VFL-TAGEBUCH: BUNDESLIGA 2007 / 2008 - TEIL 5
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Die ersten Utensilien

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VfL Bochum - VfB Stuttgart 1:1 (15.3.2008)
(weil meine kamera verrückt spielte, leider nur mit handybildern - sechster teil)

GeburtstagskindGerd Geburtstagskind bekommt ein sehenswertes Geschenk!

Eine gelungene Fan-Premiere für Doktor Alex, ultrastische Unterhaltung, Punkt Nummer 31 in dieser "Nowhere-Man-Saison", aber: saugeiles Spiel

LastuvkaJa, doch, allmählich wird er gefeiert: Jan Lastuvka

Magic Carpet Ride

SpielszeneHier ist unser Schnapper noch ganz aufmerksam!

Es ist schon ein sehr seltsames Gefühl. Morgens aufzuwachen und eine Melodie zu pfeifen, die ich seit vielen Jahren nicht mehr pfiff und die sich nicht einmal mehr im hintersten Eck meines Gehirns befunden hat. Wache auf, setze mich auf den Rand des Bettes der Liebsten, kratze meine Stirn, aber nicht, weil's juckt, sondern weil diese Melodie da ist. "Magic Carpet Ride" von den Mighty Dub Katz, ein furchtbarer Techno-Heuler aus den 90ern.
Magic Carpet Ride. Zauberteppich-Rennen.
Stehe auf, schaue übermüdet im Zimmer herum, suche - ja, vielleicht - einen Zauberteppich. Fliegen wir im Moment auf dem Zauberteppich durch die Liga? Naja, in den beiden UEFA-Cup-Spielzeiten hätte ich das sofort unterschrieben, in der Rückrunde der vergangenen Saison vielleicht auch. Aber jetzt? Pfeife weiterhin die "Magic Carpet Ride"-Melodie, schaue auf den Küchentisch, auf die Wittener Ausgabe der "Ruhr-Nachrichten" und denke: Wir sitzen nicht, wir liegen nicht, wir stehen nicht, wir fliegen, wir schweben nicht. Wir sind... irgendwie... im luftleeren Raum. Oder um es mit den Beatles zu sagen: "Nowhere men". Das Problem, das ich schon im Frankfurt-Text angesprochen habe, wird größer und größer und größer. Alles ist für die Tabelle so bedeutungslos. Denke an den Zauberteppich, schaue auf den Tipp der Ruhr-Nachrichten-Redaktion: 2:2. Tja, und dann tippen die auch noch Unentschieden. 'Ne Punkteteilung. Als ob ich darauf auch noch Lust hätte. Ein Aufreger wär nicht schlecht. Ein Kantersieg. Oder mal ein richtig geil hohes Debakel. Mit fünf Gomez-Toren oder so.
Duschen, anziehen, Liedchen pfeifen (einen Text hat dieser Techno-Scheiß natürlich nicht), Schal um den Hals binden, Stadionzeitung in die Hand nehmen. Gegen wen spielen wir? Ach ja, Stuttgart. Das sind Erinnerungen! Das 3:2 der Stuttgarter am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison war das beste Spiel eben jener, ein 90-minütiges Spektakel. Eine Superleistung von unseren Jungs, Schalke wird nicht Meister. Alles gut. Und heute? Für uns geht's - hab ich das schon angesprochen? - um wenig, die Stuttgarter, hoho, haben viermal in Folge gewonnen und mit Gomez den zweifelsohne besten Stürmer der Liga. DER fliegt momentan auf einem Zauberteppich! Blättere im Stadionheft ein wenig vor und zurück, es bleibt dabei, wir haben 30 Punkte, und komme an bei Frank Goosens Kolumne auf der letzten Seite. Und muss richtig lachen. Richtig. Es geht um das Spiel gegen Leverkusen, erinnert Ihr Euch? Ich fragte mich noch, was Goosen wohl zu diesem Spiel schreiben würde und jetzt weiß ich's. Es ging um die Szene, als Zdebel verletzt ausgewechselt werden musste. Darauf meinte Goosens Sohn, in der Kolumne immer zärtlich "Thronfolger" genannt: "Wie, der ist verletzt? Der verletzt doch sonst immer nur andere!" Hahahahahahaha, Riesen-Schenkelklopfer. Goosen verteilte sein Stadionbier - laut Kolumne - im Nacken des vor ihm Sitzenden, ich pruste so, dass sich in der "308" Richtung Stadion alle denken, ich sei bescheuert.
Bin heute sehr früh dran. Der Vorverkauf lässt darauf schließen, dass 25.000 Zuschauer kommen, um zwei geht's noch sehr gemächlich zu am Stadion. Verspeise - wird fast eine Tradition - ein Gummi-Schnitzelbrötchen, schlürfe eine Cola Light. Gerd ist schon da. Der Mann hat heute Geburtstag! Wird 37! Happy Birthday to Gerd! Das Sensationsspiel gegen Leverkusen hat er verpasst, ich wünsche ihm ähnliche 90 Minuten heute. Neben Gerd steht Doktor Alex. "Mit 37 muss ich meinen Hausarzt immer dabei haben". Alex ist zum zweiten Mal in seinem Leben überhaupt im Stadion und "sehr gespannt." Die Zeit bis zum Anpfiff vergeht sehr schnell. Einem Neuling das Stadion, das Spiel und den Ablauf zu erklären, macht immer wieder Laune. Zudem sorgt das aktuellste Blättchen der "Ultras" wieder für einige Schmunzler in unseren Kreisen. In den vergangenen Spielen verweigerten die Ultras nämlich diverse Feierlichkeiten nach dem Abpfiff - und liefern hier prompt die Begründung. Denn die "Humba" stammt von Mainz-Fans und die "Die ganze Kurve hüpft" erfanden die Aachener. Und das ist ja bööööööse. Unser "So gehn die Bochumer" soll auch nur situativ eingesetzt werden. Ja was machen wir denn da noch nach dem Abpfiff? Applaudieren? La Ola? Oder wie? Zweiter Höhepunkt: "Etwas mehr Gespür" beim Einsatz von Sprechchören u. ä. wird eingefordert. Da haben die Ultras selbst noch Nachholbedarf. Wer mitten in den heißesten Szenen des Spiels - Freistoß am 16er, Ecke, Powerplay-Phase - neues "Liedgut" anstimmt, das niemand mitsingen kann, hmm... Ich halt's da mit den "Treuen", die heute - am "Fan-Tag" - eine Vereinsurkunde zum 25-jährigen Bestehen bekommen: Den Ultras kritisch gegenüberstehen, aber sie doch irgendwie als "Fan-Nachwuchs" ab und an verteidigen.
Wow, mit Unterhaltungen und Blättchen die Zeit vertrödelt, Sam kommt pünktlich um 15.25 Uhr ("Hab wegen eines Auto-Aufklebers 25 Minuten im Fanshop gestanden"). Aufstellungen? Bei uns alles wie gehabt, bei Stuttgart sitzt Gomez erst einmal auf der Bank. Angeschlagen. Soll nur kommen, wenn es das Spiel erfordert. Die Fotografen und Kameramänner interessieren sich gar kein bisschen für die auflaufenden Mannschaften, sondern für den auf der Bank sitzenden Stuttgarter Stürmer. Und sogar etwas für unseren Manager Stefan Kuntz. Aus uns allen völlig unerfindlichen Gründen gibt es scheinbar einen Streit zwischen unserem mächtigen Vereinsboss Werner Altegoer und Kuntz über die Vertragsverlängerung. Warum nur??? Wir alle sind uns einig: Kuntz in Watte packen, ihm alles geben, was er fordert. Sind wir etwa zu erfolgreich??? "Altegoer raus" steht direkt in allen Internetforen - das ist eine sehr empfindliche Personalie. Okay, Spiel läuft, und direkt geht's in die Vollen, wie im Vorjahr. Vor einem Jahr traf Schröder nach zwei Minuten zum 1:0. Und jetzt? Sestak tankt sich nach drei Zeigerumdrehungen über rechts durch, schießt, VfB-Torwart Ulreich wehrt ab, den Abpraller drückt Auer über die Linie. Riesenjuuuubel, Torpogo. Aber: ABSEITS! Wo war das Abseits??? In Minute neun Ecke eins für Stuttgart. Der Ball segelt in den Strafraum, Lastuvka fliegenfängert etwas, und dann zappelt der Ball im Netz. Wieder pfeift der Schiri ab. Torwartbehinderung. Puh. In der 11. Spielminute brummt mein Handy. SMS von Duisburg-Fan Helmut, der Premiere schaut: "Beide Tore regulär", funkt er. Was für eine Anfangsphase! Wow! Wir sind gut drauf, unsere eingespielte Elf überzeugt. Minute 20, Schlag auf Schlag geht's: Ono passt sensationell auf Pfertzel, unser ungestümer Rechtsverteidiger dringt bis zur Grundlinie vor, spielt scharf in die Mitte, dort steht Dabrowski und drückt die Kugel rein. JAAAAAAAAA!!!!!! Supergeil! Supergeil! VfL Bochum EINS - VfB Stuttgart NULL! Doch die Stuttgarter spielen auch nicht schlecht. 'Ne halbe Stunde ist um, Freistoß für den VfB aus dem Halbfeld. Zdebel verlängert den Ball Richtung eigenes Tor, doch Lastuvka??? PARIERT! GEIL! Superparade, vielleicht seine beste im VfL-Trikot! Der VfB spielt gegen Sestak auf Abseits, huuhh, das kann ins Auge gehen. Geht's in Halbzeit eins aber nicht. Doktor Alex, der Fußball im Fernsehen immer langweilig findet, ist positiv überrascht und sieht sich erst zwischen der 35. und 45. Minute bestätigt, als es etwas verflacht. Alex schaut fasziniert Richtung Megafonmann ("Der hat doch was genommen, oder?" Hihi, so reagiert jeder "Neuling"). Meine Analyse: "Für die langweiligen Phasen des Spiels haben wir ihn eingestellt!" Achte selbst auch gar nicht darauf, welche Sprechchöre die Ultras anstimmen. Ist einfach zu spannend. Einsnull zur Pause. "Ein schönes Spiel" beschließen wir alle. Alle. Wir werden im Moment wirklich verwöhnt.
Da ist es wirklich nicht nötig, in der Pause zu kiffen. Doch wieder einmal vernebelt der unbekannte Kiffer die Luft in der Ostkurve, und ich würde sehr gern wissen, wer's ist! Und gern wissen, ob die Stadionregie alle Zuschauer verarscht. Denn Cottbus soll gegen Bayern München mit 2:0 führen. Irre Liga. Wach werden! Wach für die zweite Hälfte!!! Gegen Hannover setzte es ein Gegentor in der 48., in Frankfurt in der 48.! Und jetzt? Marica setzt sich gegen unsere komplette Abwehr durch - natürlich in der 48. - und stubst den Ball zu Hitzlsperger. Der steht blitzeblank vor unserem Tor und schiebt die Kugel an Lastuvka vorbei ins Netz. Scheiße. So toll gespielt in der ersten Halbzeit - und das alles innerhalb von drei Minuten zerstört. "1:1" steht dick auf der Anzeigetafel. Es geht danach bis zum Schlusspfiff hin und her, ja, VfB-Trainer Veh beschließt sogar, Gomez noch einzuwechseln. Drei Chancen bekommen wir noch: Sestak verzieht rund um die 50. Minute, ein Dabrowski-Hammer streicht Millimeter übers Tor (65.) und Zdebels Drehschuss landet in den Armen von Ulreich (80.). Kurz vor Schluss kommt - mehr als stürmisch gefeiert von den 25.000 (Zuschauerzahl-Prognose zugetroffen) - Epalle, doch eine Offensivaktion schafft er nicht mehr. Die beste, größte, dickste und schön herausgespielteste Chance hat der VfB. Nach einer sehr feinen Ballstafette flankt Bastürk auf Hilbert, doch der nutzt den Matchball nicht und jagt die Kugel volley übers Tor. Das ist in der 70. und wir schrammen ganz knapp am sicheren K.o. vorbei.
"1:1" steht auch am Ende noch auf der Anzeigetafel. Ein gerechtes Ergebnis in einem sehr, sehr schönen Fußballspiel. "Gibt nix zu meckern", sagen wir. Geburtstagskind Gerd haut sofort nach Schlusspfiff ab. Feiern womöglich. Sam sagt die Reise nächste Woche nach Nürnberg ab. Super. Der Professor bietet an, dass ich mit dem BOZ-Fanexpress für 55 Euro fahre. Mal sehen. Zdebel hat wieder 'ne Gelbe gekriegt und die anderen verletzt. Die Ruhr-Nachrichten können mit einem richtigen Riecher glänzen. Aber das Spiel endete eben nicht 2:2, sondern 1:1. Cottbus gegen Bayern: 2:0. Es stimmt. Nach dem Abpfiff gibt es diesmal kein Medley, sondern "nur" Applaus und zaghafte "Stefan Kuntz"-Rufe. Da haben die Ultras in ihrem nächsten Blättchen "nix zu meckern" - das Motto des Tages. Als die Spieler längst in den Katakomben verschwunden sind und Pfertzel via Anzeigetafel zum "Knaller des Tages" erkoren wird, singen einige "Gegen Dortmund dürft ihr nicht verlieren". Ach ja, unser nächstes Heimspiel. Da wird es dann RICHTIG bedeutungslos, weil die Dortmunder auch "Nowhere men" sind. "Was für ein Scheißspiel", funkt BVB-Fan Felix (ein Mit-Volo) aus Hamburg, wo der BVB 0:1 verloren hat. Dafür können die Dortmunder noch ins Pokalfinale einziehen. In dieser Lage wäre ich auch gern.
Gut gelaunt und beschwingt setze ich mich auf meinen Zauberteppich. Ja, doch, habe ihn noch im Gebüsch gefunden, nach einem solch angenehmen Fußball-Nachmittag. Treffe in Mülheim den Straßenbahnfahrer Stephan, VfL- und Glasgow-Rangers-Fan, der an der Bierflasche nippt und von einer Schlägerei nach dem UEFA-Cup-Spiel der Rangers in Bremen erzählt. Steige ab von meinem Zauberteppich. Aber nur kurz. Zu Hause bei "youtube" lausche ich "Magic Carpet Ride". Auch wenn's ein furchtbarer Techno-Heuler ist.

