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MSV Duisburg - VfL Bochum 0:2 (9.11.2007)
Weil's so lange her ist: Auswärts "Mein VfL" singen. Super.
Ein wichtiger Sieg für mich persönlich im Mini-Revierderby. So laut war das "So gehn die Bochumer" seit einem halben Jahr nicht mehr
"So gehn die Bochumer", "Humba", "La Ola" - das volle Auswärtssieg-Programm
Orangene Revolution
Als ich um 5.05 Uhr die Haustür
aufschließe, liegt schon die aktuelle WAZ im Hausflur. Bücke
mich, soweit das nach einem solch anstrengenden 21-Stunden-Tag noch funktioniert,
und studiere die Schlagzeile. "VfL hält Distanz zu Abstiegsrängen"
steht da. Bin vom Schauspiel ganz verzückt, dass keine sieben Stunden
nach dem Abpfiff schon druckfrisch die Zeitung auf dem Tisch liegt - aber
hey, jeder sollte seinen Beruf lieben, gell? Meine Laune ist so gut, mich
würde in diesem Moment alles verzücken. Schmeiße trotz
aller Müdigkeit noch meinen Laptop an und schaue auf alle Internetseiten,
die mir das Ergebnis noch einmal verdeutlichen: Bild, Kicker, Spiegel.
Spiegel-Online schreibt: "Bochum verstärkt Duisburgs Krise". "Holzfäller
Imhof haut MSV um", titelt Bild im Haupttext, "Imhof und Bechmann erledigen
MSV" im speziellen VfL-Text. "Ein Sieg der Effektivität", meint unser
Trainer im Kicker. Unsere vereinseigene Homepage bleibt ganz, ganz nüchtern:
"VfL gewinnt in Duisburg", steht da. Nüchtern sollten wir dieses objektiv
durchschnittliche Bundesligaspiel betrachten. Aber es fällt schwer,
so schwer. Denn so gut klang das "So gehn die Bochumer, die Bochumer gehn
so" seit einem halben Jahr nicht mehr.
Ihr wisst gar nicht, wiiiiiiiie
lang ich auf dieses verdammte Spiel gewartet habe. Scheißt auf das
Gerede von "Jedes Spiel ist gleich", "Es geht in jedem Spiel nur um drei
Punkte". Alles Schwachsinn. Die aufmerksamsten Leser unter Euch wissen
Bescheid, wie viel mir dieses kleine Revierderby bedeutet. Die meisten
aus meinen Freundes- und Kollegenkreisen stehen nicht auf Schalke, nicht
auf Dortmund, nein, sie stehen auf den MSV Duisburg. Ginge es nach den
Gesetzen der Geographie, müsste ich eigentlich Fan des MSV sein, da
ich zur MSV-Arena spucken kann. Wenn der VfL nicht spielt, besuche ich
regelmäßig unregelmäßig die Duisburger Spiele. Und
- ja - ich habe mich gefreut, als der MSV aufgestiegen ist. Damit DIESES
Derby wieder stattfindet. Diese Sticheleien sind so fußball, diese
Wetten so unverzichtbar, diese gegenseitigen "Absteiger! Absteiger!"-Rufe
so wahnsinnig.
Doch bei aller Vorfreude:
Ich stehe gegen 9.30 Uhr auf, natürlich denke ich zuerst an Fußball
(woran sonst?), aber nicht "GEIL! DERBY!", sondern "Scheiße, ganz
schön wichtig für den Saisonverlauf!" So ist das mit den frühen
Morgenstunden. Entweder, du erlebst sie an einem Spieltag in völliger
Euphorie - oder du bist schon am Frühstückstisch zittrig wie
am Nordpol im T-Shirt. Egal. Da mein Tag heute in mehreren Teilen abläuft,
muss ich bei der Klamottenauswahl etwas mehr nachdenken. Also: Ich muss
arbeiten in der Essener WAZ-Stadtteilredaktion, mich zwischendurch für
ein internes Praktikum im Haus bewerben, vor dem Spiel in eine Kneipe neben
der MSV-Arena zum Vorabanfeinden einfinden, Spiel gucken und noch zu 'ner
Party mit Jetset-Publikum. Hmm. Schal und Trikot kommen in eine Stofftüte
- vergesse den Schal diesmal nicht - dazu noch mehrere Lagen T-Shirts,
Pullover, Jeans, zwei Paar Schuhe. Das muss reichen. Schmeiße mich
ins Auto und kriege den Tag im Essener WAZ-Haupthaus irgendwie 'rum. Das
interne Praktikum im Februar 2008 klappt, werte das als gutes Omen. Je
näher der Anpfiff, desto nervöser werden die paar Nachrichten,
die ich im Laufe des Tages an meine Mit-Volos verschicke. Am Ende bin ich
nur noch in der Lage "Nervös nervös nervös Fußball
Fußball Fußball" zu schreiben. Sage noch kurz "Tschüss",
auch meine Essener Kollegen wissen inzwischen, dass mein Fußball-Herz
für den VfL Bochum schlägt, drücken mir die Daumen, ich
verbreite auf dem Flur die frohe Kunde, dass der VfL 3:1 gewinnt und nur
dieses das einzige Ergebnis auf allen Tippscheinen ist. Auf dem Weg zum
100 Meter entfernten Auto rufe ich MSV-Fan Helmut an, der heute mit seiner
Frau Tina das Spiel besucht. Standesgemäß begrüßen
wir uns gegenseitig mit "Absteiger! Absteiger!"-Gebrüll, wünschen
uns - natürlich - kein Glück. Sage Helmut noch, dass ich ihn
nach dem Abpfiff anrufen werde, um ihn auszulachen. Nur damit er's weiß.
"Haha", lacht er kurz und beschwert sich wieder einmal über meine
hemmungslos große Schnauze. Aber hey, wer 5:3 gegen Wolfsburg gewinnt...
Bin um 18.30 Uhr mit dem Vorsitzenden des Oberligisten VfB Speldorf verabredet.
Er ist MSV-Dauerkarten-Inhaber und kehrt vor jedem Heimspiel im Klubhaus
des DSV 98 direkt an der Regattabahn ein. Bin fünf Minuten zu spät,
um diese Uhrzeit sind zum Glück noch viele Parkplätze frei. Die
"MSV-Karte" ist sehr überschaubar und bietet ganz kneipenklassisch
Gulaschsuppe aus der Löwenterrine sowie drei Schnitzelvarianten: Wiener
Art, Jäger, Zigeuner - jeweils mit Pommes. Entscheide mich für
die Jäger-Variante - das Geschnetzelte heute Mittag in der Kantine
sättigte nur ein paar Stunden. Der VfB-Chef sagt: "Für Duisburg
wäre es ja so wichtig, aber ich befürchte, es geht 1:1 aus."
