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TESTSPIEL: VfL Bochum - Galatasaray Istanbul 2:1 (21.7.2007)
Maltritz und Bechmann treffen, dreimal Rudelbildung auf dem Platz, das alles beim Stadionfest: Appetizer heißt so etwas
Frohes Neues
Ein Freundschaftsspiel habe
ich schon lang nicht besucht.
Eigentlich ist meine Lust,
mich heute in meinen Smart zu setzen, auf dem Nullpunkt. Hätte ich
vor einem Jahr wirklich nicht gedacht, als ich mich nach ein paar Jahren
Pause endlich wieder hinters Steuer meines Autos setzte. Aber wirklich
jeden, verflucht jeeeden Tag 90 Kilometer fahren zu müssen: 45 hin
nach Castrop-Rauxel und wieder 45 zurück,
das nervt. Glaubt mir, das neeeervt ungeheuerlich. Ich kann die meckernden,
motzenden und depressiven Berufspendler inzwischen wirklich gut verstehen.
Ja, doch, das Volontariat bestimmt meinen Alltag, ich schreibe und schreibe
und schreibe, blogge und blogge und blogge. Da muss ich mein Lieblingsbaby,
diese Homepage, etwas schlabbern. Aber die neue Saison kommt bestimmt und
dann werde ich mir die Zeit ganz einfach nehmen.
Und weil ich eben so wahnsinnig
gespannt auf unsere neue Mannschaft bin, bewege ich meinen Arsch doch in
den Elefantenschuh (der mir in einem Jahr nullkommanull Probleme bereitete).
Heute ist Saisoneröffnung, heute ist "VfL for fun", heute kommt Galatasaray
Istanbul. Für mich ein doppelt spannendes Spiel, da ich als Experte
von Galatasaray Mülheim in die Geschichte des Lokalsports Mülheim
eingegangen bin und unter anderem bei zwei Spielen gegen den großen
Bruder aus Istanbul beiwohnen durfte. Das Wetter ist gut und es gelingt
mir schon nach wenigen Minuten, das Volontariat aus meinem Hirn zu kicken.
Wenigstens für diesen Nachmittag.
Von meinen üblichen
Kollegen kommt niemand, Gerd ist mal wieder im Urlaub (Richter müsste
man sein), Sam spaziert durch Alabama, mein Bruder promoviert noch immer.
Okay, ein paar aus dem Fanklub turnen im Block P herum, aber das ist nicht
ungewöhnlich. Derjenige, der "Professor" genannt wird, weil er JEDES
Spiel sieht, begrüßt mich mit dem beschwingten Spruch "Frohes
Neues", und da muss ich doch glatt schmunzeln. Einige sind schwer betrunken,
schließlich ist erst um 18 Uhr Anpfiff und das Stadionfest läuft
schon den kompletten Tag. Einer kotzt direkt auf die Stehstufen, uääähh.
16.000 Zuschauer kommen, ziemlich üppig für ein Testspiel, aber
14.000 tragen die Istanbuler Vereinsfarben rot und gelb und ziehen ein
beeindruckendes Sprechchor-Feuerwerk ab. Ja, doch, das übersteigt
den Rahmen eines normalen Freundschaftsspiels um Längen.
Auch während der 90
Minuten geht es nicht wirklich nett zu. Es ist einer der härtesten
VfL-Tests überhaupt. Beide Mannschaften treten, wie und wo sie nur
können. "Wüst" möchte ich das in Erinnerung an einen ehemaligen
Präsidenten des VfL nennen. Wir geraten mit 0:1 in Rückstand,
Mitte der ersten Halbzeit. Etwas unfair, dieses Tor. Epalle lag an der
Mittellinie regungslos, unsere Abwehr spekulierte darauf, dass Galatasaray
den Ball ins Aus spielt. Machte Galatasaray aber nicht, 0:1 - zum ersten
Mal Rudelbildung, aber nicht zum letzten. Insgesamt dreimal (!) geraten
insgesamt zehn Leute aneinander, in einem FREUNDSCHAFTSSPIEL! Einmal muss
sogar der bei Gala auf der Bank sitzende Hakan Sükür auf dem
Platz dazwischen gehen. Unsere Spieler halten sich nicht zurück. Zdebel,
Dabrowski und auch unser Neuer Pfertzel haben Drecksack-Arschloch-Treter-Qualitäten.
Ach ja, wir gewinnen am Ende noch verdient mit 2:1. Maltritz köpft
kurz vor der Pause den Ausgleich, Bechmann verwandelt vier Minuten vor
Schluss zum Siegtreffer. Danach brüllen wir Bochumer wie immer bei
diesem Spielstand "Ihr könnt nach Hause fahren", doch das verstehen
die türkischen Fans maximal falsch und pfeifen richtig laut. Da wird
es fast auf den Rängen auch noch "spannend". Ich bin nach so vielen
Jahren Erfahrung weit davon entfernt, Vorbereitungsspiele überzubewerten.
Aber unsere neue Elf schafft es, während der kompletten Zeit zu überzeugen.
Der Applaus am Ende ist groß, sogar "La Ola" ist zu sehen im Ruhrstadion.
Fazit: Ein sehr munteres
Spiel, ein richtig netter Appetizer - und das an einem schönen Tag
zum Abschluss des Stadionfestes. Da hat es sich doch gelohnt, die Anfahrt
auf mich zu nehmen. Schließlich ging es diesmal nicht bis "Dortmund-Lütgendortmund".
Sondern schon zur Hälfte der Strecke an der Ausfahrt "Bochum-Ruhrstadion"
raus.
Neue Saison - bekannte Gesichter: In Sams Sonnenbrille spiegelt sich Gerds Gesicht
90 prachtvolle Fußball-Minuten - alle, wirklich alle sind gekommen, selbst Krüger - völlig unverhofft drehen wir einen 0:2-Rückstand - so kann es in allen Belangen weitergehen
BUNDESLIGA! BUNDESLIGA! BUNDESLIGA! BUNDESLIGA!
Atemlos
Tolles Spiel, gerechtes Ergebnis, ein Spitzenauftakt
Jeden Tag steigt die gute Laune. Das schlechte Wetter: scheißegal. Im Auto immer nur harte Gitarrenmusik, mit melodischen Klängen, "Always your way" von My Vitriol, Erinnerungen an die vergangene Saison mit Limp Bizkits "Livin it up", der kompletten Blink-182-CD. Jaaaa, es geht los! Fußball! Kann es kaum noch erwarten! Sommerpause, die schlimmsten Tage des Jahres, jeder Tag ohne Fußball saugt etwas Lebensfreude aus dem Körper. Jetzt ist es 20.55 Uhr am Samstag, 11. August. Seit fünf Stunden und 25 Minuten rollt der Ball wieder. Die vergangene Saison ist Geschichte, der achte Platz abgehakt. All die Auswärtserlebnisse, die Siege in Hamburg und Frankfurt, zu Hause gegen Schalke: Kommando Schublade. FUSSBALL!!! Und dann dieser Auftakt... aber lest selbst!
Bin ja seit dem 1. Juli im Volontariat an der Journalistenschule Ruhr. Castrop-Rauxel ist meine erste Station. Eine Redaktion voller Fußballfans. Einer ist Hardcore-VfL-Anhänger (okay, nicht ganz so hardcore wie ich, jedenfalls kann er keine 31 Spiele in der vergangenen Saison bieten), wir haben uns schon fürs Pokalfinale verabredet. Der nächste: BVB-Fan, buuuh! Tag für Tag nervten wir die Nicht-Fußballer in der Redaktion mit Diskussionen rund um Wörns, Epalle, Ribery, Bayern, Bochum, Schalke undsoweiter. Ich nervte am meisten: "Hey Jungs! Fußball! Morgen! VfL! Es geht los!" Atemlose Spannung, immer wieder klickte ich auf die VfL-Homepage, auf die Kicker-Seite. Dauerkarte seit über einem Jahrzehnt - und doch kann ich nicht genug kriegen von dieser Sportart, diesem Nervenkitzel, Grönemeyers "Bochum". Bin nur ein halber Mensch in der Sommerpause, ein emotionsloser Klumpen, wenn ich mich nicht über eine Niederlage ärgern (das ist der Regelfall) oder über einen triumphalen Sieg freuen kann. In meinen Blog-Einträgen taucht seit Tagen immer das Wort "Fußball" irgendwo auf. Mit dem VfL hatte ich in der vergangnen Woche auch beruflich zu tun. Telefonierte mehrfach mit der Öffentlichkeitsabteilung, doch diese Episode verschweig ich lieber... Gestern Abend, als ich gegen 17.55 Uhr die Redaktion in der Castrop-Rauxeler Altstadt verließ und über die B 235 Richtung A 40-Auffahrt "Lütgendortmund" brauste, kam mir der Mannschaftsbus entgegen. Bundesliga 2007/2008. Es ist soweit.
Samstagmorgen, 11 Uhr. Belebe alle Rituale neu. Die Rituale, die ich drei Monate lang (DREI!) zwangsweise in den Kühlschrank verbannen musste. Fein säuberlich hole ich mein Trikot aus dem Schrank. Habe mir vor zwei Wochen das neue mit dem "kik"-Logo bestellt und mit Epalles Namenszug und der Nummer "10". "kik" ist unser neuer Hauptsponsor, zugegeben, das ist nicht nur verdammt billig, sondern sieht auch noch so aus. Aber nach drei Jahren wird es nun einmal Zeit für ein neues Shirt in meinem Schrank. Hole das Trikot raus, nehme die Digitalkamera aus der Schublade, lege die Batterien noch für die Zeit bis zur Abfahrt in den Akku. Mein Schal baumelt um meinen Hals, seitdem ich die Dusche verlassen habe. Die Stadionzeitung kam schon gestern, ich platziere sie zärtlich auf dem Trikot, damit ich an sie denke. Noch kurz den Videotext checken, welche Spiele sonst noch heute sind... aha, Bayern gegen Rostock, was für ein Geschenk der DFL. Pah! Das Brimborium rund um das Eröffnungsspiel zwischen Stuttgart und Schalke war auch mehr als peinlich, mit Nationalhymne, dem Satz "Ich erkläre die Saison für eröffnet" - den der DFL- und BVB-Präsident Rauball sprechen durfte. Eine eigentlich unzumutbare Aufblähung und Glorifizierung! Egal! Ich ziehe das Trikot an, schlüpfe in die Schuhe, und ja, da ist es wieder, dieses Gefühl, ich würde auch in der Bochumer Umkleidekabine sitzen. Was wird Koller wohl sagen? Immerhin kommt heute Werder Bremen! Vor einem Jahr kam Grönemeyer, sang "Bochum", brüllte mit uns die Aufstellung und wir verloren vor ausverkauftem Haus glorreich mit 0:6. Ein unvergessliches Erlebnis. Gegen keinen anderen Verein ist unsere Bilanz so mies. Aber wenn wir die Bremer schlagen, dann heute! Na klar ist das auch typisch Bochumer Zweckoptimismus, aber unsere Vorbereitung war sehr gut und die der Bremer sehr schlecht. Zudem fehlen Werder gefühlt 20 Spieler. Da geht doch was! Da geht doch was! Da geht doch was! Treffe bei "icq" eine Studienfreundin. Ich erzähle nur vom VfL und der Bundesliga. In meinem Kopf gibt es nichts anderes mehr. Wie an jedem Spieltag: Aufstehen, Gehirn raus, Fußball rein, Ende.