Tja, Pech, Ruhr-NachrichtenNicht schlecht, aber nicht ganz: 2:2 tippen die Ruhr-Nachrichten...

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1. FC Nürnberg - VfL Bochum 1:1 (22.3.2008)
(wieder mit ECHTEN bildern, olé)

Dank Applaus für alle: gelungener Support, ordentliche Leistung, nichts verschenkt. Gut.

90 Minuten Spielnote 4,5, aggressiver, langweiliger Abstiegskampf. Aber drumherum die interessante Geschichte eines typischen Auswärtsspieltages.

Einlaufen Wie auf Schalke: Zu den Klängen von Status Quos"Whatever you want" geht's auf den Platz

Deal

Tafel Unsere Gemütslage: 1:1 = okay!

Hey. Ostern. Aufwachen, früh am Morgen. Ganz früh am Morgen. Auswärtsspiel. Gestern Abend die Liebste in den Nachtzug Richtung Skiurlaub gesetzt, danach mit einem alten Freund bis nachts um zwei Uhr gequatscht. Nun bimmeliert und klingeliert der Wecker um kurz nach sieben. Uah ist das früh. Drehe mich nicht noch einmal um, das wäre tödlich, schlurfe ins Bad. Auswärtsspiel in Nürnberg. Mensch warum mache ich das überhaupt? Die üblichen Vorgeplänkel begannen bereits Anfang der Woche. Der Trainer der zweiten Mannschaft meines Heimatvereins VfB Speldorf (mein Coach zu A-Jugend-Zeiten) ist großer Nürnberg-Fan und am Telefon lieferten wir uns einen sehr schönen Dialog. "Endspiel", betonte er immer wieder. "Endspiel aller Endspiele". Ich hörte mir das ganz in Ruhe an. Gaaaaaaaanz in Ruhe und antwortete: "Uns kann das Spiel egal sein." Jetzt, während ich zum Bad schlurfe, mich unter die Dusche stelle und versuche, die geeignete Temperatur fürs Duschwasser zu finden, muss ich wieder daran denken. Uns ist's EGAL! Und ich stehe trotzdem um kurz nach sieben unter der Dusche, gebe eine irre Kohle aus und das mutmaßlich für eine Schlappe gehörigen Ausmaßes. Denn wie heißt es schön? Hast du eine Krise, muss nur der VfL Bochum kommen. Dann hast du keine Krise mehr.
Fertig geduscht, die gestern zurechtgelegten Klamotten übergezogen - dieselben wie bei meinem Auftritt in Nürnberg 2005 - und zur Ablenkung das TV angeschmissen. SAT.1, dort läuft schon so früh am Morgen "Deal or no deal!", diese unsäglich dumme, dumme Show mit Guido Cantz, in der ein Kandidat von 25 geschlossenen Koffern mit Geldsummen von 50 Cent bis 250.000 Euro einen auswählt und die anderen sukzessive (im Lauf der Sendezeit) auswählt und somit Summen ausschließt. Nach jedem dritten bekommt er von der "Bank" ein Angebot, das die Durchschnittssumme der übrig gebliebenen Beträge bildet. Schalte den Videotext ein, damit ich die Losgeh-Uhrzeit nicht versäume, muss aber parallel die Gespräche verfolgen. Der aktuelle Kandidat ist Bäcker, lässt sich vom Publikum helfen, killt 50 Cent und zwei Euro, aber die 250.000 sind auch schon weg.
Worum würde ich in dieser Show spielen? Drei Koffer. Sieg, Unentschieden, Niederlage. Die Bank ruft an, sagt: "Unentschieden!"
Deal.
Laufe etwas zügiger zum Bahnhof, erreiche den Regionalexpress Richtung Essen pünktlich, auch der IC Richtung Kassel-Wilhelmshöhe fährt rechtzeitig in Essen ein. Finde meinen Sitzplatz, räume meine Laptoptasche aus. Mein Laptop ist nicht darin - zu gefährlich in einem Auswärtsspiel. Finde die WAZ, die taz und einen Reiseführer Mailand. Dort bin ich ab Montag für drei Tage und will mich ausführlich vorbereiten. Mailand, das ist die Scala, das sind Prada-Tussen, das ist das noble, vornehme, teure Norditalien. Und das ist San Siro. Im "Stadio Giuseppe Meazza" werden wir wohl nie spielen. Unser Torwart vielleicht. Lese die Meldung, dass unser Fliegenfänger Lastuvka für die tschechische Nationalmannschaft nominiert wurde. Als dritter Torwart, noch vor Drobny. Verstehe das, wer will. Weiße Weihnachten wollten wir, weiße Ostern haben wir bekommen. Schon in Bochum und Dortmund sind die Dächer weiß, im Ländlichen - bei Soest, Lippstadt, Paderborn - ganze Wälder und Landstriche. Seit gestern ist FRÜHLING - und draußen sind knapp zwei Grad. Habe meinen Schal dabei, meine VfL-Mütze, einen dicken Pulli, eine dicke Jacke. Ende März. Will nach Mailand. Klimawandel allez.
Klingt bescheuert, aber ich glaube zu wissen, was ein Fußballprofi denkt, so ein paar Stunden vor dem Spiel. Er setzt sich ruhig auf sein Hotelzimmer, geht vielleicht spazieren, hat zwei Stecker im Ohr, lauscht seinen liebsten Melodien. Ich stehe vor meinem 355. Profifußball-Spiel, bin so etwas, was im Sportjournalistenjargon "Routinier" heißt. Und doch sitze ich in Ruhe auf meinem Sitz im Intercity, hole meinen Discman heraus, dazu die "Fetenhits - Rock Classics" und versuche bei Furys "Time to wonder" zu entspannen. Frage mich: Bin ich in Form? Ist meine Stimme geölt? Habe ich genug Geld mit? Wie komme ich vom Bahnhof zum Stadion? Wie stellt der Trainer wohl auf? Wie sind die Stärken und Schwächen des Gegners? Gut, einige dieser Fragen stellt sich ein Fußballprofi nicht. Aber eben ein Fanprofi. Der tippt auch fleißig sms. Sam hat seine Begleitung ja schon vor einer Woche abgesagt. Die MSV-Fans Tina und Helmut sind im Osterurlaub auf der niederländischen Insel Texel, die Liebste schickt eine Kurzmitteilung, dass sie "in der Sonne auf dem Berg steht, die verschneite Piste vor mir".Und ich feiere eine Premiere. Steige zum ersten Mal in meiner Profifußball-Auswärtsspiel-Geschichte in Kassel-Wilhelmshöhe um, dabei ist eben Kassel-Wilhelmshöhe einer der führenden Verkehrsknoten Deutschlands.
Schnalle mir meine Laptoptasche ohne Laptop um, die Jacke brauche ich wirklich und ich lausche der Stimme der Sprecherin. Die redet in einer Tour, weil jeder Zug Verspätung hat. Jeder. "Triebwerkschaden", "Notarzteinsatz am Gleis" undsoweiter. Ich finde den Bahnhof sehr klein. Er hat kein richtiges Foyer, nur vier Fernverkehrs- und wenige Nahverkehrsgleise, obwohl hier so viele Züge durchreisen. Ich vergesse, wie geplant die SZ zu kaufen, kaufe ein Schokocroissant gegen mein Hungergefühl, lache darüber, dass ein ICE zwei Stunden Verspätung angehäuft hat. In den 20 Minuten Umsteigezeit gehe ich einmal vor die Bahnhofstür, schaue einmal die Hauptstraße rauf und runter und lese, was im Reiseführer bei "Kassel" steht. Wow, 200.000 Einwohner, hätte ich nicht gedacht. Wieder angekommen am Gleis, stelle ich fest, dass der Zwei-Stunden-Verspätungs-Zug mit meinem ICE zusammengekoppelt wird. Daher ist meiner pünktlich um 11.26 Uhr da. Herrlich. Da sind die anderen Reisenden neidisch. Sitze im Zug nehmen einer geschätzt 80-jährigen Frau, die ihren Enkel in Bremen besuchte und nun nach Hause fährt. Nürnberg. "Schon blöd, wenn die Verwandtschaft so weit auseinander wohnt." "Stimmt", sage ich. Nehme meinen Block zur Hand, male die vermutlichen Aufstellungen, schaue nur kurz auf die Tabelle - weil sie mich auslachen und "Haha, und du mittelfeldgeplänkelter Idiot fährst nach Nürnberg" sagen würde und langweile mich deshalb etwas. Hätte ich meinen Computer bloß bei mir. Wird Zeit, dass das Spiel beginnt. Mit dem Spiel "Snakes" meines Handys vertreibe ich mir die letzten Minuten bis zur Ankunft. Meine Fingerfertigkeit stimmt. Ich bin bereit.
13.29 Uhr, die Bahnhofshalle in Nürnberg ist voll mit "Clubberern". Finde trotzdem noch ein leeres Schließfach, mistmistmist, noch einmal: Hätte ich doch meinen Computer bei mir. Die S-Bahn-Linie S2 fährt ab 13.45 Uhr direkt bis zur Haltestelle "Frankenstadion", ich verzichte auf einen Vor-dem-Spiel-Spaziergang durch die Stadt, ist auch - überraschend - sehr, sehr schattig. Wenigstens schneit's nicht. Auch das Reichsparteitagsgelände lasse ich rechts liegen, laufe direkt zum Stadion und zur Gästekurve, weiß noch, wo sie ist. Ist 14.15 Uhr, noch 75 Minuten totschlagen. Bin gespannt, wie viele Bochumer kommen. Die meisten waren nicht so bekloppt wie ich und sind gleich im Ruhrgebiet geblieben. Richtig so, denke ich in der Kälte, weil ich als gerade einmal 50. Bochumer das Stadion betrete. Ui. Zwei der 50 kenne ich, äh, kennen mich. Es sind zwei Berliner, die ich ab und zu schon erwähnte an dieser Stelle, die zu nahezu jedem Heim- und Auswärtsspiel fahren. "Aufjestanden um Sechse", sagt der eine. Wir kommen ins Gespräch. Einer arbeitet als Gleisbauarbeiter und muss nächste Woche in Halle ran. Deshalb verpasst er das Revierderby und ärgert sich. Um einmal eine Fahrt im Fanbus zu erleben, sind die zwei von Berlin (!) bis Bochum gefahren, mit dem Fanbus nach Chemnitz (wohlgemerkt: Chemnitz/Berlin ist nicht weit), dann wieder zurück nach Bochum, pennten im Auto und fuhren dann nach Berlin. Bekloppt. "Positiv bekloppt", würde Calli Calmund sagen. "Morgen muss ich um Fünfe raus", sagt der Gleisbauarbeiter-Bruder. Wenigstens sind die zwei diesmal schneller daheim als ich. Über die A9 geht's in dreieinhalb Stunden bis Berlin. "Fast ein Heimspiel", sagen beide gleichzeitig und lachen danach. Hunger, keine Schlange am Stand. Hole "Drei im Weckla", heißt: drei Rostbratwürstchen im Brötchen. Die Gästekurve wurde seit 2005 umgelegt. Wir stehen nicht mehr links der Videowand (die alten Anzeigetafeln sind out), sondern rechts davon. Hübscher ist dieses WM-Stadion nicht geworden, die Laufbahn stört enorm, der Berliner sagt: "Auch im Sommer weht hier ein furchtbarer, kalter Wind." Die Nürnberger erleben einen Sporttag, am Abend nach dem Spiel treten noch die Ice Tigers im Eishockey an. Bei den Nürnbergern fallen mir die zahlreichen "Stolz"-Shirts auf und die Vereinsschals in Schwarz-Weiß-Rot. Bin ich angesichts der Reichsparteitagsgeländen-Nähe zu empfindlich? 14.30 Uhr, noch eine Stunde.
"Frühlingsbeginn gleich Frühlingserwachen?", fragt der Moderator des Stadion-TV auf Fränggisch. Er kündigt die Anti-Rassismus-Woche an, schon die dritte in der laufenden Bundesliga-Saison. Die Musik ist 1a, auch wenn es sehr belustigend ist, wenn die Stadionregie schon vor dem Anpfiff "Steh auf wenn du am Boden liegst" von den Hosen spielt. Ein frommer Wunsch. Danach noch "Enter Sandman" von Metallica - vielleicht als Vorbereitung für "Rock im Park 2008" - und AC/DCs "Thunderstruck". Der Professor kommt mit den BOZ-Fanexpress-Nutzern um 15.15 Uhr, raunzt mich an, warum ich nicht mit dem BOZ gefahren bin (meine Ausrede: "Ähem") und gesteht, schon "ein paar Bier drin" zu haben. Mich interessiert, wie Ben Redelings' regelmäßige VfL-Diskussionsrunde "Scudetto" mit dem Stargast Stefan Kuntz unter der Woche verlaufen ist. Der Professor schätzt zu Kuntz' Perspektive: "Alles ist offen." Und er ergänzt: "Der Abend war beängstigend schön. Der beste Scudetto bisher. Nach den "Standing Ovation" kamen dem Kuntz die Tränen. Ehrlich jetzt." Sollte Kuntz wirklich gehen, wäre das der Beginn vom Sturz in die 2. Bundesliga. Wie bescheuert wäre das denn? Einlaufen zur Musik von Status Quos "Whatever you want", das haben die Nürnberger bei ihren Fanfreunden Schalke 04 geklaut. Ein Berliner reicht mir ein Kaugummi *ein Punkt, Deal*, verbreite aus Nervosität den Sprachwitz "Warum ist ein komisch, wenn Familie Beil ihren Sohn Timo nennt?" und auf geht's.
Nervös, trotz aller Bedeutungslosigkeit. 43.000 Clubberer im aggressiven Abstiegskampf-Fieber, das sonst nur wir Bochumer perfekt kennen. Minute fünf: Dabrowski passt von der Mittellinie durch alle Nürnberger Abwehrbeine, Sestak steht frei und sprintet Glauber davon, ja ja ja ja ja, TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOORRRRRRRRRRR!!!!! TOOOOOOOOOOOORRRRRRRRRRR!!! Riesen-Torpogo bei uns 500 Bochumern, die den kleinen Stehplatzblock dann doch noch füllen, TOOOOOOOOOORRRR!!! "Absteiger! Absteiger! Absteiger!"-Rufe. 1:0 für uns, so muss das! Sestaks erstes Auswärtstor, der ist einfach riesig. Kuntz: RIESENEINKAUF! Doch die Nürnberger antworten. Ein frühes Tor war im Gespräch mit den Berlinern mein Wunschtraum, doch leider stört das die Nürnberger überhaupt nicht. Vittek schießt, unser Nationaltorwart lässt den Ball unter seinem Körper durchrutschen, sieht gefäääährlich aus, doch der Ball flutscht am Tor vorbei. Puh, 7. Minute. 9. Minute: Vittek setzt sich auf der rechten Seite durch, passt in die Mitte, der lange Koller verlängert mit der Hacke und Misimovic versenkt. 1:1. Super, wie schon im Hinspiel ein Zwetschge-Tor. 1:1, das hätte nie passieren dürfen. NIE! Aber: zwei Tore und drei Großchancen in neun Minuten. Nicht unlustig, dieses Spiel. Das wird noch witziger, als der FC innerhalb von drei Minuten - von der 12. bis zur 15. - zweimal wechseln muss, weil sich der erste eingewechselte Spieler - ohne Aufwärmprogramm - eine Zerrung holte. Danach lässt's aber nach mit der Unterhaltung. Die Nürnberger Taktik erinnert an unsere zu Lokvenc-Zeiten. Ein langer Pass aus der Abwehr auf Jan Koller, der stoppt mit der Brust und lässt sich weder von Maltritz noch von Yahia stören, legt ab - aber keiner ist da. Nach 25 Minuten pfeifen die ersten Fans, vor allem nachdem Auer nach toller Sestak-Vorarbeit nur knapp am Tor vorbei schießt. In Minute 28 ist das. Das MUSS das 2:1 sein. Wir diskutieren über ein Plakat, das die FCN-Fans beim Einlaufen in die Lüfte reckten: "Polizei in NRW ist wie China in Tibet" oder so ähnlich. Unsere Ultras antworteten mit "ACAB - All cops are bastards"-Rufen. Der Ober-Megafon-Ultra ist überglücklich, denn er darf seinen Dienst auf einem Podest verrichten. Wieder etwas, was die der Ultramanie huldigenden Nürnberger Verantwortlichen wohl bei den Schalkern abgeschaut haben. Wir stehen solide, bringen aber äußerst wenig nach vorn. Und wenn, dann nur über Sestak. In Minute 43 ist er wieder durch, aber Klewer kommt eher an den Ball und schlägt diesen weg. Beide stehen auf und dann stubst Klewer den kleinen Sestak um. DAS IST DOCH ROT! Schiri Rafati lässt weiterspielen. Das Kaugummi hat den Geschmack verloren. "So'n Rotz. Heute haben wir den Rafati am Arsch", funke ich in der Pause - Spielstand 1:1 - ins Westfalenstadion, wo Volokollege Felix den BVB gegen Karlsruhe unterstützt. Er antwortet: "Bei uns singen gerade Eike Immel UND Bata Ilic "Mikaelaaaa". Wie tief kann ein ehemaliger Nationaltorwart sinken...
In der zweiten Halbzeit passiert nichts. Die langweiligste Halbzeit der Saison. Keine einzige große Torchance gibt es mehr. Bei uns ist sehr schnell offensichtlich, dass unserem Trainer der eine Punkt völlig reicht. Zudem spielen unsere Techniker Azaouagh und die später eingewechselten Epalle und Ono viel zu ballverliebt für so ein zweikampfintensives Spiel. Lastuvka pflückt jede Flanke vom Himmel, Jan Kollers Pässe finden keine Abnehmer. Die Sonne kommt raus, Höhepunkt der zweiten Hälfte. Zwei Nürnberger Schüsse gehen nur knapp drüber - Misimovic in der 80. und Mintal in der 86. Dass Mintal erst acht Minuten vor Schluss kam, kreiden die Fans ihrem Trainer von Heesen an und pfeifen nach Kräften. Wie auch beim Abpfiff von Babak Rafati. Der "Club" hat das Endspiel der Endspiele nicht gewonnen, steigt vielleicht ab. Manmanman, mit dem Kader. Kennen wir aber alles. In unserer UEFA-Cup-Saison - ach, ich fang nicht damit an. Wir singen inzwischen seit dem Wiederanpfiff "Auf geht's Bochum schießt ein Tor", sind mördermäßig gut gelaunt, bejubeln unser Tor und die sechs Ecken, die wir uns erspielen konnten. Und freuen uns über den verdienten Punkt, den wir nach einem - objektiv - ab der 15. Minute ganz, ganz furchtbaren Spiel mit in den Pott nehmen. Die Spieler bedanken sich artig, Punkte: 32. Auf jeden Fall zwölf Punkte vor einem Abstiegsplatz. Herrlich. Als die Spieler schon Richtung Kabine trotten, brüllen wir erst "Gegen Dortmund dürft ihr nicht verlieren". Bönig dreht sich um und nickt. Dann kommen zaghafte "Altegoer raus"-Rufe. Von den Ultras angestimmt. Das lässt hoffen für das Revierderby nächste Woche. Da geht es richtig rund, so meine Prognose. Die Berliner, der Professor und ich schlagen ein,. sind zufrieden. 1:1. Gut.
Es bleibt kalt, so um die vier Grad, als ich nach dem Abpfiff noch ein bisschen im "Volkspark Dutzendteich" verweile und mir von der Frühlingssonne die Nase kitzeln lasse. Betrete die Nazitribüne, beobachte, wie asiatische Touristen sich im Hitler-Style fotografieren. Die Sonne scheint durch die transparente Infotafel, die den Lichtdom bei Reichsparteitagen darstellt, mystisch sieht das aus. Aus einem großen Bierzelt direkt am Stadion dringt die Musik von "Thunderstruck" (das mögen die wohl hier besonders gern in Franken) bis zum hintersten Eck der Tribüne. 200.000 Leute fanden in den 30ern hier Platz. 200.000. Jetzt sitzen drei Nürnberger auf den brüchigen Stufen und trinken Dosenbier, die auf die Reisebusabfahrt wartenden Club-Fans pinkeln gegen die Leitplanke und wenige VfLer informieren sich an der Tafel. Um 18.10 Uhr nehme ich die S-Bahn Richtung Hauptbahnhof und setze meinen Spaziergang in der Sonne fort. Ein Volksfest in Nürnberg läuft bis zum 6. April, vielleicht stehen deshalb so viele Stände auf dem Hauptmarkt. Kaufe eine riesengroße Marzipan-Kartoffel für genau zwei Euro, dazu "Fünf im Weckla" mit Sauerkraut für vier Euro. Ganz schön gesalzen. Also die Preise, nicht die Mahlzeiten. Die munden. Drehe eine große Innenstadt-Runde, vorbei am Schauspielhaus, an den verschiedenen Toren, die den Stadtkern begrenzen, vorbei am Weißen Turm. Und gegen 19.10 Uhr bin ich zurück am Hauptbahnhof und nehme meine Laptoptasche wieder in Empfang. Die Liebste sitzt inzwischen in der Sauna in Österreich.
Der Zug - ein zweiteiliger ICE, in dem ich bis Duisburg Hbf sitzen bleibe - fährt pünktlich um 19.28 Uhr ab. Ich finde meinen Platz 38 in Wagen 32 schnell, Auswärtsspiel-Routine, genauso wie ein Fußballprofi nach vollbrachter Bundesliga-Arbeit schließe ich die Augen, höre etwas Musik, komme 'runter. Es warten sechseinhalb Stunden härtester Rückfahrt auf mich. Ich nehme meinen Block zur Hand, notiere fleißig die taktische Aufstellung, gebe Noten - bester Bochumer: Sestak. Lese den Reiseführer Mailand zu Ende, studiere den Baedeker Deutschland zu den Themen "Kassel" und "Nürnberg" und denke über Nürnberg nach. Langweilig wird es dort nicht, keine Frage, Stadt und Umgebung haben viel, sehr viel zu bieten. Und doch stört mich die Tradition, die Geschichte, die Kultur (mehr dazu siehe unten). In Mainz leert sich der Zug, ich sitze allein im Waggon. Ach hätte ich meinen Computer dabei, dann könnte ich diesen Text schon jetzt schreiben und nicht am Sonntag. Mist. Eine Cola Light für 2,80 Euro hält mich wach.
Um 0.47 Uhr bin ich in Duisburg, habe noch 40 Minuten Aufenthalt. Plus fünf Minuten, denn die S1 kommt später. Die Anschlüsse sind miserabel, leider fahren nachts nur zwei Züge pro Stunde von Duisburg nach Mülheim. Bei "Le Crobag" kostet ein Kaffee 1,20 Euro. Den brauche ich, um hier nicht schlafend zu versacken. "Alle für Jeden" schmettern Son Goku in meine Ohren, "Nichts in der Welt" die Ärzte. Die CD brannte ich am 1. Juni 2004, gefällt mir aber heute, um diese Uhrzeit. Spiele wieder "Snakes", meine Fingerfertigkeit stimmt auch um halbzwei in der Samstagnacht noch. Schließe um 1.45 Uhr meine Wohnung auf.
Ein Punkt.
Schöner Tag.
Deal.
 
