunden später. Flanke in den 16er. Friedrich gegen Lokvenc. Harter Zweikampf. Dann pfeift Doktor Merk. Und gibt Elfmeter. Das geht gar nicht. Wir kriegen einen Elfmeter? Seit über einem Jahr warten wir darauf. Warum? Keine Ahnung. Foul, Hand, was auch immer. Der Merk wird schon richtig liegen. Madsen, links oben, 2:2. In vier Minuten das Ding auf den Kopf gestellt. Zwei Standardsituationen reißen uns raus. Und es ist noch mehr drin. Hertha liegt jetzt völlig am Boden, ist fix und fertig. Aber unsere Jungs belassen es bei einem Unentschieden. Ein Punkt geht mit nach Bochum. Ich schwitze. Heiß. Spannend. Fußball. Die erste La-Ola-Welle der neuen Saison. Und Neururer feiert doppelt so schön. Der Jubel der Kurve ist für ihn eine Droge. Er genießt es, die 1500 Bochumer auf einen Schlag schweigen zu lassen, um dann selbst die Welle anzuzetteln. Mad world. Dortmund hat verloren. Schalke auch. "Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins im Pott sind wiiir". Neue Saison. Aber gewohnte Bilder. Gewohnte Sprechchöre.
Der Marsch zurück zum S-Bahnhof, vorbei an enttäuscht-berlinernden Berlinern ("Die Bochumer hatten mehr Saft, wa?"), gleicht einem Spaziergang durchs Meer. Durch ein Meer an Schweißtropfen. An meinem ganzen Körper suppt es. Es ist noch schlimmer geworden. Das letzte Mal in der Sauna war nichts dagegen. Um 17.40 Uhr betrete ich die S-Bahn. Die aber erst um 17.56 Uhr losfährt. Und dann auch noch ne Viertelstunde braucht. Ich gehe kaputt. Will was trinken. Und nichts ist da. Minute um Minute verrinnt. Meine innere Uhr schmilzt. Es tropft unaufhörlich. Wenigstens gibt es die Baustelle zwischen Charlottenburg und Spandau nicht mehr und die S-Bahn fährt durch. 18.10 Uhr, Bahnhof Zoo. "Mich is der Schweiß ausgegangen", würde Herbert Knebel jetzt stöhnen. Und unsereiner soll jetzt eine Entscheidung treffen. Nehme ich den ICE um 18.55 Uhr oder den um 19.55 Uhr? Was bieten sich für Optionen? Mit der U-Bahn zum Alexanderplatz und dort ein bisschen abhängen? Bis zum Prenzlauer Berg und auf den Straßen rumlaufen? Noch einmal zur Grunewaldstraße 27, in Erinnerungen wühlen? Ich entscheide mich für Plan D. Laut mit Helmut über die Fußballspiele des Nachmittags diskutierend ("Man haben wir ein Glück gehabt") schlurfe ich über den Kudamm, genieße dabei jede einzelne Pore Berliner Luft. An der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche spielt eine kleine Band südamerikanische Musik. Der Himmel ist so blau, als hätte er sich für Postkarten selbst angemalt. Herr McDonald verkauft mir einen Big Mac und eine große Cola. Dann ab zum Bahnhof Zoo. Meine Kraft reicht nicht mehr, alles weitere wäre nur Betrug an meinem Körper. Der Berliner Sommer hat mich geschafft. Kapitulation um 18.55 Uhr.
Schnell finde ich einen Sitzplatz und staune über die Ruhe im Wagen, bis... ach du liebe Zeit... bis in Berlin-Spandau eine 20-köpfige (dem Lärm nach zu urteilen 100-köpfige) Judogruppe der SU Witten-Annen zusteigt, die eine Freizeit in Brandenburg hinter sich hat. Dreieinhalb Stunden lang nerven dieselben Wortspiele wie in meiner Kindheit ("Fischers Fritze...", "Der Whiskymixer mixt..." - dass es die noch gibt...), auf Toilette gehende Kinder und leicht überreizte Gruppenleiter (nach einer Woche mit dieser Gruppe nur allzu verständlich). Ich nehme mir wieder zwischen Hannover und Bielefeld meine schlafende Auszeit und beschließe, nicht mehr zum Jahrgangsstufentreffen heute Abend zu gehen. Um zwölf, wenn ich da sein könnte, sind sowieso schon alle betrunken.
Lasst mich lieber schwelgen, träumen, brainstormen, romantische Feststellungen notieren, ein nüchternes Fazit ziehen... Berlin im August, Berlin im Sommer. Saisonauftakt. Hallo 42. Bundesligasaison. Ich mag es noch genauso wie am ersten Tag. Die Meter im Bahnhof Rathaus Steglitz. Herzbeben. Der Gang ins Olympiastadion. Herzrasen. Die ersten beiden Gegentore. Herzexplosion, vor Wut. Dann Kalla. Dann Madsen. Hormonüberschuss. Dazu die Hitze. Schweißperlen. Ein heißer Ausflug. Ein glücklich erschwitzter Punkt. Berlin, I love you.
Was ist wohl in der Grunewaldstraße 27 zwischen 15.30 Uhr und 17.15 Uhr passiert?
Ich weiß es nicht. Ist auch egal. Ich weiß nur, dass ich wohl nie wieder zurückkehren werde. Weil ich es nicht mehr muss.
Aber dass ich heute da war, hat mir dennoch unendlich gut getan.

Die Stadt
 
La Fattoria Fuppes im Käfig U-Bahnhof Rathaus Steglitz
Grunewaldstraße 27, Steglitz. Fast ein Foto für die taz-Rubrik "Der Augenblick": Fuppes in einem Käfig in Steglitz. Der Endpunkt der U-Bahnlinie U9 - und auch sonst so oft ein Endpunkt: "Rathaus Steglitz"!
Das neue Olympiastadion U-Bahnhof Kurfürstendamm Hurra, ist der Himmel blau
Das "neue" Olympiastadion. "Das schönste der Welt", hat Innenminister Schily bei der offiziellen Eröffnung gesagt. Naja, schon nicht schlecht geworden, architektonisch sicherlich ne Wucht; aber der Fußball spielt leider nur eine Nebenrolle. So richtige Fuppesstimmung will in dem weiten Rund nicht wirklich aufkommen - die hässlich blaue Tartanbahn und der damit verbundene weite Abstand zum Spielfeld ist schuld. Wieder da: Andi steht zum unzähligsten Mal vor dem U-Bahnhof "Kurfürstendamm". Was ist hier die Sehenswürdigkeit? Der fantastisch blaue Himmel oder die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche? Sucht es Euch aus!
Musiker Blick vom Kudamm Christiansen o-ho-o-hohohoooo
Und wieder die Kirche, aber diesmal mit guten Musikern davor. Postkartenmotiv: Fotografiert unter einer der Skulpturen am Ku'damm, mit Blick auf die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Und ganz zum Schluss: Hier (kurz hinterm Breitscheidplatz) wird jeden Sonntag "Christiansen", die Talkrunde für profilierungssüchtige Politiker, aufgezeichnet.

Das Spiel
 
Nur noch Sekunden bis zum Start Der Einmarsch Retter Raymond
Spürt Ihr die Gänsehaut des Moments? Das Kribbeln? Die Bauchschmerzen, das Gefühl, rot vor Verzückung zu werden? Gleich, gleich, gleich gehts los! Die Mannschaften winken in die 45.435-köpfige Menge! Bochum unter Druck: Doch unser Turm Raymond Kalla wehrt in der zweiten Halbzeit den Ball (weißer Punkt) ab.
Madsen verwandelt sicher Ja, und Bochumer waren auch da! Die Anzeigetafel hat immer recht!
70. Minute, Elfmeter: Madsen legt sich den Ball zurecht - und trifft zum 2:2... ... was natürlich Jubelstürme in unserer Kurve auslöst. Und die Anzeigetafel lügt nie: 2:2 ists ausgegangen.

Weitere Texte auf dieser Homepage zum Thema Berlin:

1) Saison 2002/2003: VfL - Hertha 3:0
2) Saison 2002/2003: Hertha - VfL 1:0
3) Ein Ausflug mit der Familie im Juni 2003
4) Saison 2003/2004: VfL - Hertha 2:2
5) Saison 2003/2004: Hertha - VfL 1:1

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VfL Bochum - Bayer Leverkusen 2:2 (15.8.2004)

Mein VfL"V - F - L - mein Herz schlägt nur für diiiich; wir weeerden immer zu Dir stehn, V - F - L - mein VfL"

Spannender als Tontaubenschießen

Die Anzeigetafel und der ChristophAlles auf einmal: Die neue Videowand, das Ergebnis, und der beste Mann: Christoph Preuß (Nr. 17)

Ein verdammt gutes Fußballspiel

Gut gespielt, Jungs!