Verabschiede mich bei "icq" mit den Worten "Ich fahre jetzt los. Hier halte ich es sowieso nicht mehr aus." Da ist es 13.20 Uhr, und eigentlich noch um Längen zu früh. Macht nix. Hab die richtige CD gestern schon zurechtgelegt, als ich nachts aus dem "Schrägen Eck" heimkehrte. Mit "Bochum" eröffne ich die Saison 2007/2008. Auto anlassen, "Tief im Westeeeeeen", abbiegen auf die Mülheimer Aktienstraße, "wo die Sonne verstaaaaaaauuuubbt", in Winkhausen auf die A 40, "Bochum ich komm aus dir, Bochum ich häng an dir", die Autobahn ist leer, "auf deiner Königsallee finden keine Modenschaun statt", Abfahrt Bochum-Ruhrstadion, "machst mit nem Doppelpass jeeeeeeeeeden Gegner nass, Du und Dein V-F-L". Parkhaus, dritte Etage, der Anpfiff rückt näher. Nichts ist weg vom Zauber der Liga, vom Zauber der Sportart, nichts kann mir diesen Tag versauen. Alle haben sich angesagt, von Sam über Gerd bis zu... ach jedem eigentlich. Auch mein Arbeitskollege Timo und dessen Freundin Silke aus Bayern kommen erstmals ins Ruhrstadion. Was für ein Tag! Die Regenwolken pausieren, die Sonne scheint, ideales Fußballwetter. IDEAL!
Ich lasse die Dauerkarte abknipsen - und bin endlich wieder zu Hause. Der erste Gang: zum Bratwurststand. Der zweite: Richtung Block P. Treppenstufe für Treppenstufe hinauf, die Sonne blendet schon etwas, nur noch wenige Schritte, wenige Höhenmeiter, und: WELT, DA BIN ICH! Gerd steht schon auf unserem Stammplatz, noch 60 Minuten bis zum Anpfiff, und er ist sehr nüchtern. Konzentriert liest er das Blättchen der Ultras, das ultrische Wort zum Saisonauftakt. Werfe auch einen Blick hinein, studiere die Zeilen zum 1:0-Pokalerfolg in Dresden. Das "ACAB - All Colours are beautiful - Bochum-Fans gegen Rassismus"-Plakat wurde von der Dresdner Polizei verboten, was die Ultras mit dem Satz "Daumen hoch für die Staatsmacht!" kommentieren. Erwähnenswert weiterhin: "Eigentlich schon lächerlich wenige Bochumer vor Ort, was zurecht von Dresdner Seite mit ,Warum seid ihr Huren so wenig' quittiert wurde." Aha. Kritik üben die Ultras am VfL4Fun-Stadionfest vor und nach dem Spiel gegen Galatasaray Istanbul (siehe oben) - und das gar nicht einmal falsch. "Merkwürdig, dass man zwischen Playstationtruck, Playmobilstand, Wii-Arena und dem Harry-Sandwich-Kletterturm kaum noch den eigentlichen Sinn von VfL4Fun wiederfand, nämlich die Präsentation einheimischer Sportvereine. So fand eigentlich nur eine völlig austauschbare Werbeveranstaltung statt, die mit Bochum soviel zu tun hatte wie Wattenscheid mit Bundesliga." Der Anpfiff ist nicht nicht ertönt und schon diskutieren wir wieder über Fans, Fanklubs, Vereinsstruktur, ich berichte von meinen Telefonaten mit der Öffentlichkeitsabteilung. Selbst Krüger kommt (erfahrene Leser dieser Seite wissen Bescheid), Timo und Silke finden mich ruck, zuck - und ich freue mich, den Beiden die komplette Geschichte von Verein und Stadion erzählen darf. Die Spieler laufen sich warm, das Stadion ist fast ausverkauft, bei uns spielen drei Neue. Lastuvka im Tor, Concha rechts in der Viererkette und Sestak im Sturm. Werder ist zwar ersatzgeschwächt, hat aber trotzdem eine ganz manierliche Startmannschaft, zum Beispiel mit Naldo, Mertesacker, Fritz, Rosenberg, Sanogo und vor allem: Diego. Sam und seine Frau Nicole tanzen kurz vor dem Anpfiff an, ebenso der Fanklub aus Herne. Oléééééééééé, es ist angerichtet! Grönemeyers "Bochum" kommt besser als je zuvor, selbst Timo lässt sich ein "Beeindruckend" abringen, dabei ist er eigentlich Fan der SpVgg Erkenschwick!
15.30 Uhr, Anpfiff, Blick zum Himmel, einmal kurz DANKE sagen, zu wem auch immer, High-Five mit Gerd und Sam, viel Glück für die nächsten 34 Spiele wünschen. Und unsere Jungs legen mit einem unglaublichen Affenzahn los. Das ist nicht mehr Pressing, das ist Forechecking, wir greifen die Bremer fast an ihrem eigenen Strafraum an. Epalle schießt knapp vorbei, Grote flankt auf die Latte, dazu noch zwei Ecken, die Stimmung ist gut, sehr gut bis überragend gut. "Auf geht's Bochum schießt ein Toooooooor, schiiiiiiiießt ein Tor für uuuuuuuuns." Diese Mannschaft begeistert, diese Mannschaft kämpft, ist engagiert, ehrgeizig, klasse. "Zum ersten Mal glaube ich", sagt Gerd, "dass Koller seine Idee von Fußball umgesetzt hat." Doch wie die Schachfiguren auf dem grünen Rechteckbrett verteilt sind, überrascht doch ein wenig: Torwart (Lastuvka), Viererkette (Concha, Yahia, Maltritz, Meichelbeck) und die beiden Abräumer im defensiven Mittelfeld (Zdebel, Dabrowski), auch Grote spielt seinen üblichen Part links im Mittelfeld. Aber wie sind Epalle, Sestak und Bechmann verteilt. Sestak spielt den Grote-Part auf der rechten Seite - Bechmann und Epalle teilen sich die Stelle in und hinter der Spitze. Das Ganze mit vielen Rotationen, sehr schnell, sehr kampfstark. Bravo! So schwach und vor allem behäbig wie heute habe ich die Bremer lange nicht gesehen, sie sind weder spielfreudig noch besonders motiviert. Ein, zwei Ecken, dazu noch wenig inspirierte Torschüsse - mehr bekommt Werder nicht auf die Reihe. Ab der 25. Minute verflacht's ein wenig, wir verlangsamen das Spiel. Zdebel sieht obligatorisch seine erste Gelbe Karte der Saison, worauf wir einen Tipp wagen. Sam und ich tippen auf 12, Gerd auf 15. Eins habe ich Timo schon beigebracht: "Ich dachte, dass der Zdebel immer den Ball spielt..." Haha. Es läuft auf eine torlose Halbzeit hinaus, bis, ja bis Meichelbeck den Ball auf der linken Seite zu kurz auf Lastuvka zurückspielt. Sanogo sprintet dazwischen, fällt, Elfmeter. Der hat den doch NIIIIEMALS berührt. DAS GIBT'S DOCH NICHT! So gut gespielt, so toll angefangen, und dann DAS! Diego verwandelt zum 0:1, es läuft wie immer gegen Bremen. Wieder werden wir verlieren. Kurz vor der Pause: Ein Freistoß für Bremen von links, Diego flankt, Sanogo gewinnt das Kopfballduell gegen Yahia, Lastuvka springt ins Leere, 0:2, jawoll. "Das ist unser Todesstoß", sagt Sam. "Sind wir halt Letzter. Rollen wir eben das Feld von hinten auf." Und noch was: "Nach 30 Minuten dachte ich noch: Ein 0:6 wird es wohl diesmal nicht. Aber die zweite Halbzeit dauert sehr lange 45 Minuten..." Es schmerzt aber nur ein bisschen, denn dieser Auftritt unserer Mannschaft macht Mut. Mutig, aber einfach nur dumm präsentiert sich Bremens Torwart Tim Wiese auf dem Weg in die Kabine. Schon während der ersten Hälfte ließ er nichts unversucht, uns VfL-Fans zu provozieren - beim Gang in die Kabine legt er sich mit Maltritz an. Beide müssen zurückgehalten werden.
Zweite Halbzeit, aufmunternder Applaus, aber so richtig glaubt niemand mehr an die Mission Impossible. Anpfiff, auf einmal Sestak frei: Schuss, abgeblockt, Nachschuss, TOOOOOOOOOORRRRR!!! BIERDUSCHE!!! KLASSISCHE BIERDUSCHE!!! Nass von oben bis unten! TOOOOOR!!! EINS ZU ZWEI!!! Jetzt noch! Bremen ist geschockt! Wir legen nach! Dabrowski gewinnt einen Zweikampf gegen Naldo an der rechten Eckfahne, eine Klasseflanke, Bechmann ist frei, der Bechmann, der Bechmann, bleib ruhig Junge, bleibt ruhig, Tunnel, Beini, Tunnel, Beini, Beini, Beini, TOOOOOOOOOOOOOORRRR!!! GEDREHT!!! GEDREHT!!! 2:2! IN WORTEN: ZWEIZWEI! Tolles Spiel, hin und her, 0:2-Rückstand gegen Werder gedreht, jetzt gewinnen wir noch! 41 Minuten verbleiben. Beide Mannschaften spielen auf Sieg, beide erarbeiten sich noch viele Standards und einige Chancen. Die besseren hat Werder, doch dreimal rettet Lastuvka in höchster Not, zuletzt in der 92. Minute gegen Schindler und Mertesacker. Klasse! Schiri Kircher pfeift, Ende 2:2, guter Anfang. Da sind sich alle einig. Die Mannschaft muss geschlossen zur "La Ola" antreten, zum "So geeehn die Bochumer" tanzen. So kann es noch 33 Spiele weitergehen.
Der erste Spieltag ist vorbei. Das Bauchkribbeln ist weg, die Nervosität besiegt, der erste von 40 Punkten eingefahren, kann wieder atmen. Timo, Silke und ich trinken noch eine Cola in der Fankneipe im Stadioncenter, schauen uns die Pressekonferenz mit den Traineranalysen an. Fans beider Mannschaften trinken friedlich nebeneinander, Tenor: gerechtes Ergebnis. Ich spaziere gemächlich zurück zum Parkhaus, genieße die vielen Bilder, die vielen Momente, die ich schon so oft gesehen habe. Im Parkhaus stehen die Autos, es macht mir nix.
Tief im Westen, wo die Sonne
verstaubt... läuft die Bundesliga wieder. Endlich.
Hinweis von Journalistenkollege Dirk per sms: "Bild titelt: Bayern müssen Bochum jagen! Wie geil ist das denn?"
Wie sagte der erfahrene VfL-Fan Lupo? "In 30 Jahren habe ich noch nie erlebt, dass die Stimmung am dritten Spieltag so gut war!"