Cops Nazis Koller
Bin ich bei diesem Bild besonders empfindlich!? Aber eine Menge Polizisten und Massen, die vorbeiströmen, lösen vor Tribüne des Reichsparteitagsgeländes enorme Bauchschmerzen bei mir aus. Mehr zum Gelände: siehe unten oder (ausführlich) Tagebuch-Eintrag 2005. Unser Trainer: Marcel Koller beobachtet bei jedem Spiel seine Mannschaft beim Aufwärmprogramm. Auch nach zweieinhalb erfolgreichen Jahren beim VfL wird er nicht mit Sprechchören gefeiert. Warum eigentlich?
Ecke Podest
Ecke für den VfL, kurz vor dem Abpfiff: Die Schlussoffensive des 1. FC Nürnberg findet nicht statt, dafür drücken wir und spielen auf Sieg. Aber die Ecke bring nichts. Interessanter Blick, wer gegen wen steht, zum Beispiel Glauber gegen Yahia (rechts) und Wolf gegen Maltritz (am Strafraum). Wie auf Schalke, Teil zwei: Die "Clubberer" verneigen sich vor der Ultramanie und haben dem Vorsänger einen kleinen Thron gebaut. Tja. Dass ich das sehr kritisch sehe, muss ich nach sechseinhalb Jahren Homepage wohl nicht mehr betonen, gell?

Der Nürnberg-Text aus der Saison 2004 / 2005

4. Mai 2005: 1. FC Nürnberg - VfL Bochum 2 : 1 - der Abstieg. Neururer weinte. Zum Text und den Bildern geht es HIER ! Dort gibt es weitere Informationen zum Reichsparteitagsgelände, das ich heute nicht sehr ausführlich beleuchte.