Des Chefs Sohn und Bruder weilen auch vor Ort, später kommt noch ein
ehemaliger WAZ-Mülheim-Arbeitskollege - bewege mich im MSV-Einzugsgebiet,
also sehr gefährlich. Abwechselnd laufen die Vereinslieder, von "Duisburg,
Stadt im Ruhrgebiet" über "Wir sind Zebras weiß-blau, unser
Klub der MSV" bis zum Zebra-Twist. Stopfe das Jägerschnitzel in Rekordtempo
in mich 'rein - und halte es um 19.30 Uhr nicht mehr aus. "Jungs, ich muss.
Tschüss." Das Quartett kann überhaupt nicht verstehen, dass ich
mich so früh in die Kälte begebe... Doch ich zittre jetzt noch
mehr als am Frühstückstisch. So wichtig wäre ein Sieg. Fürs
Punktekonto und für meine große Klappe! Wir wünschen uns
noch ein schönes Spiel - das macht man so. Erstmals bin ich in der
neuen MSV-Arena Auswärtsfan.
Eine von fünf Ecken in der zweiten Halbzeit.
Ist noch erstaunlich wenig
los eine Stunde vor dem Anpfiff. Bei dieser Supermegakälte sind die
meisten wahrscheinlich so schlau - und verharren noch in den Duisburger
Kneipen in Stadionnähe. War's doch eine blöde Idee, so früh
hier aufzutauchen? Im Stehplatzbereich gibt es wohl nur alkoholfreies Bier.
Ich teste es nicht - im Oberrang wird scheinbar Gerstensaft mit Umdrehungen
serviert, was dazu führt, dass zwischen Ober- und Unterrang fleißig
Pils hin- und hergetauscht wird. Falls es überall doch alkoholfrei
sein sollte, sieht's wenigstens lustig aus. Solche Ereignisse finde ich
sogar beeindruckend spannend, um mir die Zeit zu vertreiben. Bekomme um
19.50 Uhr einen Anruf aus dem VIP-Bereich, hätte kurzfristig noch
eine Karte für die Jetset-Logen bekommen können. Na klar, eine
Heizung wäre nicht schlecht, aber so ein Stehplatz ist doch durch
nichts zu ersetzen. Im Tor steht wieder unser Glücksbringer René
Renno, wird leise gefeiert, erst ab 20 Uhr wird's schlagartig rappelvoll.
Neben mir postieren sich einige Mitglieder des TSV Heimaterde, die ich
aus vergangenen Sport-in-Mülheim-Zeiten noch kenne. Die Mannschaft
kommt, Koller hat nichts verändert, die Wolfsburger Helden laufen
auch diesmal wieder auf. Helmut gibt mir auf den Weg, dass er ein wahnsinnig
gutes Gefühl hat. Abwarten. Das erstaunlich langweilige Vorprogramm
über die Anzeigetafel absolviert der Stadionsprecher aus einer warmen
VIP-Kabine (die Sau!), gefühlt null Grad, und ich habe keine Jacke
mit, pfui. Als die Aufstellung bekanntgegeben wird, geht ein Raunen durch
den Gästeblock. Mit der Nummer 34 läuft beim MSV Ailton auf -
der ist zwar alt und bocklos, trifft aber trotzdem mit Vorliebe gegen uns.
Auch heute?
20.30 Uhr. Endlich. Endlich,
endlich, endlich. Die lange Wartezeit des Tages, die Zeit zwischen dem
zittrigen Frühstück und dem Anpfiff ist endlich um. Doch die
ersten 25 Minuten werden die Hölle in der Kälte. Einmal dürfen
wir auf ein Tor hoffen, als Sestak nach Mieciel-Pass 15 Meter vor dem Tor
steht, aber daneben schießt (13.), aber ansonsten stürmt nur
Duisburg. Es geht in eine Richtung. Beängstigend in eine Richtung.
Zu Helmut habe ich bei unserem "Vorgespräch" noch "Wir spielen ohne
Torwart" gesagt, doch ausgerechnet Renno rettet uns die Anfangsphase. "Ihr
solltet Euch steigern", funkt Helmut aus dem MSV-Block in Minute 20. Ein
Überblick der besten Chancen: Ailton läuft allein aufs Tor zu,
schießt jedoch mit dem Außenrist ans Außennetz. Zwei
Chancen hat Duisburgs Rechtsoffensiver Tiffert, der einmal aus fünf
Metern Entfernung per Kopf an Renno scheitert und dem einmal freistehend
im 16er der Ball verspringt. Ishiaku versucht's per Kopf, köpft aber
auf das Tor. Rennos beste Tat: Nach einem Grlic-Fernschuss aus 20 Metern
Entfernung lenkt er das Leder mit den Fingerspitzen zur Ecke. Bravo. Kann
die Duisburger Möglichkeiten gar nicht mehr genau den Spielminuten
zuordnen. So viele waren's. Unsere Mannschaft ist kaum wiederzuerkennen.
Sie spielt bei den formschwachen Zebras, die hinten mit Roque "Tingletangle-Bob"
Junior spielen - und der hat den Zebra-Abwehrladen auch noch im Griff.
1:6 Chancen, gefühlt 0:20 Standardsituationen, puh! So richtig energisch
wird es erstmals in Minute 29. Duisburgs Linksverteidiger Caceres legt
sich in unserer Hälfte den Ball zu weit vor. Epalle wagt eine riskante,
aber erfolgreiche Grätsche und erobert den Ball. Epalle marschiert
und marschiert und marschiert, der Lärmpegel in der Gästekurve
steigt und steigt und steigt, nach 30 Metern Solo schickt Epalle Sestak
steil. Sestak läuft allen davon, dringt in den Strafraum ein, MSV-Torwart
Starke kommt völlig übermotiviert und unnötig raus, Sestak
nutzt das Geschenk und legt den Ball quer auf Imhof - und der versenkt
in aller Seeeeeeeeeeeelenruuuuuuuuuuhe, TOOOOOR! 1:0 FÜR BOCHUM! Unverdient,
aber scheißegal. Die restlichen 16 Minuten verbringen die Duisburger
im Schockzustand, während wir unspektakulär die Führung
in die Halbzeitpause retten. Glückliche Führung, Pfiffe in der
Arena, ein toller René Renno, der stammtorwartartig in seiner Bude
hin und her fliegt.
Noch 45 Minuten überstehen,
irgendwie ist mir gar nicht mehr kalt. Nein, kurzzeitig überlege ich
fast sogar, den Pullover auszuziehen. Auswärtsspiele sind schon anstrengend.