19 Stunden Ewigkeit
Lupo kommt von hinten, von der Seite, wo auch immer. Es ist so laut, verflucht verdammt vergeil, einfach geil laut, alle 25.000 Bochumer sind noch im Stadion, applaudieren. Lupo, der Rest von Lupos Fanklub, Sam, Nicole, meine Arbeitskollegin Nancy, Gerd, Gerds Frau, zum ersten Mal seit vier, fünf Jahren im Stadion. Applaus für dieses Hamma-Spiel, Applaus! "In dreißig Jahren", brüllt Lupo, damit sein Satz überhaupt mein Gehör findet ("SPITZENREITER, SPITZENREITER, HEY HEY" schreien wir im Stakkato), "in DREISSIG Jahren habe ich noch nie erlebt, dass die Stimmung am dritten Spieltag so gut war. IN DREISSIG JAHREN!" Sagt's, hebt seine Arme, klatscht und klatscht und klatscht bis die Hände schmerzen. Unser Lieblingsschlager heißt wie am Ende der vergangenen Saison "soooo gehn die hamburger, die hamburger gehn so... SOOOO GEHN DIE BOCHUMER, DIE BOCHUMER GEHN SO!!!" Zehn Minuten nach dem Schlusspfiff kommt unser Trainer Marcel Koller in die Kurve. Es ist die Pointe der letzten zwölf Monate. Nach dem dritten Spieltag der vergangenen Saison, nach dem 0:1 gegen Cottbus, wünschten wir Koller zurück auf den Arbeitsmarkt, verfluchten unseren Trainer, kreischten mit hochrotem Kopf "KOLLER RAUS!", immerzu und immerzu. Und jetzt wird er gefeiert.
Man, heute hänge ich irgendwie durch. Zum ersten Mal, seit ich Volontär an der Journalistenschule Ruhr bin. Und dann wurde gestern Abend auch noch meine EC-Karte eingezogen. Aufzustehen fällt mir heute enorm schwer, schon wieder 100 Kilometer nach Castrop-Rauxel fahren! Aber erst einmal zur Sparkasse, meine Karte wiederholen, denn überzogen habe ich mein Konto ausnahmsweise nicht. DEFINITIV nicht. Gehe zum Schalter und nach einigen Telefonaten erfahre ich, dass meine Kontodaten in den USA aufgetaucht sind. Ja suuuuuper, wahrscheinlich 'ne Kartendublette, Konto leergefegt. Moooaaaaahhhh, möchte einfach nur in die Tischkante beißen. Morgens um elf steht mir der Sinn gar nicht nach Fußball, dabei habe ich heute Morgen noch extra eine Tüte gepackt. Mit dem neuen Trikot mit dem Epalle-Schriftzug, mit meiner Digitalkamera, mit einem Deo - droht heute warm zu werden - und mit meinem VfL-Schal. Gehe ja arbeiten, in Stadionkluft darf ich in Castrop-Rauxel nun wirklich nicht antanzen. Haue einmal kurz gegen das Polster auf dem Beifahrersatz, mir geht das Leben gerade tierisch auf den Zeiger, suche eiligst die Pop&Wave-CD und fliehe in die 80er. Fliehe in Gedanken in die Party "Wilde 30", die zweiwöchentlich im Schuppen stattfindet. Lied eins ist Alphavilles Burner "Big in Japan", Lied drei das fantastische "Nowhere Girl" von einer Band namens B-Movie. A40 bis Dortmund-Lütgendortmund, Castrop-Rauxel, EC-Karte weg, scheiße, Fußball-Stimmung?
Der Tag geht unerwartet schnell vorbei. Pöble ein wenig den BVB-Fan in unserer Redaktion an, indem ich ihn immer und immer wieder als "Schlusslicht" bezeichne (yeah), verschicke kurz vor 18 Uhr ein paar sms, um zu hören, wer alles aus meinem Stadion-Freundeskreis aufläuft. Bin erstaunlich entspannt. Vier Punkte nach zwei Spielen ist für VfL-Verhältnisse eine sensationelle Bilanz. "Und trotzdem", unkt der BVB-Kollege, "kriegt ihr das Stadion nicht ausverkauft..." Die Ironie in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Ich finde 30.000 Zuschauer ziemlich gut, zumal wir es ehrlich meinen und nicht solche Modefans sind wie die in Lüdenscheid-Nord. Genug der Gehässigkeiten gewechselt, ihr seht: Mein Niveau war auch schon höher, muss eben doch noch reinfinden in diese Saison. Mein Anfahrtsweg ist heute mal ein ganz anderer. Nicht aus Mülheim, sondern hey, umgekehrt. Andere Richtung, andere Seite. Um kurz vor halbsieben ist die A40 unfassbar leer, kein Feierabendverkehr, kein Fußballverkehr. Zur Einstimmung lege ich eine CD in den Auto-CD-Radio-Schlitz, die ich einst für die USA-2004-Ostküsten-Urlaub brannte. Lied eins: Grönemeyers "Bochum", Lied zwei: Thomas D.'s "Rückenwind". Bleiben wir bei Lied eins...
Bin heute wieder mit Nancy verabredet, die schon beim Stuttgart-Heimspiel in der vergangenen Saison im Ruhrstadion weilte. Angesteckt mit dem Fußballvirus, helau. Treffpunkt 19.15 Uhr an der Straßenbahn-Haltestelle "Ruhrstadion". Es ist schon der Wahnsinn, wie viele Leute ich mittlerweile kenne. Ich stehe etwa zehn Minuten neben dem Typen, der alle zwanzig Sekunden "SCHALS FÜR FÜNF EURO" brüllt (und das wahrscheinlich den ganzen Abend, das wäre ja mal eine spannende Live-Reportage...). Der "Professor" kommt vorbei - das ist der, der wirklich JEDES Spiel sieht - und damit meine ich auch Freundschaftsspiele auf den Dörfern. "Mattes" heißt er wohl, denn auch er wird zwischendurch mehrfach gegrüßt. Er erzählt lustige Geschichten vom Cottbus-Auswärtsspiel vor einer Woche. "In vielen Bundesligastadien werden Leute mit Thor-Steiner-Klamotten nicht hereingelassen", sagt er. *Exkurs: Laut Wikipedia wurde aus Antifa- und Zeitungskreisen Thor Steiner vorgeworfen, eine "Designermarke von und für Rechte" zu sein*. In Cottbus trugen laut Professor die Ordner Thor Steiner... Zweites Gesprächsthema: die aktuelle Stadionzeitung. Mist, mein Exemplar liegt noch zu Hause im Briefkasten. "Haste die Kolumne von Goosen gelesen?" "Nee." "Der kleine Sohn hat gesagt, wer so spielt wie in Cottbus und dann mit 2:1 gewinnt, der wird deutscher Meister." Da müssen wir beide laut lachen. Bochum-Fan zu sein, ist schon herrlich. "Jung, schüss nä", sage ich nach zwei Minuten big-talk. Er geht noch ins "1848" im Stadioncenter, die Kneipe, die nur bei VfL-Spielen öffnet. Der Professor haut ab, da kommen schon weitere Leute vorbei. Winkewinke hier, "Und sonst?"/"Muss" dort. Mitglieder des TSV Heimaterde Mülheim, die ich aus läääängst vergangenen WAZ-Sport-in-Mülheim-Tagen kenne, brüllen dem Schal-Verkäufer "AM HAUPTBAHNHOF KOSTEN DIE NUR VIER" zu. Fußball! Geil! Die Bahnen fahren an und ab, aus allen Richtungen. Nancy kommt gegen 19.20 Uhr.
Geil, Fußball, geil, vier Punkte, geil, EC-Mist vergessen, schönes Wetter - das ist nicht normal in diesem sogenannten Sommer - alle Stadionfreunde sind da. "Die kenne ich seit vielen Jahren", sage ich zu Nancy, "aber die Vornamen kenne ich nur von den wenigsten." Der von Gerd ist mir natürlich geläufig. Unser promovierte Richter läuft kurz nach Nancy und mir mit großem Gefolge auf - unter anderem mit seiner Frau, die sich sonst nie im Stadion sehen lässt. Aber wenn der HSV kommt... Ich kündige Gerd als "ewig motzenden Vollproll" an. Er nimmt's hin. Die Atmosphäre ist seltsam ausgelassen. Es ist immer noch höchst ungewöhnlich für den VfL Bochum, eine Saison nicht auf einem Abstiegsplatz zu beginnen, sondern angenehm sorglos. Wir können heute nur gewinnen! Unser neuer Stadionsprecher Michael Wurst ("Ich weiß nicht, wie es Euch geht, ich habe richtig BOCK!") wird zur Bock-Wurst, kreischt die Aufstellung ins Mikrofon, macht seine Sache aber wirklich gut. Sam und Nicole kommen wie immer eigentlich pünktlich eine Minute vor dem Anpfiff, nachdem wir uns bei Grönemeyers Bochum die Seele aus dem Leib gesungen haben. "Wie wir hier reingekommen sind, das ist nichts für Deine Seite", sagt Sam. Also schweige ich an dieser Stelle, aber ich sag nur soviel: Es ist eine mehr als typische und sympathische Sam-Geschichte.
Das Wiedersehen ist so herzlich, die Themen so vielfältig, dass wir den Anpfiff fast verpassen. Unser Trainer hat - so gut war das Cottbus-Spiel... - auf drei Positionen umgestellt. Gut, Rechtsverteidiger Concha ist verletzt, dafür spielt Pfertzel erstmals. Unsere komplett trantütige linke Seite ist aber ausgetauscht. Für Meichelbeck (links hinten) spielt Bönig und für Grote (links in der Mitte) Fuchs. Der HSV hat, wie ich feststelle, keine so schlecht besetzte Mannschaft und ist seit Stevens' Amtsantritt die punktbeste Mannschaft der Liga. Mit Rost, mit Kompany und Mathijsen, mit Atouba und de Jong, mit van der Vaart und Zidan. Die erste Halbzeit wird komplett torchancenarm, aber dennoch spannend, kurzweilig und gutklassig. Wir Tribünentrainer stellen schnell fest, dass sehr lange eine VfL-Mannschaft nicht mehr so fit, agil, spritzig und giftig wirkte - wobei: Die halbe Hamburger Mannschaft musste vor genau zwei Tagen noch in Länderspielen auflaufen... sicherlich kein Nachteil! Unsere Abwehr steht 1a. "Der Maltritz", sagt Gerd, "also was aus dem Maltritz geworden ist..." Mich beeindruckt Dabrowski, okay, technisch nicht der Fußball-Gott, aber er kriegt jeden Kopfball und präsentiert sich toll im Stellungsspiel. Zdebel ist eigentlich nur damit beschäftigt, van der Vaart zu foulen. Nach dem gefühlt zehnten gibt's die verdiente Gelbe Karte. Epalle ist vorn unser Supermann. Obwohl eigentlich verletzt, ist er nur ganz schwer vom Ball zu trennen. Dagegen gehen Sestak, Bechmann und Fuchs ein wenig unter. Richtig gefährlich wird's, als Zidan vier unserer Abwehrspieler stehen lässt, aber ans Außennetz schießt (34.). Und richtig lustig, als van der Vaart in unserer Kurve eine Ecke schießen möchte (39.), aber von fliegenden Bechern und lauten "Vaaaalencia"-Rufen davon abgehalten wird. Wir diskutieren derweil auf der Tribüne, ab wann Sam sich diskriminiert fühlt und was er zum Fall Weidenfeller/Asamoah (für die Nicht-Fußballer: Weidenfeller soll "schwarzes Schwein" gesagt haben und wurde drei Spiele gesperrt. Weidenfeller weist die Vorwürfe aber zurück) zu sagen hat. "Im alltäglichen Leben", sagt Sam, "kommen Diskriminierungen oft vor." Nancy achtet fast ein bisschen mehr auf die Menschen drumherum als auf den rollenden Ball selbst. Wir bereiten uns in Minute 44 schon auf die Halbzeit vor, analysieren alle in unserem Block: "Wir spielen richtig, richtig gut", als Bönig noch einen Einwurf links fast an der Eckfahne bekommt. Ein weiter Bönig-Einwurf, Dabrowski verlängert (wieder einmal Kopfballduell-Sieger), Epalle verlängert (Kopfballduellsieger gegen de Jong), Sestak steht freiiii, TOOOOOOOOOOOORRRRRRRRRRRR!! Halbzeitpfiff sofort, Ovationen und Riesenapplaus schon jetzt.