Gemischte Gefühle. Morgens, beim Aufwachen. Während der "EinsLive-O-Ton-Charts" im Radio. Danach, beim Aufstehen. Und fast sogar noch beim Frühstücken. Bebt es noch? Wo führt das hin? Wie ist wohl meine Laune im ersten Heimspiel nach dem grandiosen UEFA-Cup-Einzug? Wie lange werde ich wohl überhaupt noch zum VfL gehen können? In der Fankurve stehen können? Nicht dran denken, Andi. Wann kommt ein richtiger Job? Und wo? Mixed emotions. Gemischt. Zweifel. Klatsch mir mit der flachen Hand gegen meine Backe. Konzentrier dich, Andi. Wach auf. Wake up. Enjoy it. Carpe diem. Nutze den Tag. Heute zweiter Spieltag. Leverkusen. Heimspiel. Fahr hin. Genießen. Sonne. Sonnenbrille. Sonnenschein. Bebt es noch?
Einmal, wenigstens einmal muss ich an einem Sonntag nicht arbeiten. Vor einem Monat, als die ersten Spieltage termintechnisch modifiziert wurden und ich sie auf dem ARD-Videotext erblickte, da habe ich vor Wut meine Fernbedienung in das Sofakissen geschmissen (damit sie nicht kaputt geht, nennt man so etwas kontrollierte Wut?). Erstes Heimspiel Leverkusen am Sonntag. Ja geht das denn schon wieder los? Doch alles halb so wild. Dieses verfluchte Amateurfußball-Sommerloch ist zwar schlecht für mein Konto, aber gut für kurzfristige "Ich will frei haben"-Wünsche. So auch diesmal. Sonntag, 15. August. Meine Wohnung ist meine Umkleidekabine. Konzentration nur auf das Spiel. Auf die 90 Minuten. Darauf, dass es ein gelungener Nachmittag wird. Die üblichen Vorbereitungen. Der Wetterbericht im Fernsehen gehört dazu. Er ist sehr positiv. Und Sonne angesagt. Meine Fußball-Hose krame ich aus dem Kleiderschrank hervor; verstaue Portmonee, ein paar Euros, Handy, Schlüssel und Digitalkamera in den diversen Taschen. Das blau-weiße VfL-Kalla-Trikot mit der "6" hintendrauf streife ich mir drüber, dazu noch den Schal; konzentriert schnüre ich die Schuhe zu, und los gehts. Warmlaufen. Warmlaufen, heiß laufen, heißmachen. Kopf-Training. Ich muss mir noch Mitfahrer organisieren. Sam und Gerd sind im Urlaub, Thommy wohnt ja in Trier; aber meine Freunde Helmut und Alex erklären sich bereit, mit mir den Fußball-Nachmittag zu verbringen.
Die Geschichte beginnt um 15.46 Uhr im Regionalexpress von Aachen nach Paderborn, über - Achtung! - Leverkusen, doch wie schon im letzten und im vorletzten Jahr sitzt kaum einer mit Bayer-Trikot drin. Ach ja, die Olympischen Spiele in Athen haben ja gerade frisch begonnen, und so drehen sich die Gespräche mehr um Zabel, Stockbauer, Ullrich und van Almsick als über die gestrigen Fußball-Ergebnisse. Heute Morgen, als ich noch schlief, da lief Tontaubenschießen. "Also ehrlich", echauffiert sich Helmut. "Die sahen so aus, als wären die gerade von Mc Donalds gekommen und hätten eine Knarre in die Hand gedrückt bekommen. Stell Dir mal vor, im normalen Programm würde die deutsche Meisterschaft im Tontaubenschießen übertragen. Würd doch kein Mensch gucken." Ey Tontaubenschießen! Es ist warm. Prima warm. Aber zu warm im Zug. Letzte Woche 2:2 in Berlin, die Saison ist noch jung. Zu jung, um detaillierte Urteile fällen zu können. Wo stehen wir? Die Vorbereitung lief mehr schlecht als recht und das Spiel in Berlin... naja, Schwamm drüber. In der U-Bahn zum Stadion stellt jemand fest, ich sei der Bruder von Thomas Ernst (Bravo!). Er will ein Gespräch anfangen. Ich grüble nur. Über dies und das.
Was hat sich wohl geändert in meinem Stadion? Ist der Rasen noch grün? Die Tribüne noch blau? "Das ist das schöne an Bochum", merkt Schalke-Fan Alex an. "Man kriegt immer noch ne Karte, auch bei Sonnenschein und im Sommer." Knapp 26.300 Zuschauer werden es. Alles nur Ablenkungsspielchen. Der Spaziergang hinter der Ostkurve zum Block. Er gehört immer noch zum Warmlaufen, heiß laufen, heißmachen wie das "Vorglühen" vor einem Konzertbesuch. Es läuft aber nur zäh, zääääher. Die Treppe zum Block P, uuuuuund? Noch nicht viel los. Hinsetzen, unterhalten, über das MSV-Spiel am Freitag, Olympia, Fußball, T-Club, das übliche. "Und sonst?" "Muss!" Hey, und doch hat sich was getan. Die ANZEIGETAFELN sind weg. Vor einiger Zeit, irgendwann in der letzten Saison, sprach ich von der Videowandisierung der Bundesliga; an der unser VfL wohl auch bald leider teilnehmen müsse. Und es ging schneller als gedacht. Ein topmodernes Ding hängt in beiden Ecken - hilfe, unsere alten Dinger aus den 70ern waren wenigstens schön Retro. Wir haben uns doch dem Willen aller gebeugt. "VfL-TV" heißt das Spektakel, doch schon nach wenigen Momenten schließe ich meinen Frieden mit dem Ding. Meinetwegen. Aber hauptsache, sie übertreiben es nicht mit dem neuen Spielzeug. Warmmachen. Luft steigt, Puls steigt. S´ wird voller. Ach, wenn doch Gerd, Sam und Thommy auch hier wären. Geschichten erzählen. Von der Sommerpause. Den letzten vier Superspielen gegen Leverkusen. Die Lautsprecheranlage funktioniert nicht. Helmut schimpft über die lange Schlange am Getränkestand; Bayer läuft sich warm. PFUIIIIIIIIIIII! Und die Blau-Weißen kommen dazu. Countdown. "PEEEEETER MADSEN!!!!" wird gefeiert, auch Kalla, DARIUSZ!, Lokvenc und Söööören Colding. Selbstverständlich auch Peeeeter Neururer. Heimspiel, jaaaa, Hormone, Adrenalin, alles steigt und steigt, von Minute zu Minute, und yes, es bebt noch, mein 256. VfL-Spiel, bin warm, heiß, Betriebstemperatur... und hab eine trockene Fresse. Helmut, gib mal´n Schluck. 30 Grad, ganz schön schweißtreibend. Und ich Dussel hab meine Sonnenbrille nicht dabei. Die VfL-Aufstellung wird von der Wand mit kurzen Videoeinspielfilmchen der einzelnen Spieler begleitet. Witzigwitzig finde ich das - Helmut sagt nur "peeeinlich". Was soll´s. Gleich geht´s los.
Pfiff. Anpfiff. Erstes Heimspiel der neuen Saison. Und alle Befürchtungen sind weg. Lasst den Ball laufen, Jungs. Und sprüht den Funken, der uns zum Brennen bringt. Die Sonne brennt schon lange. Ich knipse meine Augen immer wieder zu kleinen Schlitzen zusammen; will doch nichts verpassen. Die Aufstellung ist gleich. Wie in Berlin. Also Preuß wieder rechts vorne. "Man", schimpfe ich. "Der ist doch kein Offensivmann. Ich verstehe das nicht." Leverkusen spielt mit der 5:0-gegen-Ostrau-Elf. Also ohne Slawo Freier. Der hockt traurig auf der Bank. Aber mit Franca, Berbatov, Roque Junior, Robson Ponte. Rundblick in der Kurve. Hunderte haben sich Schnauzbärte angeklebt. Derjenige, der unserem Trainer am ähnlichsten sieht, kriegt ´nen Preis. Schnapsidee des Hauptsponsors. Fußball, Andi, nur der Fußball zählt. Es beginnt schleppend. Eine brenzlige Szene in unserem Strafraum zwischen Kalla, Berbatov und van Duijnhoven in Minute sieben. Okay. Durchatmen. Helmut findets "langweilig". Aber wenigstens auf hohem Niveau langweilig, nicht so wie am Freitag beim MSV. Beide Mannschaften haben Respekt. Noch. Ich tänzle. Vom linken auf das rechte Bein. Vom rechte auf das linke. Muss nicht pinkeln. Bin nervös. Und heiß. Und warm. Unser Trainer hat gut eingekauft. Maltritz holt in der Anfangsphase die meisten Bälle - und gibt sie oft direkt an Preuß weiter. Meine Zweifel verfliegen im Nu, und wie schon letzte Woche avanciert der kleine blonde Typ zu meinem Lieblingsspieler. Er hat die erste Chance, in der 15., und Maltritz die zweite, in der 20. Butt hält zweimal sicher. Es kommt Fahrt rein, auch Leverkusen spielt schneller. Zack, zack, zack, zack, zack - läuft der Ball durch beide Reihen; bei unseren wird es immer ein "zack" mehr. Engagierter, zweikampfstärker, leidenschaftlicher - nicht nur als letzte Woche, sondern auch als Bayer. Von Leverkusen kommt nichts. Gar nicht. 29. Minute, Preuß auf Lokvenc, der lässt den blinden Nowotny stehen - Toooooooooooooorrrrr!!! Schlagt mit mir ein, schlagt ein!!!!! "Die Nummer eiiins im Pott sind wiiiiiiir!" "DER TORSCHÜTZE", krackt´s aus dem mittlerweile reparierten Lautsprecher, "MIT DER NUMMER ELF: VRATISLAV!" "LLLLLOKVENC!!!!" Danach schießt Berbatov. Vorbei. Und Franca. Auch vorbei. Halbzeitpause, 1:0, erstmal hinsetzen. Angenehme Atmosphäre. Angenehmes Fußballspiel.
Pfiff. Anpfiff. Zweite Halbzeit. Und nun gibts keine Pause mehr. Staaaaark wird es nun. Und offensiv. Freistoß Zdebel - drüber. Auf der anderen Seite hält unsere Abwehr. Noch. Das Zusammenspiel zwischen Kalla und Knavs klappt deutlich besser als letzte Woche; Bönig wackelt ein bisschen. Sollte er der Schwachpunkt sein? Madsen ist nach einer frühen gelben Karte gehandicapt und auch einer der Schwächeren; aber wir haben unsere Neuen, die unser 4-2-1-3-System scheinbar besser beherrschen als die Alten. Maltritz gut, Lokvenc staaaark, und Preuß: super! Überall zu finden; spielstark, wenig Fehlpässe. Jürgen Klinsmann, hast du das gesehen? Und der steht nicht auf deiner 2006-Kandidaten-Liste? Minute 60, wieder Preuß auf Lokvenc, wieder Toooooor, 2:0, aber neeeeeeein, ABSEITS?!?!?!?!?! NIIIIIE UND NIMMMMERRR! "Du BLINDER SCHIRI", hallts von links. "Lass die FAHNE UNTEN, du PENNER!", brüllt einer von rechts. Alle winken ab. 2:0. Das wärs gewesen. So gleicht Bayer aus. In Minute 67 durch Berbatov. Per Kopf. 1:1. Keine Ahnung, wer gepennt hat. Schon zehn Sekunden später weiß ich nicht mehr, wie das Tor überhaupt gefallen ist. Mein Kurzzeitgedächtnis versagt. Kann doch gar nicht wahr sein. Schockzustand. Doch Leute, aufgepasst, noch über 20 Minuten. Da geht noch was. Abstoß van Duijnhoven auf Looookvenc, Superpass, Prreeeeeeuß dringt in den 16er ein, Tunnel für Butt, TOOOOOOOR, 2:1. Jaaaaaaaaa, es ist so geil, so geil, so geil, ich halts nicht aus, ich halts nicht aus, Preuß probiert einen Salto, bravo, eine 10,0 von mir und allen anderen, ich balle meine Faust. Tooooooor! Alle wedeln mit ihren Schals, tolltolltoll! Das muss es gewesen sein. Das muss es einfach gewesen sein. Der Preuß hats verdient. Note 1. Wosz geht raus, kann nicht mehr. "Zwetschge" Misimovic kommt. Fünf Minuten später. Freistoß Zwetschge aus Linksaußenposition. Rotzfrech ans Außennetz. Eine Minute später wieder Freistoß. Wieder Zwetschge. Diesmal aus 18 Metern, zentrale Position. Er läuft an, zwirbelt, schnibbelt, schneidet - Latte, Unterkante. Meeeeensch; Bayer liegt am Boden. Mittlerweile spielt Freier mit. Mensch, es passiert so viel, da geht einiges unter. Nur die lauten Pfiffe bei seinen Ballkontakten haben mich drauf gebracht. Anfang der zweiten Halbzeit haben wir noch "Freier! Freier! Freier!" gebrüllt. Das wich dann einem "Du bist nur Auswechselspieler!" und dann den Pfiffen. Mit Freier kommt Schwung. Ecke für Bayer, Kopfball Roque Junior, van Duijnhoven hält. Riesenchance Voronin - wieder van Duijnhoven. Es wird eng. "Wir haben den weltbesten Torwart! Weltbesten Tooooorwart!" Auch den Sprechchor können wir noch. Konter über Maltritz. Kläglich vergeben. Konzentriert Euch!!!! Mitfiebern, mitbangen. Leverkusen drückt. Drängt. Schönes Wetter, tolles Spiel, viele Torszenen, hohes Tempo. Zu hoch. Drei Minuten noch. Juan setzt sich durch. Schuss. Van Duijnhoven pariert, RETTE DOCH EINER, KALLA, KNAVS, WO SEID IHR??????? Voronin staubt ab. 2:2. Unglücklich. Gibts nicht. Vorsprung verspielt. Gleich zweimal. Nur ein Punkt. Zu wenig.
Dabei bleibts. Mit meiner rechten Hand wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Und ich hab mir Gedanken darüber gemacht, ob in mir überhaupt noch dieses Fußball-Fan-Feuer lodert. Ich habe mehr Lust denn je auf den VfL, auf diese Mannschaft, auf den UEFA-Cup, auf das Ruhrstadion, auf Torjubel, auf dieses ekstatische Gebrüll! Dieses Spiel war klasse. Okay, nur einen Punkt hats gebracht, aber das Ergebnis ist nach dieser Leistung uninteressant. Bayer hat sich durch die Chancen den Punkt auch verdient. Thommy meldet sich aus Trier. Auch er ist zufrieden. So werden wir niiiemals in Abstiegsgefahr geraten. Niemals. Jetzt haben wir schon zwei von 40 Punkten. Nur: Wie formulier ich das jetzt? Zweimal nicht verloren oder zweimal nicht gewonnen. Luxusprobleme. Im City-Grill klingt der Nachmittag beim Manta-Teller und ner Flasche Cola aus. Ich treffe Stephan, den Straßenbahnfahrer aus Mülheim, der mit einem "Dynamo-Berlin"-"Fan" unterwegs zu sein scheint und mir ne Karte für das Düsseldorf-Pokalspiel nächste Woche anbietet. Gut, dass ich so viele Leute kenne. Helmut und Alex sind zufrieden. Schönes Wetter. Knackig braun geworden.
Und ein gutes Fußballspiel gesehen.
Ein verdammt gutes.
Das spannender war als Tontaubenschießen.
Um viele viele viele viele viele Längen.
 