Nürnberg

DutzendteichFrühlingsbeginn: Abenddämmerung über dem Dutzendteich

Vor zwei Jahren durchwanderte ich Nürnberg noch im strömenden Regen und stapfte durch den Matsch. Jetzt - in der herrlichen Abenddämmerung - hatte ich etwas mehr Zeit, mir die Stadt ein wenig näher anzusehen. Aber auch nur ein wenig näher, denn anderthalb Stunden sind wirklich nicht viel. Nun denn.
Wer Nürnberger ist oder wird, der kann sich nicht über zu wenig Tradition oder zu wenig individuelle Eigenschaften beschweren. Sind viele Städte austauschbar, bieten eine ansprechende Fußgängerzone mit Marktplatz, einen Fluss, eine ganz schöne Kirche und - wenn's gut läuft - noch einen sehenswerten Park samt Schloss, gibt's für Nürnberg (das den eigenen Dialekt "Fränkisch/Fränggisch" prägte) mehrere Bezeichnungen. Nürnberg - das ist die Lebkuchenstadt. Nürnberg - das ist die Dürerstadt. Nürnberg - das ist die Rostbratwürstchen-Stadt. Nürnberg - das ist die Christkindlmarktstadt. Nürnberg - das ist die Reichsparteitagsstadt. Erklärungen? Der Begriff "Nürnberger Lebkuchen" ist in Deutschland und sogar Europa geschützt. Weihnachten stecken sie in fast jeder Süßigkeitentüte. Die "Nürnberger Rostbratwürstchen" sind ebenfalls deutschlandweit bekannt und eine beliebte lokale Spezialität. "Drei im Weckla" (heißt für die Nicht-Dialek-Tiker: Drei kleine Rostbratwürstl im Brötchen) mit Sauerkraut: Ja, doch, schmeckt. Albrecht Dürer, ein bedeutender Künstler zu Zeiten des Humanismus und der Reformation (1471 bis 1528) war ein Ur-Nürnberger. Natürlich steht dort auch das Albrecht-Dürer-Haus. Der "Christkindlmarkt" im Dezember ist der bekannteste Weihnachtsmarkt in Deutschland und lockt Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende, an die Pegnitz.
Bleibt noch: die Reichsparteitagsstadt. Denn Nürnberg hat eine sehr, sehr zweifelhafte Vergangenheit. Bei den Reichsparteitagen nahmen die NS-Größen in den 30er Jahren am Zeppelinfeld (siehe unten) die Aufmärsche ab. Die Tribüne wurde zu Ende gebaut und steht teilweise noch, die Kongresshalle blieb allerdings ein Torso. Heute gibt es dort eine Gedenkstätte mit Schautafeln.
Ein Gang durch Nürnberg lohnt sich, für zwei Stunden wenigstens. Ein längerer Aufenthalt in Franken ist auch nicht verkehrt, schließlich locken in der Umgebung ganz hübsche Städtchen wie Erlangen, Fürth und Bayreuth sowie die Fränkische Schweiz mit ihrem Zentrum Forchheim. Ich kenne bis auf Bayreuth alles und kann sagen: Joaaahh, nicht verkehrt. Den Nürnberger Stadtrat regiert zwar Rot-Grün, aber diese CSU-Atmosphäre Frankens, die sieben (!) Kirchen in der Innenstadt (St. Sebaldus, Frauenkirche, Jakobskirche, St. Elis, St. Klare, St. Martha, St. Lorenz - nennt mir eine City mit SIEBEN großen Kirchen), die Nazi-Vergangenheit (die berühmten Kriegsverbrecherprozesse gegen Göring, Hess und Co. fanden dort statt, wodurch Nürnberg weltweit Berühmtheit und einen Platz in den Geschichtsbüchern erlangte), dass ich nur Theologen kenne, die in Nürnberg und Umgebung studiert haben, dass das bekannteste Museum "Germanisches Nationalmuseum" heißt, stört doch ein wenig.
Langweilig wird's dort aber nicht. Bestimmt nicht.

Ein paar Daten:
Einwohner: 502.984 (aktueller Stand, wirklich: 31. Januar 2008, Quelle: Wikipedia)
Geschichte: 1050 wurde Nürnberg erstmals urkundlich erwähnt - 700 Jahre, bevor die USA gegründet wurden. Was die Amerikaner wohl aus so viel Historie zaubern würden...
Umgebung (im Umkreis von 35 Kilometern): Fürth (114.374 Einwohner - kenne ich), Erlangen (104.600 - kenne ich, mit dem berühmten Volksfest "Bergkirchweih", auf fränkisch "Kerwa" - kenne ich auch), Bayreuth (73.048 - fehlt mir noch), Bamberg (70.063 - kenne ich). Nürnberg ist die Metropole und bietet alles, was dazugehört. Aber als spektakuläre, klassische, verträumte Studentenstädte glänzen vor allem Bamberg und Erlangen, bekanntere Kultur mit den "Festspielen" gibt es Bayreuth. Insgesamt haben die Franken-Großstädte knapp 850.000 Einwohner, dazu kommen noch die Dörfer der Fränkischen Schweiz mit der höchsten fränkischen Erhebung "Walberla" (hurra, da war ich schon). Zusammen klassisch Metropol-Charakter mit schönen "Vororten" - wie ein kleiner Bruder des Rhein-Main-Gebiets rund um Frankfurt. Bis nach München sind es mit dem ICE 60 Minuten, mit den Regionalzügen zwei Stunden. GANZ VERGESSEN: Ganz in der Nähe liegt auch Herzogenaurach (22.000), Hauptsitz von Adidas und Puma, die beide auch Outlet-Verkauf anbieten und deshalb vielfach angefahren werden.
Sport: 1. FC Nürnberg (Fußball-Bundesliga), Nürnberg Ice Tigers (Eishockey-Bundesliga)
Kultur: Nürnberg bietet in Bahnhofsnähe das Schauspielhaus und am ersten Juni-Wochenende "Rock im Park", das Schwesterfestival von "Rock am Ring", das 45.000 Zuschauer in den "Volkspark Dutzendteich" lockt. Die Hauptbühne steht im Franken- äh Easy-Credit-Stadion (gut übrigens, dass die S-Bahn-Haltestelle noch "Frankenstadion" heißt. In Bochum haben wir es nicht geschafft, den alten Namen zu retten). Bekannte fränkische Bands von Bedeutung sind mir nicht eingefallen. Gut, J.B.O. vielleicht, die Fun-Metal-Band. Aber wer kennt die schon? Irgendetwas Alternatives ist mir nicht bekannt. "Nürnberg alternativ" oder "Nürnberg alternative Szene" gibt bei Google keine nennenswerten Treffer. Ein paar Chöre und Orchester: Das ist alles, was die Nürnberger Musik zu bieten hat.
Zeitungen: Nürnberger Zeitung, Nürnberger Nachrichten sowie Regionalausgaben der "Abendzeitung" und der "BILD". Außerdem "sitzt" der Olympia-Verlag in Nürnberg. Der bringt unter anderem den "Kicker" heraus.
Und sonst? Nürnberg ist Messe- und Universitätsstadt und perfekt ans Verkehrssystem angebunden. Den Flughafen fliegt "Air Berlin" an, die Autobahn A3 führt durch Hessen (Frankfurt) nach NRW (Köln, Düsseldorf, NRW) und die A9 von Berlin nach München über Leipzig. Auch die Züge werden aus allen Richtungen angefahren, Nürnberg ist eine perfekte Verbindung zwischen Deutschland und Tschechien. Prag liegt nur wenige Stunden entfernt. Wohl auch deshalb spielen beim FCN so viele Tschechen und Slowaken (Jan Koller, Tomas Galasek, Jaromir Blazek, Robert Vittek, Marek Mintal - früher noch Jan Polak).
 
Stufen Adi und Easy
Die Himmel reißt auf über den Stufen des Schreckens: Die Nazi-Tribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände vegetiert vor sich hin, die Stufen sind brüchig. Nur brüchig. Aber noch da. Die Nazis suchten Nürnberg als "Hauptstadt der NSDAP" aus, veranstalteten dort ihre Reichsparteitage. Zum Zeppelinfeld kamen 200.000 Menschen - dort stehen jetzt das Frankenstadion (äh Easy-Credit-Stadion), Parkplätze und zahlreiche Fußballplätze. Dort, wo Adi einst seine Reden schwang und in den Lichtdom blickte, stehen jetzt Touristen und schauen, wo einst das Hakenkreuz auf der Tribüne stand, das die Amis 1945 sprengten.
Liebe2005: 200 Schautafeln
Ist das witzig? 2005 noch wunderte ich mich über die Aufschrift "Liebe" an den dicken Mauern, die Speer einst errichten ließ. Und drei Jahre später? Das Wort "Liebe" ist übermalt, aber nur unzureichend. Will das mal nicht deuten... Im Gegensatz zu 2005 stehen vor der Tribüne jetzt Schautafeln, die erklären, was 1933 bis 1945 auf dem Zeppelinfeld, auf dem heute "Volkspark Dutzendteich" genannten Gelände, passierte. Die einzigen, die ich dort nach dem Spiel gesehen habe, waren VfL-Fans und asiatische Touristen. Kennen die FCN-Fans diese Tafeln schon??
Lebkuchen Dächer
Wer kennt diesen Begriff nicht: "Nürnberger Lebkuchen". Er ist seit 1927 als Herkunftsbezeichnung geschützt und seit 1996 sogar europaweit als "geschützte geografische Angabe". In den Katakomben des Königstors am Bahnhofs gibt es dieses Geschäft. Das älteste Lebkuchen-Rezept stammt aus dem 16. Jahrhundert. Die Dächer der doch ganz putzigen Innenstadt. Es sind die Dächer der Frauenkirche, der Egidienkirche und der Nürnberger Burg. Ganz so weit bin ich aber in den anderthalb Stunden Aufenthalt nicht vorgedrungen.
Pegnitz Hauptmarkt
Mitten durch die Innenstadt fließt der kleine Fluss Pegnitz - auch 2005 fotografierte ich genau hier. Links liegt das Heilig-Geist-Spital. Auch 2005 besuchte ich schon den Hauptmarkt mit der Frauenkirche und - am nördlichen Ende - dem Rathaus. 2005 allerdings war im fränkischen Regen dort gar nichts los. Diesmal machte der "Markt" seinem Namen alle Ehre. Porzellan, Marzipan, Rostbratwürste, BH/Tanga-Kombinationen für fünf Euro... Bis zum 6. April läuft wohl ein "Volksfest" in der City. Die Frauenkirche entstand zwischen 1352 und 1361. Die Stadt ist eben verflucht alt.

Kassel-Wilhelmshöhe

LebensgefahrHochspannung! Lebensgefahr in Kassel-Wilhelmshöhe! Schnell weiterfahren...

War ich jemals in Kassel?
Mal überlegen... Jawoll, damals, als Kind, als wir diverse Familienfreizeiten in den Sommer- und Herbstferien unternahmen. Da betrat ich auch irgendwann einmal Kasseler Boden (Kasseler, Kassler - Hunger!). Erinnern kann ich mich daran nicht mehr. Deshalb greifen mir Internet und Reiseführer unter die Arme... Viel habe ich übrigens nicht gesehen. In 25 Minuten!
 
Kassel 1 Lenkzeitpause
Ahhh, endlich habe ich meine Kamera zurück... Foto eins mit neuen Batterien! Etwa 25 Minuten Aufenthalt in Kassel-Wilhelmshöhe, einem der führenden Umsteigebahnhöfe in Deutschland. Ich feierte heute meine Premiere dort, erstaunlich eigentlich. Vom Bahnhofsvorplatz bietet sich dieser Blick. Was ist das da hinten!? Der Herkules, das Kasseler Wahrzeichen!?? Wenigstens sind die in Kassel-Wilhelmshöhe genau. Sehr genau sogar. "Zu ihrer Sicherheit / Fahrer hat Lenkzeitpause" steht auf diesem Linienbus.
Postkarten Schild
Postkarten aus Kassel am Bahnhof. Jetzt mal ehrlich: WER KAUFT SOWAS DORT? Okay, vielleicht doch ein paar Fakten: 202.000 Einwohner (hätte ich nicht erwartet), hat sogar zwei Bundesbehörden (Bundesarbeits- und Bundessozialgericht), alle fünf Jahre die weltweit beachtete Messe "documenta", Wirtschaftszentrum Nordhessens (na gut, das heißt jetzt nicht so viel). Im Baedeker steht: "Kaum jemand wird die Innenstadt von Kassel als besonders schön empfinden. Wenig attraktive Zweckbauten dominieren das Stadtzentrum." Allerdings sollen 63 Prozent der Stadtfläche Grünzonen sein. Na dann. Als Schmuckstück der Stadt wird der Stadtteil "Wilhelmshöhe" bezeichnet, kein Wunder, dass dort der wichtige Bahnhof liegt... Was ich dort nicht sah: Schloss Wilhelmshöhe, der Bergpark, der Herkules. Aha.

Fahrt

Hinfahrt (5:34 Stunden)
... um 7.55 Uhr ging's zu Fuß zu Hause los!
8.07 bis 8.13 Uhr: Regionalexpress RE1 von Mülheim Hbf bis Essen Hbf
8.18 bis 10.57 Uhr: IC von Essen Hbf bis Kassel-Wilhelmshöhe (über Bochum, Dortmund, Hamm, Soest, Lippstadt, Paderborn Hbf, Altenbeken, Warburg)
11.26 bis 13.29 Uhr: ICE von Kassel-Wilhelmshöhe bis Nürnberg Hbf (über Fulda, Würzburg Hbf)

Rückfahrt (6:21 Stunden)
19.28 bis 0.47 Uhr: ICE von Nürnberg Hbf bis Duisburg Hbf (über Würzburg Hbf, Hanau Hbf, Frankfurt-Süd, Frankfurt Flughafen (Fernbahnhof), Mainz Hbf, Koblenz Hbf, Bonn Hbf, Köln Hbf, Düsseldorf Hbf)
1.32 bis 1.41 Uhr (fünf Minuten Verspätung): S-Bahn S1 von Duisburg Hbf bis Mülheim Hbf (über Mülheim-Styrum)
... um 1.49 Uhr schloss ich meine Wohnung auf!
 
Schild Köln
Kamera zurück, da muss ich doch endlich einmal wieder ein Bahnhofsschild knipsen - diesmal (nach Kassel) sogar gleich zwei. Im Hintergrund steht der Regionalexpress nach München. Von 19.28 Uhr bis 0.47 Uhr auf Platz 38 in Wagen 32 des ICE von Nürnberg bis Duisburg. Um 0.11 Zwischenstopp in Köln. Problem: 40 Minuten Aufenthalt in Duisburg, da die S-Bahn erst um 1.27 Uhr kommt. Wie kam's? Zehn Minuten Verspätung!

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VfL Bochum - Borussia Dortmund 3:3 (29.3.2008)

TorjubelTorjubel nach zwei Minuten. Dabrowski, einsnull, besser geht's nicht.

Befürchtet: keine Tore, Regen, Pfiffe. Eingetroffen: sechs Tore, Sonne, Jubel. Ein überraschend guter Tag mit:

SchalSpielnote 2. Ja wer hätte das vorher gedacht?

Remmidemmi

ChoreoStadt- und VfL-Wappen. Der Schriftzug: "Liebe auf den ersten Blick". Große "Choreo".