Nach 15 Minuten Erholungspause mit den Cheerleadern, Dariusz Wosz samt Ankündigung seines Abschiedsspiels (mit Rein van Duijnhoven, Rest ging im Jubel unter) und Erzählungen von Sam über Schnorcheln in Key West in Florida (die Sau! *ääh, war das jetzt diskriminierend, nee, oder?*) beginnen wir fulminant in der zweiten Halbzeit, die an Sprechchören, Spannung, Grätschen, Fouls und Schweiß so ziemlich alles zu bieten hat. Naja, Chancen weiterhin nicht wirklich, aber das ist ein Spiel, in dem das nichts ausmacht. Bönig verpasst in Minute 52 sein allererstes Tor für den VfL. Nach einem tollen Konter und einem Bechmann-Pass scheitert er völlig freistehend an Rost. Das wär's gewesen. Das MUSS das zweinull sein. In der 60. Minute gibt es endlich die lang erwartete Rote Karte. An der Mittellinie fällt Kompany Bechmann so hart, dass der einen Meter hoch in die Luft fliegt, sich einmal dreht und zwei Meter weiter aufklatscht. Ob das aber wirklich Rot war? Keine Schwalbe, aber auch keine Notbremse und kein grobes Foul - ich glaub, der Bechmann ist nur spektakulär gesegelt. Egal, Kompany tritt gegen die Werbebande, ist extrem angefressen. In Überzahl MÜSSEN wir das gewinnen. Wieder die Pflicht, wieder das Wort MUSS. Sam brüllt dem Kompany nur "Schwarzes Schwein" hinterher. Irgendwie hat das was.
Die Sekunden vergehen so langsam, warum muss das nur immer so spannend sein... Standards gibt es auf beiden Seiten, kein Wunder bei diesem mittlerweile wirklich harten Spiel. Nur langsam flammen die "So geeehn die Hamburger... und SO GEHN DIE BOCHUMER!"-Tanzrunden auf, als Zdebel - einen Tritt von Gelb-Rot entfernt - für Imhof weichen muss. "Mehr Schweizer aufs Feld", brüllt Sam sehr ironisch (und diskriminierend, hihi), ein negatives UUUUuuuuuhhh-Raunen geht durchs Publikum, dem Imhof traut hier niemand etwas zu. Einwurf Bönig, Imhof bekommt eine Sekunde nach seiner Einwechslung den Ball, schiiiiiiieß, schiiiiiiiiiieß, schiiiiiiiiiiiiieß, 22 Meter Entfernung, schiiiiiiiiieß, flieg Bälleken flieg, drin. Ich hör nix mehr. Drin. Ich bin taub für diesen kurzen, kleinen Moment, der eigentlich die Ewigkeit bedeuten müsste. Hüpfe, irgendwie, schweige, irgendwie, kann es nicht glauben. Imhof, der kann doch eigentlich gar nicht schießen, und jetzt... Winkel... 2:0. Gewonnen. Nur noch ein paar Minuten zu spielen. "Ich hab doch gesagt: MEHR SCHWEIZER aufs Feld", brüllt Sam. Abklatschen mit der ganzen Belegschaft. "Spitzenreiter, Spitzenreiter HEY HEY!" Party people, geh mir weg mit Love Parade in Essen, heute ist die echte, die wirkliche, die höchstpersönliche Liebesparade, hier in Bochum, hier beim VfL! 2:0 gegen den HSV!!! Erster Platz für 19 Stunden! Da brennt nix mehr aaannn... scheiße, was ist das? Sestak foult Jarolim eindeutig, Elfer. Van der Vaart läuft an, Tor, 1:2. Noch sechs Minuten. "Muss man in diesem VEREIN IMMER ZITTERN????", brüllt einer aus dem Fanklub. Ja, müssen wir wohl. Doch nichts passiert mehr. 2:1. Sieg. Ein fantastischer Fight, ein großartiger Kampf, ein stimmungsvoller Abend.
Wie ging nochmal der erste
Absatz?
Lupo kommt von hinten,
von der Seite, wo auch immer. Es ist so laut, verflucht verdammt vergeil,
einfach geil laut, alle 25.000 Bochumer sind noch im Stadion, applaudieren.
Lupo, Sam, Nicole, meine Arbeitskollegin Nancy, Gerd, Gerds Frau, zum ersten
Mal seit vier, fünf Jahren im Stadion. Applaus für dieses Hamma-Spiel,
Applaus, und dann kommt auch noch Lupo. "In dreißig Jahren", brüllt
er, damit sein Satz überhaupt mein Gehör findet ("SPITZENREITER,
SPITZENREITER, HEY HEY" schreien wir im Stakkato), "in DREISSIG Jahren
habe ich noch nie erlebt, dass die Stimmung am dritten Spieltag so gut
war. IN DREISSIG JAHREN!" Sagt's, hebt seine Arme, klatscht und klatscht
und klatscht bis die Hände schmerzen. Unser Lieblingsschlager heißt
"soooo gehn die hamburger, die hamburger gehn so... SOOOO GEHN DIE BOCHUMER,
DIE BOCHUMER GEHN SO!!!" Zehn Minuten nach dem Schlusspfiff kommt unser
Trainer Marcel Koller in die Kurve. Es ist die Pointe der letzten zwölf
Monate. Nach dem dritten Spieltag der vergangenen Saison, nach dem 0:1
gegen Cottbus, wünschten wir Koller zurück auf den Arbeitsmarkt,
kreischten mit hochrotem Kopf "KOLLER RAUS!", immerzu und immerzu. Und
jetzt wird er gefeiert.
Laufen zurück zum Parkhaus,
bedienen uns bei den Coke-Zero-für-noppes-Kisten. Bringe Nancy mit
dem Smart zu ihrem am Riemker Markt geparkten Auto. Sie darf ruhig häufiger
mitkommen...
Bild-Online titelt: "Irre!
Bayern muss Bochum jagen!" Zu Hause fotografiere ich die Tabelle.
Wir haben's verdient!
Der Ausgleich durch Maltritz. Ich dachte, dass da noch mehr kommt...
Hannover, Hashemian, Hochzeit und Hosen: Drei verschiedene Klamotten-Garnitarun für einen Tag und die immerwährende Frage: Wie konnte das verloren gehen???
Hubschraubers Höhenflug
Morgens um halbsechs. Komme
gerade aus dem Pulp in Duisburg-Hochfeld, ein großer Abend mit großartiger
Musik von den Killers, Peppers, Arctic Monkeys, Mando Diao, Kaiser Chiefs,
Maximo Park. Setze mich zu Hause noch kurz an meinen Laptop und denke erst
jetzt wieder dran: Hey, Andi, das ist die dritte Kleidungsgarnitur, die
du heute trägst. Der 20-Stunden-Tag voller Konzentration, Anstrengung
und Party ist zu Ende. Und doch will ich nicht mit einem Grinsen einschlafen.
Denn der erste Klick mitten in der Nacht führt mich auf die Homepage
des VfL Bochum. Verloren. Warum? W a r u m? WARUM? Warum?
Möchte heute Hosen
hören. Brauche den Wecker nicht. Wache von ganz allein auf. Wache,
Dimo Wache, Torwart des FSV Mainz 05, zurzeit verletzt... ähem, anderes
Thema. Schon Wahnsinn, wohin morgens die Gedanken schweifen. Bin seltsam
entspannt. Wobei seltsam das falsche Wort ist. Nach diesem Sensationsstart
würde selbst eine 0:4-Schlappe nicht nerven. Die erste Entscheidung
- Auto oder Bahn - traf ich schon Donnerstag. Aufgrund meiner Verpflichtungen
am Abend: Auto. Muss besonders aufmerksam die Karre packen. Nicht nur das
übliche Auswärtsspielpaket mit CDs, Digitalkamera, einer Flasche
Coke Zero, Kaugummis, dem Buch "1000 Tipps für Auswärtsspiele"
und dem VfL-Schal. Sondern Klamotten für den kompletten Abend. Habe
die Stadiongarnitur an. Trikot, Sportschuhe, Stadionjeans. Direkt nach
dem Hannover-Spiel muss ich zu 'ner Hochzeit, da sind eine gute Jeans,
bessere Schuhe und ein weißes Hemd gefragt. Eine weitere Party musste
ich leider absagen, weil's ab 23 Uhr mit Volos ins Pulp nach Duisburg-Hochfeld
geht - mit T-Shirt. Puh. Sooooviel Stress...
Bin irgendwie gar nicht
müde, als ich den Smart betanke und um 11.05 Uhr Richtung A2 aufbreche.
Die Rechnung ist einfach: Brauche - wenn ich den rechten Fuß eifrig
aufs Pedal drücke - etwa 2:45 Stunden, mit ein wenig Stau 3:15 Stunden,
macht: 14.20 Uhr! Also: pünktlich! Die Strecke ist mehr als einfach,
fahre sie wahrlich nicht zum ersten Mal. Immer noch überrascht mich
meine Fitness, lege die Hosen-CD in den Player:
"Es kommt die Zeit o-hooo
in der das Wünschen wieder hiiiiiilft"
Ohohooooo-ohoo, singe mit,
gröle mit, prüfe meine Stimme. Wenn das Wünschen wieder
hilft... wir waren schon Tabellenführer, zwar nur für 19 Stunden
- und können es heute wieder werden. Ich wünsch mir was und das
ist der erste Platz. Die Bayern spielen erst morgen in Hamburg, Bielefeld
verliert in Duisburg (bestimmt), bleiben wir. "Wir gewinnen 2:0, das steht
fest", habe ich allen gesagt, die mich nach der aktuellen Form des VfL
Bochum befragt haben. Große Fresse, öfter mal was Neues. Fahre
an "Henrichenburg" diesmal vorbei und nicht
'raus, so wie in den beiden vergangenen Arbeitsmonaten. Dortmund, direkt
dahinter Hamm, Hamm-Uentrop. Das Hosen-Stück "Steh auf, wenn du am
Boden liegst" überskippe ich erst einmal, ich liege schließlich
nicht am Boden. Ganz und gar nicht. Viele Autos mit VfL-Schals ziehen an
meinem Smart vorbei, vereinzelt stehen auch einige auf dem Standstreifen
- Pinkelpause direkt an der A2. Aus dem VW-Bus wehen die Fahnen, bei 100
km/h ein "Wen lieben wir?" "VfL!" hin und her, klasse, ich freu mich gelöst
auf das Spiiiee... doch was ist das? Bei "Ostwestfalen-Lippe" stehen wir.