Studie Da kommen sie! Posts Sonnenbrille
Stadion-Studie: Rechts oben auf der Videowand ist das Interview zu sehen, das links in der Mitte (ganz klein) zwischen Stadionsprecher Mirko und unserem Fanbeauftragten Moppel geführt wird. Und die ganzen Chaoten mittendrin sind VfL-Fans 50 Minuten vor dem Anpfiff. Der Finger zeigts an: Daaaa kommen die 22 Spieler und drei Schiedsrichter. Posts Sonnenbrille lügt nicht: Blick in die VfL-Ostkurve.
Torjubel Spielszene Tor durch Christoph Preuß!
Heimtor Nummer eins in dieser Saison: Der Jubel wird immer noch größer von Saison zu Saison. Verursacher: Vratislav Lokvenc! Spannende Spielszene... Bayer-Torwart Butt in Erwartung einer gefährlichen VfL-Standardsituation. Toooooor Nummer zwei: Was Christoph Preuß in Minute 74 geschafft hat, bejubeln die Spieler, und wir Fans beobachten das - na klar - auf der neuen Videowand.

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Fortuna Düsseldorf - VfL Bochum 1:3 (21.8.2004; DFB-Pokal: 1. Runde)

Eigentlich wollte ich da doch gar nicht hin...