Also so spät war ich noch nie zu Hause. Naja schon, aber diese bescheuerte Zeitumstellung. Hab in der S-Bahn von Bochum-Langendreer Richtung Mülheim Hauptbahnhof schon ein bisschen geratzt, biege nach zehn Minuten Fußweg in meine Heimatstraße ein, kicke einen Stein Richtung Bürgersteigkante, versuche ihn so zu schlenzen wie Benni Auer in der neunten Minuten, links oben in den Knick, aaaaachhh, herrrrlich, klappt aber um halbsechs nicht mehr so gut. Halbsechs ist es schon. Eigentlich wär's halbfünf. Aber die Zeitumst... Ihr wisst schon. Schließe die Haustür auf, habe eine Melodie auf den Lippen, die ich vorhin noch in der "Matrix" eben in Langendreer hörte. Deichkinds "Remmidemmi", ein In-Song dieser Tage. "Schmeiß die Möbel aus dem Fenster, wir brauchen Platz zum Dancen. Yippi Yippi Yeah Yippi Yeah, Krawall und Remmidemmiiiii!"
Remmidemmi.
Hach was wäre das schön, so eine Saison ohne Remmidemmi. Hab mich in den vergangenen Wochen nur allzu sehr über die sportliche Langeweile beschwert, doch unser Aufsichtsrat bemerkte dieses Problem und dachte sich: "Machen wir den VfL in ganz Deutschland lächerlich." Früh am Morgen, die Sonnenstrahlen klopfen ans Fenster, ich lasse sie rein, blättere die Zeitung durch. Im WAZ-Interview tippt Frank Goosen - der verfolgt mich in den vergangenen Spielen - 2:1 ("Wenn der Nelson Valdez irgendwann trifft, dann gegen uns"). Und er sagt das, was wir alle denken: "Warum? Was hat Stefan Kuntz verbrochen?" Einer der erfolgreichsten und beliebtesten Manager der VfL-Vereinsgeschichte wird völlig ohne Not wegen Nichtigkeiten vergrault. "Unterschiedliche Vorstellungen", heißt das in der offiziellen Stellungnahme beider Seiten. Wir alle schütteln nur den Kopf. Wir alle, die Fußball-Experten Deutschlands, die Journalisten. Alle ziehen das gleiche Fazit: "Der einzige Verlierer ist der VfL". Joo.
Remmidemmi.
Und Krawall. So ein bisschen. Stünde heute nicht ein Revierderby an, es würde ganz gewiss reichlich knallen. Bin gespannt. Okay, Gedanken aus dem Gehirn streichen, wegwischen wie eine vollgekritzelte Tafel mit einem Schwamm. Was ziehe ich heute an!? Bin heute Abend mit BVB-Fan und Volo-Kollege Felix in der Bochumer Matrix verabredet, entscheide mich aber für die Fußball- und noch nicht für die Ausgeh-Klamotten. Die Waffen lauten "Stadionzeitung" in der linken Hosentasche und "Digitalkamera" in der rechten. Los. Gegen wen spielen wir? Ach ja, BVB, gerade schon erwähnt, fast vergessen. Surfe noch ein bisschen zur Spielvorbereitung im Netz. Die üblichen Derbygeplänkel waren auch schon mal größer. Die Dortmunder - egal ob persönlich oder im Netz - versuchen wieder mit dem üblichen "Boooochum interessiert uns nicht" zu punkten, was aber nicht so ganz gelingen mag. In vielen Posts klingt doch ein gewisser Respekt für die Leistung des VfL an. Bleibt es bis Saisonende bei diesem Tabellenstand, beenden wir zum dritten Mal in fünf Jahren eine Saison vor dem BVB - und wir waren ein Jahr in der zweiten Liga. Das ist schon sehr beachtlich. Wir regen uns alle wieder fürchterlich über die BVB-Modefans auf. Zum Pokalfinale kommen alle aus ihren Höhlen, 184.000 wollen eine Karte. Beim Bundesliga-Alltag in Bochum, 20 Kilometer weiter, schickt der BVB von 3.500 Tickets 400 zurück. "In den 80ern", schreibt ein Fan im Forum, "da sind die mit 20.000 gekommen. Aber da gab's noch kein Premiere." Besser hätte ich's nicht formulieren können. Den treuen, jahrzehntelangen BVB-Fans gehen diese Modefans auch auf den Keks. Sagt Felix.
Remmidemmi?
Nein, denn diese "Berlin Berlin wir fahren..." (weiter möchte ich's nicht singen)-Sprechchöre überdecken den sportlichen Misserfolg der vergangenen Jahre. Unverschämtes Losglück - ey, zwei Zweitligsten in Viertel- und Halbfinale ZU HAUSE - beschert dem BVB das internationale Geschäft. "Ohne das Pokalfinale", heißt es, "wäre der Doll längst geflogen." Bin mal gespannt. Wir haben 32 Punkte, der BVB 30, wir sind Elfter, der BVB Dreizehnter. Wahrlich, es gab schon viel, viel, viel wichtigere Derbys. Treffe mich um 13.45 Uhr am Mülheimer Hbf mit Jens und Björn, zwei BVB-Fans (meine Fresse, ich kenne ganz schön viele "von denen"). Jens argumentiert gegen meine "Arroganz- und Modefans"-These. Er hat sich auf der VfL-Homepage eingeloggt und sich seinen Sitzplatz selbst ausgesucht. Abwarten, wie viele Schwarz-Gelbe wirklich auftauchen. Doch interessiert mich das wirklich!? "Dortmund interessiert mich nicht", möchte ich manchmal zurückbrüllen. Gut, wenn der BVB zurückliegt, dann reagierte auch ich mit dem üblichen "Jöööö"-Reflex, und weil ich so viele BVB-Fans kenne, schaue ich schon manchmal genauer hin. Aber der Verein an sich und die Fans insgesamt? Ich finde es einfach nur widerwärtig und beschäftige mich nicht weiter damit. Wir landen immer schön vor dem BVB und das ist inzwischen fast schon Normalität. Jens, Björn und ich erzählen uns Geschichten aus vergangenen Zeiten, zum Beispiel, als vor vielen Jahren ein Bekannter - volltrunken - für eine Minute bewusstlos wurde, weil er sich ein Kondom über den Kopf zog und versuchte, es mit der Nase aufzublasen. Ging natürlich richtig schief, haha. 14.05 Uhr, Bochum Hauptbahnhof.
Remmidemmi.
So viele Polizisten weilten schon seit langer Zeit nicht mehr dort. Die Krawalle aus dem Vorjahr hinterließen doch Spuren, vor der Ultra-Kneipe "Oblomow" in Hbf-Nähe soll es diesmal nicht knallen. Auch der Stadionvorplatz ist bestens gefüllt, muss mich schon um 14.20 Uhr zu meinem üblichen Stehplatz - hinter dem linken Torpfosten - remmidemmiartig durchboxen. Gerd ist da, Sam und Nicole sind da, Lupo ist da, der Professor ist da, die ganze Kompanie ist heiß, will den BVB vermöbeln und mit einer richtigen Reise nach Hause schicken. Die Gästefans treffen nur schleppend ein, sind nur mit "Berlin, Berlin..."-Sprechchören leise zu vernehmen. Sehr leise. Die "Ultras" brüllen bereits 15 Minuten vor dem Anpfiff durchs Megafon. Auch lange nicht vorgekommen. Die Jungs haben eine Riesenchoreographie vorbereitet, informiere Felix, damit er mir per sms mitteilt, was draufsteht. Will sowas ja wissen. Keine Änderung in unserer Startaufstellung, warum auch, drei Unentschieden in Folge, fünfmal ungeschlagen, da haben die Ersatzspieler heute schlechte Karten. Der Altegoer-/Kuntz-Konflikt ist kein Sprechchorthema. DÖÖRBY!!! Anpfiff und es geht wunderbar los. Wundervoll. Zauberhaft. Direkt nach zwei Minuten Freistoß aus halbrechter Position. Alle Langen sind im Strafraum vertreten. Maltritz. Yahia. Dabrowski. Azaouagh schlenzt den Ball aufs Tor, die Sonne steht tief, aber was macht BVB-Torwart Ziegler da? Er lässt die harmlose Flanke in Volleyball-Manier nur abprallen, Dabrowski ist da, TOOOOOOOOORRRR, TOOOOOOORPOGOOOOOOOOOO, hüpfen, scheißegal, dass es um nichts geht, SCHEISSEGAL, ein Tor in der Anfangsphase, unfassbar, unfassbar, unfassbar. "Schwarz-gelbes Tränenmeer", sagt unser Stadionsprecher. Wir spielen einfach nur richtig gut. Die Dortmunder schauen nur hinterher. Immer greifen zwei Bochumer einen Dortmunder an, Riesenlaufleistung. Super. Minute neun. Azaouagh setzt sich auf der rechten Seite gegen Kehl durch, legt den Ball zurück, Auer steht am Elfmeterpunkt frei und NAGELT, NAAAGELT das Ding unter die Latte, JAAAAA, ja isset denn!?? Zweinull! Zweinull! Hüpfen, hüpfen, hüpft, Bochumer, hüpft!
Remmidemmi.
"Der Torschütze: BEN-JA-MIN!" "AUER!" Von den BVB-Fans kommt gar nichts mehr, man, was sind die schwach. "Ich habe", sagt Lupo, "den VfL in einem Heimspiel noch nie einen Gegner in der Anfangs-Viertelstunde so an die Wand spielen sehen!" Und Lupo besucht seit 31 Jahren die Castroper Straße! In Minute 20 kontern wir über Bönig und Sestak - ein Flachpass an den Fünf-Meter-Raum, Dortmund wieder in Not, aber Ziegler rettet vor Auer. Das MUSS das 3:0 sein. Wir verhöhnen den BVB, der nur bei Standards nach vorn kommt. Wörns lachen wir uns, johlen bei jedem gelungenen Pass. Jetzt bloß nicht überheblich werden. Bemerke Felix' Antwort vor lauter Remmidemmi erst in der 23. Minute. "Liebe auf den ersten Blick" stand auf der Riesenchoreo, die wir geschmeidige zwei Minuten in der Luft hielten. Vereinsrekord. Kommen etwas zur Ruhe, Lupo erzählt, dass er als 16-Jähriger von Castrop-Rauxel-Henrichenburg mit dem Fahrrad zum Ruhrstadion fuhr. Und das ist eine ganz schöne Strecke. Vor lauter Freude vergessen wir fast, auf das Spielfeld zu schauen. Dabei lohnt sich das wirklich, das Spiel ist echt lustig, weil ab der 25. Minute auch die Dortmunder mitspielen. Denn ab diesem Zeitpunkt sind die Standards des BVB auf einmal auch gefährlich. Tinga trifft mit einem Kopfball die Latte - puuuh, Glück gehabt, Leute: AUFPASSEN! In der 34. muss Dabrowski gehen, irgendein Dortmunder hat unsern Längsten im Gesicht erwischt. Sofort sage ich zu Gerd (fragt ihn): "Jetzt geht das schief bei Standards!" In der 37. hat Dortmund den ersten Freistoß aus halblinker Position in der Post-Dabrowski-Zeit. Flanke Dede, Kehl entwischt Yahia, steht völlig frei, Kopfball, 1:2. Na super. WAS HABE ICH GESAGT??? Zwei Minuten später wieder Freistoß, diesmal von halbrechts, wieder Dede. Flanke, Petric gewinnt das Kopfballduell gegen Pfertzel, 2:2. Wie leicht kann man ein Spiel herschenken? WIE LEICHT??? Durch zwei ganz bescheuerte Standards! Wahnsinn!!! Ohne Dabrowski geht's nicht, keine Ordnung mehr. Ich möchte mich umdrehen und allen 12.000 in der Ostkurve zubrüllen: SCHAUT HIN! Denn die meisten beurteilen den - zugegeben nicht gerade schnellen - Langen sehr kritisch. Doch wir haben ja noch unseren neuen Torjäger. Zdebel erobert ganz toll den Ball gegen den fahrlässigen Dede, Auer nimmt die Kugel super mit der Brust und versenkt ins lange Eck. HIN UND HER! TOOOOOORRR! 3:2 nach 43 Minuten! Fünf Tore! 3:2!!!!
Remmidemmi.
Halbzeit. Durchpusten. Ganz tief durchpuuuuuuuuuusten. Was für ein Spiel. Mit allem hatte ich gerechnet. Regen, Schnee, Langeweile, 0:0, miesen Sprüchen, schlechter Laune. Dann das. Torpogo vom Feinsten, ein wirklich ganz tolles Fußballspiel mitdementsprechend furchtbaren Abwehrreihen, aber auch einem Supertor - das von Auer steht bestimmt in der "Tor des Monats"-Auswahl. Hoffentlich hat Koller unsere Jungs durchgeschüttelt. Klappt am Anfang der zweiten Hälfte gut. Azaouagh dribbelt sich in der 52. wieder durch die komplette BVB-Abwehr, schießt, aber Ziegler ist im kurzen Eck und wehrt den Ball zur Ecke ab. Dann jagt Azaouagh eine Ecke noch an den Pfosten, rund um die 60. - aber das ist schon alles. Wenig Entlastung. Zdebel muss mit Muskelfaserriss raus, holt sich - clever, clever - noch die zehnte Gelbe Karte ab. Jetzt haben wir nicht mehr drei "Sechser", sondern drei "Zehner" auf dem Platz. Doch Ono ist kaum zu sehen, Epalle bemüht, aber glücklos. Und Azaouagh nach Minute 60 platt. Der kann nicht mehr. Also drückt Dortmund. Zum Glück ist Nelson Valdez - muss bald selbst Goosen zugeben - der blindeste Stürmer der Bundesliga-Stürmer und lässt gute Möglichkeiten ungenutzt. Die beste: Eine Flanke von Dede von links, Valdez steht frei am Elfmeterpunkt, köpft jedoch gefühlte 100 Meter vorbei. Nach Klimowicz-Vorlage trifft Tinga in der 70. zum 3:3, betretene Gesichter in der Ostkurve, wir alle spüren, dass das sogar noch komplett verloren gehen kann, wenn wir nicht aufpassen. Petric vergibt in der 73. den Matchball, weil er nach einer scharfen Flanke von links den Ball nicht richtig trifft. Pffffff, gibt's nicht. 2:0 und 3:2 geführt. Man, man, man. Ich bin richtig enttäuscht. Richtig. In der Schluss-Viertelstunde verflacht's dann etwas, nach einer Ecke köpft Epalle gefährlich, doch Rukavina steht am langen Pfosten gut und haut den Ball Richtung Tribüne. Abpfiff von Schiri Fleischer, wieder Unentschieden, Nummer vier in Folge.
Remmidemmi?
Sie gehen alle. Der Reihe nach. Gerd: "Tschöö!" Sam und Nicole: "Gehst du mit zur Bahn?" Ich: "Nee, ich bleib noch einen Moment." Lupo: "Bis in zwei Wochen!" Der Professor: "München?" Ich: "Jo!" Weiß nicht warum, aber trotz des sehr unterhaltsamen Fußball-Nachmittags mit Teilerfolg bin ich irre enttäuscht. Schaue auf die Tabelle, die auf der Videowand eingeblendet wird. 24 Punkte sind noch zu vergeben, wir haben elf vor dem Tabellen-16. Elf. Und doch befürchte ich Remmidemmi in der Saisonschlussphase. Dabrowski verletzt, Zdebel verletzt, Kuntz weg, jetzt ein Spiel bei den Bayern. Wenn wir das verlieren, heißt es nicht mehr sechsmal in Folge nicht verloren, sondern fünfmal hintereinander nicht gewonnen. Das ist die Gefahr bei so vielen Unentschieden. Schüttel den Kopf, empfange eine sms von Felix, wir verabreden uns zum Essen im Bermuda-Dreieck. Schon nach dem Abpfiff. Hab kein Bock mehr auf Remmidemmi. Sportliche Langeweile ist mir nach diesem Spiel doch etwas lieber. Gehe mit Felix ins "Salsa", esse einen Chickenburger, wir lassen die Polizei-gegen-Ultras-Situation etwas Revue passieren (die Dortmunder "Ultras" heißen "Desperados", wie ich lernen durfte), auch hier: sehr viel Ruhe, trotz Kirmes an der Castroper Straße. Gestalten im VfL- und BVB-Trikot bevölkern den Hauptbahnhof, stoßen sogar an auf das interessante Spiel. Sachen gibt's. Wie sagte Goosen noch? "Schalke ist uns noch näher als Dortmund!" Stimmt. Die Dortmunder ziehen ihre Fans überwiegend aus Hagen, Hamm, dem Sauerland. Ganz anderes Einzugsgebiet. Dortmund interessiert mich nicht. Jetzt nicht mehr für diese Saison. Essen, nach Hause fahren, Fußball- gegen Diskoklamotten tauschen, das Spiel wieder von der Gehirntafel wischen, fällt doch leicht, schaue mir in der aufgezeichneten "Sportschau" noch einmal die Tore an. Um 22.30 Uhr ab nach Bochum-Langendreer. Steige am Hauptbahnhof aus, Felix und ich nehmen den Bus "345", der durch Bochum-Werne fährt. "Ich war schon überall", sagt Felix. "Aber hier noch nie." Richtig viel los, interessante Leute, gute Musik. "Deine Mutter hat gesagt "Tragt nicht soviel Dreck rein"/Auf dem Foto in der Küche sieht sie aus wie Katja Ebstein." Augen zu, Füße bewegen, linke Hand bewegen, in der rechten die Flasche Coke Zero halten. "Yippie Yippie Yeah, Yippie Yeah, Krawall und
Remmidemmi.
Wird halbsechs.
Ein überraschend toller Tag.