Wichtig ist die Phase direkt nach der Pause. Und das machen unsere Jungs
in den ganz mies orangenen Trikots bravourös. Wir halten zehn Minuten
lang den Ball in der Duisburger Hälfte. Das ist prächtig, um
die MSV-Mannschaft zu verunsichern - und vor allem die MSV-Fans unruhig
zu machen. Unsere komplette Abwehr spielt viel, viel besser. Yahia und
Maltritz bolzen jeden Ball humorlos in die gegnerische Hälfte, Renno
pariert jeden Ball. Helmut funkt "Ich bin schon etwas enttäuscht von
Deinem eigentlich so schlechten Torwart." Concha und Pfertzel auf den Außenpositionen
in der Kette gehen energischer zum Ball - Dabrowski und Imhof im defensiven
Mittelfeld spielen auch sicherer. Apropos sicher: Sicher ist das alles
andere als schön, was wir hier in der MSV-Arena abliefern, aber jeder
der 24.300 Leute merkt, dass die elf Bochumer rattig auf die drei Punkte
sind und die Duisburger nicht so sehr. Obwohl MSV-Trainer Bommer alle Stürmer
spielen lässt, die er hat - von Ailton über Ishiaku bis Lavric
und Daun - habe ich ab der 56. Minute das Gefühl, dass die Duisburger
kein Tor mehr schießen. Als Bommer die beiden gefährlichsten
Standardschützen Grlic und Mokhtari auswechselt, sind auch diese Situationen
keine Gefahr mehr. Wir Bochumer sind inzwischen richtig laut, brüllen
"So gehn die Bochumer, die Bochumer gehn so", "Wen lieben wir? VFL!" Von
den Duisburgern kommt nichts mehr. Okay, ein paar Pfiffe, aber sonst? Was
in der 84. Minute passiert, ist die logische Konsequenz: Sestak versetzt
auf der rechten Seite Roque Junior, flankt auf den langen Pfosten, dort
steht Joker Bechmann frei und versenkt per Kopf. Wir hüpfen, brüllen
die Instrumentelversion von "Seven Nation Army" der White Stripes, Bechmann
bejubelt das Tor mit einer Rolle vorwärts, die Duisburger verlassen
schlagartig die Arena. Der Rest geht unter, beide Mannschaften schieben
die Kugel nur noch lässig hin und her, geben sich mit dem Resultat
zufrieden. Abpfiff nach 93 Minuten, das so wichtige, wichtige Spiel für
mich und für den ganzen VfL endet mit einem am Schluss verdienten
"Dreier" für uns. Olé! Der Jubel nach dem Schlusspfiff ist
so schön wie lange nicht. Wie lange haben wir auf diesen Auswärtssieg
gewartet!? Was im Sommer zum Schluss der phantastischen Rückrunde
normal schien, ist jetzt wieder die Ausnahme. Wir feiern mit "Humba", mit
"La Ola", mit "So gehn die Bochumer". Die wenigen Duisburger, die noch
im Stadion verweilen, blicken etwas neidisch Richtung Gästeblock.
Auf dem Rückweg telefoniere
ich noch kurz mit Helmut, habe überlegt, ob ich ihn wirklich anrufen
und auslachen soll, eben weil es für seine Jungs richtig schlecht
lief. Er sagt: "Machen wir in der Anfangsphase einen rein, kriegt ihr 'ne
Reise." Das vermag ich nicht zu sagen und schweige. Nach knapp 13 Minuten
erreiche ich meine Wohnung - das ist wirklich Rekordzeit. Schon geil, so
ein Straßenbahn-Auswärtsspiel. Ziehe mich schnell um, wärme
mich an der Heizung auf, freue mich wie bekloppt über den Sieg und
lasse den Abend chillig ausklingen. Bei einer Party der etwas jüngeren
Generation, die sich eher im Jetset-Milieu Düsseldorfs wohlfühlen.
Gegen 3 Uhr bewegen sich die meisten Richtung Freeland (einer Housedisco
in Mülheim), bezahlen Taxi, Eintritt, Getränke und Taxi zurück
für zwei Stunden - wir paar Älteren entscheiden uns mit der weisen
Altersrationalität, in der Partywohnung zu verbleiben und mit dem
gassigehenden Vater des Geburtstagskindes noch einen kalten Absacker zu
trinken. Um 4.20 Uhr kehren wir in einer der komischsten Mülheimer
Kneipen ein, dem "Bunten Bär", als der Wirt Micha schon "Gute Nacht
Freunde" von Reinhard Mey aufgelegt hat. Für eine Dreiviertelstunde
Billard reicht's aber noch.
Um 5.05 Uhr schließe
ich die Haustür auf. Nehme die WAZ, schaue auf den Titel, sehe das
Ergebnis: Duisburg 0, Bochum 2. Es ist wirklich wahr.
Wunderkerzenstimmung in Bochum: drei Punkte, dritter Sieg in Folge. Ein rundherum sorgloser Nachmittag nach einer rundherum turbulenten Woche
Old Habits Die Hard!?
Heiratsantrag von Martina (l. in Echt, r. an der Tafel). Der Kerl sagt: "Ja sicha sach ich JA!"
So ein Foto existiert schon.
Weiß ich. Winterpause der letzten Zweitligasaison, glaube ich, mit
blau-weißer VfL-Mütze, mitten im Winter. Und doch muss ich es
jetzt einfach aufnehmen. Seit die Sonne zu Beginn der zweiten Halbzeit
hinter dem Tribünendach verschwand, brülle ich dauernd "Heizung
an", doch jetzt ist's bald geschafft. 3:0 gegen Ostwestfalen gewonnen,
und das souverän und locker, dritter Sieg in Folge, schon 18 Punkte
in der Hinrunde. Und jetzt bietet mir meine Nebenfrau eine Wunderkerze
an. Ich muss nicht lange überlegen. Es ist stockfinster, auf der Anzeigetafel
steht genau das Ergebnis, das ich lesen möchte, die Spieler tanzen
zu "So gehn die Bochumer, die Bochumer gehn so" und ich zünde an diesem
unaufgeregten Nachmittag die Wunderkerze an. Das MUSS ich einfach fotografieren.
Ein ruhiger Samstag nach
einer turbulenten Woche. Nach, was sag ich, zwei turbulenten Wochen. So
viel passiert, dass ich es gar nicht in diesen Blogeintrag packen kann,
will und darf. So viel, dass ich jeden Abend bei youtube "Old Habits Die
Hard" eintippte, den Titelsong des Hollywoodstreifens "Alfie", interpretiert
von Mick Jagger und Dave Stewart. Ich habe keine langen Haare mehr. Und
kein Auto.
"Old Habits Die Hard
Harder than November Rain"
Die Folgen der Ultra-"Schnipsel"-Choreographie!
Steige heute um 14.21 Uhr
in den Regionalexpress Richtung Minden. In den... Regional... express!
Mein erstes Heimspiel mit dem Zug seit Anfang 2006. Von meinem Smart ist
seit fünf Tagen nicht mehr viel übrig, aber das ist eine andere
Geschichte. Old Habits... Muss mich erst wieder gewöhnen an diesen
Lärmpegel, diese Geräusche. Fünf, sechs, sieben Jahre war
das für mich so selbstverständlich wie das morgendliche Frühstück,
von meinen knapp 240 VfL-Heimspielen besuchte ich etwa 200 mit der Bahn.