Der ElfmeterUnd wieder ein Elfmeter, und wieder Madsen, diesmal zum 2:1

Dat is wie Medizin

Die Spieler laufen einHinter Gittern: Die Spieler beim Einlaufen

Der Korrespondent dieser Homepage hat auch für das DFB-Pokalspiel einige Fotos und einen kurzen Text abgeliefert.
Und der geht so:

Eigentlich wollte ich mir dieses Spiel nicht angucken. Eigentlich wollte ich nicht an diesem Samstagmittag mit dem Zug nach Düsseldorf fahren. Eigentlich war das Wetter auch ziemlich mies. Eigentlich hatte ich leichte Kopf- und Bauchschmerzen. Eigentlich hatte ich mein Kommen für einen Termin, der zeitgleich zum Pokalspiel lag, aufgrund der Bauchschmerzen schon abgesagt. Eigentlich waren alle 800 VfL-Karten sowieso schon langelangelange ausverkauft.
Wäre da nicht das spontan wiederholte Versprechen von Stephan, dem Straßenbahnfahrer gewesen, mir kurzfristig wirklich noch ne Karte zukommen zu lassen.
Zeitsprung.
Es ist eng im Stadion.
Pünktlich zum Anpfiff sind wir da. Ich bekomme aufgrund der Sichtverhältnisse nicht viel mit. Stephan sieht insgesamt nur maximal fünf Minuten von dem Rumgekicke. Ansonsten latscht er in der Kurve hin und her oder hält sich am Bierstand auf. Die Zeit vertreiben wir uns mit dem Aufzählen von möglichen UEFA-Cup-Gegnern oder mit den Geschehnissen auf den Tribünen. Im Fortuna-Block prügeln sich Fans untereinander. Auf der Gegentribüne geraten Fortuna- und VfL-Fans aneinander, und die Polizei stürmt dazwischen. "Früher", erzählt Stephan, "früher ist das hier immer richtig rundgegangen." Portugal? England? Hearts of Midlothian in Schottland? Moskau im September? "Hömma, da musse schon mit Schneeketten hinfahren", meint Stephan. "Außerdem musse aufpassen, wer da der Pilot is. Nich, dasse mit dem kurz vor dem Abflug noch Karten gespielt und Wodka getrunken has. Kann doch passieren..." Israel? "Nee, da fahr ich nich hin. Das wär das einzige Auswärtsspiel, was nicht sein muss". Stephan hat schon alles hingebogen. Jeden einzelnen UEFA-Cup-Termin geblockt. "Zu meinen Arbeitskollegen habe ich gesagt: Gebt mir lieber frei. Ansonsten bin ich ne Gefährdung für die Fahrgäste. Außerdem werd ich dann nicht krank. Dat is wie Medizin." Sogar das Finale am 17. Mai 2005 in Lissabon ist gebucht. "Ich bin Fanclub-Mitglied. Wenn es um Auswärtsfahrten geht, denk ich an dich." Schön, Leute zu kennen. Es ist lustig in Düsseldorf. Vor allem, weil Stephan weiter von seiner langen langen Fan-Karriere beim VfL erzählt.
Es ist nur ein durchschnittliches Spiel. Und eigentlich will ich mir ohnehin nur die obligatorisch knappe 1:2-Pokalpleite abholen.
Und am Anfang ist alles auch wieder so pokalpeinlich wie eh und je. Knavs lässt den Ball unter dem Schlappen durchrutschen. Podszus ist auf einmal ganz frei und schießt das 1:0 in Minute sieben. Unsere finden überhaupt nicht ins Spiel, lassen noch zwei gefährliche Fernschüsse zu. Kein Leben drin, keine Laufbereitschaft, viele vermeidbare Fehler. Und es scheint nicht einmal jemanden zu stören. Neururer sitzt ganz ruhig auf der Trainerbank. Uiuiuiuiuiuiuiui. Gedanken über Fortuna. Vor sieben Jahren noch 1. Bundesliga. Und dann runtergewirtschaftet. Beispiellos. Bis in die viertklassige Oberliga ging der Aufzug. Und das in dieser Stadt. Mit diesen Möglichkeiten. Am Rhein entsteht eine der modernsten Multifunktionsarenen Europas. Wofür? Für viermal Rheinfire im Jahr und wenigstens wieder Regionalliga. Das Spiel gegen den VfL ist für Fortuna das "Spiel des Jahres". Unglaublich. Nur zwischen der 25. und 60. Minute übt unsere Mannschaft Druck aus. Das reicht für ein paar Ecken, gefährliche Standardsituationen und drei Tore. Madsen köpft eine Bechmann-Flanke ein und verwandelt einen Elfmeter nach einem Foul an Bechmann. Lokvenc verwandelt in der zweiten Halbzeit eine Madsen-Vorarbeit zum 3:1. Danach schleppen unsere Blau-Weißen den Sieg müde nach Hause. Sprechchöre sind selten. Kein Wunder. "Glanzloser Arbeitssieg der abgebrühteren Mannschaft" wird dieses Pokalspiel bestimmt in den verschiedensten Zeitungen betitelt. Und es ist nicht falsch. Ein schmucklos-schmuddeliger Nachmittag geht zu Ende. Gewonnen bei einem Amateurverein. Hurra. Ernst genommen hat dieses Spiel glaube ich keiner. Und es hat dennoch gereicht.
Pünktlich zum Abpfiff stürme ich aus der Kurve und sofort Richtung Mülheim.
Die Bauchschmerzen sind weg. Stephan hat Recht: wie Medizin...
 
Stephan Gegentribüne! Haupttribüne!
Stephan, der Straßenbahnfahrer! Paul-Janes-Stadion am ganz oft "altehrwürdig" betitelten Flinger Broich, Teil 1: Die Gegentribüne mit zusätzlichen Sitzplätzen. Der Pokalsieger von 1979 und 1980 hat zurzeit eine etwas kleinere Heimat... Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich, Teil 2: Die Haupttribüne. Lob für die Halbzeitmusik: mit der griechischen Sirtaki und "Auswärtsspiel" von den Toten Hosen.

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Arminia Bielefeld - VfL Bochum 1:2 (28.8.2004)

WelleDiese Bilder kennt Ihr alle...

Buckley in Manchester, Daniel sagt Ja, zweimal Thommy und Dirk in Triers Café Lübke und Andi erlebt einen Saisonstart zum Anbeißen in Ostwestfalen

Peter Neururer!... und er hat auch immer Spaß beim Abfeiern!

Wir tanzen durch die Liga

Die Anzeigetafel!Herr Lehrer, ich weiß was... Bochum hat nämlich gewonnen!