Stau. Etwa zwei Kilometer. Auf der Gegenfahrbahn gab es - wie ich aus den
nebenbei eingeschalteten Nachrichten erfahre - einen dicken Unfall mit
zwei Toten. Oh je. An diesem Ort, den ich im Zeitlupentempo passiere, starben
vor ein paar Stunden noch zwei Menschen. Mache die Hosen-CD an. "Nur zu
Besuch". Wie sagte Wiglaf Droste noch über Hosen-Sänger Campino?
"Ein Dummklumpen unfassbaren Ausmaßes". Ist mir heute egal. Ist Fußball.
Höre "Bayern". "NIE IM LEBEN WÜRDE ICH ZU BAYERN GEHN!" Okay,
3:15 Stunden könnte klappen. Aber WAS IST DAS? Irgendwo bei Bad Nenndorf,
Hessisch Oldendorf oder irgendwo sonst auf dem Land in Niedersachsen stehen
wir. Einfach so. Stehen und stehen. Die Zeit verrinnt, ich schiebe mir
ein Kaugummi zwischen die Zähne, nervös. Ich gebe dieser Hinfahrt
zum ersten Mal den Namen "Horrortrip". Der Stau ist gefühlt 30 Kilometer
lang, das schaffe ich niiie pünktlich. Lese zwischendurch die WAZ
von heute. Eine Baustelle ist scheinbar die Ursache. Die A2 wird von einer
drei- zu einer zweispurigen Bahn. Das das ist doch eigentlich kein Problem!?!?!
Ein Schild verrät: "Hannover 45 km". Zu weit. Die Baustelle ist erreicht
und jetzt wird der Übeltäter sichtbar. Mitten in der Baustelle
ist ein Auto liegengeblieben - ohne Nothaltebucht. Hier wird die A2 also
einspurig. Buh! Was für ein Idiot! WAS FÜR EIN IDIOT!
Ich quäle meinen Smart.
Es ist schon 14.20 Uhr, ich wollte schon längst im Stadion sein! 135
km/h, mehr gibt die Karre nicht her, durchheizen. Kurz vor drei, Ausfahrt
"Hannover-Herrenhausen", die ist korrekt. Ab auf die B6, bis zur Arena
sind's noch sechs Kilometer. Geht recht fix das Ganze. Vielleicht pünktlich...
15.07 Uhr, Parkplatz suchen. Scheiße, ich verpasse den großen
Parkplatz "Schützenplatz", scheiße, scheiße, scheiße.
Die zweite große Variante fällt aus, der Zirkus "Roncalli" hat
sich dort ausgebreitet. Aaargh! Drehe, fahre in die Nebenstraßen,
15.13 Uhr, yeah, ein Smart-Parkplatz. Ein bisschen kurbeln, drei Minuten
im Jogginglauf zur Gästekurve. Der Horrorfilm ist noch nicht zu Ende.
200 Meter Schlange. Schreibe eine sms an MSV-Fan Helmut, der sich schon
in der MSV-Arena befindet, seine Zebras treffen auf Bielefeld. Übertreibe
etwas. "Was für ein Horrortrip: Anfahrt 4:50 Stunden und jetzt vor
dem Stadion 200 Meter Schlange. Vor der 25. Minute gibt das nix." Als die
VfL-Fan-Massen etwas lauter "Wir wollen rein! Wir wollen rein! WIR WOLLEN
REIN!" brüllen, organisieren die 96er endlich ein paar Ordner mehr.
Und was die sich erst leisten... wieder eine Neuerung. Nicht nur Schuhüberprüfung,
Schlüsselüberprüfung (Standard!), sondern auch Portmonee-Überprüfung!!!
"Bitte öffnen!", sagt der Security-Gorilla - und das Münzenfach
auch noch! Wundere mich, dass ich die nicht abgeben muss, sind ja potenzielle
Wurfgeschosse! Darf dann rein, sprinte die 100 Treppen Richtung Gästekurve
hoch, schreibe Helmut wieder. "Hurra, mit Glück und Geschick doch
noch drin. Reine Auswärtsfan-Schikane!" Auswärtsfan-Schikane.
Das ist es. Und vor allem wofür: Wir VfLer stehen eingepfercht unterm
Dach, mit etwa 100 Meter Luftlinie zur Außenlinie. Eine unfassbar
schlechte Sicht. Der Horrortrip ist vorbei, geschafft. Will mich nun endlich
auf Fußball konzentrieren. Schreibe jetzt schon so lange, und das
Spiel hat noch nicht einmal angefangen!
Aufstellungen? Bei uns wieder
Grote für Fuchs, sonst keine Änderung. Hannover spielt mit dem
Ex-VfLer Fahne Fahrenhorst in der Innenverteidigung und im offensiven Mittelfeld
mit Jiri Stajner, der bis Donnerstag noch bei uns im Gespräch war.
Hubschrauber Hashemian sitzt auf der Bank. Wir sollten eigentlich sehr
selbstbewusst auftreten, doch was passiert? Nichts. Unser Trainer hat die
Mannschaft aus irgendwelchen Gründen sehr defensiv eingestellt. Wir
greifen erst ab der Mittellinie an, es ist absolut gewollt, dass Hannover
in der ersten Hälfte die Ballbesitz-Statistik auf 78:22 Prozent schraubt.
78:22!!! Wir sind hoffnungslos unterlegen, überlassen Hannover Ball
und drückende Überlegenheit. Zwei Tore zum 0:2-Rückstand
lassen wir selbstverständlich auch noch zu - und aus einem Horrortrip
wird auch noch ein Horrorspiel. Bin STINKSAUER!!!! "Wir spielen grausam",
funke ich an Helmut. Bei beiden Toren sieht unser neuer Schnapper Lastuvka
alles andere als glänzend aus. Bei Tor Nummer eins trifft Mike Hanke
aus 25 Metern Entfernung halbhoch ins rechte Eck - in der 13. Minute. Auch
das zweite - in Minute 36 - ein Fernschuss. Rosenthal schießt aus
20 Metern in die Tormitte. Unser Torwart segelt ins Eck! INS ECK! Katastrophenfehler,
weil Hanke und Rosenthal natürlich auch niemals frei zum Schuss hätten
kommen dürfen. Unsere hochgelobten Stürmer Epalle, Sestak und
Bechmann laufen insgesamt sieben (!) Mal ins Abseits, machen sonst nix.
Epalle hat's gegen die kopfballstarken Fahrenhorst und Kleine natürlich
sehr schwer, wird aber auch nur hoch angespielt. Mit einem 0:2 sind wir
gut bedient, es hakt überall. Kurz vor der Halbzeit plötzlich
eine Flanke in den Strafraum - fast unsere erste im kompletten Spiel -
Dabrowski köpft platziert, Enke wehrt gerade eben mit den Fingerspitzen
ab, Bechmann-Abstauber, Tor! 1:2! EINS ZU ZWEI! HALBZEIT!!!
Endlich eine Verschnaufpause.
Alles sacken lassen. Die Hinfahrt, die erste Halbzeit. Den Abend planen.
Schreibe einem Volo-Kollegen, ob's bei der Party im Pulp bleibt. Jo, bleibt.
Er ist BVB-Fan und guckt grad bei Premiere das Spiel in Rostock. "Ödes
0:0", schreibt er. Beim Abend bleibt's. Jörn und Maike sagen gerade
"Ja" im Schloss Broich. Das ist die Hochzeit, die ich gleich noch besuchen
werde. In der Halbzeit ist Oliver Pocher zu sehen, ein 96-Fan. Keine Ahnung,
was er sagt, geht mir auch am Arsch vorbei. Rechts neben mir steht ein
Schalke-Fan, der mich ununterbrochen volllabert, mit irgendwelchem Zeug.
Anstoß zur zweiten Halbzeit, "1:2" klingt noch relativ knapp, obwohl
das Spiel doch so eindeutig gegen uns ablief. Doch was ist das bitte für
eine zweite Halbzeit??? Auf einmal geht ALLES!!! ALLES!!! Wir sind drückend
überlegen! Und haben Chancen der Top-Kategorie! Wir Fans - in der
ersten Halbzeit noch eher leise - merken, dass wir vor dem Ausgleich stehen,
brüllen laut "VFL! VFL!", sonst ist's jetzt sehr still im halbleeren
Rund.
Vor allem Bechmann verballert
ohne Ende, auch Sestak nach einem Superkonter in Minute 58! Von Hannover
kommt nichts mehr. Was in der 66. Minute passiert, ist nur allzu logisch.
Sestak überläuft Tarnat, strebt vom rechten Strafraumeck aufs
Tor zu und wird von Yankov gefällt. Ein Pfiff: ELFER! ELFER! ELFER!
Wer schießt? Misimovic ist weg! Gekas ist weg! Maltritz schnappt
sich die Kugel, läuft an und verwandelt humorlos links unten. 2:2,
hochverdient jetzt! "Ganz anderes Spiel. Erst drei 100prozenter für
uns, dann Maltritz-Elfmeter. Verdient jetzt. 96 wackelt", schicke ich an
Helmut und an VfL-Fan Dirk aus München, der auf den Ticker wartet.
Ich bin überzeugt, dass wir alle drei Punkte mitnehmen, bin auf 180,
Adrenalin, Blutdruck und Puls am Maximum. Tabellenführung winkt. Denn
Helmut smst innerhalb von sechs Minuten dreimal, erst "Maicon", dann "Salto",
dann "Salto". "Salto" heißt übersetzt "Ishiaku", Duisburg führt
also 3:0. Wir sind immer noch besser. Da wechselt Hannovers Trainer Hecking
Vahid Hashemian ein, einer aus der guten alten VfL-Zeit. Er kommt nächste
Woche zu Dariusz Wosz' Abschiedsspiel. Aber leider treffen Ex-VfLer immer
äußerst gern gegen uns. Hashemian kommt, als 96 in Ballbesitz
ist. Was passiert? Ein Pass nach vorn, Tarnat kommt bis zur Grundlinie
durch, flankt, Kopfball Hashemian, zehn Sekunden nach der Einwechslung,
Kopfball, drin. 3:2! DAS KANN NICHT WAHR SEIN! Trommle auf das Geländer,
brülle laut "DAS KANN NICHT SEIN!". Hubschraubers Höhenflug.
Zwei Minuten später: Epalle über rechts, Flanke, Bechmann muss
nur den Fuß hinhalten, aber MACHT ES NICHT! MACHT ES NICHT! Das muss
doch das 3:3 sein, ein Punkt wäre hochverdient. Doch die Zeit verrinnt,
Hannover vergibt in einer äußerst unterhaltsamen zweiten Halbzeit
auch noch zwei Konterchancen. 2:3, verloren. Warum? W a r u m? WARUM? Warum?