Doch nach anderthalb Jahren voller Luxus- und Parkhauswelt... Wenigstens
sitzen die Automatismen noch. Mülheim Hbf, Essen Hbf, Wattenscheid,
Bochum Hbf. Raus, Treppe runter, Straßenbahn 308 Richtung Bochum-Gerthe,
zwei Haltestellen, "Bochum-Ruhrstadion". Es läuft ab wie in einem
Musikvideo, Hintergrundmusik etwas Dramatisches wie "How to save a life"
von The Fray. Und doch vermisse ich die Musik in meinem kleinen Auto, die
Auswahl, naja, Schwamm drüber. Vor drei Wochen hatte ich nicht den
geringsten Zweifel, dass wir von Wolfsburg abgeschossen werden - auch jetzt
betrete ich mit einem unglaublich sicheren Gefühl den P-Block. 3:1
gewinnen wir heute. Nur mit diesem Ergebnis, keinem sonst. Als ich um kurz
nach drei - unsere Jungs laufen sich schon längst warm - auf den Stehstufen
alle meine Kurvenfreunde erblicke, gibt's erstmal einen Spruch nach dem
anderen, Richter Gerd zum Beispiel prustet: "Haha, angepasster Bastard!"
Kurze Haare statt langer Haare, zehn Sekunden Arbeit nach der Morgendusche,
nicht mehr fünf Minuten. Spüre manchmal noch ein Haargummi in
einer Hosentasche, noch so eine alte Angewohnheit. Aber der neue Look gefällt
mir, so sehr, dass ich wohl auch bald ein Foto auf diese meine Homepage
stellen werde.
Die Sorglosigkeit auf den
Rängen ist beachtlich. Ich kann mich erinnern, dass wir alle vor drei
Wochen am liebsten explodiert wären - doch was zwei Spiele, sechs
Punkte und 9:3 Tore alles anrichten können!? Mit dem Gegner beschäftigen
wir uns nicht vor 15.29 Uhr, sondern vielmehr bereiten wir uns auf die
"Schnipsel-Choreographie" der Ultras vor. Jeder in den Blöcken O und
P erhält ein kleines Päckchen und soll es beim Einlaufen in die
Luft schmeißen. Mit einem peinlichen Gedicht fordert Martina ihren
Freund zur Hochzeit auf. Wir halten uns alle die Ohren zu, aber als der
Mann "Ja sicha sach ich JA!" sagt, jubeln wir doch. Ach ja, Arminia Bielefeld
kommt, eigentlich verbindet beide Fangruppen und beide Vereine eine überbordende
Konkurrenz, aber heute ist die gar kein Thema. Bielefeld kommt nur mit
geschätzten 1000 Zuschauern, sehr enttäuschend, und die Mannschaft
hat außer Wichniarek, Zuma und dem alternden Böhme keine bekannten
Gesichter zu bieten. Im Tor steht Fernandez für den erkrankten Hain,
es ist sein erster Bundesligaeinsatz. Bei uns spielt Käptn Zdebel
wieder für Imhof - keine wirklich nachvollziehbare Entscheidung, denn
ohne unseren Gelb-König hat's zuletzt eigentlich viel besser geklappt.
Doch alles ist ja wurscht.
Nach Schnipsel-Einlauf und zehn grottigen Minuten ohne Ballkontakt der
Torhüter klatschen unsere ersten beiden Torschüsse direkt rein
ins Netz. 15 Minuten, 2:0-Führung, drei Punkte im Sack und wir müssen
noch 75 Minuten rumkriegen. Ach so, wie die beiden Tore waren, wollt ihr
wissen!? Deckungsgleich!! Sestak setzt sich auf der rechten Seite zweimal
wunderbar durch, erst in der 11., dann in der 15., passt den Ball in die
Mitte, dort steht Marcin Mieciel, unser Brecher-Mittelstürmer, und
versenkt locker zum 1:0 und 2:0. Nach dem zweiten brüllt unser Stadionsprecher
"Ich glaube, die haben nicht richtig verstanden, was wir gesagt haben und
wollen es nochmal hören. Fantastische Vorlage der 9 STA-NIS-LAV" Wir
so: "SESTAK!" Er so: "Torschütze mit der 11 MARCIN!" Wir so: "MIECIEL!!!"
Und da sage noch einer, nach Gekas hätten wir ein Sturmproblem! Sestak
6 Tore, Bechmann 5, Mieciel 4; macht: 15 nach 14 Spielen!!! "Wenn wir jetzt
noch den dritten nachlegen", sagt Gerd, "dann schießen wir die richtig
ab." Doch wir legen den dritten nicht nach, erleben eine fürchterlich
langweilige erste Halbzeit mit durchwachsener Stimmung nach dem Motto "warum
laut anfeuern, wenn die Jungs ohne unsere Hilfe locker gewinnen." Die Arminia
erarbeitet sich zwar drei Ecken und schießt dreimal knappst vorbei,
aber so richtig super ist das nicht, was Middendorps Jungs zeigen. Nach
einem Auftritt der Tanzmäusken und der endlosesten Pausen-Sexismus-Diskussion
scheitert Dabrowski in Minute 48 an Fernandez. Acht Minuten später
steht Dabrowski am rechten Eck des Fünfmeterraums frei und schiebt
den Ball mit 10 km/h aufs Tor. Doch Fernandez lässt die Kugel passieren.
Riesenfehler, egal, 3:0! "Da hat der Lange ja die linke Klebe ausgepackt",
sagt der Stadionsprecher, angesichts des Spielstands in verständlich
scheckiger Stimmung. Die Arminia erarbeitet sich auch danach nur eine Superchance,
doch Zuma köpft nach Wichniarek-Flanke knapp daneben (70.). Bei uns
vergibt Sestak Chancen für zehn Spiele. Im Drei-Minuten-Takt läuft
er der viel zu langsamen Bielefelder Deckung davon - schießt aber
entweder vorbei oder den jetzt stärker werdenden Fernandez an. Dafür
gibt's "SESTAK! SESTAK!"-Rufe. Der Junge ist guuut, richtig guuuut. Pünktlich
nach 91 Minuten pustet der Schiri in seine Pfeife, dreinull gewonnen, schicke
die "Vollzogen"-sms an meinen Bruder Thommy, der gerade in einem ICE Richtung
Frankfurt sitzt.
Nicht 3:1.
Obwohl es eigentlich peinlich
ist, sich über einen solch leichten Sieg zu freuen, veranstalten wir
den üblichen "So gehn die Bochumer"- und "La Ola"-Schnickschnack und
die Spieler sind gern dabei. Auf der Anzeigetafel läuft die Tabelle.