Also dann, Spiel Nummer 258. Schon 257-mal gelitten, geschwitzt, gefroren, gejubelt, geweint, gelacht. 257-mal. Der Text auf meiner Homepage ist schon angelegt. "folgt" steht an der Stelle, an der jetzt diese Zeilen zu sehen sind, als ich die Bagger, die derzeit meine Wohnstraße in Mülheim verunstalten, hinter mir lasse. 257-mal. 257-mal verschieden gelaunt. Gut. Schlecht. Mies. Super. Überdreht.
Bielefeld ist um die Ecke. Na gut, im Vergleich zu so manch anderer Auswärtsfahrt in den letzten zwei Jahren - im Vergleich zu Kaiserslautern, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, München, Rostock undundund. Bielefeld... das ist ein Auswärtsspiel am Samstag um halbvier, und ich kann trotzdem bis 10.30 Uhr schlafen. Ja wo ist denn da der Witz? Aber auswärts bleibt auswärts, und auswärts sind die Einflüsse auf die Stimmungslage des Fußballfans Andi noch wirksamer. "Einflüsse?" werdet Ihr fragen; und "Einflüsse!!!" werde ich antworten. Mit drei Ausrufezeichen. Denn - Achtung, jetzt kommt ein Fußballfan-Exkurs! - es gibt gleich vier davon, die zeilenlang zu erklären sind, dann aber in zwei Worten münden. Wie sehen die denn wohl aufgeschrieben aus? Ich sinniere darüber, als ich um 12.05 Uhr in Essen in den Intercity Richtung Leipzig über Ostwestfalen einsteige, schnappe mir meinen Block, und beginne zu notieren. Der erste Einfluss trägt den Namen "äußere Bedingungen", liegt in der Wertigkeit bei etwa 15 Prozent. Dazu zählt das Wetter (heute durchwachsen) sowie der Fitnesszustand (ein bisschen müde, aber sonst geht´s) und so´n Zeug. Dieser erste Einfluss geht dann direkt über in den zweiten, nämlich die individuelle Termin- und Stresssituation, die doch eine Menge des "Fußballgenusses" (bei mir zumindest) ausmacht (hatte ich schon erwähnt, dass die Gewichtung der Einflüsse von Fan zu Fan wechselt?). Termine also. Stress. Bei mir steht ein großer Urlaub vor der Tür. USA. Drei Wochen. Alleine. Das allein bringt schon Stress. Seelischen zum Beispiel. So langsam beginnt die Nervosität. Der heutige Ausflug ist der letzte große vor dem Flug. Und deshalb besonders wichtig? Ich weiß es nicht. Wir fahren gerade am Dortmunder Hauptbahnhof los, als ich meinen Griffel beiseite lege, durch das Zugfenster in den wolkenverhangenen Himmel blicke, "Slave to the wage" von Placebo höre, und meine Gehirnmaschine auf "full power" stelle. Dies heute ist mein letztes VfL-Spiel für vier Wochen. Vier (!) werde ich verpassen, weil ich durch Boston, New York, Philadelphia, sogar Washington laufe. Ich fahre zum Auswärtsspiel des Auswärtsspiel wegens. Diesmal. Der Gegner ist völlig schnuppe. Und wird es das Ergebnis auch sein? Einflusspunkt drei sind die Erfahrungswerte mit der jeweiligen Stadt. Wenn Du zum ersten Mal in einer Stadt, in einem Stadion bist, dann bist Du automatisch ein wenig aufgedrehter - weil alles neu ist, weil du dich in einer ungewohnten Umgebung daneben benimmst - aber Bielefeld? Zum vierten Mal bin ich bereits auf der Alm, dies ist bereits der vierte Spielbericht über ein Match gegen die Arminia auf dieser Homepage (ehrlich!), und in der Stadt Bielefeld war ich auch außerhalb des Fußballs schon häufiger. Lange Rede: So richtig schlecht wars bisher eigentlich nur einmal; im April 2002, als diese Seite noch in den Kindergarten ging. Bliebe noch der vierte und letzte Einflusspunkt, den ich kurz vor Gütersloh Hauptbahnhof um 13.03 Uhr in meinem Block verewige; mittlerweile stirbt in meinem Discman "Grace Kelly" im gleichnamigen Ärzte-Song. Es ist die aktuelle Situation deines Klubs, bei mir also der VfL, die auf deine Laune drückt. Gestern war die UEFA-Pokal-Auslosung. In der ersten Runde geht es nach Lüttich. Ich bin saufroh, dass das Rückspiel im Ruhrstadion ist - dann kann ich da auch hin. "Uuuuuuuefa-Cup - und wir ham das blau-weiße Licht bei der ... " - wer ist da schon Bielefeld? Am Donnerstag, also vor zwei Tagen, besuchte ich im Fiege-Open-Air-Kino in Bochum die Premiere der VfL-Dokumentation. "Wer braucht schon ein Sektfrühstück bei Real Madrid?" Meine Passagen hat Filmemacher Ben alle rausgeschnitten, aber das hatte ich ja schon im Februar befürchtet. Eine sehr spannende Selbstreflexion. Nachdenken über unsere Gruppe selbst. Anderen Fans zuhören. Ob wohl von den 2500, die in Bielefeld mit dabei sein werden, auch welche den Film gesehen haben? Von den Ultras? "Nächster Halt Bielefeld Hauptbahnhof" säuselt die Stimme aus dem IC-Lautsprecher, als ich zwei gerade Striche unter den ganzen Kladderadatsch auf zwei Block-Seiten ziehe. Und es zusammenfasse: "melancholisch-genießend" ist meine Laune.
Eigentlich gibt es heute nicht nur einen interessanten Schauplatz. Nicht nur die Alm. In Trier, im Café Lübke, haben sich drei ehemalige Mülheimer versammelt, nämlich mein Bruder Thommy und seine beiden Schulkollegen Thomas (jetzt Köln) und Dirk (jetzt München, der VfL-Fan, der immer den sms-Ticker von mir kriegt). "Wir sitzen im Cafe Lübke, reden Unsinn und lassen den lieben Mann einen guten Gott sein. Schenk uns einen Dreier!", funkt Dirk schöne Grüße rüber, und ich kann mir bildlich vorstellen, wie das ausschaut. Wenn dieses Trio innerhalb eines Quadratmeters beieinander hockt, dann bleibt kein Auge trocken, kein Glas leer und keine leere Phrase unbenutzt. Wenn Horkheimer und Adorno die Frankfurter Schule sind, dann sind die drei die Mülheimer Universität. Und da wäre noch ein dritter Schauplatz, nämlich Mülheim-Heißen. Mein Kumpel Daniel, VfL-Fan und früher mein Fußball-Mitspieler, heiratet. Bei seinem Polterabend durfte ich vor einer Woche dabei sein - aber für die Kirche musste ich absagen. "Man muss Prioritäten setzen", erkannte Daniel und nickte zustimmend. Er war mir nicht böse. Vor allem, als ich ihm noch drei Punkte versprach.
Enjoy it. Enjoy the trip. Noch eine Woche bis Boston. Bis Amerika. Ein paar Dollarnoten liegen schon zu Hause, zum "Urlaub füüüühlen", doch jetzt ist Bielefeld Alltag. Aber was ist schon BIELEFELD im Vergleich zu New York City? Weder in meinen letzten Texten noch bei den bisherigen Auswärtsspielen habe ich je ein Wort über die Stadt Bielefeld verloren. Hmm... das mag System gewesen sein, könntet Ihr sagen, und damit lägt Ihr auch nicht so falsch. Aber bisher habe ich mir (außer einem Ausflug zur Uni) auch noch keine Zeit "downtown" gegönnt. Also stapfe ich die Bahnhofstraße entlang, Richtung Fußgängerzone (Herforder Straße heißt die wohl), Richtung Rathaus, Stadttheater - immer mit einem Blick im Baedeker. 325.000 Einwohner hat Bielefeld. Und was sind die Wahrzeichen? Eine gewisse Sparrenburg, die Anstalt Bethel, der Teutoburger Wald und die Arminia, die den traurigen Rekord hält, der Rekord-Aufsteiger zu sein (dieser Begriff impliziert geradezu, dass die Arminia genauso oft abgestiegen sein muss - also NOCH HÄUFIGER als der VfL!!!). Zweimal bin ich mit einer Gruppe des CVJM Bielefeld zu ner Freizeit nach Dänemark mitgefahren, zudem wohnten Freunde eine ganze Zeit lang dort. Ja, ich habe ein paar Erinnerungen an Ostwestfalen; doch die einprägendste war die Klassenerhalts-Party vor anderthalb Jahren. Ein Wahnsinnserlebnis. Ich denke dran zurück, als ich am Jahnplatz die Samstagseinkaufsmasse beobachte. Plötzlich klopft mir jemand auf die Schulter. "Ey, wo isn Vodafone?", fragt jemand, und ich erschrecke. Erstens scheint er mich für einen Bielefelder zu halten (ich trage meinen VfL-Schal noch nicht), zweitens für jemanden, der weiß, wo VODAFONE ist. Das bestürzt mich. Denn ich will nicht für einen Bielefelder gehalten werden. Bielefeld ist eine Wohnstadt, eine Stadt ohne jeden Höhepunkt, ohne jeden Reiz. Fast wie Mülheim. Nur fast doppelt so groß. Doppelt so viel Tristesse. Hilfe. Die Uni beschert der Stadt wenigstens ein paar hübsche Gesichter. Oléolé!
Wenigstens ist die U-Bahn-Anbindung zur Alm (oder neuerdings "Schüco-Arena", auch die Arminia hat diese Vermarktungsform entdeckt) ganz gut. Ich spaziere und spaziere vom Bahnhof "Oetker-Straße" oder so ähnlich, mittlerweile ist es 14.10 Uhr, als ich von weitem ein Riesenmenge höre. Hilfe, hilfe, hilfe, der Sonderzug ist da. Angeführt von ein paar Polizeiwagen stürmen Hunderte von VfL-Fans, ganz vorn die Ultras mit ihrem Megafon-Mann, Richtung Stadion. Ich erhöhe meine Schrittfrequenz, schieße ein Bild, und bin vor allen im Stadion. So langsam ist die Info in meinem Hirn angekommen, dass ich erst am 26. September wieder die Jungs sehen werde. Der Angstschweißfaktor ist höher als in Berlin, als gegen Leverkusen und erst recht als in Düsseldorf. 0,4 Liter Apfelschorle verschwinden in Sekundenschnelle in meinem Körper, und - scheiße - die Sicht von der Stehplatztribüne ist immer noch beschissen. Eingepfercht in einen Käfig, und vom Rest abgetrennt mit einer Plexiglas-Fangzaun-Konstruktion, ist eins der beiden Tore überhaupt nicht zu sehen. Gut, das Stadion ist sonst nicht schlecht, da es noch "wahre" Fußball-Atmosphäre ohne den ganzen Arena-Schnickschnack bietet, aber für Gästefans ists nun wirklich eine Zumutung. So voll wie in den letzten Jahren wird es nicht, nur gemächlich füllt sich die Alm. 18.600 kommen; glatte 8.000 (!!) weniger als bei den letzten beiden VfL-Spielen hier. Da ging es halt um viel mehr; erst um den Aufstieg, dann um den Klassenerhalt. Und jetzt steht lediglich "3. Spieltag" über der Tabelle.
Zeit, um an Fußball zu denken. Hab heute lange gebraucht, wie ich grad merke. Merke? Merkt Ihrs? Lust am Formulieren, Lust am Schildern. Melancholisch-genießend. Die vier Einflussfaktoren. Ist alles erklärbar? Daniel und seine Freundin/Jetzt-Frau Inske machen sich gerade hübsch, das Triersche Trio bestellt sich ein Käffken (oder doch ne Pulle Wein?), als die Spieler um 15.28 Uhr den Rasen betreten. Neururer setzt zum dritten Mal auf die gleiche Mannschaft. Mensch, das muss doch einen Start zum Anbeißen geben. Zwei Unentschieden bisher, schön und gut. Aber das hier ist BIELEFELD, der ABSTEIGER NUMMER EINS. Da fährt man hin, gewinnt, und ab dafür (es ist immer noch ungewohnt, dies als VfL-Bochum-Fan schreiben zu müssen - und es wird immer ungewohnt bleiben). Wir sind der glasklare Favorit. Auf der anderen Seite trägt einer die "Nummer 7", den ich über 100-mal im VfL-Trikot hab spielen sehen. Delron Buckley, das selbstverliebte Genie. "Der macht bestimmt das Spiel seines Lebens", brüllt einer von hinten. Während der Woche hat er den ganzen Verein ziemlich übel beschimpft; gut angekommen ist das wahrlich nicht. Erst kommt die "Buckley, du Arschloch!"-Nummer. Hinterher wirds kreativer: "Buuuuuckley spielt bei Manchester!!!!!", hallts gleich mehrfach als Anspielung auf seine ursprünglichen sportlichen Ziele. Wie immer in Bielefeld zündet irgendjemand eine Rauchbombe, und schon nach wenigen Spieltakten wünsche ich mir, auch die Spieler hätten mitten im Nebel gestanden. Von dem Rauch wären sie wenigstens geweckt worden. Benebelt vom europäischen Los scheinen unsere Jungs zu sein. Dieses Spiel ist zu Beginn das beste Beispiel für das Bild "den Schneid abkaufen". Keiner will sich verletzen (vermutlich, um in Lüttich dabei zu sein) und spielt nach dem Motto "lieber einen Zweikampf mehr verlieren als gewinnen." Die Arminia hingegen läuft mit der Moral eines Aufsteigers auf. Owomoyela schießt drüber in der achten. Küntzel steht gaaaaaanz frei und schiebt die Kugel vorbei (puuuuuuh, durchatmen) in der vierzehnten; und jawoll unser Delron Buckley trifft auch nicht genau und scheitert. Und das in Minute 20. "Buuuuckley spielt bei Manchester!" Es läuft wenig. Positiv ist lediglich mein letztwöchiges Sorgenkind Knavs. Der holt heute sehr viele Bälle. Maltritz dagegen? Schwach! Auch Lokvenc, Preuß, Madsen, Wosz: nicht zu sehen. 30 Minuten um, null Chancen. Doch dann Tor. 0:1. Wer? Keine Ahnung. Wie? Weiß nicht. Durch das Plexiglas habe ich nix gesehen. "Der Zdebel", meint einer links hinter mir, und das auch noch zwei Minuten später. Eine direkte Ecke. Zwei Chancen, zwei Tore - so war das in Berlin. Null Chancen, ein Tor: So ist das heute. So ein Wahnsinnsglück. Kurze Zeit später fischt Rein van Duijnhoven einen Freistoß von Skela aus dem Winkel. Unsere Halbzeitführung ist unverschämt.
Was weiß ich, worüber sich die drei in Trier gerade unterhalten haben, als ich ihnen die Halbzeit-sms geschickt habe; keine Ahnung, was Daniel gerade denkt, als um 16.30 Uhr die zweite Halbzeit beginnt; ich weiß nur, dass ich zittere. 1:0. Das geht niemals gut, wenn die so weiterspielen. Neururer wechselt nicht aus. Bielefeld auch nicht. Die Stimmung ist nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Das Spiel gibt es nicht her. Es ist sportlich bei weitem nicht hochklassig, dafür aber spannend - und es hat Derbycharakter. Zum Beispiel in Minute 63. Preuß rangelt mit Hain; beide kriegen Gelb. Aber halt. Der Preuß hatte doch ... GELB-ROT! "Rot" in Verbindung mit dem VfL Bochum? Das geht? Unser erster Platzverweis seit Sesis "Ampel" beim Aufstiegsspiel in Aachen. Ich sehe meinen Saisonstart zum Anbeißen akut in Gefahr. Ich sehe mein Hochzeitsgeschenk für Daniel und Inske in Gefahr. Erst spielen wir schlecht, nun noch in Unterzahl... zum Glück haben wir unseren Torwart, zum Glück haben wir Kalla und Knavs. Bielefeld schraubt das Eckballverhältnis auf 13:2; eine fantastische Bilanz. Dazu pfeift Schiedsrichter Fleischer doch ein wenig zu viele Freistöße für die Arminia - und zu wenig für uns (das finde ich ungerecht, aber im Fanwahn kann selbst ich Schiris nicht wirklich objektiv bewerten). Ein Dutzend Mal gibt es rund um den Elferpunkt ein Riesen-Spielergewusel. Neururer wechselt. Wosz raus, Diabang rein. Unser 4-2-1-3-System ist völlig durcheinander. Es ist wie ein Spiel in den 70ern. Zehn Mann hintendrin, und einfach nur die Pille rausbolzen. Dann schießt Buckley, in der 81. - van Duijnhoven pariert super. "Wir haben den weltbesten Torwart! Weltbesten Toooooorwaaaaaaaaaaaaaart!" Daniel und Inske schreiten grad Richtung Altar - und ich sprinte der Tod-durch-Herzinfakt-Pforte näher. "Und?", fragt mittlerweile auch mein Stadionkumpel Gerd per sms; und ich fühle mich als lebender Infopoint. Es reicht für uns. Es reicht für uns. Es reicht für uns. Ecke für Bielefeld, die dreizehnte. Buckley. Tor. 1:1. So, wie Delron Buckley Tore zu schießen pflegt. Anstandslos in den Winkel. Ein Tor Marke "traumhaft". Was für ein Geschoss. Zwei Minuten vor Schluss. Keine Frage, es ist verdient für Bielefeld. Aber so ärgerlich. Ein Kampfspiel, und dann ohne Happyend? Noch ist nicht Schluss. Letzte Szene. Freistoß für uns. Zwetschge Misimovic. Laaaange Flanke (vermutlich sagt Daniel grad in diesem Moment "Ja" und die drei in Trier stoßen mit nem Gläschen Sekt an), Kopfballvorlage Meichelbeck - DIAAAAABAAAAAANG, TOOOOOOOR! Das gibt es nicht! Das gibt es nicht! Das gibt es nicht! "Den Papst in der Tasche haben", lautet das passende Sprichwort für diese Situation. Unfassbar, dieses Glück. Unfassbar, dass wir dieses Spiel gewinnen. Dann der Abpfiff. Der Start zum Anbeißen ist perfekt. Fünf Punkte aus drei Spielen - damit kann ich leben. Nur noch 35 bis zum Klassenerhalt. Die Partybilder werden zur Legende, immer mehr und immer mehr. Wir alle - Fans, Spieler und Trainer - genießen sie von Punkt zu Punkt, von Sieg zu Sieg intensiver. Die Welle. Die "WIR WOLLEN EUCH TANZEN SEEEHEN!"-Rufe, die Tänzer auf dem Rasen, die "Peeter-Neururer-schalalalalala"-Rufe. Ich könnt nie genug davon kriegen.
Wie es angefangen hat, so hört es auf. Eine Riesen-Polizeieskorte geleitet uns sicher zum Hauptbahnhof. Na toll, so stelle ich mir auch das Lüttich-Spiel vor. Du hast keine Chance, auch nur den geringsten Fetzen der Stadt zu sehen, nur damit sich kleinste Teile der Fanbewegungen nicht gegenseitig verprügeln. Das ist kein beruhigendes Gefühl. Beruhigt, melancholisch und genießend gebe ich derweil im Regionalexpress ab 18.01 den Bochumer Spielern meine persönlichen Noten. Van Duijnhoven 2, Colding 4, Kalla und Knavs 2,5, Bönig 3,5, Maltritz 4,5, Zdebel 3,5, Wosz, Preuß, Lokvenc, Madsen jeweils 4,5. Ob es der Kicker ähnlich sieht? Am Vierertisch nebenan pokern vier Jungs um Geld. Im hinteren Teil des Waggons feiert eine besoffene Mädel-Gruppe einen Junggesellinnen-Abschied feucht-fröhlich. Es ist eine anderthalbstündige Gutelaunefahrt zwischen VfL-Fans und den gackernden Frauen.
Ich setze mir meinen Kopfhörer auf, höre "Extreme ways" von Moby, und verabschiede mich für vier Wochen.