Steh auf, wenn Du am Boden liegst! Jetzt brauch ich das Lied.
Verbleibe nicht im Stadion,
jogge zum Auto zurück, komme super weg, bin schon um 17.40 Uhr zurück
auf der A2. Ein Zwischenhalt bei Burger King, viele Telefonate, unter anderem
mit Helmut, der vom Duisburger 3:0-Sieg berichtet. Dann noch mit meinem
Bruder Thommy, der in zwei Wochen in Leverkusen seine Saisonpremiere feiert,
klage mein Leid, mein BVB-Volo-Kollege hat 1:0 in Rostock gewonnen, aber
der Besuch im Pulp steht. In Rekordzeit von 2:45 Stunden erreiche ich den
Hochzeitsfeier-Ort in den Räumlichkeiten eines Kanuvereins an der
Ruhr. Umziehen, Hosenwechsel, Trikot aus, weißes Hemd an, Schuhtausch.
Hochzeitstanz zu "Supergirl" von Reamonn. Um 22.45 Uhr nächster Schuhwechsel,
T-Shirt an. Ab ins "Pulp", diese sensationelle Disko in Duisburg-Hochfeld.
Die Niederlage aus den Rippen feiern. "Mr Brightside", "Best of You" von
den Foo Fighters, "Last Nite" von den Strokes undundund.
Morgens um halb sechs.
Zu Hause.
Steh auf, wenn du am Boden
liegst.
Liege am Boden, nee, im
Bett. Nicht, weil's mir schlecht geht oder weil Bochum verloren hat. Stelle
im Netz fest, dass wir trotz Niederlage von Platz drei auf zwei vorgerückt
sind. Eine nette Episode.
Bin einfach nur platt.
Wieder so ein Fußballtag
mit Emotionen aller Art.
Da steht "Danke, ohne EUCH wäre dieser Tag heute nicht möglich!!!"
Im Ruhrstadion flossen viele, viele Tränen. Und das nicht nur, weil Darek kam...
Steht auf für die Zaubermaus
Als Nationalhymne Grönemeyers "Bochum"
Lasst mich einfach virtuell
eine Träne vergießen.
Eine?
Nein, dieser Nachmittag
lässt ein ganzes Tränenmeer über die Gesichter aller VfL-Fans
kullern. Diese "Steht aaaaauf für die Zaubermaus"-Rufe werden niemals
verhallen und auch in Jahrzehnten noch im dicken Beton des Ruhrstadions
zu hören sein. Ja, genau, zum ersten Mal in der Weltgeschichte ist
Beton aufnahmefähig. Dass ich diesen Satz einmal auf dieser Homepage
schreiben muss, stand schon lange fest, aber er schmerzt trotzdem.
Dariusz Wosz wird nie wieder
für den VfL Bochum spielen.
Nie wieder.
Er hat den VfL begleitet
in insgesamt 13 Saisons, in endlos vielen Spielen. Er hat den VfL zweimal
in den UEFA-Cup geführt, ist mit uns mehrfach ab- und mehrfach aufgestiegen.
Keinen Spieler sah ich häufiger im VfL-Trikot, insgesamt in 208 Bundesliga-
und Zweitligapartien. 208! Darek, unsere Zaubermaus, ist der erste Bochumer,
der ein Abschiedsspiel bekam. Der allererste. Doch wie packe ich nun diesen
Nachmittag auf dieser Homepage an? Wie? Diesen Nachmittag der Superlative,
diesen Wiedersehens-Nachmittag mit mehreren VfL-Generationen?
Ich blättere ein wenig
in Fotoalben, denn als Dariusz Wosz zum VfL wechselte, heftete ich meine
Bilder tatsächlich noch zwischen zwei Buchdeckeln ab... ich klicke
ein wenig auf meiner Internetseite herum - und erblicke einen Text, den
ich einst am 3. November 2002
schrieb, nach dem 3:0-Heimsieg gegen Hertha BSC. Wieder einmal ging ein
großartiger Abend zu Ende, wieder einmal ließ Wosz fantastisch
den Ball auf seinen Füßchen tanzen. Ich formulierte eine Huldigung.
Die ging so: "Seine Dribblings sind der Hammer. Kaum hat er den Ball, blickt
er seinem Gegenspieler in die Augen. Ein Haken links, ein Wackler rechts
- und schon ist er vorbei. 168 Zentimeter misst er nur, ich könnte
ihm auf den Kopf spucken. Seine Intelligenz ist mehr als mäßig,
auch seine Äußerungen deuten nicht auf einen Rhetorik-Kurs hin.
Und doch wird dieser Text eine Huldigung. Eine Huldigung an Dariusz Wosz,
der einzig wahren "Nummer zehn", die der VfL hatte, seitdem ich regelmäßig
die Stehstufen des Ruhrstadions beehre. Wosz, einer der sensiblen Spieler.
Einer, der das Gefühl haben muss, von den Fans geliebt zu werden;
einer, der Verantwortung tragen will. Einer, der genau das alles in Bochum
kann und bekommt. Ohne übertreiben zu wollen - jeder der durchschnittlich
20.000 VfL-Fans im Ruhrstadion würde sein letztes Hemd geben, damit
Dariusz Wosz in Bochum bleibt. Das war schon 1997 so, als sich die von
der Presse so getaufte "Zaubermaus" Richtung Berlin verpisste. Stellt Euch
vor, Ihr seid mit Eurer absoluten Traumfrau zusammen. Irgendwann sagt sie
dann zu Dir: Pass mal auf, ich verlasse Dich und gehe zu Tom Cruise, um
ihn um ein paar Millionen zu erleichtern, aber früher oder später
komm ich zurück, weil ich eigentlich nur Dich liebe. Da wärt
Ihr doch auch echt angefressen, oder? Dementsprechend böse reagierte
die VfL-Kurve auf den damaligen Wosz-Wechsel nach Berlin; doch die Zuneigung
war noch zu groß. Bei jedem Auftritt der Hertha im Ruhrstadion tränten
die Augen, den Dariusz in einem anderen Trikot zu sehen. Und ihm ging es
wahrscheinlich nicht anders. Nach drei Jahren in der Hauptstadt hatte er
die Schnauze voll und kehrte in den Pott zurück - und ist seitdem
der "König von Bochum". Er liebt die Fans, die Fans lieben ihn. Und
Heimspiel für Heimspiel schlägt er seine Haken, bereitet Tore
vor, netzt selbst ein, rennt 90 Minuten lang. 168 Zentimeter Bochum. 168
Zentimeter Dariusz!"
Warum ich das schrieb? In
der 49. Minute schoss er das 1:0, zog sein Trikot aus - und das T-Shirt
"Ich bin ein Bochumer Junge" kam zum Vorschein. Es wurde ein geflügeltes
Wort.
Und das ist jetzt alles
vorbei?
Dariusz Wosz beim VfL
Bochum
DARIUSZ! DARIUSZ! DARIUSZ!
Eigentlich, so war in allen
Rückblicken auf Dariusz' Karriere zu lesen, wollte er gar nicht mehr
zum VfL. Damals 1991, schlossen viele Bundesligavereine Vorverträge
mit DDR-Nationalspielern. Auch der VfL bediente sich fleißig, holte
sich Kirsten, Trautmann, Schwanke, Bonan und eben Wosz. Kirsten sprang
ab, ging nach Leverkusen, Trautmann blieb in Dresden - und auch Wosz wollte
nicht mehr. Doch der VfL gab den kleinen Mann nicht frei, also feierte
er am 7. Februar 1992 sein Debüt, an der Seite von Epp, Rzehaczek,
Kempe, Heinemann, Benatelli, Wegmann. 0:0 endete das Spiel gegen Eintracht
Frankfurt. Schmucklos 0:0. Wer ahnte schon, dass der kleine Mann 15 Jahre
und ein paar hundert Profi- und Länderspiele später im Ruhrstadion
sein Abschiedsspiel bestreiten würde? Es folgten Aufstiege (viele),
Abstiege (oh ja), Siege (nicht so viele), Niederlagen (in der Überzahl),
vergebene Chancen, Trainerwechsel, Traumtore, zuletzt beim 2:0
in Mönchengladbach am Ende der vergangenen Saison, in seinem letzten
Bundesligaspiel. Eins blieb in all den ganzen Jahren immer gleich (bis
auf die zwei Wosz-Jahre bei Hertha BSC, die ich jetzt mal ausklammern möchte):
Dariusz Wosz trug beim VfL die Kapitänsbinde und die "Nummer zehn".
Der kleine Mann aus Halle, der in einem Interview 1993 nach einem Sieg
gegen Saarbrücken in hoher Piepsstimme "schnellen Drehungen und Wendungen"
als Spezialität bezeichnete, ist nach Grönemeyer bekanntester
Repräsentant der Stadt Bochum. Beim VfL wird er nun A-Jugend-Trainer,
arbeitet in der Marketing-Abteilung und will in der Bezirksliga auf Asche
bei Union Bergen spielen. Ein Kumpel, der in einem Laden im Bochumer Ruhrpark
arbeitet, sagte neulich noch: "Der einzige VfLer, den man hier sieht, ist
Dariusz."
Jetzt ist's aus. Vorbei.
Nie mehr die Nummer zehn.
Dariusz Wosz im UEFA-Cup
DARIUSZ! DARIUSZ! DARIUSZ!
Die größten Tage
in der Vereinsgeschichte, ja vielleicht auch die größten Tage
in der Karriere des Dariusz Wosz (was sind schon Länderspiele oder
Champions League mit Hertha gegen Erfolge mit dem VfL?) waren die acht
UEFA-Cup-Spiele. Zu Hause gegen Trabzonspor, Endstand 5:3. Zu Hause gegen
den FC Brügge, Endstand 4:1. Zu Hause gegen Ajax Amsterdam, Endstand
2:2. Und zu Hause gegen Standard Lüttich, Endstand 1:1. Vier Highlights,
viermal sensationelle Stimmung, viermal ein überragender Dariusz Wosz.
Um es vorwegzunehmen: "Dariusz will das UEFA-Cup-Lied noch einmal hören",
ließ er via Stadionsprecher bei seinem Abschiedsspiel verkünden.
"Uuuuuefa-Cup, Uuuuuuefa-Cup, und wir ham das blau-weiße Licht bei
der Nacht..."
Das Reini-Rein-van-Deini-Abschieds-und-Peter-Neururer-tanzt-Spiel
Und so trafen sich dann
alle VfL-Generationen der vergangenen 20 Jahre im Ruhrstadion. Schaut in
meine persönliche VfL-Biografie, seit wann gehe ich zum VfL? Seit
20 Jahren! Ich sah etliche meiner Helden wieder, von "Oléeee Holger
Aden u-u-schalalalalalaaa" über Uwe Wegmann (der immer noch meine
persönliche VfL-Torschützenliste anführt) bis zu Spielern,
die wir mal geliebt, mal gehasst haben (Peter Peschel, Dirk Eitzert). Ich
sah gemeinsam mit 18.700 anderen VfL-Fans Ata Lameck, der 518-mal für
den VfL in der Bundesliga die Knochen hinhielt und der einzige aus dem
"Ü-500-Bundesligaspiele"-Klub ist, der niemals das Nationaltrikot
trug, der mit Tenhagen, Oswald, Woelk, Eggeling, Leifeld, Zumdick das unabsteigbare
Bochumer Team bildete. Die UEFA-Cup-Mannschaft aus der Saison 1996/97 war
fast komplett anwesend - vermutlich die beste Mannschaft der Vereinsgeschichte.