18 Punkte, 10. Platz. Jetzt noch ein Sieg aus den noch verbleibenden drei
Spielen, dann sind wir nicht nur im Soll, sondern weit darüber hinaus.
Aber wollen wir nicht träumen, sondern genießen den Augenblick.
So geeeehn die Bochumer, die Bochumer geeeeeeehn so. Vergesse meine old
habits. Hätte meine langen Haare jetzt eigentlich in einer Mütze
vergraben und wäre in meinen aufgeheizten Smart gestiegen.
Die Hard.
Wäre der Rückweg
ein Musikvideo, würde das Jagger-/Stewart-Stück garantiert laufen.
Besuche im Foyer des Hauptbahnhofs "Mc Chicken" - auch das ist anderthalb
Jahre her. Der Bahnhof ist ganz nett geworden, aber auch so ein Konsumtempel
wie alle anderen Großstadtbahnhöfe. Ich vermisse meinen alten
City-Grill und begnüge mich mit einem Chickenburger für 99 Cent.
Würd gern den Matrix-Soundtrack einlegen... Old Habits ... Alte Gewohnheiten
lassen sich schwer ablegen. Meine älteste Gewohnheit ist der VfL Bochum.
Die werde ich niemals ablegen.
Eigentlich ist die Überschrift
falsch.
So toll das Titel-versauen-Spiel im April war - so unspektakulär lief dieses Derby. Einfach nur unspektakulär und mehr als unerfreulich. Bleibt nur die Geschichte mit der Asamoah-Knappenkarte...
Sams Knappenkarte - komisch, er bekam eine mit Asamoah-Aufdruck
Take it easy
Whatever you want... FUSSBALL!
Eigentlich will ich heute nicht mehr über Fußball reden. Aber ich weiß: Ihr wollt's hören, Ihr wollt's lesen, also beuge ich mich meinem selbst gewählten Blogger-Schicksal und erzähle Euch die Geschichte eines Revierderbys.
Eine fragwürdige Verbeugung vor der Ultramanie
Revierderby heute...
Schalke... Arena... Revierderbys beginnen nicht erst am Samstagmorgen vor
dem Spiel. Ein Revierderby beginnt mit dem Abpfiff des vorigen Spiels,
dauert eine ganze Woche, auf der Straße, im Büro, in der S-Bahn.
Wir sind auf Platz zehn, haben sechs Punkte Vorsprung vor den Abstiegsplätzen,
verleben einen mehr als ruhigen Fußball-Winter. Beste Voraussetzungen,
um völlig entspannt ins Spiel zu gehen. Aber ein Revierderby entspannt?
Relax, take it easy? No way. Seit wir Schalke die
Meisterschaft versaut haben, ist sowieso alles ganz verrückt.
Von Rache ist hier die Rede, von Schadenfreude dort. Das WAZ-Haupthaus
in Essen ist überwiegend königsblau, beim internen Tippspiel
setzen 45 von 50 auf einen Schalker Sieg. Mit einem 2:0 für den VfL
bin ich der große, große Außenseiter. Scheißegal,
die Sirtaki nach dem Gekas-Tor vom 2:1 im April tanze ich immer noch, "Ihr
werdet nie deutscher Meister" brülle ich noch in fünf Jahren.
Revierderby... das ist eine Woche eine Hautschicht mehr, und diese Schicht
ist rot, warm und schwitzt. Dauernd da.
Rattig waren die VfL-Fans
auf die Karten. So rattig, dass die Stehplatztickets nach zwei Tagen ausverkauft
waren. Drei Tage später gab's nur noch Sitze für 40 Euro aufwärts.
Musste mir deshalb bei ebay zwei Karten ersteigern - jaja, als Volo einfach
mal eben nach Bochum zu fahren, ist schwierig. Zwei Karten sind eigentlich
eine zu viel, aber scheißegal, kommt Sam eben mit. Sam ließ
sich schon etwas länger nicht mehr in der Ostkurve blicken, aber fürs
Derby sagte er sofort zu.
Wache morgens zu der Fugees-Version
von "No woman, no cry" auf, läuft bei EinsLive. Knipse den Radiowecker
wieder aus, mag darüber nicht nachdenken. Leider bimmelt zwei Minuten
später der nächste, unangenehme, laut fiepsende Wecker. Erst
in langsamen dat-dat-dat-dat-Abständen und nur Augenblicke danach
dadadadadadadadada, aaah, scheiße. Wecker eins aushauen, Radio wieder
einschalten. "Relax, take it easy". Die Radiojungs beweisen einen irren
Spürsinn. Relax, Revierderby, das hatten wir ja schon oft im Lauf
der letzten Woche. Jaaaaaaaaaaa, FUSSBALL, FUSSBALL, FUSSBALL, erstmals
nach ein paar Tagen scheint sogar die Sonne. Klicke ein bisschen unmotiviert
bei youtube herum, schaue mir alte Musikvideos an, vertreibe die Zeit bis
zur Abfahrt. Will los, endlich los. Drei Spiele in Folge gewonnen, das
juckt überhaupt nicht. Wir MÜSSEN gewinnen. MÜSSEN einfach.
Und werden. Treffpunkt mit Sam ist der Regionalexpress zwei, 13.07
Uhr ab Mülheim, Sam steigt um 13.13 Uhr zu. Klappt auch bestens. Die
Hinfahrt zur Arena ist wie immer sehr unspektakulär, steigen in Gelsenkirchen
aus, fallen nicht wirklich als Bochum-Fans auf - ist eben ein Vorteil,
wenn beide Mannschaften blau und weiß tragen. In Gelsenkirchen geht
es in die Bahn 302 Richtung "Veltins-Arena", und das ist immer der unangenehmste
Teil. Eine Viertelstunde dauert die Fahrt in einer überfüllten
Bahn mit besoffenen, stinkenden Fußball-Fans, mitten durch die Industriegebiete
Gelsenkirchens, am Stadthafen vorbei. Selbst in dieser Stadt gibt es schönere
Ecken. Und hier war WM! Sam und ich stellen uns vor, wie sich die WM-Gäste
wohl in der Bahn gefühlt haben... Sam telefoniert mit seiner Frau
Nicole, jawohl, schöne Grüße. "Wir sehen's sportlich",
sagt Sam. Die Bahn hält fünf Minuten lang, weil irgendjemand
in der Lichtschranke steht und die Tür sich nicht schließen
lässt. Alles Auswärtsspiel-Kleinkrams. Sam und ich wandern einmal
ums Stadion herum. Sind früh genug dran. Etwa 14 Uhr.
Vor der Gästekurve
verteilen irgendwelche Helfer kostenlos weiße T-Shirts. "Kik" hat
die spendiert, der Aufdruck verrät: "Flutlicht! 32. Spieltag! Wir
freuen uns schon!", in Blau, direkt neben einer Zeichnung des Ruhrstadions.