Viele Grüße an Daniel, Inske und die drei Herren in Trier!
 
Bielefelder Rathaus Jahnplatz Ultras im Anmarsch
Das "ich-hab-einen-auf-Sightseeing-gemacht"-Beweisbild: Bielefelds im Beadeker nicht extra erwähntes (und vermutlich nicht weiter wichtiges) Rathaus! Und damit auch genug von Bielefeld: Der Jahnplatz irgendwo am Rande der City. Und was geht so vor dem Stadion ab, etwa gegen 14.10 Uhr? Der Sonderzug mit den Ultras ist im Anmarsch, begleitet von Massen an Polizisten. Es ist eine bizarre Szene. Der Megafon-Mann (Mitte) bittet seine Mitstreiter zum Gesang, flankiert von grünen Männern. Was soll ich davon halten?
Einmarsch im Nebel Die Sitzplatz-Tribüne! Er schaut tatsächlich aufs Spielfeld...
Einmarsch im Nebel: Die Bielefeld-obligatorische Rauchbombe beim Auflaufen der beiden Mannschaften. Und auch das wie gehabt: Andi steht in der Kurve, die restlichen Bochumer sitzen und sehen etwas besser. Dieses Bild ist deshalb so besonders, weil dies der einzige Moment ist, in dem der "1-2-3-Oberkörper-frei"-Typ aufs Spielfeld geguckt hat.
Toooooooooor! Jubel nach dem Spiel! Und die Polizei ist immer dabei!
Tooooooooooooooooooooorrrrr!!!! Unfassbar, unglaublich, unverschämt... 2:1, und der Schiedsrichter pfeift nicht mal mehr an. Abpfiff: In der Mitte tanzen Lokvenc, van Duijnhoven (verdeckt) und Bönig. Der Held des Abends Diabang ist schon müde vom Tanzen! Und es endet, wie es begann: Mit einer begleitenden Polizei-Eskorte!