Thomas Stickroth spielte und zauberte - "Stickinho", der Mann, der uns
Bochumern beigebracht hat, wie Fußball auch funktionieren kann. Das
Tor zum 6:2: herrlich. Stickroth über rechts wie in alten Zeiten mit
gefühlt 20 Übersteigern, Flanke, Fallrückzieher (!) von
Funny Heinemann (!!!!!) in den Winkel. Unfassbar. Erstaunlich, wie freundlich
die Hannoveraner Frank Fahrenhorst (kein einziger Pfiff) und Vahid Hashemian,
noch
vor einer Woche Schütze des 3:2-Siegtores für 96 (nur wenige
Pfiffe) empfangen wurden. Auch die Berliner Christian Fiedler, Michael
Preetz und Pal Dardai sowie Leverkusens früher in Bochumer mehr als
ungeliebter Torjäger Ulf Kirsten begrüßten wir mit 18.000-facher
Brüllung des Nachnamens. Katze Zumdick, zurzeit Co-Trainer beim BVB,
kam unter lauten "Zumdick! Zumdick!"-Rufen auf den Platz. Erst danach gab's
"Scheiß Borussia".
Im Mittelpunkt natürlich:
DARIUSZ! DARIUSZ! DARIUSZ! DARIUSZ!
Ein Abschiedsspiel mit La
Ola, mit vielen Toren (20 insgesamt, davon zwei durch DARIUSZ!), mit ausgelassener
"So ein Tag, so wunderschön wie heute"- und "Steht auf für die
Zaubermaus"-Stimmung. Und doch war es nicht nur das Darek-Abschiedsspiel.
Sondern auch das von Rein van Duijnhoven, der unfassbare Ovationen erhielt
- vor, während und nach dem Spiel. Die Versöhnung mit unserem
Ex-Trainer Peter Neururer passte auch noch zu diesem Tag. Pidder erntete
keinen einzigen Pfiff, und nach dem 18.000-fachen Aufruf "Wir wolln Dich
tanzen sehen!" tanzte er wie damals, als wir den UEFA-Cup erreichten. Das
tat dem momentan arbeitslosen Pidder doppelt gut. Diese Fürsprache
wird Altegoer und Kuntz nicht uneingeschränkt gut gefallen haben.
Bleibt noch das Programm
für DARIUSZ! DARIUSZ! DARIUSZ!
Alle VfL-Stadionsprecher
der Woszschen VfL-Karriere (bis zu Frank Papke) waren da, kündigten
jeden Spieler einzeln an. Okay, das klappte nicht wirklich gut, denn etliche
genannte kamen nicht, einige wurden nicht erwähnt, es ging etwas chaotisch
zu auf dem Platz. Doch egal, auf der Anzeigetafel liefen parallel die schönsten
Dariusz-Tore. Die Hälfte davon hab ich gesehen. Und bejubelt. Live.
Als Nationalhymne Grönemeyers "Bochum" - alle Spieler standen schon
auf dem Platz in einer Reihe, eben wie in Länderspielen. Sensationell.
Die 90 Fußball-Minuten: typisches Abschiedsspiel. Für uns Bochumer
aber trotzdem ganz besonders, weil's das Erste in der Vereinsgeschichte
war. Nach JEDEM Tor mit Jingle, mit Sprechchören. Sogar Philipp Bönig,
in Pflichtspielen noch torlos, traf. Da schüttelte er selbst den Kopf.
Zwei Tore schoss Dariusz, eins für den VfL, eins für seine Allstars.
Interviews während der zweiten Hälfte. "Ich habe heute mehr Tore
geschossen als in meiner kompletten Bundesligakarriere", sagt Dirk Eitzert.
"Ich habe zwei Tage frei. Die dritte Halbzeit könnte dauern", ergänzt
Uwe Gospodarek. "Ich bin immer wieder gern hier", sagt Gustl Ernst kurz
vor seiner Einwechslung. In der 81. Minute: die Auswechslung, als es regnete,
als der Himmel weinte. Applaus von allen. Jubel. Lauter Jubel. Nach dem
Abpfiff die Ehrenrunde zu den Klängen eigens engagierter Musical-Stars
(Darek liebt Musicals). Die trällerten "Time of my life", "We will
rock you" und "Waterloo". Begleitet von weiß-blauem Konfetti laolate
Darek durchs Stadion, bedankte sich artig bei seinen Fans. "Der Bochumer
Junge sagt Danke" stand auf zwei Plakaten.
45 Minuten nach dem Abpfiff
noch standen und saßen alls Zuschauer auf den Tribünen, schauten
sich an, wie Darek Wosz ein letztes Mal die Nummer zehn trug, sich bedankte,
den Ball streichelte. Und danach in den Katakomben verschwand. Ein wunderwunderwunderschöner
Nachmittag. Tschüss Dariusz!
Zwei VfL-Generationen: Ata Lameck mit der "518" spielt Uwe Wegmann an
Psychologisiert heißt
das:
Auch für mich persönlich
ging eine Ära zu Ende. Seit 1991 besuche ich ganz regelmäßig
Spiele des VfL (vorher nur sporadisch). Und seit 1992 trug Dariusz Wosz
das blau-weiße VfL-Trikot. 337 Spiele habe ich bisher vom/mit dem
VfL gesehen, 208 davon mit Dariusz Wosz. Ich bin mit der kleinen Nummer
zehn aufgewachsen, groß geworden, er war irgendwie immer da, auch
als er gerade zwei Jahre zu Hertha BSC Berlin auswich, um sich fürs
Alter abzusichern. Habe Uwe Wegmann verehrt, damals, als ich gerade in
der Mittelstufe auf dem Gymnasium war, mir mein erstes VfL-Trikot mit der
Nummer "7" kaufte. Hab Autogramme gesammelt, damals, als Geradeebenteenie.
Schluss. Aus. Vorbei. Habe
dieses Wort in diesem Text so oft benutzt. Muss es nochmal tun, damit ich
es selbst glaube: VORBEI!
Auf den Beruf übertragen:
Mit der Zeit meiner freien Mitarbeit bei diversen Zeitungen/Agenturen endete
die Karriere von Dariusz Wosz. Im Beruf begann das Volontariat. Und auch
beim VfL werde ich mich an neue Namen gewöhnen müssen. Lasst
mich noch ein letztes Mal brüllen:
DARIUSZ! DARIUSZ! DARIUSZ!
**und jetzt #schnüff#
lasst mich in ruhe**
Die erste VfL-Statistik,
die NICHT auf meiner VfL-Seite steht
(die Statistik auf der VfL-Bochum-Homepage ist nicht komplett richtig)
VfL Bochum 1996/1997:
Uwe Gospodarek (bis 55.), Ralf Zumdick (55. bis 78.), Thomas Ernst (78.
bis zum Schluss) - Max Eberl, Mirko Dickhaut, Frank Fahrenhorst, Mathias
Jack, Thorsten Kracht, Tomasz Waldoch, Thordur Gudjonsson, Frank Heinemann,
Peter Közle, Peter Peschel, Olaf Schreiber, Thomas Stickroth, Dariusz
Wosz, Holger Aden, Henryk Baluszynski und Ata Lameck. Trainer:
Jürgen Gelsdorf
Dareks Allstars:
Jens Adler (bis 45.), Rein van Duijnhoven (46. bis 65.), Christian Fiedler
(65. bis Schluss) - Philipp Bönig, Sören Colding, Olaf Dressel,
Christian Herrmann, Thomas Kempe, Martin Meichelbeck, Rob Reekers, Pal
Dardai, Dirk Eitzert, Thomas Häßler, Jörg Heinrich, Michael
Rzehaczek, Jörg Schwanke, René Tretschok, Uwe Wegmann, Dariusz
Wosz, Vahid Hashemian, Ulf Kirsten, Michael Preetz. Trainer: Peter Neururer
Tore: 0:1 Bönig
(4.), 1:1 Wosz (10.), 2:1/3:1 Közle (13./19.), 3:2 Dressel (20./Foulelfmeter),
4:2 Wegmann (21.), 5:2 Baluszynski (25.), 6:2 Heinemann (27.), 6:3/6:4
Eitzert (39./41.), 6:5 Rzehaczek (54.), 6:6 Wosz (57.), 7:6 Peschel (58.),
7:7 Kirsten (60.), 7:8 Rzehaczek (68.), 7:9 Kirsten (70.), 7:10 Preetz
(72.), 8:10 Zumdick (78./Foulelfmeter), 8:11 Preetz (86.), 8:12 Hashemian
(87.)
In meinem VfL-Homepage-Bilderarchiv gefunden
Großer Moment in
Dariusz' VfL-Karriere: Einzug in den UEFA-Pokal in der Saison 2003/2004.
Rechts: Rein van Duijnhoven!
Ein Spiel, nach dem ich "Battery" von Metallica hören muss. Gekas ist zwar ein Bochumer, aber Bechmann kein Gekas. Das Lieblings-Auswärtsspiel habe ich nicht mehr ganz so lieb
Ich will so gern den Rhein sehen. In Köln-Mülheim auf dem Balkon.
Beschissen, lächerlich, aber Nordkapp
Die Standard-Situation in Halbzeit zwei: 'ne Standard
Ein Stein liegt auf einem
Schrank im Schlafzimmer. Ein namenloser, grauer Felsbrocken, unansehnlich
eigentlich, passt nicht ins Bild. Doch niemals werde ich ihn weglegen,
in eine Schublade abschieben. Nein. Werde ihn jeden Tag anschauen. Den
Moment, als ich diesen kleinen, unförmigen, leblosen Klumpen vom Boden
aufhob, kann ich noch genau beschreiben. Es war am 15. September 2001,
vier Tage nach 9/11. Doch diese Terroranschläge, Gegenstand aller
Diskussionen in der Welt, gingen an mir völlig vorbei. Ich spazierte
morgens um 8 Uhr am Nordkapp entlang, in Nordnorwegen und mir war alles
scheißegal. Alles. Ich sah morgens um acht, kurz nach dem Frühstück,
bei zehn Grad die Sonne, den blauen Himmel, den Globus, der diesen wundervollen,
wunderschönen Ort symbolisiert. Noch kein Tourist bevölkerte
so früh die Wege, noch kein Angestellter des Nordkapp-Zentrums. Das
öffnet immer erst um zehn, die ersten Busse kommen kurze Zeit später.
Morgens um acht stellte ich mich ans Geländer, setzte eine Mütze
auf, zog sie bis über meine Ohren, damit der Wind sie nicht abkühlen
konnte und schaute aufs Meer. Aufs Meer Richtung Spitzbergen. Dahinter
nur noch der Nordpol. Auf dem Rückweg zum Auto schnappte ich mir den
Stein. Nahm ihn mit.