Spielt natürlich auf das 2:1 an. Und auf die Tatsache, dass Schalke
wieder am drittletzten Spieltag nach Bochum kommt. Witzig gemeint, aber
ein gerade anreisender Ultra-Pöbelklub brüllt äußerst
aggressiv: "NICHT NEHMEN!!! NICHT NEHMEN!!!" Ohne große Begründung.
Uuuuh, böser Hauptsponsor, uuuh, böse Marketingaktion. Naja,
ist's auch, aber trotzdem 'ne nette Idee. Hunger. Kommerz Teil zwei: In
der Arena ist die "Knappenkarte" die offizielle Währung, Barzahlung
ausgeschlossen. Sam und ich beschließen, eine 20-Euro-Karte zu ordern
und die dann zu verfressen und versaufen. Sam zahlt, die Verkäuferin
sortiert die Karten und gibt Sam eine mit Gerald-Asamoah-Konterfei. Also
heftiger geht's nicht. Wir lachen sehr laut, Sam wird zum beliebten Fotoobjekt,
ein Frikadellenbrötchen, eine Cola und rein in die Kurve. Dort erwartet
uns Kommerz Teil drei: Als unser Torwart René Renno 35 Minuten vor
dem Anpfiff zum Aufwärmen den Rasen betritt, sind 5000 Bochumer da,
aber gefühlt erst knapp 4000 Schalker. Zu Parkstadion-Zeiten war das
noch anders, da bebte das zwei Stunden schon zwei Stunden vorher. Klar,
ausverkauft wird's auch diesmal sein, aber die so gepriesene Sensations-Atmosphäre!?
Das Dach ist diesmal geöffnet, der Spruch "Macht sie alle, schießt
sie aus der Halle" wäre also unangebracht. Der Vorsänger unserer
"Ultras" steht auf einem eigens errichteten Podest. Noch nie gesehen sowas,
schon gar nicht in einer Gästekurve. Eine Verbeugung vor der Ultramanie
- wobei ich nicht weiß, ob ich das mag. Nee, ich beschließe,
es nicht toll zu finden. Vor Revierderbys ist die Stimmung grundsätzlich
aggressiver, während des Warmlaufens werden nicht etwa unsere Spieler
gefeiert, sondern die Schalker beschimpft, nach dem Motto "Auf dem Boden
liegen Leichen, mit aufgeschlitzten Bäuchen, in den Bäuchen stecken
Messer, mit der Aufschrift ,Wir warn besser'". Das ist sogar noch harmlos.
Oje.
Der Anpfiff rückt näher,
der zuletzt starke Dabrowski kann nicht spielen, ihn plagt eine Mandelentzündung.
Dafür rückt Drsek ins defensive Mittelfeld. Das wird unser großer
Schwachpunkt. Die Extra-Hautschicht pulsiert, explodiert fast, bin dem
Gasförmigkeitszustand sehr nah, höre nichts mehr, sehe nichts
mehr, nur noch Fußball, Derby, sprecht mich nicht an. "Whatever you
want" von Status Quo kündigt die Einlaufzeremonie an, das ist - Schalke
hin oder her, Rivalität hin oder her - immer ein magischer Moment.
Ich schreib's jedes Mal wieder, aber es ist doch wahr, so wahr: Mein kleiner
Popelverein spielt hier, vor 61.000 Leuten beim Titelkandidaten. Maltritz
führt unsere Jungs als Käptn aufs Feld, geil. Einfach nur geil.
Erklärt mich für bekloppt, verrückt, wahnsinnig. In meinem
Gehirn flippert's.
Im Spiel wird alles ganz
anders. Schon nach drei Minuten erzählen wir uns Geschichten aus aller
Welt, um bloß von diesem Gewürge abgelenkt zu werden. Lupo ist
da, mit ihm stehe ich seit bestimmt einem Jahrzehnt gemeinsam in der Ostkurve.
Seinen Vornamen wusste ich mal, hab ihn aber wieder vergessen. Er erzählt,
dass er aus Castrop-Rauxel-Henrichenburg
kommt und in Herten arbeitet. Ey aus HENRICHENBURG. Da arbeite ich drei
Monate in diesem Dörfchen, kenne sogar einen Ureinwohner - und weiß
nichts davon. Pff. Lupo kam mit dem VW-Bus, parkte weit außerhalb
und fuhr dann mit dem mitgebrachten Rad bis vor die Kurve. Irre Geschichte.
Sam erzählt jedem die Story mit der Asamoah-Karte, aber vom Spielgeschehen
ablenken vermag das nicht. In 45 Minuten erarbeitet sich Schalke 04 7:0
Ecken und eine empirestatebuildinghohe Überlegenheit. Bei uns läuft
nichts. Nach 13 Minuten muss Yahia mit Muskelfaserriss raus. Pfertzel rückt
in die Innenverteidigung, Bönig auf die linke Abwehrseite. Danach
laufen alle kreuz und quer. So dreckig habe ich selten eine VfL-Mannschaft
spielen sehen. Nach jedem Foul bleiben unsere Spieler, ob Sestak oder Concha,
minutenlang liegen und lassen sich behandeln, der Ball wird behandelt wie
ein ungeliebter Partygast. Mit üblen Fußtritten. Unser Wunsch-Mittelblock
mit Maltritz, Yahia, Zdebel und Dabrowski ist komplett gesprengt. Unseren
ersten Torschuss bekommen wir in der 34. Minute hin. In der VIERUNDDREISSIGSTEN!!!
Da steht es selbstverständlich schon 1:0 für Schalke. Nach einer
Ecke traf Schalke-Kapitän Bordon per Kopfball. Und wer pennte? Natürlich
Drsek, ich sag's ja: unser Schwachpunkt. Fünf Minuten vor dem Pausenpfiff
steht Schalkes Altintop drei Meter frei vor dem fast leeren Tor, er ballert
den Ball aber auf die Tribüne. Da gibt's Pfiffe in der Arena, trotz
Führung. Ein mieses Spiel. "EY DAS IST DERBY! WARUM GEHEN DIE NICHT
IN DIE ZWEIKÄMPFE???", brüllen wir erbosten VfLer und sind froh,
nur einem 0:1 nachlaufen zu müssen.
Pause, Sam holt Getränke
nach ("Ich gehe mit meiner Asamoah-Karte auf Shopping-Tour"), neuer Anpfiff,
bisher alles andere als ein denkwürdiges Spiel. Aber hallo? Was ist
das denn? Unsere Jungs fangen jetzt an, vernünftig zu kombinieren!
Jetzt ehrlich! Mieciel schießt nach 50 Minuten knapp vorbei, das
ist doch was. Und vor allem einer dreht jetzt auf: Danny Fuchs im linken
Mittelfeld. Die Schalker Konter verlaufen meist im Sand, die Folgen des
Champions-League-0:0's in Valencia am Mittwoch sind konditionelle Probleme.