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VfL Bochum - SV Werder Bremen 1:4 (25.9.2004)

Unsere Heeeeimaaat...Unsere Heimaaaat... unsere Liiiiiebe!

Das mehr als verpatzte Vorspiel für die große UEFA-Cup-Sause am Donnerstag

Scheiße...Wär schön, wenn wenigstens DAS das Endresultat gewesen wäre!

Willkommen zu Hause

Zum Glück unscharf!Zum Glück ist das WIRKLICHE Endstandbild unscharf geworden!

Nein, Andi, nicht einschlafen. Nicht wegnicken. Drei Stunden noch; na gut, vier vielleicht mit dem Abendessen anschließend. Dann darfst Du endlich ins Bett. Endlich ins flauschig warme Deckchen sinken, im Palast der Träume versinken, die Augen werden schweeeeer... Nein, Andi, nicht einschlafen. Es ist alles so ungewohnt. Drei Wochen stapfte ich über amerikanische Bürgersteige. Über die von Boston. Von New York City. Von Philadelphia. Von Washington. Und nun ist mein Flugzeug kaum drei Stunden gelandet, und schon stehe ich im Ruhrstadion, reibe mir meine müden Augen. Weil sie müde sind, und weil ichs nicht fassen kann. Mensch, ich hab doch noch Urlaub. Aber neben mir all meine Stadionfreunde; Gerd, Krüger (der belustigt uns alle mit einem verbundenen und geschienten Mittelfinger, sieht superwitzig aus), aaaaah, da hinten kommt ja auch der Sam. Und meine ganze Familie ist auch dabei. Bochum gegen Bremen, das ist so eine Art Symbolspiel für die Ernstens. Das haben wir uns schon so oft gemeinsam angesehen wie kein anderes Spiel. Sie sind alle da, und doch blicke ich mich um, blicke in den "Unsere große Liebe"-Schal meines Vordermanns, und kanns nicht glauben. Vor nicht einmal 15 Stunden, Andi, da warst du 6000 Kilometer entfernt, hast am Dulles International Airport in Washington einen Doppelcheeseburger bei Burger King bestellt. Und nun hast du noch nicht mal so viel Hunger, um eine der leckeren Stadionbratwürste an deinem "Happy Place" zu ordern.
Luft. Stadionluft. Ich atme tiiiief ein, husthust, jaja, stimmt, hier wird ja deutlich mehr geraucht als in den USA. Nicht einschlafen, Andi... nee, so langsam gehts. "Was habe ich verpasst, Jungs?" Gespräche über das Dortmund-Spiel, das 2:2. Über die Pfiffe gegen Oliseh. "Bochum hatte nie einen besseren Spieler als mich", hat er gesagt. Großmäulig regen wir uns über diese anmaßende Unverschämtheit auf, und kleinlaut geben wir zu, dass er damit nicht ganz unrecht hat. Und doch hat er durch seine ganzen Interviews ziemlich viel Porzellan zerschlagen. Genug Oliseh. Diskussionen über den verschossenen Madsen-Elfer. Ich erzähle meine Geschichte, dass ich in New York grad in einem Internet-Cafe mit Pudelmütze saß - und keiner scheints zu glauben. Über Lüttich. Den UEFA-Pokal. Das Rückspiel, den Donnerstag. "Auf meiner Dauerkarte steht Block N", sagt Gerd. "Ich muss in den H-Block", fügt Sam hinzu. Na super, also werden wir drei am Donnerstag in den verschiedensten Ecken des Ruhrstadions Platz nehmen müssen. Thommy erzählt seine mehr als lustige Geschichte von und mit Anton Vriesde. Beim Spiel in Lüttich, bei dem Thommy mich glänzend vertrat, stand unser ehemaliges, an dieser Stelle oft und zurecht gewürdigtes Abwehrtalent direkt hinter meinem Bruder. Ein supergeiles MP3-Interview mit Extragrüßen an seinen größten Fan Sam und ein sensationelles Foto mit Thommy sind neben dem 0:0 das zweite Ergebnis dieses denkwürdigen Abends. Anton Vriesde. Tse, da stellt der sich in die Bochumer Fankurve, obwohl er mehr oder weniger sanft aussortiert wurde. UEFA-Cup. Am Donnerstag. Fünf Tage noch bis zum Spiel, an das ich auch in den Staaten oft denken musste. Eins der wichtigsten der Vereinsgeschichte. Und ich werde dabei sein. Fünf Tage. Nicht einschlafen Andi. Nicht einschlafen. Heute ist Bremen da. Die Vorspeise? Einspielen? Untergehen?
Mein Ziel ist ein anderes als bei allen anderen 258 VfL-Spielen meiner bisherigen Bundesligakarriere. Ich will einfach nur nicht einschlafen (um das zum 1000. Mal zu verdeutlichen, aufgrund des Jet-Lags BIN ICH ABER AUCH verdammt müde). Mein Bruder strahlt wie Manuel Andrack nach einem gelungenen Witz von Harald Schmidt, weil er mit einem "Thomas Ernst"-Schal rumläuft, den ich ihm bei ebay für einsfuffzig ersteigert habe. Mensch, das sieht aber auch zu geil aus. Die Bremer laufen sich warm. Frank Fahrenhorst wird gefeiert. "FAHNE!!! FAHNE!!!" "FAAAAAAHNE ist ein Boooochumer!!" Tja, der Mann ist das größte Problem, das wir bisher haben. Weil er nämlich nicht mehr das blau-weiße, sondern grün-weiße Trikot trägt. Meine Mum ist zum ersten Mal seit dem sensationellen Dortmund-Spiel wieder dabei; mein Dad war noch länger nicht mehr im Ruhrstadion. Sie schauen sich um. Hat sich was geändert? Jepp, die Anzeigetafel. Wir haben einen guten Stehplatz erwischt, alle können gut sehen. Es ist kurzweilig, genauso wie der Urlaub. Mein Gedanke streift nur kurz "Shrek 2", den Film, den ich mir im Flieger von Washington bis Amsterdam auf Niederländisch ansehen musste. Das ist erst ein paar Stunden her. Gestern, ja gestern wanderte ich noch durch Adams-Morgan, Georgetown, war in der Nähe des Weißen Hauses. Und nun? Andi, Urlaub ist vorbei, konzentrier dich auf Bremen. Ich hätte es mir leichter vorgestellt. Nach-Urlaubs-Melancholie?
Anpfiff. Vier Spiele verpasst. Vier Unentschieden verpasst. Noch keine Pflichtspiel-Niederlage in diesem Jahr kassiert. Bei uns spielt Bechmann erstmals von Anfang an. Neururer setzt auf die übliche 4-2-1-3-Taktik. Bremen ist nicht wirklich konstant gestartet, habe ich mir aus meinen Internetsessions in den USA gemerkt. Eine dicke Klatsche gabs zum Auftakt in der Champions League - und auch in der Bundesliga fluppts noch nicht richtig. Auf gehts. Stimmung ist solide. Bin wach. In der ersten Halbzeit passiert nicht viel. Aber auch nicht so wenig, dass ich den Jet-Lag spüren würde. Ich bin wach, gehe mit, klatsche mit, feuere mit an, reiße Witzchen mit meinen Kollegen, zum Beispiel über die komische Aufblasklapphandaktion des heutigen Tagessponsors (man, wie dumm), stelle fest, dass Gerd sehr spöttisch und eher schlecht gelaunt ist (warum eigentlich?), unterhalte mich mit Sam über seine wirklich interessierten Erfahrungen mit Washington. Er hat da mal ein Jahr gewohnt und ich ärgere mich tierisch, ihn nicht vorher nach seinen Eindrücken befragt zu haben. Unterhaltungen, Unterhaltungen, Unterhaltungen, zwischendurch ein Blick auf die Eltern, ob alles okay ist; und hoppla, Halbzeit. Vom Spiel hab ich gar nicht viel mitgekriegt.
Pause. Die Cheerleader kommen; "Rusty" nicht mehr. Der Darsteller der Lok aus "Starlight Express" sang vor dem Spiel irgendsoeinen Song, und das ganze Stadion hat gefeiert. Lokalpatriotismus heißt das wohl. Ich schwöre, ab sofort mehr auf das Spiel zu achten. Auf Taktik, auf Einzelkritik, auf Chancen. Andi, üüüüüüüben für die Arbeit, du musst wieder reinkommen in den Rhytmus. Aufpassen!! Aufpassen!! Aufpassen!! Wiederanpfiff. Bremen hat gewechselt. Klose spielt jetzt für den gelb-rot-gefährdeten Valdez. Ach ja, stimmt, da war doch in der ersten Halbzeit mal ein Spielergetümmel, aus dem der Valdez mit der gelben Karte hervorging. Stimmt ja. Und jetzt ist Pfeffer drin. Der VfL hat Mühe, das Tempo mitzugehen. Bremen lauert geduldig auf Fehler. Einen macht Zdebel in Minute 54. Konter, Borowski, 0:1. Maaaaaan, ich sags ja, Bremen ist unser Super-Angstgegner. Ich selbst hab nur gegen Bayern eine schlechtere Bilanz. Und von Sekunde zu Sekunde bin ich erschrockener. Der verletzte Madsen fehlt überall. Er fehlt als torgefährlicher Stürmer und vor allem als fleißiger Defensivarbeiter. In Minute 62 muss Wosz raus, nach einem Zusammenstoß mit Pasanen nach einem Kopf(!)ballduell. Ohne den ebenso fleißigen Wosz ist gar keiner mehr fleißig. Alle traben, behäbig, nicht engagiert genug, keine Kondition? Thommy lobt nicht einmal mehr seinen Lieblingsspieler Maltritz (der Name fiel in der von mir kaum beachteten ersten Halbzeit ziemlich häufig in meiner Umgebung). Die Viererkette ist doch eigentlich dieselbe wie im Vorjahr. Colding, Kalla, Bönig. Und Knavs statt Fahrenhorst. Macht es dieser eine Wechsel aus? Wir haben schon fast so viele Heimgegentore in drei Spielen wie in der kompletten letzten Saison...!!! Der Knavs wird nie mein Liebling. Die Ostkurve murrt, die Haupttribüne schon viel länger. Block A muss schon die Initiative ergreifen und laut "V-F-L! V-F-L!" brüllen. Bechmann spielt schwach, genauso Preuß. Und Lokvenc zieht sich den Unmut von allen zu. Gegen Ismael und Fahne Fahrenhorst gewinnt er keinen Zweikampf, nicht mal ein Kopfballduell. Und weil seine Spielweise sehr statisch und unbeweglich aussieht, bringt er nicht mal einen Pass an den Mann. Das ist schwach. Das ist wirklich schwach. Und die Erklärung, dass es gegen den Double-Gewinner des Vorjahres gilt, ist eine ziemlich dürftige.
65. Minute, Standardsituation. Vielleicht wieder so ein Krümeltor. Trojan flankt, Knavs köpft wunderschön... TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOORRRRRR! SCHALALALAAAAAAAAAAAAAlalalalalalalaaaaaaaaaaaa!!! Man, ist das unverdient. 1:1, ausgerechnet der Knavs, sollte es wieder zu einem Punkt reichen? Diese Standards reißen uns immer raus, und nach vier Spielen Pause feiere und brülle ich aus vollster Ekstase mit. Kaum ausgebrüllt, Gegenzug, Klose, 1:2. Und da war es wieder, diese Bremen-Krankheit. Der Rest ist eine Demontage. Gut, Kalla köpft nach Trojan-Freistoß aus derselben Distanz an die Latte, aber das ist die einzige Szene, in der wir überhaupt noch einmal die Mittellinie überschreiten. Das ist Aufgabe. Keine Arbeitsverweigerung, aber schon Lustlosigkeit. Bei uns gibts die nicht. "Und wir gewinnen, und wir gewinnen, und wir gewinnen am Donnerstaaaaaag!!!" Fünf Tage noch, dann zählts. "LÜTTICH KANN KOMMEN!!!!" 1:2? Egal! Klose setzt kurz vor Schluss sogar noch das 1:3 drauf. Macht nix, unsere Jungs denken halt auch schon am Donnerstag. Und jeder hat mal einen schlechten Tag. Ein paar VfLer wollen früher gehen. "Geeeeegen Lüttich wolln wir Euch nicht seeeeeehn!", hallts durch unser Rund, und bei manchen kommt die Botschaft an. Klose setzt sogar noch das mittlerweile verdiente 4:1 drauf, und bevor es eine Packung gibt, verzichtet der Schiedsrichter auf die eigentlich zwingend notwendige längere Nachspielzeit und pfeift lieber pünktlich ab. Eine Leistung der Marke "unter aller Sau", schwache Leistungsträger (bis auf van Duijnhoven und Wosz), mehr als dumme Fehler, und das gegen eine superstarke Bremer Mannschaft. Sollte uns die Doppel- und Dreifachbelastung doch schaden? Angst geht um im Ruhrstadion. Bei mir. Selbstgespräche. Im DFB-Pokal sind wir raus, in der Bundesliga erst ein Sieg nach sechs Spielen, und der war nicht einmal verdient. Stell dir vor, wir verlieren gegen Lüttich oder spielen nur unentschieden? Dann ist die ganze Saison schon am 1. Oktober total im Arsch!!! "Ach Andi, das war vielleicht gar nicht schlecht", meint Thommy. "Die haben heute gesehen, dass man nicht immer nur mit Glück und Standardsituationen weiterkommt. Das wird schon!" Ausnahmsweise bin ich pessimistischer als er. Sieben Punkte nach sechs Spielen - ziemlich wenig. Gerd und Sam haben fast fluchtartig den Ort des Debakels verlassen. Tief enttäuscht. Meine Eltern gehen mit einem Sack voll Erinnerung nach Hause und werden die heute Abend erst noch sortieren müssen.
1:4 gegen Bremen. Manmanman. Und dafür habe ich meinen Urlaub extra so ausgerichtet, dass ich am Samstagmittag wieder da bin. Ich hätte noch einen Tag bei 30 Grad in Washington verbringen können. Mit einem Sonnenbad vor dem Lincoln Memorial. Aber nein, ich bin dem gefolgt, was der Schal meines Vordermanns beschreibt: "Große Liebe!" Herzlich Willkommen zurück in Deutschland, Andi! Wenigstens bin ich nicht eingeschlafen... das Spiel war also nicht ganz nutzlos.
Fünf Tage noch.
Ab sofort zählt nur noch Lüttich. Nur noch Lüttich!!! Wir packen es. Wir packen es. Wir packen es. Ich bin ganz sicher.
"Und wir gewinnen - und wir gewinnen - und wir gewinnen am Donnerstaaaaaaaaag!"
Nervös bin ich schon jetzt.
 