Nordkapp ist weit weg. Heute.
Heute stehe ich wieder vor einer Brüstung, schaue wieder Richtung
Horizont, sehe wieder Sonne, blauen Himmel, Wasser. Es ist nicht Norwegen,
es ist Köln. Es ist nicht das Nordmeer, es ist der Rhein. Es ist nicht
Spitzbergen. Es ist Köln-Mülheim. Ich ärgere mich über
eine verflucht-lächerliche Niederlage, 0:2, murmele immer nur irgendwas
von "unfassbar" vor mich her, als mich ein Anruf von Björn erreicht.
Björn und ich fuhren damals, 2001, gemeinsam. In den sechs Jahren
hat sich viel getan. Er wohnt heute mit seiner Freundin Nadine in Aachen.
Um 19.30 Uhr, kurz vor dem Sonnenuntergang, also ein Anruf. "Weißt
du, was heute vor sechs Jahren war? Bei dem Wetter?" Ich muss nicht lang
überlegen. Nordkapp. Bei diesen Erinnerungen wird alles ein Tick unwichtiger.
Selbst eine Niederlage des VfL. Deshalb sei dieser Text Björn und
Norwegen gewidmet.
Erstmals zwei Ernst-Autos bei einem Auswärtsspiel!
Es ist alles wie immer, wenn
es nach Leverkusen geht. Das ist eine der wenigen Strecken, die ich nicht
einmal mehr im Buch "1000 Tipps für Auswärtsspiele" nachschlagen
muss, wenngleich das bedruckte Werk selbstverständlich doch zu meinem
Auswärtsspiel-Paket gehört (siehe Hannover).
Vor einem Monat fuhr ich bereits nach Leverkusen, in diese furchtbar hässliche
Stadt, als in der Oberliga Nordrhein der VfB Speldorf aus Mülheim
bei den Bayer-Amateuren unglücklich mit 2:3 verlor. VfL-technisch
habe ich überwiegend gute Erinnerungen an die Levs, vor allem dank
des 4:1-Festes in der vergangenen
Saison. Ja, doch, die BayArena ist das Lieblings-Auswärtsstadion der
Bochumer. Eine Leverkusen-Tradition ist inzwischen, das mein Bruder mitkommt.
Meistens passt der Termin, so auch heute. Um halb eins kommt er vorbei,
ist noch etwas angeschlagen, da er den gestrigen Abend in der Mülheimer
Kneipe "Marktplatz" verbrachte, ein Laden, in dem niemand einen promovierten
Germanisten vermuten würde. Wenigstens hat er sich "Boulevard of broken
dreams" von Green Day gewünscht. Und es bekommen. Direkt nach Pur.
Die heutige Premiere besteht
darin, das erstmals zwei Ernsts mit zwei Autos zu einem Auswärtsspiel
fahren. Thommy zieht danach weiter über Köln nach Brüssel,
ich werde eine Familyfeier in Köln-Mülheim besuchen und heute
Nacht noch nach Mülheim (also an der Ruhr) zurückkehren. Wir
packen unsere Autos, feiern kurz die Ausgangslage, denn selbst wenn wir
verlieren, passiert in der Tabelle nix. Wir würden zwar von Platz
zwei auf wahrscheinlich zehn oder elf purzeln, aber so what? Sieben Punkte
sind astrein, die hatten wir vor einem Jahr erst am siebten oder achten
Spieltag! Wir fahren am Autobahnkreuz Breitscheid auf die Autobahn A3 Richtung
Köln, die Bahn ist leer, in "Opladen" geht es nach einer sehr unspektakulären
Fahrt raus, um 13.45 Uhr. Wir sind früh dran und parken - wie schon
beim 4:1-Fest mitten in einem Wohngebiet in Stadionnähe, Luftlinie
400 Meter von der BayArena entfernt. Hab die ganze Tour meinem Bruder zum
Geburtstag geschenkt... Puh, der Leverkusener Stehplatzpreis ist unangefochten
Spitze in der Bundesliga. 13,50 Euro!!! 13,50 Euro!!! Dazu noch knapp zehn
für zwei Bratwürste und zweimal Cola Light, Fußballspaß
für die ganze Familie. Tja, aber leider kaum noch für Fans mit
kleinem Geldbeutel. Im kleinen Leverkusener Gäste-Stehplatzblock haben
wir mittlerweile einen Stammplatz, wieder einmal ist der Vorteil dieses
Auswärtsspiels die Heimspiel-Atmosphäre. Denn alle 2000 Bochumer
sind schon eine Viertelstunde vor dem Anpfiff da, während in der Bayer-Ecke
kaum jemand steht. Es bleibt Zeit, ein wenig auf die Aufstellung zu achten
und vor allem auf Theofanis Gekas. Der begrüßt fast jeden unserer
Spieler persönlich, wird von uns aber komplett neutral empfangen.
Ohne Sprechchöre, ohne Pfiffe. Wir spielen ohne gelernten Linksverteidiger,
weil Bönig und Meichelbeck verletzt sind. Pfertzel wechselt von rechts
nach links, Concha rückt wieder rechts in die Viererkette. Sonst bleibt
unsere Mannschaft unverändert, hach, es ist herrlich, aber auch ungewohnt,
völlig ohne Druck spielen zu müssen. Auch deshalb ist der Support
zu Beginn eher gemächlich.
Das ändert sich aber
schnell. In der Anfangs-Viertelstunde beginnen wir furios. Bechmann läuft
nach fünf Minuten frei aufs Tor zu, vergibt aber kläglich. Er
ist eben nicht Gekas. "VFL! VFL!", direkt danach zehn Minuten lang "Auf
geht's Bochum schießt ein Toooor, SCHIESST EIN TOR FÜR UUUUUNSSSS!"
Zurecht. Bechmann vergibt noch eine zweite große Chance, eine Führung
wäre nicht unverdient.Ab der 15. Minute verflacht das Spiel. Enorm.
Was aber heißt, dass unsere Jungs problemlos das nullnull halten.
Zwar unterlaufen Zdebel, Pfertzel und Dabrowski jeweils unglaubliche Fehlpässe
in Strafraumnähe, aber jedes Mal räumt Yahia souverän auf.
Unser Schnapper Lastuvka muss nur einmal eingreifen, an Gekas läuft
das Spiel komplett vorbei. Er ist eben ein Bochumer. Bechmann versemmelt
per Kopf in der 38. noch eine dritte Großchance, dann geht's der
Pause entgegen. Die Leverkusener Fans werden am Ende unruhig, in der Torschüsse-,
Torchancen- und Ecken-Statistik führt in der Tat der VfL Bochum. Ich
bin ganz sicher, dass wir hier nicht als Verlierer vom Platz gehen. Thommy
hat allerdings einen Schwachpunkt ausgemacht: Marc Pfertzel. Er ist der
einzige Spieler auf dem Platz, der schon eine Gelbe Karte gesehen hat.
"Sofort rausnehmen", sagt er. "Ach, der hat ein paar Jahre Serie A gespielt.
Der weiß doch, was er tut. Außerdem pfeift Merk sehr großzügig",
entgegne ich.
Die zweite Hälfte beginnt
so ruhig wie die erste aufhörte. Dann Minute 54: Pfertzel nietet in
unserer Hälfte an der Außenlinie Schneider um. Gelb-Rot, ganz
klar, kein Spieler beschwert sich, nur Koller, der nur Zentimeter davon
entfernt ist, auf die Tribüne verbannt zu werden. Das ist der Knackpunkt,
jeder merkt das. Jeder weiß das. Jeder Bochumer. In Unterzahl überstehen
wir ganze acht Minuten. An der Strafraumgrenze unterläuft Zdebel ein
ganz, ganz unnötiges Foul. Den Freistoß schlenzt Schneider in
die Mauer. Dabrowski steht eigentlich richtig, fälscht den Ball ab,
aber nicht Richtung Ecke, sondern Richtung Fünfmeterraum. Da steht
Haggui, schaltet schnell, 1:0. Jetzt ist Bayer die überlegene Mannschaft,
schießt aus allen Lagen aufs Tor. Nur nicht Gekas, den Skibbe nach
70 Minuten rausnimmt. Wir kommen zwar noch gelegentlich zu Gegenangriffen,
erarbeiten uns insgesamt acht Ecken und nochmal fünf Standards rund
um den Strafraum. Dennis Grote versemmelt allerdings jeden einzelnen Freistoß,
jede Ecke. Wie es besser geht, zeigt Bayer zwei Minuten vor Schluss. Ein
Freistoß fliegt in die Mitte, Kießling gewinnt ein Kopfballduell
gegen den im Herauslaufen unglaublich desaströsen Lastuvka, Manuel
Friedrich schaltet so schnell wie vorher Haggui und schießt das 2:0.
Zwei Standardsituation, zwei Gegentore durch Innenverteidiger, 0:2 verloren
bei schwachen Leverkusenern. Ist das lächerlich?
Lächerlich! Lächerlich!
Lächerlich!
Gut gespielt! Wie in der
zweiten Hälfte in Hannover, wieder verloren. Zwei Niederlagen in Folge,
beide mussten nicht sein, jetzt nur noch Neunter. Eine Niederlage, lest
oben nach, ist eigentlich egal. Und doch sehr, sehr ärgerlich. Thommy
und ich laufen zurück ins an die BayArena und an den sogenannten "Sportpark"
grenzende Wohngebiet, steigen in die Autos, sprechen kurz den Weg ab und
fahren die elf Kilometer Richtung Köln-Mülheim. Dort feiert mein
Onkel seinen Geburtstag in einer Wohnung in der vierten Etage mit Blick
auf den Rhein. Ich war noch nie dort. So ein Scheiß, jetzt alle fünf
Minuten erklären zu müssen, warum wir verloren haben, darauf
habe ich genauso viel Lust wie auf Schlagermusik. Ich habe andere Pläne,
suche in meinem Auto die "Master of Puppets" von Metallica und lausche
"Battery", ein absoluter Lautlautlautlaut-Gitarrenkracher aus den 80ern.
Das brauche ich jetzt. Wir fahren durch die Innenstadt, am Bayerwerk vorbei,
mittlerweile kenne ich wohl fast alle interessanten Ecken Leverkusens,
vom Sportpark über Opladen bis zur Innenstadt, dem Sportpark bis nun
zum Bayerwerk. Auch von Köln lerne ich wieder eine neue Ecke kennen.
In Köln-Mülheim besuchte ich bisher das Palladium, das Stadtteil-Zentrum
mit dem Regionalexpress- und S-Bahnhof. Und nun? Ein Neubaugebiet am Rhein.
Der Tag ist absolut gelaufen,
was mir nach VfL-Spielen eigentlich recht selten passiert. Doch der Blick
auf dem Balkon entschädigt etwas. Ich kann die Kölnarena in Köln-Deutz
sehen, und über den Baumwipfeln am Rheinstrand sogar die Dom-Spitzen.
Nebenan durchs WDR-Gebäude wurde ich neulich geführt - im Rahmen
eines Volo-Ausflugs.
Dann ruft Björn an.
Nordkapp.
Da würde ich dieses
beschissene 0:2 ganz bestimmt links liegen lassen.
Bestimmt.
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