Und Fuchs hat gleich dreimal den Ausgleich auf dem Stiefel. Erst pariert
Neuer so gerade eben mit den Fingerspitzen - in der 60. Die größte
Chance in der 70.: Fuchs zieht aus 22 Metern Entfernung ab, der Ball fliiiiiiegt
und fliiiiiegt, es klatscht einmal laut, der Ball springt reeeeeiiii...,
nein RAUS! Scheiße! Innenpfosten raus! 1:1, das wäre der Punkt
gewesen. Die Schalke-Fans pfeifen immer noch, aus unerfindlichen Gründen,
mir egal. In der Nachspielzeit bekommt Fuchs noch einmal die Kugel, lässt
zwei Schalker aussteigen, versucht's mit der linken Pike, der Ball kullert...
kullert... vorbei! Jetzt das 1:1, wäre nicht einmal unverdient.
Nach zwei Minuten Nachspielzeit
ist's zu Ende. Wir nehmen die 0:1-Niederlage nach einem objektiv unterdurchschnittlichen
Bundesligaspiel wie zuvor angekündigt sportlich. Aber wie auch das
1:2
in Dortmund war's sehr unglücklich. "Wenn wir", sage ich, "0:4
verloren hätten. Aber so..." "Ja", antwortet Sam, "da war was drin."
Setzen uns schweigend in die 302, ich tippe etliche sms in die komplette
Republik, unter anderem an einen Volo-Kollegen, der mit Dortmund 2:1 in
Stuttgart gewann. Unterhalten uns dann über das Leben. Gehen im Hauptbahnhof
einen Döner essen. Der Mann an der Kasse spricht Sam auf Englisch
an - hach so Auswärtsfahrten mit ihm sind doch was Feines. Der Regionalexpress
Richtung Mönchengladbach kommt pünktlich, werde gegen 19 Uhr
wieder daheim sein. Oder in 'ner Kneipe, wo auch immer.
Die Geschichte dieses Revierderbys,
meines 18. Spiels gegen den FC Schalke 04, ist traurig. Geht deprimierend
zu Ende. Geradezu unspektakulär. Werd mich wohl in einer Woche nicht
mehr daran erinnern. Die sms beinhalteten den Satz "Lass uns erst einmal
nicht mehr über Fußball reden." So lang gefreut, sieben Tage
nur dieses Thema.
Und jetzt lasst mich einfach
nur in Ruhe.
Verrückt.
Fußball.
Revierderby.
Take it easy.
Gruppenfoto: Mein Kurzhaarschnitt ist nur sehr schwer zu erahnen! | Etwas misslungen ist dieses Bild, das ich eigentlich nur aufnahm, um "30 Sekunden vor dem Ausgleich" schreiben zu können. Pech. |
Dort endete der Abend: Thommy in "Duisburg-Hochfeld Süd"
Ein Bundesligaspiel in sieben Episoden. Der Homepage-Autor erinnert sich mit zwei Monaten Verspätung
In dieser Kurve kam es fortwährend zu Wemmsereien!
Drei Whisky-Dialekt und mehr
Lesbar? "Der Bochumer Junge sagt Danke!" Remember Dariusz Wosz
... diese zeilen entstanden am samstag, 9. februar, nach dem spiel vfl - cottbus (3:3) ...
Lasst mich kurz überlegen. Warum habe ich so lange gebraucht, um ein paar Zeilen über dieses Spiel zu schreiben? Weil diese 90 Minuten so komisch abliefen!? Weil sie so langweilig waren!? Einfach nur, weil ich in der Vorweihnachtszeit viiiiiiiiel zu wenig Zeit hatte? Womöglich von allem etwas. Vor inzwischen genau zwei Monaten fand diese Partie statt und ich tippe jetzt alle Episoden 'runter, die mir einfallen, die ich mir notiert sowie in Foren und Internet-Blogs gefunden habe. Das alles zimmere ich zusammen zu einem hübschen, kleinen, kurzen, Text.
Episode I: Die Umstände
Bottrop. Das WAZ-Jahrestreffen
am Freitagabend. In der Skihalle. Mit Redakteuren. Volontären. Vielen
Gesprächen. Hinfahrt im Regen, Rückfahrt nicht. Zwischenhalt
im Duisburger Innenhafen, einer Bar, auf Kuba getrimmt, wie ich mich glaube
zu erinnern. Sowas in der Art. Nach Hause gebracht worden von einem Duisburger
Mit-Volo, wie nett, 'ne halbe Stunde gespart, pennen, ausschlafen, aufstehen,
letztes VfL-Spiel für mich vor der Winterpause. Bruder Thommy ist
da, Thommy kommt mit. Wir verbringen den ganzen Samstag zusammen, erst
im Ruhrstadion und dann abends im Pulp beim Sarah-Bettens-Konzert. "On
and on and on ... I believe in meeeeeeeeee!" Das wird'n Fest.
Episode II: Die Daten.
(Zwischenepisode)
Hmm... wie war das noch
gleich!? Wie ist das Ding überhaupt gelaufen? Steht ja in der Zeile
ganz oben, 2:2. Lass mich noch kurz überlegen - wie war denn der Spielverlauf?
"Ist der geil, der Sestak", sagte ich ziemlich oft danach und lobte unseren
neuen, weit besseren Gekas. Klicke mal eben auf fussballdaten.de... Momeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeent...
jetzt wird es mechanisch: Führung durch Sestak in der 18., dann drehen
Hajnal (24.) und Freis (56.) das Spiel für den KSC - und Sestak (59.)
gleicht wieder aus. 20.800 Zuschauer. "Gerechtes Unentschieden" ist der
einzige kurze Satz, der den Spielverlauf treffend zusammenfasst.
Episode III: Die Stefan-in-Schottland-Story
"Hömma, ich sach, hömma"
ist seit dem KSC-Spiel mein Lieblings-Gesprächsbeginn.
Thommy und ich treffen uns
am Mülheimer Hauptbahnhof. Wie in früheren Zeiten. Mein Smart
ist - wie ich schon viel zu oft erzählen musste - seit ein paar Wochen
fratze, Bahnfahren hipphipphurra, konnte ich beim Bielefeld-Spiel trainieren.
Die alten Daten sind immer noch auf meiner Festplatte, der Regionalexpress
fährt für uns diesmal schon um 13.46 Uhr, so früh wie möglich.
Der Zug hat etwas Verspätung, Thommy auch. Ich treffe Stephan, den
Straßenbahnfahrer aus Mülheim, pünktlichst stößt
Thommy dazu. Wir lauschen Stephans halbstündigem Monolog über
seine Schottland-Reisen im Jahr 2007. Nach Glasgow ging's immer, zum "Old
Firm", und dabei passierten etliche, etliche Episoden. Hier nur die witzigste
Story davon. Kam auf meine Frage: "Wie verständigst Du Dich eigentlich?