Fans
 
Ultrissimo Sam Nicole Lupo
Choreographie Teil eins: Die Vorsänger der "Ultras" peitschen bereits eine Viertelstunde vor dem Anpfiff ein. Premiere in dieser Saison! Zudem organisieren sie ihre Jungs, die die Choreographie vorbereiten... ... Nicole und Sam stehen ebenso unter der Plane... ... wie Lupo, der sein Lieblingsspielzeug präsentiert, nämlich seine klitzekleine Digitalkamera. "Erinnerungen für später", nennt er das. So habe ich meine Homepage noch nie gesehen. Wow.

Das Spiel
 
Torjubel Tafel
Torjubel in der Anfangsphase ist der schönste Jubel. Und wenn's dann auch noch zwei Tore sind - und im Revierderby gegen Dortmund: Dann kann es noch so sehr um nichts bis noch weniger gehen, dann wird gehüpft. Da glaubten wir vorher noch, es würde ein Grottenkick bei spätwinterlichen Kühlschranktemperaturen, und dann steht es nach 43:35 Minuten 3:2 in einem wirklich lustigen Kick - und das alles bei geschmeidigen 15 Grad.
acappella Laterne
Halbzeit: Diesmal mit keinem unsinnigen Spiel, sondern mit dieser A-cappella-Gruppe. Am Anfang noch ein Fall zum "Fremdschämen", aber als die Jungs Richtung BVB-Kurve "Ihr habt bezahlt, ihr könnt jetzt gehen" schmetterten, da hatten sie gewonnen. Dürfen wiederkommen! Meine Frage: Was hätten die bei einem Rückstand gesungen!?? Heimweg: Die Laterne, die den Weg Richtung "zu Hause" weist, leuchtet. Nicht rot. Aber nach dem Abgang von Kuntz bin ich mir nicht mehr sicher, ob wir das nie wieder erleben werden.

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FC Bayern München - VfL Bochum 3:1 (6.4.2008)

TafelTräumen von der großen Sensation...

1:3 in München ist völlig normal. Doch wir verlassen das Stadion frustriert, traurig und enttäuscht. 1:0 geführt und 64 Minuten in Überzahl gespielt. So groß war die Chance auf einen "Dreier" noch nie

Elfmeter ... doch Ribery verwandelt einen Elfer zum 2:1 und wir wachen auf!

Konstruktion

NachhauseUnd so sehen zufriedene Bayern-Fans nach dem Abpfiff aus!