Sie laufen ein! Saaauber, Rollerei! Rusty Thommy alias Thommy
Sie laufen ein... mein erstes Spiel nach vier Wochen Pause! Übrigens waren die freien Plätze dahinten die einzigen freien im Stadion! "Haaaaut drauf, Kameraaaaaaden!" Mit diesem Tumult rund um Rein van Duijnhoven und Nelson Valdez begann das Spiel richtig. In der Halbzeit sang die Lok "Rusty" aus "Starlight Express" - was überraschenderweise überragend gut ankam. Premiere: Thomas Ernst erstmals mit Schal im Stadion. Auf dem steht: Thomas Ernst...!

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VfL Bochum - Standard Lüttich 1:1 (30.9.2004 - UEFA-Cup, 1. Runde - RÜCKSPIEL)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 2, UEFA-Cup nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Hansa Rostock 0:1 (16.10.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 2 nachzulesen !

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VfL Bochum - Borussia Mönchengladbach 3:0 (26.10.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 2 nachzulesen !

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Hannover 96 - VfL Bochum 3:0 (30.10.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 2 nachzulesen !

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VfL Bochum - 1. FC Kaiserslautern 1:1 (6.11.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 2 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Bayern München 1:3 (14.11.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 2 nachzulesen !

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FSV Mainz 05 - VfL Bochum 1:0 (20.11.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfL Bochum - 1. FC Nürnberg 3:1 (27.11.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfB Stuttgart - VfL Bochum 5:2 (4.12.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 3 nachzulesen !

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VfL Bochum - Hamburger SV 1:2 (11.12.2004)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 3 nachzulesen !

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MSV Duisburg - VfL Bochum 0:0 (16.1.2005, Benefizspiel für die Flutopfer in Südostasien)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 4 nachzulesen !

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VfL Bochum - Hertha BSC Berlin 2:2 (23.1.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 4 nachzulesen !

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Bayer Leverkusen - VfL Bochum 4:0 (29.1.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 4 nachzulesen !

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Borussia Dortmund - VfL Bochum 1:0 (12.2.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 4 nachzulesen !

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VfL Bochum - SC Freiburg 3:1 (19.2.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 4 nachzulesen !

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Werder Bremen - VfL Bochum 4:0 (26.2.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Schalke 04 0:2 (5.3.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - VfL Wolfsburg 5:1 (19.3.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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Borussia Mönchengladbach - VfL Bochum 2:2 (3.4.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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VfL Bochum - Hannover 96 1:0 (9.4.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 5 nachzulesen !

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FC Bayern München - VfL Bochum 3:1 (23.4.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - FSV Mainz 05 2:6 (30.4.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 6 nachzulesen !

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1. FC Nürnberg - VfL Bochum 2:1 (7.5.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - VfB Stuttgart 2:0 (14.5.2005)

... ist im VfL-Tagebuch 2004/2005 - TEIL 6 nachzulesen !

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am 8.5.2005
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