Kannst Du Englisch?" "Hömma, ich sach, hömma, ich sprech ja den
Drei-Whisky-Dialekt: Beim ersten verstehen, beim zweiten sprechen und beim
dritten glauben die Leute, ich wär von dort." Knapp halbdrei, angekommen
am Ruhrstadion. Thommy und ich haben noch kein privates Wort gewechselt.
Aber der Stephan, hömma, ich sach, hömma, der ist schon 'ne Wucht.
Episode IV: Die Sam-ist-integriert-Story
Eigentlich ist es Tradition,
dass wir nach dem letzten Heimspiel des Jahres auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt
einen Glühwein oder Kinderpusch trinken. So war's eigentlich auch
heute vorgesehen, abgesprochen, wie auch immer. Doch während des Spiels
stellt sich heraus: Heute kann keiner. Thommy und ich gehen (siehe oben)
zum Sarah-Bettens-Konzert ins "Pulp" nach Duisburg-Hochfeld, Gerd kommt...
und sagt gleich: "Ich muss auch sofort weg." Bliebe noch Sam. Der taucht
im Anzug in der Ostkurve auf und muss sich gleich so allerlei Sprüche
anhören. Direkt nach dem Spiel wird er nach Dortmund aufbrechen. Dort
wartet schon seine Frau Nicole in der örtlichen Sparkassen-Filiale
bei der... na... na... na... SPARKLUB-AUSZAHLUNG!!! "Also wenn das nicht
,gelungene Integration' ist", sagt Sam. Und wir alle lachen.
Episode V: Renno, Sestak,
Dr. Sek und Franz
Vier Spieler bestimmten
den Emotionsfaktor dieser 90 Fußball-Minuten.
Renno, René:
Unsere Hinrunde wäre deutlich besser verlaufen, hätten wir noch
Drobny im Tor. Oder van Duijnhoven. Oder irgendeinen bundesligatauglichen
Schnapper. Renno ist zwar in der Kurve um Längen beliebter als Lastuvka,
vor allem aufgrund unserer Drei-Spiele-drei-Siege-Serie, aber seine Schwächen
sind unübersehbar. Und heute? Beim 1:1 in Minute 24 hält Renno
eine Direktabnahme von Iashvili großartig, aber seine Abwehr prallt
direkt auf den Kopf des kleinen Tamas Hajnal. Zack, 1:1. Das ist Pech.
Doch beim 1:2? Da sieht der gute Renno, René, sehr schlecht aus.
Nach einem langen Pass aus der eigenen KSC-Hälfte befinden sich KSC-Timm
und zwei VfL-Abwehrspieler im Laufduell. Renno aber kommt übermotiviert
bis zum Anschlag aus dem Tor und dem Strafraum (unnötig und falsch!),
Timm überläuft alle, passt quer zum lonely, so lonely stehenden
Freis. 1:2. Am Ende geht's noch gut. Weil:
Sestak, Stanislav:
Der ist super (und wurde ja auch vom Kicker völlig zurecht in der
Rubrik ,Außenbahn, offensiv' in die "Internationale Klasse" eingestuft).
Sek, Dr.: Bochum
hat einen neuen Buhmann. Und das ist einer, der es - wie ich finde - gar
nicht verdient hat. In der 60. Minute kommt Pavel Drsek, genannt "Doktor"
ins Spiel. Für den verletzten Maltritz. Doch das, was passiert, als
er aufs Feld läuft, ist alles andere als fein. Niemand brüllt
den Nachnamen "DRSEK", sondern vielmehr ist nur ein 20.000-faches Grummeln
zu vernehmen. Sportlich ist der Wert vom Doktor wirklich diskussionswürdig.
Aber außerhalb des Platzes scheint er unverzichtbar wichtig zu sein,
eben ein Gute-Laune-Onkel. Sestak läuft nach nahezu jedem Tor direkt
auf Drsek zu. Drobny und Lastuvka wohnten bei Drsek, beim Aufwärmen
vor dem Spiel ist er der große Motivator. Und doch lieben ihn die
Fans nicht. In der Winterpause gab's deshalb tierisch Ärger von Marcel
Maltritz.
Franz, Maik: Bliebe
noch Maik Franz, der Karlsruher Abwehrspieler, der vor allem die Foren
und sonstigen Bloger beschäftigte. Zum Beispiel auf www.derwesten.de,
das ist die Seite, die mich momentan täglich mit Arbeit im Netz bombardiert.
Im Blog "1848 Einwürfe" geht's gegen Herrn Franz, der "Aufreger dieses
Spiels". "Verwandelte den Rasen zu einem Schauplatz hyperaktiver Bewegungstherapie"
mit "ständigen Provokationen, fiesen Tritten und peinlichen Flugeinlagen."
Franz - so geht es weiter - "tritt Gegenspieler mit gestreckten Beinen
auf die Knie, wittert ständig irgendwelche Verschwörungen gegen
seine Mitspieler und geht bei der kleinsten Berührung theatralisch
zu Boden. Wäre Franz Italiener, würden Einbahnstraßendenker
sofort die Kiste mit den abgenutzten Klischees öffnen und das Verhalten
des Karlsruher Abwehrchefs brav kategorisieren." In Kalsruher genieße
eben dieser Franz aber "Heldenstatus". Die Kommentare bzw. Antworten der
KSC-Fans sind dementsprechend klar: "Neid der Besitzlosen", "Franz ist
Kampfsau und Vollblutkicker schlechthin".
Und nun die entscheidende
Frage des Abschnitts: Welcher Karlsruher Spieler wurde 90 Minuten lang
ausgepfiffen?
Episode VI: Die Polizei
Irgendwann mittendrin. Das
Spiel ist ausgeglichen, doch plötzlich prügeln sich Karlsruher
Fans mit ein paar Polizisten. Ein Polizist bleibt verletzt liegen, muss
ins Krankenhaus. Das sind die Fakten. Bis einschließlich heute (denkt
dran: Heute ist der 9. Februar) ist das Gesprächsstoff. Naja, nicht
bei mir, sondern bei den Ultras - stand zumindest im kleinen Ultra-Blättchen.
Wer schuld war und wer nicht!? Null Ahnung, ist mir auch wurscht. Wollte
es nur erwähnen, denn diese Wemmsereien sind immerhin definitiv eine
unverzichtbare Episode dieses Spiels.
Episdoe VII: Song
"Last Christmas I gave you
my heart". Ich kann's nicht mehr hören. Genug gesprungen zwischen
Präsens und Präteritum. Mit zweimonatiger Verspätung, aber
doch noch ganz stattlich, wie ich finde. Oder?
Abspann: Duisburg-Hochfeld
Süd.
Das Sarah-Bettens-Konzert.
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