Gehen ist das nicht. Trotten viel eher. Drehe mich im Trottgang um, schaue noch einmal Richtung Allianz-Arena, hole meine Digitalkamera aus der Tasche, halte wahllos in die Menge und erinnere mich einen kurzen Augenblick an den gestrigen Vormittag auf dem Olympiaturm, als ich die Arena nur mit Zoom entdecken und abknipsen konnte. Schaue Dirk und Thommy an, meine Begleiter. "Kenn da einen Geheimweg", sagt Dirk und zeigt uns ein paar Umwege Richtung U-Bahnhof "Fröttmaning". Dirk findet das Stadion toll, vor allem aus der Luft. "Ich bin einmal abends nach München geflogen, in der Dunkelheit, an einem Spieltag. Da leuchtete der Reifen ganz in Rot." Lokalpatriotismus ist das schon fast. Thommy lauscht kaum, schüttelt fortwährend den Kopf. Ich packe meine Digitalkamera wieder ein, atme tief ein und kaum hörbar "Aaaaah ja" schnaufend wieder aus. Wir haben 1:3 bei den Bayern verloren. So weit, so erwartet, so normal. Doch wir sind tief erschüttert, weil wir den "Dreier" hätten mitnehmen müssen. Wir. Das ist besonders.
Giesing, am Vormittag
Beginne den Tag in München-Giesing. "Wenn du ehrliche bayerische Arbeiterkneipen suchst, dann musst du nach Giesing fahren", hat Dirk gesagt. Giesing, das sind Wohnblöcke, Giesing, das ist Schotterufer an der Isar, Giesing, das ist Sechzig. Oder auch "Sechz'ger" genannt. "Die Bayern-Fans kommen alle aus dem Umland. Die wahren Münchner gehen zu Sechzig", lautet die allgemeingültige Fußballregel. So falsch ist die gar nicht. Prozentual. Stehe etwas später auf, die erste Woche meines Praktikums hat eben doch schön geschlaucht und vertreibe mir die Zeit beim DSF-"Doppelpass". Udo Lattek redet wieder irgendeinen Stuss, wahrscheinlich, dass jede Mannschaft einen Drecksack braucht, der ordentlich dazwischenhaut. Sagt der in jeder Sendung. Oder wie hart er früher durchgegriffen hat, ob bei Gladbach, Barcelona oder Bayern. In den Werbepausen folgt die Ankündigung für die Abendsendung, mit Berichten zu den Spielen Bayern/Bochum und Dortmund/Leverkusen.. "Es geht um die Meisterschaft", heißt es da, als das Bayern-Wappen gezeigt wird, "Es geht um die Champions League", heißt es beim Leverkusener Wappen, "Es geht um ein Ende der Krise", heißt es beim BVB-Wappen. Werbung zu Ende. Der VfL wird nicht mit einer Silbe erwähnt. Im übrigen auch längst nicht im Doppelpass. Alle reden von neun Punkten Vorsprung, dabei müssen die Bayern uns erst einmal schlagen. Vor einem Jahr, da zählten wir auch nichts. Resultat: 0:0 - und Magath flog raus. Um punkt 13 Uhr packe ich mir meinen Rucksack und meine Arbeitstasche und ziehe um. Wieder einmal.
Innenstadt, am Mittag
Laufe durch Giesing Richtung "Candidplatz", nehme die U1 Richtung "Olympia-Einkaufszentrum" bis "Hauptbahnhof". Das Hotel liegt in der schmierigen Bahnhofsgegend. Ein Hostel reiht sich ans nächste, zwischendurch sorgen endlos viele Dönerläden für Ablenkung im Straßenbild und schicke bunt angeleuchtete Läden mit der Werbeschrift "Ab 18" bieten Eventcharakter. Um 13.30 Uhr ist mein Zimmer noch nicht eingerichtet. Vertreibe mir eine Stunde im Münchner Hauptbahnhof, schaue den Zügen nach, die nach Landshut, Augsburg, Stuttgart, Nürnberg, Mailand fahren. Aus jedem Regionalexpress steigen Bayern-Fans aus, was die "Kommen alle aus dem Umland"-These unterstreicht. Zudem sind die meisten "U 12" und erscheinen mit Daddy an der Hand. Noch so ein Klischee, das ich bei JEDEM meiner Aufenthalte in München wieder erwähnen muss. Schlinge eiligst ein Schoko-Croissant herunter und schlürfe heißen Kaffee, da ist's halbdrei. Mein Zimmer liegt in einem Hinterhof, die Tapete bröckelt ab, der Schrank hat keine Tür mehr, aber es ist so verflucht billig. Jetzt weiß ich auch warum... Fußball.
Fröttmaning, am Spätnachmittag
Treffpunkt Redaktion. Dachte, ich müsste heute nicht arbeiten, na egal, ist es ja auch nicht. Wobei: Ist Fußballfan zu sein wirklich keine Arbeit? In Dirks Büro, er ist nämlich mein Chef in diesem Monat, warten mein Bruder und Thommy aus Köln, ein Filmemacher, Kino und Fernsehen. Der kommt aber nicht mit, hat für Fuppes nix übrig. Manchmal denke ich: "Der hat's gut." Um kurz vor drei machen wir uns aus dem Staub. Thommy, mein Bruder, hat noch Kohldampf. Wir steigen am "Sendlinger Tor" in die U6 Richtung "Fröttmaning", aber an der "Münchner Freiheit" wieder aus. Warum die so heißt, kann selbst Dirk nicht beantworten, und der wohnt seit 13 Jahren hier. Die U-Bahn-Haltestelle wird "Münch E ner Freiheit" geschrieben, das Straßenschild nicht. Bezeichnend. Irgendwo mampft Thommy einen Döner, bis zum Englischen Garten ist es nicht weit, aber bei diesen kühlen Temperaturen - wann wird's mal endlich wieder Frühling - ist ein Besuch dort kein besonders großer Spaß. Zurück zur "Münch(e)ner Freiheit", wieder rein in die U6. "Ich bin zuletzt oft zur Arena gefahren. Entweder wir sind viel zu früh oder die Bayern denken: Wir gewinnen das sowieso". Wie schon im vergangenen Jahr findet es Dirk enorm leer in der Bahn. Nach einer endlosen Viertelstunde steigen wir im Vorort Fröttmaning aus, am Bahnsteig warten schon Schwarzmarkthändler. Undenkbar vor einem Jahr. "In der letzten Saison", klärt uns Dirk auf, "war es unmöglich, Karten für normale Preise zu bekommen." Dauerkarten gibt's sowieso nur für VIP's, Klub- und Fanklub-Mitglieder - der Rest geht an die Gäste. Dirk: "Es war schick, die Arena gesehen zu haben, vor allem architektonisch." Bei ebay musste jeder Interessierte mit mindestens 100 Prozent Aufschlag rechnen. Auch heute ist das teilweise so. Da ist es vor dem Stadion vielleicht sogar leichter. Und billiger. Angekommen, trotz der Krawalle gestern beim Spiel Frankfurt gegen Nürnberg (musste fast abgebrochen werden), sind die Kontrollen erstaunlich human, wie vor einem Jahr stören mich die drei Millionen Treppen, die wir hinaufsteigen müssen. Wir sitzen in der fünftletzten Reihe im obersten Rang. Also direkt unterm Dach. "So hoch habe ich noch nie gesessen", sagt Dirk.
Der hat sogar inzwischen - wie er zugibt - ein "bisschen Sympathie für Bayern entwickelt". Ein guter Freund ist Bayern-Fan und nimmt ihn oft mit. Er glaubt zwar, dass Klinsmann scheitert und die nächste Saison nicht überlebt. Aber dennoch - sagt er - bräuchten die Bayern einen Typen wie Klinsmann,.weil der Schlagzeilen und Spektakel garantiert. Da würden die Fans auch eine titellose Saison akzeptieren. Hitzfeld dagegen stehe für Titel, aber auch für Langeweile, für 1:0- und 2:1-Fußball. "Der Wunschtrainer der Bayern ist Augenthaler. Den mögen hier alle", fügt er an. Die Spieler laufen sich warm, für die verletzten und gesperrten Dabrowski und Zdebel spielen Fuchs und Schröder. Die Arena ist wie vor einem Jahr komplett stimmungstötend. Bestimmt 500 Bochumer haben ihre Oberrang-Karten auch bei ebay verkloppt, so dass die Sitzplätze in etwa so angeordnet sind: fünf Bochumer, zwei Bayern, ein Bochumer, ein Bayer, vier Bochumer, ein Bayer. Der Vorsänger der Ultras muss heute ohne Megafon auskommen, wurde ihm vermutlich abgenommen. Das Stadion ist so groß, hoch und weit, dass die Sprechchöre mutmaßlich gar nicht bis auf den Rasen dringen. Wir stellen fest, dass irgendjemand ein Lied auf Oliver Kahn geschrieben hat. Und dann geht's auch schon los.
In der vierten Minute rammt Azaouagh die Kugel aus 30 Metern Entfernung in den Giebel.
TOOOOOOOOOOOOOOOOOORRRR!
Wir fassen uns an die Rübe, glauben es nicht.
Was für ein Ding. Was für ein Traumtor. Lange nicht gesehen. Wir führen 1:0 bei den Bayern. "Allein dafür hat es sich gelohnt", sagt Thommy. Alle denken so.
"Wahnsinn, was Koller aus dieser Truppe gemacht hat", sagt Thommy. "Wahnsinn." Wir spielen wirklich überragend, gewinnen etliche Zweikämpfe, Azaoaugh überragt. "Glatt 1,0", sagt Thommy nach 15 gespielten Minuten, als Ribery schon zwei sehr gute Chancen ausgelassen hat. Wir kommen offensiv nicht mehr so oft vor. Eine Ecke erarbeiten wir uns, stehen zudem dreimal im Abseits - ein Zeichen, dass wir wenigstens die Mittellinie überschreiten. "Können die Bochumer mal mit dem Unsinn aufhören?", tickert Dirks Bayern-Fan-Kumpel per sms. Die 26. Minute beginnt, als van Bommel Schröder im Mittelkreis von den Beinen holt.
Gelb-Rot.
1:0, 64 Minuten Überzahl und die Bayern sind UEFA-Cup-geschlaucht. Wir werden doch nicht...
Teile das meinem Volo-BVB-Fan-Kumpel per sms mit und der hat direkt Befürchtungen, wir würden die Bayern so wütend machen, dass die sich im Pokalfinale abreagieren. "Wie geil der van Bommel", fügt er noch an. Die Bayern starten leider einen zehnminütigen Sturmlauf. "Wir haben sie gereizt", tickere ich zurück. Zwei Minuten später gewinnt Lucio nach einem Schweinsteiger-Freistoß von halbrechts das Kopfballduell gegen Yahia und erzielt das 1:1. Verdient ist das. Ohne Dabrowski sind wir anfällig ohne Ende. Irgendwie retten wir uns dann doch in die Halbzeit, applaudieren laut, obwohl's am Ende nicht applauswürdig war.
Zweite Halbzeit, Schock. Azaouagh, unser Bester, muss verletzt raus. "Vor einer Woche haben sie uns Dabrowski kaputt getreten und jetzt Azaouagh", stellt Dirk fest. Jawoll. Die VIP's betreten ihre Plätze erst fünf Minuten nach Wiederanpfiff - deshalb ist 1/4 des Stadions bis zur 50. leer. Wahrscheinlich ziehen sich die Bayern deshalb zurück. Ja, das machen sie wirklich. Gegen Bochum!! Bis zur 60. Minute kontrollieren wir das Geschehen. Tatsächlich! Wir haben das Ding im Griff. Mehr als zwei Gewaltroller von Auer in die Arme von Kahn bekommen wir aber nicht auf die Reihe. Fünftes Unentschieden in Folge? Ab der 60. schimpft Thommy im Sekundentakt. Da lassen wir enorm nach. Enorm. Ribery schlenzt vom Sechzehner, Lastuvka segelt und boxt die Kugel aus dem Winkel. Ein "Torwart-Ball", wie es so schön heißt. "Wir betteln um das Gegentor", resümiert Thommy. Ich sage schon lange nichts mehr. Genau wie die 2000 anderen Bochumer, während die Bayern-Fans lustig ihre Fahnen schwenken. Dirk analysiert das Spiel: "Ist ja das erste Bochum-Spiel für mich in dieser Saison. Ich wusste nicht, dass der Auer so schlecht und der Maltritz so super ist", sagt er. "Im Fernsehen kommt das immer anders 'rüber". Auer verliert tatsächlich jeden Zweikampf gegen Lucio und Demichelis. In der 73. springt irgendeinem Abwehrmann von uns der Ball an die Hand, Dirks Kumpel tickert sofort: "Klares Handspiel". Elfer. Ribery rechts unten, Lastuvka springt richtig, aber nicht richtig genug, 2:1. Das war's. Das lassen sich die Bayern nicht mehr nehmen. Zwar tauchen Luca Toni und Lukas Podolski kaum auf, aber dennoch schaukeln sie das Ding nach Hause, Hitzfeld setzt wieder auf 2:1-Fußball. "Die mauern gegen BOCHUM!", mault ein Bayern-Fan hinter uns. Nur einen Geistesblitz haben die Rot-Weißen noch. Klose spielt den Ball mit der Hacke in den Strafraum und leider genau in den Lauf von Lell, der humorlos mit 120 km/h verwandelt. 3:1, verloren, Thommy schimpft inzwischen richtig laut. RICHTIG laut. "1:0 und Überzahl. Wir sind Bundesligaverein, selbst bei den Bayern muss das reichen. Man!!! Man, man, man!!!!" Abpfiff, schnell verschwinden. "Die Stimmung war heute besser als sonst", sagt ein Bayern-Fan auf dem Treppenabgang. Wahnsinn, das war schon gut? Zu vernehmen war von der anderen Seite nicht wirklich irgendwas. Stimmungstötend. Ich erinnere Thommy an seinen Spruch mit den ersten fünf Minuten, er will nichts mehr davon hören.
Wir schauen in unseren Gedanken auf die Tabelle. Alle Kellerkinder haben gewonnen, unser Vorsprung beträgt nur noch neun Punkte. "Wenn wir alles verlieren", sagt ich laut denkend. "Also jetzt hört mal auf", fährt Dirk in die Parade. "Ihr konstruiert doch jetzt gerade Abstiegskampf." Stimmt. "Wir Bochumer brauchen das!", sage ich. "Es muss doch noch um etwas gehen." In Spielen gegen Hertha, Duisburg und Rostock sowie in Bielefeld und Karlsruhe sollten wir die noch fehlenden vier Punkte noch fehlen, obwohl 3/4 unseres Mittelfeldes verletzt ausfällt. Dabrowski, Zdebel, Azaouagh, Ono - alle innerhalb von sieben Tagen schwer verletzt. Buh.
Neuhausen, am Abend
"Parken kostet hier einen Zehner. Haben die Bayern mal eben am Anfang der Saison von fünf auf zehn Euro erhöht", sagt Dirk. "War auch noch nie mit dem Auto hier." Wir bekommen direkt eine Bahn, steigen wieder an der "Münchener Freiheit" aus, weil Thommy erneut ein Hungergefühl verspürt. Wieder beim gleichen Dönermann kehren wir ein, ordern diesmal ein Stück Pizza. Wir laufen durch Schwabing bis zum Hohenzollernplatz, Dirk zeigt uns, wo Maxim Biller wohnte, ziehen für 30 Cent eine Abendzeitung, die seit heute in einem neuen Layout erscheint. Wir reden über die zahlreichen Busse, die wir auf dem Arena-Parkplatz erblickten. "Spricht für die These, dass fast alle Bayern-Fans aus dem Umland kommen." Die Busse kommen sogar aus Italien. Und dem Ennepe-Ruhr-Kreis. Am Hohenzollernplatz steigt eine 20-köpfige Gruppe aus Italien zu. 20! Wir fahren quer durch die Stadt, die Niederlage sackt nur langsam bis in den Darmtrakt, in Neuhausen kehren wir im "Löwengarten" ein. Hat nichts mit Sechzig, sondern mit Löwenbräu zu tun.
Trinke "Kracherl Cola-Mix".
Denke an meine Konstruktion. Wird es wirklich noch einmal eng?
 
Bahnhof Eintrittskarte
Drei Stunden vor dem Anpfiff. Mein Hotelzimmer in Hauptbahnhof-Nähe ist noch nicht vollständig eingerichtet, deshalb vertreibe ich mir die Zeit mit einem Kaffee und stehe ein bisschen am Hauptbahnhof herum. Die Züge fahren in die abenteuerlichsten Regionen Bayerns. Und nach Mailand. Natürlich checke ich alle zwei Minuten, ob die Eintrittskarten noch in meiner Hosentasche stecken und stelle jedes Mal fest: Ja, stecken sie. Das Stadion ist wieder restlos ausverkauft, selbst für ein Spiel gegen Bochum sind die Schwarzmarktpreise exorbitant.
begleiter Einlaufen
Meine Begleiter - hier 45 Minuten vor dem Anpfiff fotografiert - waren mein Bruder Thommy und mein jetziger Boss, den ich aus urheberrechtlichen Gründen aber nicht vollständig zeige. Schon bei unserem letzten Auftritt hier staunte ich über die Größe der Allianz-Arena und ließ Euch daran teilhaben - doch jetzt muss ich es einfach noch einmal sagen: Schon riesig, diese Schüssel...
Einlaufen again VIP
... denn wenn ich dieses Foto in der normalen Einstellung, ganz ohne Zoom, zeige!?!?!! Dieses Bild entstand fünf Minuten nach Anpfiff der zweiten Halbzeit. Der Großteil der Haupttribüne ist noch komplett leer, deshalb ist die Stimmung auch ziemlich mies. Für viele Münchner ist es eben ein Statussymbol, zum FC Bayern zu gehen. Da interessiert ein popeliges Spiel gegen den VfL Bochum nur am Rand.

Der aktuelle Aufenthalt

Weitere Bilder und Texte zum Praktikum in München im April 2008 stehen HIER !

Weitere Links zum Thema "München" auf dieser Seite:

30. Januar 2007: FC Bayern München - VfL Bochum 0 : 0 - Spielbericht HIER !
29. Januar bis 3. Februar 2007: Südost-Rundreise, u. a. München - Blog HIER !
13. März 2006: TSV München 1860 - VfL Bochum 0 : 1 - Spielbericht und Blog HIER ! (u. a. Englischer Garten im Schnee, Innenstadt rund um Marienplatz, zum ersten Mal Allianz-Arena)
21. bis 23. April 2005: München-Kurzurlaub - Blog HIER ! (u. a. Englischer Garten "normal", Ludwig-Maximilians-Universität, zum letzten Mal Olympiastadion, Deutsches Museum, Isarufer, Flughafen)
23. April 2005: FC Bayern München - VfL Bochum 3 : 1 - Spielbericht HIER !
5. Oktober 2002:FC Bayern München - VfL Bochum 4 : 1 - Spielbericht HIER !
4. bis 6. Oktober 2002: Kurz-Urlaub nach München - Blog HIER ! (u. a. Rückfahrt mit dem Wochenend-Ticket) - Special Oktoberfest HIER !

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VfL Bochum - Hertha BSC Berlin 1:1 (12.4.2008)
(eingebettet in mein Volo-Praktikum bei jetzt.de in München)

BerlinIch beginne dieses Ergebnis zu hassen!

An alle Spieler: Note sechs wegen Fanfolter und Zuschauerverarsche. Fünf Unentschieden aus den vergangenen sechs Spielen. Und dafür fliege ich aus München ein...

AbpfiffBravo. Unentschieden. Ich juble.

Ein Grottenkick

Zwei StarsDie zwei wahren Stars des Nachmittags.

Sonntag
Die "Bild am Sonntag" habe ich nie gekauft. Nicht einmal im Urlaub, nicht einmal im noch so entlegensten Fleckchen dieser Erde. Selbst wenn ich allein auf einer einsamen Insel wäre und ich nur die "Bild am Sonntag" lesen könnte, ich würde es verweigern. Als ich am heutigen Sonntag, am Tag nach diesem unglaublich furchtbaren Fußballspiel, am Flughafen Köln/Bonn eintreffe, und noch 65 Minuten bis zum Abflug vertrödeln muss, ja, doch, da betrete ich den Flughafen-Zeitungsladen und blättere absichtlich in der "Bild am Sonntag" herum. Will doch schließlich wissen, wie die Kollegen das Spiel bewertet haben. Finde den Bericht. Schaue ans Ende. Die Bild-Bewertungsskala reicht von "1 Fußball" bis zu "5 Fußbälle". Das heißt: "Mehr davon! Weltklasse!"
Unser Spiel hat einen Fußball.
Das heißt: "Grottenkick".
Ich bin tatsächlich einer Meinung mit einem Springer-Journalisten.

Samstag
Heimaturlaub. Dass ich dieses Wort einmal im Laufe meiner Journalistenkarriere schreiben darf... Nach zwölf Nonstop-Tagen in München, zwölf rasanten Tagen (wie ihr HIER nachlesen könnt), weile ich zwei Nächte im Ruhrgebiet, um die Liebste zu sehen, um Klamotten auszutauschen, um durchzuatmen. Ach komm, und ihr wisst's doch: Genau, und damit ich bloß kein Heimspiel des VfL verpasse. Rational zu erklären ist so etwas nicht. Es geht um gar nichts mehr, da kann ich noch so sehr gewollt Abstiegskampf konstruieren, dazu kommt mit Hertha BSC Berlin der weißgott unattraktivste Gegner von allen ins Ruhrstadion. Stadionkumpel Gerd ist auch nicht da, also könnte ich doch eigentlich diesmal auch bläuen. Könnte. Denn natürlich mache ich's nicht. Das ist mein Laster, meine Sucht. Andere trinken zu viel Alkohol, die nächsten spielen und spielen und hören nicht mehr auf damit, die übernächsten rauchen bis die Lunge schwarz ist. Und ich schaue mir diesen Verein an, auch wenn eigentlich alle Argumente dagegen sprechen. US-Komiker Jerry Seinfeld, in seiner gleichnamigen Comedyshow aus den 90ern Fan des Baseballklubs "New York Yankees", hat mal die Frage aufgeworfen, von was Fans überhaupt Fans sind. Denn Spieler und Vorstände wechseln durchschnittlich im Drei-Jahres-Rhythmus. Von der Tradition? Vom Wappen? Vom Trikot? Vom Stadion? Ach scheißegal, mag nicht mehr darüber nachdenken, diese Art von Liebe ist eben rational... lies nach oben! Jetzt bin ich da, bin ich hier, Fußball. Oliver Kahn hat über 800 Pflichtspiele im Profibereich absolviert und trotzdem beim unfassbaren 3:3 im UEFA-Cup-Spiel in Getafe am Donnerstag etwas völlig Neues erlebt. Wie sagte er noch? "In zehn Jahren werden wir nicht über unseren Champions-League-Sieg 1999 reden, sondern über Getafe." Und vielleicht erleben wir ja heute unser Getafe. Stellt Euch vor, ich wäre dann nicht dabei...
Solche Hinfahrten zum Stadion sind echt berechenbar. Straßenbahnfahrer Stephan kommt zwar erst später, weil seine D-Jugend von Tuspo Saarn noch spielt, dafür steht sein bester Kumpel (mist, wie heißt der noch?) am Mülheimer Hauptbahnhof, mit Rangers-Schal. Er erzählt die Geschichte vom BVB-Spiel, als er zu Hause ankam, ohne zu wissen wie. "So voll war ich". Aus Gelsenkirchen macht er "Gesellenkirchen", kotzen heißt "Plätzchen gelegt" (lang nicht mehr gehört). "Steigen wieder immer mehr Bochumer in Mülheim ein", analysiert er. "Wär doch schön, wenn wir eine gesammelte Hinfahrt hinbekommen würden. Treffpunkt immer zwei Stunden vorher am Bahnhof. Und dann mit 20, 25 Mann zum Stadion." Gehe nicht auf den Vorschlag ein.
In der 308 zum Stadion treffe ich einen Redakteur von derwesten.de. Ihm schrieb ich noch gestern aus München, aus der jetzt.de-Redaktion. Er kann kaum glauben, mich in den Bahn sitzen zu sehen. "Was machst du hier?" "VfL gucken! Ich kann doch kein Heimspiel verpassen!!!" "Du bist bescheuert! Total bescheuert!" Vor dem Stadion ist wenig los, im Stadion noch viel, viel weniger. Nur die Erstsemester-Studenten der Ruhr-Uni Bochum retten die 20.000er-Marke, und die sind umsonst drin. Sam kommt auch, aber fragt sich schon vor dem Anpfiff, warum. Aus Berlin sind keine 700 da, das ist auch ein ganz, ganz schlimmer Modefan-Verein. Der "Professor" - erst ganz kurz vor dem Anpfiff versammeln sich alle Schäfchen - erzählt von München, dass er von Münchner Freunden Tickets fürs Pokalfinale in einer Woche ergattert hat. Fußball soll auch noch gespielt werden, irgendwie nebenbei. Kurz auf unsere Aufstellung geschaut, Koller setzt tatsächlich auf die elf Versager, die in München das 1:0 trotz Überzahl nicht retten konnten. Bei Hertha BSC fehlt Pantelic. Die Berliner haben ohnehin schon den schwächsten Sturm der Liga, und dann auch noch ohne den mit Abstand gefährlichsten Mann?? "Also die schießen garantiert kein Tor", sage ich. "Wir haben Lastuvka drin, das vergisst du immer", antwortet einer aus der Runde.
Apropos Torwart: Jaroslav Drobny, in der Rückrunde der vergangenen Saison unser Super-Rückhalt, kehrt erstmals nach Bochum zurück. In Berlin ist er aber genauso beliebt wie Lastuvka bei uns, allein der Blick auf den Gehaltsscheck entschädigt ihn für all den Hohn und Spott. Von uns wird er aufgrund dieser wahnsinnigen Söldnermentalität gnadenlos ausgepfiffen. Ja, er hat den VfL benutzt, ja, mit voller Absicht, ja, Söldner, ja, wes Brot ich ess, des Lied ich sing, ja, Drobny ist blöd. Ich pfeif mit. Oder ich würde, wenn ich's könnte. Drei Minuten ist's bis zur ersten Ecke für uns ganz munter. Danach wird es der fürchterlichste, brutalste Kick im Ruhrstadion in dieser Saison. Ganz, ganz schlimm. Gut, dass ich beim Fußball etwas besonnener bin als mein werter Herr Bruder (heute in Brüssel weilend), sonst hätte ich nach zehn Minuten schon zwei Herzinfarkte zu verarbeiten. Was unsere Jungs auf dem Rasen veranstalten, geht ganz nah in Richtung "Arbeitsverweigerung". Aber da die Berliner die Arbeit genauso einstellen, wird es ein zweikampf- und chancenloses Gewürge. Ziemlich laut für meine Verhältnisse moniere ich das körperlose Spiel unserer Abwehr. "Was ist das da?" ist der einzige Satz, den Sam 40 Minuten lang von sich gibt. Das Stadion schweigt. Aus gutem Grund. Auf dem Platz sieht das dann so aus: Lastuvka hat den Ball bei einem Abschlag, und schlägt ihn gaaaanz weit nach vorn. Dort steht Auer allein gegen Arne Friedrich und Josip Simunic (ohne Pantelic ist die Innenverteidigung Herthas Herzstück) und verliert das Kopfballduell natürlich. Ich zähle laut mit: VIERMAL passiert das in den ersten 25 Minuten und Lastuvka merkt's nicht. Der vor einer Woche zurecht hochgelobte Azaouagh spielt sehr, sehr überheblich. Schröder und Fuchs auf den Außenpositionen der Mittelfeld-Raute sind ein mehr als schlechter Ersatz für Zdebel und Dabrowski. Warum bekommt Epalle keine Chance? Und Sestak: Ein Schatten seiner Hinrunden-Tage!
Dass dieses Ding 0:0 ausgeht, bezweifelt schon nach wenigen Minuten kaum ein Zuschauer mehr. Doch in der 28. Minute schlägt's auf einmal doch ein. Irgendein Hertha-Winterpausen-Nachkauf, Skalec, Kaclek, Kalcek, Kadlec oder so ähnlich, bringt einen Freistoß aus halbrechter Position, etwa Höhe Mittellinie, hoch in den Strafraum. Keiner geht hin! KEINER! Typisch für dieses Spiel!!! Niemand will den Ball haben, böööh, wozu auch! Leider ist der Ball so fein geschlenzt, dass er im langen Eck einschlägt. Ja, Lastuvka, da guckste blöd, was? 0:1, oder nullzulastuvka, wie die Lastuvka-Kritiker in der Kurve sagen. "So einen guten wie den van Duijnhoven", sagt ein Vater rechts unter mir zu seinem kleinen Sohn, "den hatten wir seitdem nicht mehr im Tor." Rückstand, gegen diese blinde Hertha. Unglaublich. Unsere gurken weiter, vor Entsetzen pfeifen wir nicht einmal, sondern schweigen. Hier ist nicht "Enjoy the silence", hier ist "The Silence". Standardsituations-Gott, hilf! Nichts mag uns einfallen, ein Imhof-Fernschuss, den Drobny in der 37. aus dem Giebel fischt, ist unsere erste Torchance. Dabei sind wir eine der heimstärksten Mannschaften der Liga! In der 42. bekommen wir einen Freistoß in Strafraumnähe, halblinke Position. Azaouagh flankt, schwach für seine Verhältnisse, doch Simunic (eigentlich Herthas Bester!) springt am Ball vorbei und unser Anthar Yahia nickt ein. 1:1, von Torpogo sind wir aber weit entfernt. Es schalalaaaat sehr leise. 1:1 zur Pause. "Wie schlecht". Der Auftritt zweier achtjähriger Jungs, die einen Slalomparcours mit dem Ball gekonnt absolvieren, ist der Höhepunkt des Nachmittags. Wir wissen es schon jetzt. So technisch beschlagen hat sich niemand der 22 Spieler angestellt.
Die zweite Halbzeit wird noch viel schlimmer als alles, was ich bisher in dieser Saison sah. Gleich zweimal betteln wir um ein Gegentor, aber bei Hertha fehlt eben Pantelic. In Minute 48 köpft Mineiro an den Pfosten, und in der 64. läuft irgendein Berliner ganz blank auf unser Tor zu, nachdem Yahia in bester F-Jugend-Manier voll über den Ball gesäbelt hat, doch Lastuvka rettet die Situation und pariert. Man, sind die Berliner blind. Eigentlich muss das 1:2, 1:3 stehen. Ich flehe die Spieler, die Trainer, die Fans an: Bitte ein Tor! Egal für wen! Auch für Hertha, mir egal! Hauptsache kein Unentschieden mehr! Es wäre das fünfte in den vergangenen sechs Spielen. Ich KANN UNENTSCHIEDEN NICHT MEHR SEHEN!!! Eine einzige Gelegenheit bekommen wir noch. Der eingewechselte Belik empfiehlt sich nicht gerade für einen neuen Vertrag, als er freistehend aus fünf Metern den Ball drüberhaut. Symptomatisch. Für das Highlight in der zweiten Halbzeit sorgt unser Torwart, der sich in Minute 66 einen Muskelfaserriss holt und sich auswechseln lässt. That's it. Abpfiff. Chancenverhältnis 3:3, Spielnote glatt fünf, mit Bundesliga hatte das wenig bis gar nichts zu tun. Wahnsinn, dass wir für diese Grütze noch einen Punkt bekommen. Normalerweise müssten beide Mannschaften einen Punkt abgezogen bekommen, wegen Fanfolter und Zuschauerverarsche.
Sam durchbricht "The Silence", indem er von seiner Abendgestaltung erzählt. Mit seinen Schwiegereltern vertilgt er einen Mettigel. "Wenn das keine Integration ist." Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll und rufe MSV-Fan Helmut an, der mit seiner Mannschaft 1:0 in Hamburg gewonnen hat und wieder vom Klassenerhalt träumt. Ich teile ihm meine Sorgen mit und er würde mich am liebsten in die Fußballfan-Psychatrie überwiesen. Wir haben acht Punkte Vorsprung, ein leichtes Restprogramm, ein sehr gutes Torverhältnis - und überhaupt sind nur noch 18 Zähler zu vergeben. "Andreas, sieh es ein: Ihr erlebt eine so entspannte Restsaison wie seit vielen Jahren nicht." Ich mag es kaum glauben, vor allem nach solchen Spielen nicht. In der Bar "Lounge" im Bermuda-Dreieck trinken meine Liebste, ein anderes Pärchen und ich Cocktails, im Fernsehen läuft die Premiere-Sendung "Alle Spiele, alle Tore".
Beim VfL-Spielbericht bin ich nicht einmal abgelenkt.
Sondern unterhalte mich weiter.

Sonntag
"Grottenkick" bewertet also "Bild". Sitze schon längst wieder im Hotel Modern in München, lausche "Fear of sleep" von den Strokes und plane die nächsten zwei Wochen. Am Dienstag spielt der VfL in Wolfsburg, erstens verlieren wir da grundsätzlich immer, zweitens ist es das zweite Rückrundenspiel, das ich nicht sehen kann - wäre etwas weit aus München. Nächstes Wochenende ist DFB-Pokal-Final-Pause, übernächste Woche kommt der MSV Duisburg ins Ruhrstadion. An einem Samstag um 15.30 Uhr. Da läuft mein Praktikum in München noch.
Ich werde trotzdem da sein.
Rational zu erklären ist das nicht.
 
Lastuvka Wechsel
Chronologie eines Torwartwechsels. Irgendwann in den 60er Minuten: Lastuvka fasst sich nach einem Zusammenprall mit einem Hertha-Spieler an den Oberschenkel, wird zwei Minuten lang behandelt. Dann deutet er an: "Geht weiter". Doch fünf Sekunden später, als er den Ball bei einem Maltritz-Rückpass annehmen und weiterspielen soll, merkt er... ... dass es doch nicht mehr weitergeht. Von den Ärzten lässt er sich vom Platz geleiten und durch René Ich-hab-gerade-meinen-Vertrag-bis-2010-verlängert-Renno ablösen. Renno hält wenigstens die "0", oder besser: die "1". Lastuvkas Diagnose: Muskelfaserriss.

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VfL Bochum - MSV Duisburg 1:1 (26.4.2008)

... ist im VfL-Tagebuch 2007/2008 - TEIL 6 nachzulesen !

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Arminia Bielefeld - VfL Bochum 2:0 (3.5.2008)

... ist im VfL-Tagebuch 2007/2008 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Schalke 04 0:3 (6.5.2008)

... ist im VfL-Tagebuch 2007/2008 - TEIL 6 nachzulesen !

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Karlsruher SC - VfL Bochum 1:3 (10.5.2008)

... ist im VfL-Tagebuch 2007/2008 - TEIL 6 nachzulesen !

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VfL Bochum - FC Hansa Rostock 1:2 (17.5.2008)

... ist im VfL-Tagebuch 2007/2008 - TEIL 6 nachzulesen !

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am 20.5.2008
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